TE Vfgh Erkenntnis 1982/9/30 B431/79, B438/79, B494/79, B495/79, B17/80, B79/80, B290/80, B483/80, B

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Veröffentlicht am 30.09.1982
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Index

L9 Sozial- und Gesundheitsrecht
L9200 Altenheime, Pflegeheime, Sozialhilfe

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
B-VG Art10 Abs1 Z11, Art10 Abs1 Z12
B-VG Art12 Abs1 Z1
B-VG Art15 Abs1
B-VG Art15 Abs6
B-VG Art118 Abs2, Art118 Abs3
B-VG Art144 Abs1 / Bescheid
StGG Art5
F-VG 1948 §2
F-VG 1948 §4
Tir Behinderten- und PflegebeihilfenG Erster Teil
Tir Behinderten- und PflegebeihilfenG Zweiter Teil
Tir Behinderten- und PflegebeihilfenG §34
Tir Behinderten- und PflegebeihilfenG §46
Tir SozialhilfeG §13
Tir SozialhilfeG §33

Leitsatz

Tir. Behinderten- und Pflegebeihilfengesetz; Tir. Sozialhilfegesetz; mit Ausnahme der in §33 Sozialhilfegesetz aufgezählten Aufgaben keine von der Gemeinde im eigenen Wirkungsbereich zu vollziehende Angelegenheiten; keine Bedenken in bezug auf Selbstverwaltungsrecht der Gemeinden; keine Bedenken gegen die Zuständigkeit des Landesgesetzgebers; keine Bedenken gegen die getroffenen Kostenverteilungsregeln; kein Entzug des gesetzlichen Richters; keine denkunmögliche und keine gleichheitswidrige Gesetzesanwendung

Spruch

Die Beschwerden werden abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. a) 1. Der beschwerdeführenden Gemeinde wurde von der Tir. Landesregierung gemäß §13 Abs4 des Tir. Sozialhilfegesetzes, LGBl. 105/1973 (im folgenden kurz: TSHG) aufgetragen, zu den Kosten der Sozialhilfe dem Land Tirol bestimmte Beiträge zu leisten, und zwar:

Mit Bescheid vom 31. August 1979 für das Jahr 1977 einen Beitrag von S 183.760,19 (angefochten zu B431/79)

mit Bescheid vom 23. Oktober 1979 für das Jahr 1978 einen Beitrag von S 258.444,90 (angefochten zu B495/79)

mit Bescheid vom 3. September 1980 für das Jahr 1979 einen Beitrag von S 247.507,- (angefochten zu B484/80) und

mit Bescheid vom 15. Mai 1981 für das Jahr 1980 einen Beitrag von S 273.965,- (angefochten zu B294/81).

2. Der beschwerdeführenden Gemeinde wurden weiters von der Tir. Landesregierung gemäß den §§34 und 46 des Tir. Behinderten- und Pflegebeihilfengesetzes, LGBl. 12/1965 idF der Nov. LGBl. 64/1976 (TBG) iVm §13 Abs4 und 5 TSHG aufgetragen, zu den Kosten der Rehabilitation und auch zu jenen der Pflegebeihilfe (auch wenn die Pflegebeihilfe im Spruch der Bescheide nicht ausdrücklich erwähnt wird, ergibt sich sowohl aus der Zitierung des §46 TBG im Spruch als auch aus der Begründung, daß sich die Verpflichtung, einen Kostenbeitrag zu leisten, auch auf die Pflegebeihilfe bezieht) dem Land Tirol bestimmte Beiträge zu leisten, und zwar

mit Bescheid vom 17. September 1979 für das Jahr 1977 einen Beitrag von S 81.033,51 (angefochten zu B438/79)

mit Bescheid vom 31. Oktober 1979 für das Jahr 1978 einen Beitrag von S 90.583,80 (angefochten zu B494/79)

mit Bescheid vom 16. Jänner 1980 für das Jahr 1974 einen Beitrag von S 23.083,13 (angefochten zu B79/80) und

mit Bescheid vom 12. August 1980 für das Jahr 1979 einen Beitrag von S 118.502,- (angefochten zu B483/80).

3. Die Tir. Landesregierung hat schließlich an die beschwerdeführende Gemeinde Schreiben gerichtet, mit denen dieser vierteljährliche Vorschußzahlungen auf die Beitragsanteile zur Sozialhilfe und zu den Kosten nach dem TBG vorgeschrieben wurden. Diese Schreiben sind im wesentlichen gleich formuliert. So hat beispielsweise das Schreiben vom 29. November 1979 folgenden Wortlaut:

"Die Gemeinden haben gem. §13 Abs4 und 5 des TSHG vierteljährliche Vorschüsse in der Höhe von je eines Sechstels des zu erwartenden Beitragsanteiles zu den Kosten der Sozialhilfe des Bezirks und zu den Kosten gem. §34 und §46 des TBG in Verbindung mit §13 Abs4 und 5 des TSHG gegen nachträgliche Verrechnung zu überweisen.

Die Endabrechnung erfolgt gesondert im nächstfolgenden Jahr.

Die Finanzkraft II ihrer Gemeinde beträgt 1979 ....... S 6,143.100,-

Voraussichtl. Beitragsanteil gem. §13 Abs4, 5 TSHG ... S   255.600,-

Hievon gelangen 4/6 zur Vorschreibung ................ S   170.400,-

Vorschreibung für das lfd. Vierteljahr = 1/6 ......... S    42.600,-

Sie werden gebeten, den oben ausgewiesenen Betrag für das laufende

Vierteljahr = 1/6 bis spätestens vier Wochen nach Erhalt dieses

Bescheides zugunsten des unten angeführten Empfängers und nur auf das

angegebene Konto zu überweisen:

...

