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72 Wissenschaft, HochschulenLeitsatz
Studienförderungsgesetz; keine Bedenken gegen §21 Abs1 lita; keine denkunmögliche und keine gleichheitswidrige AnwendungSpruch
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
1.1. Der Beschwerdeführer war Student an der Universität Wien. Am 12. November 1976 stellte er bei der Studienbeihilfenbehörde einen Antrag auf Gewährung von Studienbeihilfe für das Studienjahr 1976/77. Diesem Antrage legte er den Einkommensteuerbescheid seines Vaters für das Jahr 1974 bei. Sowohl er als auch sein Vater erklärten durch ihre Unterschrift auf dem Antragsformular, "daß die vorgelegten Einkommensnachweise ausschließlich das letzte Kalenderjahr betreffen, sofern ein Einkommensteuerbescheid vorgelegt wurde, sich dieser auf das zuletzt veranlagte Kalenderjahr bezieht".
Mit Bescheid der Studienbeihilfenbehörde an der Universität Wien vom 30. November 1976 wurde dem Beschwerdeführer antragsgemäß Studienbeihilfe für das Studienjahr 1976/77 gemäß §9 Abs1 litb des Studienförderungsgesetzes vom 22. Oktober 1969, BGBl. 421 idF BGBl. 182/1974 in Höhe von S 17.000,- gewährt.
1.2. Mit Bescheid vom 20. Juli 1977 sprach die Studienbeihilfenbehörde aus, der Beschwerdeführer habe "die im Studienjahr 1976/77 bezogenen Studienbeihilfen für die Monate Oktober 1976 bis Juli 1977 in der Höhe von S 17.000,- gemäß §21 Abs1 lita Studienförderungsgesetz zurückzuzahlen. Begründend wurde ausgeführt, daß der Beschwerdeführer seinem Antrag um Gewährung einer Studienbeihilfe vom 12. November 1976 den maßgeblichen Einkommensteuerbescheid seines Vaters für das Jahr 1975, ausgestellt am 14. Oktober 1976, nicht angeschlossen habe.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Vorstellung, in der er vorbrachte, daß sein Vater vom Steuerberater erst im März 1977 von der Erlassung des Einkommensteuerbescheides 1975 in Kenntnis gesetzt wurde, da der Steuerberater zugegebenermaßen, wie sich aus einer von diesem ausgestellten Bestätigung ergebe, auf Grund eines Versehens seiner Kanzlei die Weiterleitung des am 14. Oktober 1976 erlassenen Einkommensteuerbescheides für das Jahr 1975 an den Vater des Beschwerdeführers unterlassen habe.
Hierauf sprach der Senat der Studienbeihilfenbehörde an der Universität Wien mit Bescheid vom 30. September 1977 - ebenfalls - aus, daß der Beschwerdeführer im Studienjahr 1976/77 bezogene Studienbeihilfenbeträge für die Monate Oktober 1976 bis Juli 1977 in Höhe von S 17.000,- zurückzuzahlen habe.
1.3. Der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung wurde vom Bundesminister für Wissenschaft und Forschung mit Bescheid vom 18. Dezember 1978, Z 56.031/34-17/78, keine Folge gegeben, im wesentlichen mit der Begründung, daß die Gewährung der Studienbeihilfe durch unvollständige bzw. unwahre Angaben maßgebender Tatsachen dadurch schuldhaft veranlaßt worden sei, daß es der Beschwerdeführer unterlassen habe, beim Steuerberater seines Vaters nachzufragen, ob ein Steuerbescheid für das Kalenderjahr 1975 erlassen worden sei; daran ändere auch nichts, daß das Steuerberatungsbüro in einer vom Beschwerdeführer vorgelegten Erklärung hypothetisch bestätigt habe, daß selbst im Falle einer Anfrage des Beschwerdeführers diesem die unrichtige Auskunft erteilt worden wäre, daß der Steuerbescheid für das Kalenderjahr 1975 noch nicht vorläge, da der Bescheid im Steuerberatungsbüro falsch abgelegt worden sei und nur durch Zufall aufgefunden worden wäre.
2.1. Gegen diesen Bescheid richtet sich die auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter und auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz geltend gemacht, die Aufhebung des angefochtenen Bescheides, und für den Fall der Abweisung der Beschwerde, deren Abtretung an den VwGH beantragt wird.
2.2. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde begehrt.
3. Der VfGH hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
3.1. Die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter sieht der Beschwerdeführer dadurch als gegeben, daß der Rückzahlungsbescheid der Studienbeihilfenbehörde vom 20. Juli 1977 "entgegen den ausdrücklichen Bestimmunen des §10 Abs2 Studienförderungsgesetz nicht in der Organisationsform des Senates erlassen" wurde. Der Beschwerdeführer hat jedoch gegen diesen Bescheid gemäß §12 Abs3 Studienförderungsgesetz Vorstellung erhoben. Nach dieser Bestimmung tritt durch die rechtzeitige Erhebung der Vorstellung der Bescheid der Studienbeihilfenbehörde außer Kraft. Damit ist der Bescheid vom 20. Juli 1977 aus dem Rechtsbestand ausgeschieden, womit der Behauptung des Beschwerdeführers, er sei durch den genannten Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden, der Boden entzogen ist.
