Index
10 VerfassungsrechtNorm
B-VG Art144 Abs1 / Befehls- und Zwangsausübung unmittelb Ausübung nicht erfolgteLeitsatz
Gesetz zum Schutze der persönlichen Freiheit; keine Verhaftung iS dieses GesetzesSpruch
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung:
I. 1. In der vorliegenden, auf Art144 B-VG gestützten Beschwerde wird im wesentlichen vorgebracht:
Der Beschwerdeführer habe sich am 7. Juli 1981 beim Gendarmerieposten Feldkirchen in Kärnten über eine Amtshandlung beschweren wollen, die kurz zuvor Revierinspektor (RI) St. gegen ihn geführt hatte. Es habe sich im Lokal des Gendarmeriepostens eine Debatte entsponnen, in deren Verlauf RI St. und ein anderer Gendarmeriebeamter (RI G.) ihn (den Beschwerdeführer) zwar nicht formell festgenommen aber dennoch dadurch etwa 20 Minuten in seiner persönlichen Freiheit eingeschränkt hätten, daß sie ihn in eine Ecke gedrängt und so verhindert hätten, daß er sich entfernte.
Der Beschwerdeführer beantragt auszusprechen, daß er dadurch, daß er am 7. Juli 1981 auf dem Gendarmerieposten Feldkirchen durch RI St. und RI G. angehalten wurde, im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf persönliche Freiheit verletzt wurde.
2. Die Bezirkshauptmannschaft Klagenfurt hat die Verwaltungsakten vorgelegt, jedoch keine Gegenschrift erstattet.
II. Der VfGH hat erwogen:
1. Seit dem Inkrafttreten der Verordnung der Ktn. Landesregierung vom 24. Juni 1980, LGBl. 84, über die Bildung des politischen Bezirkes Feldkirchen, (nämlich seit 1. Jänner 1982 §4 der Verordnung) hat die Bezirkshauptmannschaft Feldkirchen ua. für den örtlichen Bereich der Gemeinde Feldkirchen die bis dahin der Bezirkshauptmannschaft Klagenfurt zugewiesenen Aufgaben übernommen.
Belangte Behörde in diesem verfassungsgerichtlichen Verfahren ist sohin nunmehr die Bezirkshauptmannschaft Feldkirchen.
2. a) Der VfGH hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen RI J.
G. und RI E. St. sowie des Beschwerdeführers als Partei, ferner durch Einsichtnahme in die Akten der Politischen Expositur Feldkirchen der Bezirkshauptmannschaft Klagenfurt Zlen. 22815/81 und 22816/81 (betreffend die gegen den Beschwerdeführer wegen Übertretung nach den §§24 und 97 StVO 1960 eingeleiteten - noch nicht rechtskräftig abgeschlossenen - Verwaltungsstrafverfahren) sowie in den Akt der Staatsanwaltschaft Klagenfurt Zl. 8 St 5601/81 (betreffend Strafanzeigen gegen RI St. und RI G. wegen Verdachtes des Vergehens der Einschränkung der persönlichen Freiheit nach §99 Abs1 StGB und des Vergehens der Körperverletzung nach §83 Abs1 iVm §313 StGB, sowie gegen den Beschwerdeführer wegen des Verdachtes des Verbrechens der Verleumdung nach §297 Abs1 StGB und des Vergehens der falschen Beweisaussage vor einer Verwaltungsbehörde nach §289 StGB - beide Anzeigen wurden von der Staatsanwaltschaft Klagenfurt nach §90 StPO zurückgelegt).
b) Auf Grund dieser Beweismittel nimmt der VfGH folgenden Sachverhalt als erwiesen an:
Der Beschwerdeführer wurde am 7. Juli 1981 vom Zeugen RI St. beanstandet, weil er gegen 10.00 Uhr seinen PKW in Feldkirchen in einer Ladezone abgestellt hatte. Der Beschwerdeführer kam der Aufforderung des Gendarmeriebeamten wegzufahren mit der Begründung nicht nach, daß er eine Ladetätigkeit ausübe; diese erblickte er darin, daß er ein kleines Paket aus einer Parfümerie zu seinem Auto trug. Die Bezahlung einer Organstrafverfügung lehnte er ab, worauf ihm RI St. ankündigte, er werde ihn anzeigen.