Voraussichtl. Beitragsanteil gem. §34 und §46 TBG .... S 120.000,-

Hievon gelangen 4/6 zur Vorschreibung ................ S  80.000,-

Vorschreibung für das lfd. Vierteljahr = 1/6 ......... S  20.000,-

Sie werden gebeten, den oben ausgewiesenen Betrag für das laufende

Vierteljahr = 1/6 bis spätestens vier Wochen nach Erhalt dieses

Bescheides zugunsten Amt der Tir. Landesregierung ... zu überweisen.

Für die Landesregierung

..."

Hiebei handelt es sich um folgende Erledigungen:

Schreiben vom 29. November 1979, betreffend Vorschreibung von vierteljährlichen Vorschüssen für das Beitragsjahr 1979 (angefochten zu B17/80),

Schreiben vom 9. Mai, 21. August und 21. Oktober 1980, betreffend Vorschreibung von vierteljährlichen Vorschußzahlungen für das Beitragsjahr 1980 (angefochten zu B290/80, B485/80 und B624/80)

Schreiben vom 18. Feber, 28. April und 3. November 1981, betreffend Vorschreibung von vierteljährlichen Vorschüssen für das Beitragsjahr 1981 (angefochten zu B200/81, B279/81 und B674/81) sowie schließlich

Schreiben vom 29. Jänner 1982, betreffend Vorschreibung von vierteljährlichen Vorschüssen für das 1. Quartal des Beitragsjahres 1982 (angefochten zu B168/82).

b) Gegen diese Erledigungen wenden sich die vorliegenden, zu den zitierten Zahlen protokollierten, auf Art144 B-VG gestützten Beschwerden an den VfGH, in denen die Verletzung näher bezeichneter verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung der angefochtenen - von der beschwerdeführenden Gemeinde durchwegs als Bescheide angesehenen - Erledigungen beantragt wird; hilfsweise wird die Abtretung der Beschwerden an den VwGH begehrt.

c) Die belangte Behörde hat in den meisten Fällen Gegenschriften erstattet, in denen sie die Anträge stellt, den Beschwerden keine Folge zu geben.

II. Der VfGH hat zur Frage der Zulässigkeit der Beschwerden erwogen:

1. a) Die belangte Behörde macht geltend, daß die Schreiben, mit denen der beschwerdeführenden Gemeinde Vorschußzahlungen vorgeschrieben werden (I.A.3.), keine Bescheide seien; hinter diesen Erledigungen stünde kein Bescheidwille.

Die Ansicht der belangten Behörde ist unzutreffend: Für eine Wertung dieser angefochtenen Erledigungen als bloße Mitteilungen spricht zwar zunächst, daß sie weder mit "Bescheid" überschrieben, noch in Spruch, Begründung und Rechtsmittelbelehrung unterteilt sind. Dennoch wären sie aber als Bescheid iS des Art144 B-VG anzusehen, wenn der Wille der Behörde darauf gerichtet gewesen wäre, gegenüber einer individuell bestimmten Person (hier gegenüber der Gemeinde Leutasch) die normative Regelung einer konkreten Verwaltungsangelegenheit zu treffen, sei es, daß die Verwaltungsakte für den Einzelfall ein Rechtsverhältnis mit bindender Wirkung feststellen, sei es, daß sie dies mit solcher Wirkung gestalten (vgl. zB VfSlg. 8560/1979 und die dort zitierte Vorjudikatur).

In Ermangelung der nach dem AVG 1950 für Bescheide grundsätzlich vorgesehenen Form müßte deutlich objektiv erkennbar sein, daß die belangte Behörde dennoch den Willen hatte, mit den angefochtenen Erledigungen Bescheide zu erlassen.

Ob dies der Fall ist, kann sich allenfalls daraus ergeben, ob die Behörde von rechtswegen verpflichtet ist, einen Bescheid zu erlassen.

Nach §13 Abs4 TSHG haben die Gemeinden dem Land Tirol jährlich einen Beitrag in der Höhe von 70 vH zu den vom Land zu tragenden Kosten der Sozialhilfe zu leisten (III.1.).

§13 Abs5 TSHG lautet:

"Die Gemeinden haben auf Verlangen vierteljährlich Vorschüsse in der Höhe je eines Sechstels des zu erwartenden Beitragsanteiles gegen nachträgliche Verrechnung zu überweisen. Die Vorschüsse sind unter Zugrundelegung der im Landesvoranschlag für Sozialhilfe vorgesehenen Einnahmen und Ausgaben zu ermitteln."

Die §§34 und 46 TBG bestimmen, daß die Kosten der Rehabilitation und der Pflegebeihilfe das Land zu tragen hat, die Gemeinden aber verpflichtet sind, dem Land jährlich einen Beitrag von 50 vH dieser Kosten zu leisten. Der Beitrag ist von der Landesregierung auf die Gemeinden unter sinngemäßer Anwendung des §13 Abs4 und 5 TSHG aufzuteilen.