3.2.1. Vom Beschwerdeführer wird weiters die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz geltend gemacht. Die belangte Behörde leite aus §21 Abs1 lita Studienförderungsgesetz zu Unrecht ab, daß in jedem Falle, in dem die Gewährung oder der Fortbezug von Studienbeihilfenbeträgen durch unvollständige oder unwahre Angaben maßgeblicher Tatsachen oder durch Unterlassen einer Meldung schuldhaft veranlaßt worden sei, die gesamte im Studienjahr bezogene Studienbeihilfe zurückzuzahlen sei. Auch wenn vom Beschwerdeführer der "richtige" Einkommensteuerbescheid 1975 vorgelegt worden wäre, hätte ihm Studienbeihilfe, wenn auch in einer um S 4.000,- geringeren Höhe, zugestanden werden müssen. Die Auslegung der belangten Behörde, daß bei einer "unwahren" oder "unvollständigen" Angabe die gesamte Studienbeihilfe zurückzuzahlen sei, führe in äußerster Konsequenz dazu, daß sogar derjenige seine gesamte Beihilfe zurückzuzahlen hätte, der "bei Vorlage des maßgeblichen Bescheides ein höheres Stipendium hätte bekommen müssen". Verschiedene Tatbestände würden demnach einer gleichen Behandlung zugeführt. Ein derartiger gleichheitswidriger Inhalt lasse sich aber weder aus dem Wortlaut noch aus der "systematischen Einbindung" des §21 in das Studienförderungsgesetz ableiten. Ein gänzlicher Beihilfenverfall wäre für den Bezieher der Studienbeihilfe von einer Härte, die oftmals über eine nach §31 Studienförderungsgesetz verhängte Strafe hinausginge. In §21 Abs1 lita könne eine Strafvorschrift aber schon deshalb nicht erblickt werden, da die Strafbestimmung für den Fall einer wissentlichen Beihilfenerschleichung in §31 leg. cit. enthalten sei.
Eine gleichheitskonforme Gesetzesauslegung könnte nur dazu führen, daß dem Beschwerdeführer die Rückzahlung lediglich des Betrages aufgetragen werde, der ihm wegen der Vorlage des Einkommensteuerbescheides 1974 - anstatt jenes von 1975 - zu viel gewährt worden sei.
3.2.2. Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH (zB VfSlg. 8823/1980) nur vorliegen, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat.
Daß die angewendeten Gesetzesbestimmungen dem Gleichheitsgebot widersprechen, wurde vom Beschwerdeführer nicht behauptet; auch im VfGH sind derartige Bedenken aus Anlaß des vorliegenden Beschwerdefalles nicht entstanden. Der Beschwerdeführer behauptet jedoch, daß dem §21 Abs1 lita Studienförderungsgesetz von der belangten Behörde ein gleichheitswidriger Inhalt unterstellt worden wäre. Mit dieser Behauptung ist der Beschwerdeführer jedoch nicht im Recht.
Die Rückzahlungsverpflichtung wird von der belangten Behörde auf §21 Abs1 lita Studienförderungsgesetz, BGBl. 421/1969 idF BGBl. 330/1971 gestützt. Diese Bestimmung lautete:
"(1) Der Studierende hat Studienbeihilfenbeträge zurückzuzahlen:
a) deren Gewährung oder Fortbezug er durch unvollständige oder unwahre Angaben maßgebender Tatsachen oder durch Unterlassung einer Meldung (§18) schuldhaft veranlaßt oder erschlichen hat;"
Auch wenn diese Bestimmung dahin gedeutet wird, daß vom Studierenden bei Vorliegen der Voraussetzungen der lita des §21 Abs1 leg. cit. Studienbeihilfenbeträge schlechtweg und nicht nur jene Mehrbeträge zurückzuzahlen sind, für deren Gewährung oder Fortbezug seine unwahren oder unvollständigen Angaben maßgeblicher Tatsachen ursächlich waren, wird lita kein gleichheitswidriger Inhalt unterstellt. Mit Recht verweist die belangte Behörde darauf, daß §12 Abs1 Studienförderungsgesetz die Durchführung eines Ermittlungsverfahrens ausschließt, die Behörde also von den Angaben und den vorgelegten Unterlagen der Antragsteller auszugehen hat. Wenn unter diesen Umständen bei schuldhafter Veranlassung der Gewährung oder des Fortbezuges von Studienbeihilfenbeträgen durch die unvollständige oder unwahre Angabe maßgebender Tatsachen Studierende zur Rückzahlung auch solcher Beträge verpflichtet wären, auf die sie bei vollständigen und wahren Angaben Anspruch besessen hätten, könnte dem Gesetzgeber kein Vorwurf gemacht werden; gerade weil die Behörde sich auf die Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben der Antragsteller verlassen können muß, wäre eine solche Folge unter den Voraussetzungen der lita sachlich gerechtfertigt.
Die belangte Behörde hat §21 Abs1 lita Studienförderungsgesetz somit keinen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt. Daß die Behörde Willkür geübt hätte, wird vom Beschwerdeführer nicht behauptet; auch der VfGH hat keine Anhaltspunkte hiefür gefunden. Die geltend gemachte Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz liegt somit nicht vor.
3.3. Auch die Verletzung eines anderen, vom Beschwerdeführer nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes liegt nicht vor. Insbesondere kann der Behörde bei der Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsvorschriften nicht der Vorwurf gemacht werden, den Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt zu haben. Auch wenn der VwGH mit Erk. vom 12. Mai 1980, Z 228, 378/80, ausgeführt hat, daß der Beihilfenwerber gemäß §21 Abs1 lita des Studienförderungsgesetzes idF BGBl. 330/1971 nur jene Studienbeihilfenbeträge zurückzuzahlen habe, für deren Gewährung oder Fortbezug seine unvollständigen oder unwahren Angaben maßgeblicher Tatsachen ursächlich waren, ist die Auslegung der belangten Behörde jedenfalls nicht denkunmöglich. Ob die Behörde richtig entschieden hat, war vom VfGH nicht zu prüfen.
3.4. Die Beschwerde war daher abzuweisen.
Schlagworte
Hochschulen, StudienbeihilfenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1982:B79.1979Dokumentnummer
JFT_10178994_79B00079_00