Einige Zeit später erschien der Beschwerdeführer auf dem Gendarmerieposten Feldkirchen, um sich über RI St. zu beschweren. Da der Postenkommandant nicht anwesend war, begann RI G. mit dem Beschwerdeführer ein Gespräch. In dieses schaltete sich RI St. ungeachtet des wiederholten Protestes des Beschwerdeführers ein. Die Aussprache zwischen den beiden Gendarmeriebeamten und dem Beschwerdeführer gestaltete sich allmählich immer erregter. Der Beschwerdeführer wollte dann den Amtsraum verlassen; RI G. meinte jedoch, jetzt müsse er (der Beschwerdeführer) hierbleiben, um die Angelegenheit zu Ende zu erörtern. Dabei traten beide Gendarmeriebeamten knapp vor den in der Nähe einer Zimmerecke stehenden Beschwerdeführer hin. Die Beamten nahmen keinen Festnahmegrund an. Sie sprachen daher gegenüber dem Beschwerdeführer keine Festnahme aus. Es wurde ihm auch keine Maßnahme für den Fall angedroht, daß er ungeachtet des erwähnten Wunsches der Gendarmeriebeamten das Lokal verlassen hätte. Der Beschwerdeführer versuchte nicht wegzugehen. Nach etwa fünfzehn Minuten erschien der Stellvertreter des Gendarmeriepostenkommandanten. Inzwischen hatte sich die Situation wieder etwas beruhigt und der Beschwerdeführer verließ das Gebäude des Gendarmeriepostens.
c) In der für die Beurteilung dieses Beschwerdefalles maßgeblichen Hinsicht stimmen die Beweisergebnisse im wesentlichen überein. Daran ändert nichts, daß sich der Beschwerdeführer möglicherweise subjektiv tatsächlich dadurch, daß die beiden Gendarmeriebeamten nahe an ihn herantraten, beengt gefühlt hat.
d) In der Sachverhaltsdarstellung der Beschwerde wird zwar erwähnt, daß RI St. dem Beschwerdeführer eine Ohrfeige versetzt habe. Da dieses behauptete Verhalten aber nicht bekämpft wird, erübrigt es sich für den VfGH festzustellen, ob diese Behauptung den Tatsachen entspricht.
3. Der Begriff der Verhaftung iS des - auf Verfassungsstufe stehenden (Art149 Abs1 B-VG) - Gesetzes vom 27. Oktober 1862, RGBl. 87, zum Schutze der persönlichen Freiheit, erfaßt wohl alle unmittelbaren Freiheitsbeschränkungen, auch wenn diese nicht formell als Verhaftung verfügt worden sind (vgl. zB VfSlg. 2287/1952).
Dennoch ist das in Beschwerde gezogene Verhalten der Gendarmeriebeamten nicht als Verhaftung iS des Gesetzes zum Schutze der persönlichen Freiheit zu werten. Der Beschwerdeführer wurde weder formell festgenommen noch war der Wille der einschreitenden Beamten - objektiv - darauf gerichtet, seine Freiheit zu beschränken: Der vom Gendarmeriebeamten geäußerte Wunsch, der Beschwerdeführer möge hierbleiben, bis die Angelegenheit zu Ende erörtert sei, stellt - auch wenn er intensiv vorgebracht wurde - keinen Befehl dar. Dem Beschwerdeführer wurde weder verboten, das Lokal des Gendarmeriepostens zu verlassen, noch wurde er durch Anwendung von Zwangsgewalt daran gehindert.
Das in Beschwerde gezogene Geschehen bildet auch sonst keinen tauglichen Gegenstand für eine Anfechtung iS des Art144 Abs1 zweiter Satz B-VG. Die Beschwerde war demnach als unzulässig zurückzuweisen (vgl. zB VfSlg. 8879/1980, S 16 f.).
Schlagworte
Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt, FestnehmungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1982:B408.1981Dokumentnummer
JFT_10179076_81B00408_00