Aus diesen Vorschriften ergibt sich, daß die Gemeinden nur dann verpflichtet sind, Vorschußzahlungen nach dem TSHG und dem TBG zu leisten, wenn die Landesregierung dies "verlangt" bzw. die Aufteilung auf die Gemeinden vornimmt. Die Erledigung der Landesregierung, mit der ein solches Verlangen gestellt wird (auch wenn es in die Form einer Bitte gekleidet ist) und die Vorschreibung von bestimmten Vorschüssen begründet sohin die Zahlungspflicht der Gemeinde; derartige Verwaltungsakte haben normative Wirkung im obigen Sinn.

Dazu kommt, daß sich einige - wenngleich nicht alle - der zu dieser Fallgruppe gehörenden angefochtenen Erledigungen (s. etwa die unter I.A.3. wörtlich wiedergegebene vom 29. November 1979) im Text selbst als "Bescheid" benennen.

Auch die angefochtenen Erledigungen dieser Gruppe sind sohin Bescheide, die nach Art144 B-VG beim VfGH bekämpfbar sind.

b) Es bedarf keiner weiteren Erörterung, daß die angefochtenen Erledigungen, mit denen die von der beschwerdeführenden Gemeinde für das jeweilige Beitragsjahr zu leistenden Beiträge endabgerechnet wurden (I.A.1. und 2.), Bescheide sind.

2. Gegen die von der Tir. Landesregierung in erster und letzter Instanz erlassenen Bescheide ist ein ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig. Der administrative Instanzenzug ist erschöpft.

3. Da in allen Fällen auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, sind sämtliche Beschwerden zulässig.

III. In der Sache selbst hat der VfGH erwogen:

1. a) Das TSHG regelt die Gewährung von Sozialhilfe, das ist nach §1 "staatliche Hilfe zur Führung eines menschenwürdigen Lebens". Die Sozialhilfe umfaßt dem §3 leg. cit. zufolge die Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhaltes, die Hilfe in besonderen Lebenslagen und die Übernahme der Kosten einer einfachen Bestattung. Das Gesetz enthält in der Folge darüber nähere Bestimmungen.

§13 TSHG lautet:

"(1) Die Kosten der Sozialhilfe sind nach Maßgabe der Abs3 und 4 vom Land und von den Gemeinden zu tragen.

(2) Zu den Kosten der Sozialhilfe gehört der gesamte sich aus der Besorgung der in diesem Gesetz geregelten Aufgaben ergebende Zweckaufwand und der Aufwand, der vom Land auf Grund von Vereinbarungen nach Art107 B-VG, auf Grund von Verpflichtungen nach den durch dieses Gesetz außer Kraft gesetzten fürsorgerechtlichen Bestimmungen und als Rechtsnachfolger der Bezirksfürsorgeverbände zu tragen ist. Zu den Kosten der Sozialhilfe gehören auch die Kosten, die auf Grund anderer Rechtsvorschriften nach den Vorschriften über die öffentliche Fürsorge zu tragen sind.

(3) Das Land hat unbeschadet der Bestimmungen des Abs4 die Kosten der Sozialhilfe, die nicht durch Leistungen auf Grund der §§8, 9, 11 und 24, der Vorschriften iS des §22 und des §30 Abs2 oder durch sonstige für Zwecke der Sozialhilfe oder der öffentlichen Fürsorge bestimmte Zuflüsse gedeckt sind, zu tragen.

(4) Die Gemeinden haben die Kosten ihrer Tätigkeit nach §5 Abs1 litg und h sowie die Kosten ihrer Förderungstätigkeit nach §18 Abs2 zu tragen und dem Land jährlich einen Beitrag in der Höhe von 70 v. H. zu den vom Land iS des Abs3 zu tragenden Kosten der Sozialhilfe, mit Ausnahme der Kosten der Förderungstätigkeit des Landes nach §18 Abs2 sowie mit Ausnahme der Kosten der vom Land als Träger von Privatrechten zu erbringenden Hilfen (§5 Abs10 zweiter Satz), zu leisten. Der Beitrag ist von der Landesregierung auf die Gemeinden aufzuteilen. Hiezu sind zunächst die auf die einzelnen politischen Bezirke entfallenden Kosten zu ermitteln. Der Beitrag der einzelnen Gemeinden eines politischen Bezirkes ist dann von der Landesregierung nach der Finanzkraft festzusetzen. Diese wird für jede Gemeinde ermittelt durch Bildung der Summe aus

a) dem Aufkommen an Grundsteuer von den land- und forstwirtschaftlichen Betrieben, umgerechnet auf einen Hebesatz von 300 v. H.,

b) dem Aufkommen an Grundsteuer von den Grundstücken, umgerechnet auf einen Hebesatz von 300 v. H.,

c) dem Aufkommen an Gewerbesteuer nach Ertrag und Kapital,

d) dem Aufkommen an Abgabenertragsanteilen,

e) der Hälfte des Aufkommens an Getränke- und Speiseeisabgabe des dem Beitragsjahr zweitvorausgegangenen Jahres, wobei die aus der Addition der Beträge nach lita bis e sich ergebende Summe (Finanzkraft) auf volle hundert Schilling auf- bzw. abzurunden ist.

(5) Die Gemeinden haben auf Verlangen vierteljährlich Vorschüsse in der Höhe je eines Sechstels des zu erwartenden Beitragsanteiles gegen nachträgliche Verrechnung zu überweisen. Die Vorschüsse sind unter Zugrundelegung der im Landesvoranschlag für Sozialhilfe vorgesehenen Einnahmen und Ausgaben zu ermitteln."

b) Das TBG sieht vor, daß behinderten Personen (§3) nach Maßgabe des ersten Teiles dieses Gesetzes Rehabilitation und Pflegebedürftigen (§38) nach Maßgabe des zweiten Teiles dieses Gesetzes eine Pflegebeihilfe gewährt wird.

§34 TBG lautet:

"Die aus der Vollziehung des ersten Teiles dieses Gesetzes erwachsenden Kosten hat, soweit sie nicht durch Kostenbeiträge nach §33 gedeckt sind, das Land zu tragen. Die Gemeinden haben dem Land jährlich einen Beitrag von 50 v. H. zu diesen Kosten zu leisten. Der Beitrag ist von der Landesregierung auf die Gemeinden unter sinngemäßer Anwendung des §13 Abs4 und 5 des Tir. Sozialhilfegesetzes aufzuteilen."

§46 TBG bestimmt:

"Die aus der Vollziehung des zweiten Teiles dieses Gesetzes erwachsenden Kosten hat das Land zu tragen. Die Gemeinden haben dem Land jährlich einen Beitrag von 50 v. H. zu diesen Kosten zu leisten. Der Beitrag ist von der Landesregierung auf die Gemeinden unter sinngemäßer Anwendung des §13 Abs4 und 5 des Tir. Sozialhilfegesetzes aufzuteilen."

2. a) Die beschwerdeführende Gemeinde macht in allen Fällen geltend, daß sie im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Selbstverwaltung verletzt worden sei. Sie begründet dies im wesentlichen damit, daß das TSHG und das TBG in verfassungswidriger Weise den eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde in Ausübung der Vollziehung des Armenwesens einschränkten. Unter Hinweis auf die vom VfGH für die Auslegung der Kompetenzartikel entwickelte "Versteinerungstheorie" meint die beschwerdeführende Gemeinde, es stünde ihr zumindest die Vollziehung des Armenwesens im eigenen Wirkungsbereiche in jenem Umfang zu, wie ihn zum (von der beschwerdeführenden Gemeinde angenommenen) Versteinerungszeitpunkt (1. Oktober 1925) die Rechtsordnung - nämlich die §§22 ff. des Heimatrechtsgesetzes, RGBl. 105/1863 - den Gemeinden gewährleistet habe. Der Landesgesetzgeber habe die ihm zukommende Kompetenz überschritten.

Aber auch wenn man dieser Meinung nicht folgte, wären das TSHG und das TBG deshalb verfassungswidrig, weil die Besorgung der hier vorgesehenen Aufgaben nach Art118 Abs2 B-VG dem eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde zuzuweisen wäre.

b) Die wiederholt erwähnten Bestimmungen des TSHG und des TBG über die Kostenbeitragspflicht der Gemeinden stehen in untrennbarem Zusammenhang mit den übrigen Vorschriften dieser Gesetze. Wären etwa die Aufgaben von diesen Gesetzen - anders als tatsächlich geschehen - den Gemeinden zur Besorgung im eigenen Wirkungsbereich zugewiesen worden, so würde auch die Kostentragungsregelung anders lauten. Der VfGH hat sich daher bei Entscheidung über die vorliegenden Beschwerden auch mit jenen Bestimmungen zu befassen, die darauf beruhen, daß die in den beiden Gesetzen vorgesehenen Aufgaben nicht von den Gemeinden im eigenen Wirkungsbereich zu besorgen sind.

Die Frage, ob eine Angelegenheit in den eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde fällt oder nicht, hat mit der Frage der Gesetzgebungskompetenz nichts zu tun. Ob eine behördliche Aufgabe von verfassungswegen der Gemeinde zur Besorgung im eigenen Wirkungsbereich gewährleistet ist, ist ausschließlich nach Art118 Abs2 und 3 B-VG zu beurteilen. Der VfGH hat unter dem Gesichtspunkt der vorliegenden Beschwerdefälle keine Bedenken dagegen, daß das TSHG (mit Ausnahme der in §33 aufgezählten Aufgaben) und das TBG von den Gemeinden nicht im eigenen Wirkungsbereich zu vollziehen sind:

Daß diese Angelegenheiten nicht unter Art118 Abs3 B-VG fallen, ist offenkundig. Sie werden aber auch nicht von der Generalklausel des Art118 Abs2 erster Satz B-VG erfaßt. Es handelt sich um keine Angelegenheiten, die im ausschließlichen oder überwiegenden Interesse der in der Gemeinde verkörperten örtlichen Gemeinschaft gelegen und geeignet sind, durch die Gemeinschaft innerhalb ihrer örtlichen Grenzen besorgt zu werden.

Die von den beiden Gesetzen vorgesehenen Leistungen erfordern hohe finanzielle Mittel und vielfach das Bereitstellen bestimmter Großbauten und -einrichtungen (etwa von Pensionistenheimen und Rehabilitationszentren), sodaß sie meist nur von größeren Organisationseinheiten als den Gemeinden erbracht werden können.

Schon dieser Aspekt schließt es aus, die im TSHG und im TBG vorgesehenen Aufgaben als solche zu betrachten, "die die Gemeinde als unterste Zusammenfassung der Staatsbürger auf territorialer Grundlage angesichts des lokalen Charakters dieser Aufgabe am besten und einfachsten durchzuführen in der Lage ist" (vgl. Erl. Bem. zur RV betr. die nachmalige B-VGN BGBl. 205/1962, BlgNR 639, IX. GP, S 18).

Von diesen Vorstellungen ging offenkundig auch der Gemeindeverfassungsgesetzgeber des Jahres 1962 aus: ArtV des Gesetzes vom 5. März 1862, RGBl. 18, womit die grundsätzlichen Bestimmungen zur Regelung des Gemeindewesens vorgezeichnet werden (ReichsgemeindeG), umschrieb zunächst allgemein den Inhalt des "selbständigen Wirkungskreises" der Gemeinden ähnlich wie nun Art118 Abs2 B-VG idF der Nov. BGBl. 205/1962 den "eigenen Wirkungsbereich" der Gemeinden abgrenzt; sodann wurden im ArtV ReichsgemeindeG beispielhaft einige Angelegenheiten aufgezählt, die zum "selbständigen Wirkungskreis" gehören, so der Z8 zufolge "das Armenwesen und die Sorge für die Gemeinde - Wohltätigkeitsanstalten". Aus dem Umstand, daß der Gemeindeverfassungsgesetzgeber des Jahres 1962 das Armenwesen in die demonstrative Aufzählung des Art118 Abs3 B-VG der der Gemeinde zur Besorgung im eigenen Wirkungsbereich gewährleisteten Angelegenheiten nicht aufgenommen hat, obgleich diese Aufgaben auch im Jahre 1962 keineswegs von untergeordneter Bedeutung waren, ist zu schließen, daß er das Armenwesen nicht als zum eigenen Wirkungsbereich der Gemeinden gehörend behandeln wollte.

Im Gegensatz zur Meinung der beschwerdeführenden Gemeinde ist es ausgeschlossen, iS der sogenannten "Versteinerungstheorie" zur Abgrenzung des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde auf einen früheren Stand der Rechtsordnung, etwa jenem vom 1. Oktober 1925, abzustellen. Diese Abgrenzung ist vielmehr ausschließlich nach Art118 Abs2 und 3 B-VG idF der Nov. BGBl. 205/1962 vorzunehmen.

Zusammenfassend ergibt sich, daß gegen die bei Erlassung der angefochtenen Bescheide von der Behörde angewendeten und auch vom VfGH in den Beschwerdefällen anzuwendenden generellen Normen nicht das Bedenken besteht, daß sie das Selbstverwaltungsrecht der Gemeinden garantierende verfassungsgesetzliche Bestimmungen verletzen.

3. a) Die beschwerdeführende Gemeinde erblickt eine weitere Verfassungswidrigkeit des TSHG und des TBG darin, daß diese Gesetze die Gemeinde durch die Kostenbeitragspflichten schwer belasten. Dadurch würde "der Finanzhaushalt der Gemeinde ausgehöhlt" und "der Bestand der Gemeinde in ihrem Wesen gefährdet". Die Regelungen verstießen daher gegen den Grundgedanken des §2 F-VG 1948.

Im Ergebnis macht die beschwerdeführende Gemeinde einen Widerspruch zu §4 F-VG 1948 geltend.

b) Nach §2 F-VG 1948 tragen der Bund und die übrigen Gebietskörperschaften, sofern die zuständige Gesetzgebung nichts anderes bestimmt, den Aufwand, der sich aus der Besorgung ihrer Aufgaben ergibt. Von der hier grundsätzlich das Land Tirol treffenden Kostentragungspflicht hat der - zuständige - Landesgesetzgeber jedoch im §13 TSHG sowie in den §§34 und 46 TBG Ausnahmen derart festgelegt, daß die Gemeinden zur Leistung von Kostenbeiträgen verpflichtet werden. Eine derartige Ausnahmeregelung iS des §2 F-VG 1948 hat dem §4 dieses Verfassungsgesetzes zufolge in Übereinstimmung mit der Verteilung der Lasten der öffentlichen Verwaltung zu erfolgen und darauf Bedacht zu nehmen, daß die Grenzen der Leistungsfähigkeit der beteiligten Gebietskörperschaften nicht überschritten werden.

Die beschwerdeführende Gemeinde konkretisiert nicht ihren Vorwurf, die durch die beiden Gesetze den Gemeinden aufgebürdete Kostentragungspflicht belaste die Finanzkraft der Gemeinden in so extremer Weise, daß damit die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit in einer dem §4 F-VG 1948 verletzenden Weise überschritten würden. Derartige Umstände sind auch sonst in diesem verfassungsgerichtlichen Verfahren nicht hervorgekommen.

Die erwähnten Lasten fielen im übrigen für die Gemeinden insgesamt nicht weg, wenn sie anders - etwa nach dem System, das die beschwerdeführende Gemeinde für das richtige hält (Besorgung der Aufgaben im eigenen Wirkungsbereich) - verteilt würden.

Es kann sohin auch nicht davon gesprochen werden, daß die getroffenen Kostenverteilungsregeln die Finanzkraft der Gemeinde derart überfordern, daß dadurch die Gemeinde in ihrem Bestand gefährdet würde.

Soweit die beschwerdeführende Gemeinde gegen die in den beiden Gesetzen enthaltenen Kostenverteilungsregeln Vorwürfe erhebt, machen sie damit der Sache nach geltend, diese Regeln seien nicht sachgerecht. Darauf wird in der folgenden Z5 eingegangen.

4. a) Die beschwerdeführende Gemeinde bringt - wenngleich unter der Überschrift "Verstoß gegen das Gleichheitsprinzip" - Bedenken dagegen vor, daß der Landesgesetzgeber zur Erlassung von Bestimmungen über Rehabilitationsmaßnahmen, wie sie das TBG enthält, berufen war. Sinn dieser Vorschrift sei, Personen, die nicht gesund sind ("Leiden oder Gebrechen"), zu heilen und sie dadurch in das Erwerbs- oder Gesellschaftsleben einzugliedern ("zu rehabilitieren"). Schon aus dem Grundgedanken des TBG, nämlich Heilung und Eingliederung kranker Personen in die Gesellschaft, ergebe sich, daß diese Maßnahmen der Kompetenz des "Gesundheitswesens" nach Art10 Abs1 Z12 B-VG zu subsumieren seien (Hinweis auf das hg. Erk. VfSlg. 3650/1959). Wenn auch neben diesem leitenden Gesichtspunkt Argumente der sozialen Hilfsbedürftigkeit von Bedeutung sein könnten, seien diese keinesfalls das einzige Motiv der Gewährung von Rehabilitationsmaßnahmen, sodaß die Regelung auch nicht etwa dem "Armenwesen" nach Art12 Abs1 Z1 B-VG zuzuordnen sei. Im Rahmen des Gesundheitswesens könnten durchaus Regelungen getroffen werden, mit denen einer sozialen Hilfsbedürftigkeit begegnet wird, ohne daß dadurch die Verwaltungsmaterie dem "Armenwesen" zugezählt werden könne (Hinweis auf VfSlg. 4609/1963).

b) aa) Der VfGH teilt diese kompetenzrechtlichen Bedenken in Ansehung des TBG nicht:

Zum Ersten Teil des TBG, betreffend die Rehabilitation:

Wie der VfGH im Erk. VfSlg. 8831/1980 dargetan hat, können sowohl der Bund als auch die Länder der Behindertenhilfe dienende Maßnahmen vorsehen, jede dieser Autoritäten jedoch immer nur auf Sachgebieten, die nach der Kompetenzverteilung der Bundesverfassung in ihre Zuständigkeit fallen. Aus der Zuständigkeit des Bundesgesetzgebers zur Regelung der in den Kompetenzbestimmungen der Art10 bis 12 B-VG umschriebenen Sachgebiete - etwa "Sozialversicherungswesen" (Art10 Abs1 Z11), "Gesundheitswesen" (Art10 Abs1 Z12), "Fürsorge für Kriegsteilnehmer und deren Hinterbliebene" (Art10 Abs1 Z15), "Dienstrecht der Bundesbediensteten" (Art10 Abs1 Z16) und "Armenwesen" (Art12 Abs1 Z1) - fließt auch seine Kompetenz, Maßnahmen zur Behindertenhilfe vorzusehen, soweit sie mit diesen Sachgebieten im Zusammenhang stehen. Für den Landesgesetzgeber besteht die Zuständigkeit, im Rahmen seiner Generalkompetenz (Art15 Abs1 B-VG) Maßnahmen zur Behindertenhilfe dann vorzusehen, wenn diese nicht in die Bundeskompetenz eingreifen. Der VfGH hat nicht das Bedenken, daß der Erste Teil des TBG Bestimmungen über die Rehabilitation behinderter Personen enthält, die in ein Sachgebiet eingreifen, das dem Bund zur Regelung vorbehalten ist. Dies gilt insbesondere für den Kompetenztatbestand "Gesundheitswesen" (Art10 Abs1 Z12 B-VG), dessen Inhalt mit VfSlg. 3650/1959 näher dahin umschrieben wurde, daß darunter Angelegenheiten der Volksgesundheit zu verstehen sind, dh. die Obsorge für den allgemeinen Gesundheitszustand der Bevölkerung (vgl. auch VfSlg. 4609/1963). Der Hauptzweck der Rehabilitation ist es, den Behinderten in das Erwerbsleben und in die Gesellschaft weitestmöglich einzugliedern (§§6, 20 und 23 TBG). Dieser Inhalt unterscheidet sich wesentlich von jenem, die Volksgesundheit zu wahren. Die im TBG vorgesehene Rehabilitation greift auch sonst nicht in ein dem Bund zur Regelung vorbehaltenes Sachgebiet, etwa in das "Sozialversicherungswesen" (Art10 Abs1 Z11 B-VG), ein. Abgesehen davon, daß die nach dem TBG zu leistenden Rehabilitationsmaßnahmen nur komplementär zu jenen der Sozialversicherungsträger zu erbringen sind (§4 Abs1 lite TBG), beruht dieses Gesetz nicht auf dem für die Sozialversicherung maßgeblichen Grundgedanken, daß die Angehörigen eines Berufsstandes eine Riskengemeinschaft bilden (vgl. zB VfSlg. 4714/1964, 5241/1966). Bei diesem Ergebnis kann dahingestellt bleiben, welche Bestimmungen des TBG der VfGH bei Entscheidung über die vorliegenden Beschwerden im einzelnen anzuwenden hätte.

Zum Zweiten Teil des TBG, betreffend die Pflegebeihilfen:

Die Erbringung von Geldleistungen durch die öffentliche Hand ist grundsätzlich kompetenzrechtlich neutral, dh. sie kann prinzipiell jedem Kompetenztatbestand zugeordnet werden (VfSlg. 4609/1963, S 881). Es ist also zu klären, ob derartige Leistungen im Rahmen einer Verwaltungsmaterie gewährt werden, deren Regelung (insbesondere nach den Art10 bis 12 B-VG) dem Bund zukommt.

Der VfGH hat beispielsweise im Kompetenzfeststellungserkenntnis VfSlg. 4609/1963, (S 882), in dem er sich mit dem Entwurf eines Tuberkulosegesetzes auseinandersetzte, dargetan, daß die im Gesetzentwurf vorgesehenen Geldleistungen ("Krankheitskostenbeiträge") mit dem Ziel gewährt würden, die Tuberkulose möglichst auszuschalten. Es bestehe "nicht nur ein allgemeines menschliches Interesse, die erkrankten Personen von ihrer Krankheit" (der Tbc) "zu befreien und ihnen zu diesem Zwecke Hilfe zu gewähren, sondern es sei auch ein allgemeines sanitäres Interesse gegeben, den Infektionsherd, den jede" (an Tbc) "erkrankte Person darstellt, zum Schutze der Gesundheit aller Bevölkerungskreise als Gefahrenquelle zu beseitigen und daher auch die finanziellen Mittel hiefür bereitzustellen, wenn der Erkrankte nicht in der Lage sei, hiefür selbst zu sorgen".

Die im Zweiten Teil der TBG vorgesehenen Geldleistungen ("Pflegebeihilfen") werden im Gegensatz dazu nicht im Interesse des allgemeinen Gesundheitszustandes der Bevölkerung, sondern deshalb gewährt, um der zu unterstützenden Person ihrer Pflegebedürftigkeit wegen finanziell zu helfen. Derartige Geldleistungen sind weder eine Angelegenheit des "Gesundheitswesens" (Art10 Abs1 Z12 B-VG), noch ein anderes der Gesetzgebung nach in die Bundeszuständigkeit fallendes Sachgebiet. Sie vorzusehen ist daher nach Art15 Abs1 B-VG Sache des Landesgesetzgebers.

bb) Was die Kompetenz des Landesgesetzgebers zur Erlassung des TSHG anlangt, erübrigen sich - wie auch die beschwerdeführende Gemeinde richtig erkennt - Erörterungen darüber, ob die hier getroffenen Regelungen zum Teil oder zur Gänze dem Kompetenztatbestand "Armenwesen" (Art12 Abs1 Z1 B-VG) zu unterstellen sind. Der Bund hat es bis zur Erlassung des TSHG (1973) und auch in der Folge unterlassen, das Armenwesen grundsatzgesetzlich (etwa durch ein "Fürsorge-Grundsatzgesetz") zu regeln. Der Tir. Landesgesetzgeber des Jahres 1973 war daher zur Erlassung des TSHG berufen. An dieser Kompetenz hat sich durch ArtX der B-VGN BGBl. 444/1974 nichts geändert (vgl. VfSlg. 7764/1976) (s. nun Art15 Abs6 B-VG vorletzter Satz B-VG idF der zitierten Nov.).

Aber auch soweit das TSHG nicht vom Kompetenztatbestand "Armenwesen" erfaßt wird, hat der VfGH hinsichtlich der Zuständigkeit des Landesgesetzgebers keine Bedenken, da sich dieser dann auf Art15 Abs1 B-VG stützen kann.

5. a) Die beschwerdeführende Gemeinde erachtet §13 Abs4 TSHG aus folgenden Gründen für gleichheitswidrig:

"Die Finanzkraft der Gemeinden zur Heranziehung zu den Beiträgen in Höhe von 70 v. H. für Aufwendungen zur Sozialhilfe ist kein geeigneter Anknüpfungspunkt. Es werden insbesondere die ländlichen Gemeinden, in denen die Hilfe für Bedürftige durch Verwandte und Nachbarn noch eine Selbstverständlichkeit ist, gegenüber den eher städtischen Gemeinden, in denen dieses Prinzip nicht oder nur in geringem Umfange Geltung hat, grob benachteiligt. Der Anknüpfungspunkt nach der Finanzkraft der Gemeinden zur Heranziehung zu Beiträgen für die Sozialhilfe ist sachlich nicht gerechtfertigt. Die Finanzkraft einer Gemeinde hat mit der Anzahl und dem Ausmaß der Sozialhilfeempfänger einer Gemeinde überhaupt nichts gemeinsam. Zudem wäre es für den Landesgesetzgeber auf Grund der Beiträge der einzelnen Gemeinden zu den Bezirksfürsorgeverbänden unschwer zu ermitteln gewesen, welche Gemeinden in welcher Höhe Fürsorgeleistungen erbracht haben. Der Anknüpfungspunkt für die Leistungen der Sozialhilfe müßten daher ohne Verstoß gegen das Gleichheitsprinzip nach der Bedürftigkeit der Gemeindebewohner herangezogen werden. ..."

b) Die Ausgangsposition der beschwerdeführenden Gemeinde, daß der Gesetzgeber das im Gleichheitsgrundsatz enthaltene Sachlichkeitsgebot auch den Gebietskörperschaften gegenüber zu beachten hat, trifft zu (vgl. zB VfSlg. 6913/1972, S 1146 f.). Im übrigen folgt der VfGH der beschwerdeführenden Gemeinde aber nicht:

Außer Zweifel steht, daß jene finanziellen Aufwendungen, zu denen die Gemeinden nach dem TBG und dem TSHG beizutragen haben, dazu dienen, sachlich gerechtfertigte Leistungen zu erbringen.

Der VfGH erachtet es als sachgerecht, die Kosten nicht jener Gemeinde aufzuerlegen, in der sich der Hilfsbedürftige gerade aufhält. Im Hinblick auf den Standard der vorgesehenen Leistungen, die unabhängig vom Aufenthaltsort in gleicher Weise erbracht werden sollen - was eine überörtliche Besorgung der Aufgaben erfordert (III.2.b) -, ist vielmehr eine andere Kostentragungsregel geradezu geboten. Es ist nun, wenn zumindest ein Teil der Gesamtkosten von den Gemeinden getragen werden soll (was nicht unvertretbar ist), durchaus sinnvoll, die Lasten nach dem Aufwand im politischen Bezirk und innerhalb des Bezirkes nach der Finanzkraft der Gemeinden (s. den unter III.1.a zitierten §13 Abs4 TSHG) zu verteilen.

Es kann sohin keine Rede davon sein, daß der Landesgesetzgeber seinen rechtspolitischen Gestaltungsfreiraum überschritten hätte. Damit wird nicht ausgedrückt, daß die getroffenen Regelungen die einzig sachlich in Betracht kommenden oder die zweckmäßigsten sind.

Da das Gesetz sohin unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitsgrundsatzes verfassungsrechtlich unbedenklich und die Behörde nicht willkürlich vorgegangen ist, wurde durch die angefochtenen Bescheide das Gleichheitsrecht nicht verletzt.

6. a) Das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter erachtet die beschwerdeführende Gemeinde deshalb als verletzt, weil die Gesetze verfassungswidriger Weise in die Gemeindeautonomie eingriffen und weil zur Erlassung und Vollziehung des ersten Teiles des TBG der Bund zuständig sei.

b) Der erste Vorwurf geht schon deshalb ins Leere, weil nach dem Gesagten (III.2.b) den Gemeinden hier (verfassungsrechtlich einwandfrei) keine Vollziehung im eigenen Wirkungsbereich eingeräumt wird.

Der zweite Vorwurf wurde bereits unter III.4.b widerlegt.

Die belangte Behörde hat Sachentscheidungen getroffen, zu denen sie nach dem Gesetz zuständig war (s. §13 Abs4 vorletzter Satz TSHG und den jeweils letzten Satz der §§34 und 46 TBG).

Die beschwerdeführende Gemeinde wurde daher auch nicht im zuletzt erwähnten Grundrecht verletzt.

7. Die Vorschreibungen von Kostenbeiträgen und von Vorschußzahlungen greifen in das Eigentumsrecht der beschwerdeführenden Gemeinde ein. Dieser Eingriff wäre nach der ständigen Judikatur des VfGH (zB VfSlg. 8776/1980) dann verfassungswidrig, wenn der ihn verfügende Bescheid ohne jede Rechtsgrundlage ergangen wäre oder auf einer verfassungswidrigen Rechtsgrundlage beruhte, oder wenn die Behörde bei Erlassung des Bescheides eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Rechtsgrundlage in denkunmöglicher Weise angewendet hätte, ein Fall, der nur dann vorläge, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte, daß dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre.

Bei der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der die angefochtenen Bescheide tragenden Rechtsvorschriften könnte die beschwerdeführende Gemeinde sohin nur bei einer denkunmöglichen Gesetzesanwendung im Eigentumsrecht verletzt worden sein. In dieser Richtung bringt die beschwerdeführende Gemeinde vor, daß ihre Finanzkraft nach der sogenannten "Finanzkraft II" bemessen worden sei; diese Art der Finanzkraft umfasse "die sogenannte Finanzkraft I (Summe der Grundsteuer A und B sowie Erträge der Gewerbesteuer und des Gewerbekapitals) zuzüglich 50% der auf jede Gemeinde entfallenden Brutto-Abgabenertragsanteile"; diese im Gesetz nicht gedeckte Regelung widerspreche §13 Abs4 TSHG.

Nach den dem VfGH vorgelegten Unterlagen wurden die jeweiligen Kostenbeiträge unter Berücksichtigung der im §13 Abs4 lita bis e TSHG aufgezählten Aufkommen errechnet. Die der Berechnung zugrundeliegenden Listen sind mit "Ermittlung Finanzkraft II" überschrieben. Aus dem Umstand, daß das Gesetz diesen Begriff nicht vorsieht, ist ein rechtswidriges Vorgehen der Behörde nicht zu erschließen. Daß die ziffernmäßigen Grundlagen der Berechnungen unrichtig und daß die Berechnungen selbst unzutreffend oder gar denkunmöglich erfolgt wären, ist nicht hervorgekommen.

Die beschwerdeführende Gemeinde ist mithin auch nicht im Eigentumsrecht verletzt worden.

8. Die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte hat sohin nicht stattgefunden.

Das Verfahren hat nicht ergeben, daß die beschwerdeführende Gemeinde in von ihr nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Rechtsnorm in einem Recht verletzt wurde.

Die Beschwerden waren daher abzuweisen.

Schlagworte

Sozialhilfe, Behinderte, Gemeinderecht, Wirkungsbereich eigener, Selbstverwaltungsrecht, Kompetenz Bund - Länder, Kompetenz Bund - Länder Armenwesen, Kompetenz Bund - Länder Sozialhilfe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1982:B431.1979

Dokumentnummer

JFT_10179070_79B00431_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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