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L8 Boden- und VerkehrsrechtNorm
B-VG Art18 Abs2Beachte
vgl. Kundmachung LGBl. 3/1983 am 25. Feber 1983Leitsatz
Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde Pinsdorf vom 18. Juli 1974, betreffend die Errichtung bzw. Einreihung des Ortschaftsweges "Moos"; mangels Vorliegens der Voraussetzungen zur Erlassung gesetzwidrigSpruch
Die Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde Pinsdorf vom 18. Juli 1974, betreffend die Errichtung bzw. Einreihung des Ortschaftsweges "Moos" wird als gesetzwidrig aufgehoben.
Die Oö. Landesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung im Landesgesetzblatt für OÖ verpflichtet.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Oö. Landesregierung vom 20. Februar 1978, BauR-2613/3-1977, wurden Teile der Grundstücke 356/1 Wiese und 359/9 Wiese, beide in EZ 38 der KG Pinsdorf "für den Ausbau des Ortschaftsweges 'Moos' für die Gemeinde Pinsdorf" im Wege der Enteignung in Anspruch genommen.
Grundlage für das mit diesem Bescheid abgeschlossene Enteignungsverfahren bildete eine "Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde Pinsdorf vom 18. Juli 1974 betreffend die Errichtung bzw. Einreihung des Ortschaftsweges 'Moos'", welche folgendermaßen lautet:
"Gemäß §40 Abs2 Z4 und §43 der Oö. Gemeindeordnung 1965, LGBl. Nr. 45, in Verbindung mit §8 Abs1 Z5 und §45 des Landesstraßenverwaltungsgesetzes, LGBl. Nr. 43/1936 in der geltenden Fassung wird verordnet:
§1
Die Grundparzellen 359/8, 359/6, 359/4, 359/15, 359/9 und 1050, alle Kat. Gem. Pinsdorf, welche bisher schon als Verkehrsfläche dienen, werden als Ortschaftsweg 'Moos' eingereiht. Erweitert wird dieser Ortschaftsweg um einen, von der Grundparzelle 356/1 Kat. Gem. Pinsdorf stammenden Grundstreifen, und zwar reichend von der Parzelle 359/4 bis zur Parzelle 359/13 Kat. Gem. Pinsdorf, in einer Breite, daß der Ortschaftsweg eine Gesamtbreite von 4 m erhält. Die Notwendigkeit der Errichtung dieses Ortschaftsweges ist im öffentlichen Interesse gelegen.
§2
Diese Verordnung wird gemäß §94 der Oö. Gemeindeordnung 1965 mit dem auf den Ablauf der zweiwöchigen Kundmachungsfrist folgenden Tag rechtswirksam."
Diese Verordnung wurde in der Zeit vom 27. Juli bis 12. August 1974 durch Anschlag an der Amtstafel der Gemeinde Pinsdorf kundgemacht.
Der Eigentümer der mit dem eingangs genannten Bescheid der Oö. Landesregierung enteigneten Grundstücke erhob gegen den Enteignungsbescheid Beschwerde an den VwGH. Aus Anlaß der Behandlung dieser Beschwerde stellte der VwGH gemäß Art139 Abs1 B-VG an den VfGH den Antrag, "die Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde Pinsdorf vom 18. Juli 1974, betreffend die Errichtung bzw. Einreihung des Ortschaftsweges 'Moos', zur Gänze als gesetzwidrig aufzuheben, allenfalls diese Verordnung, soweit hiedurch die Grundstücke 356/1 und 359/9, beide Katastralgemeinde Pinsdorf, betroffen sind, als gesetzwidrig aufzuheben".
2. a) Die Entwicklung, die der Erlassung der angefochtenen Verordnung und dem genannten Enteignungsverfahren voraus ging, schildert der VwGH - zusammengefaßt - so:
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Gmunden vom 6. Oktober 1953 wurde das Grundstück 359/1 so geteilt, daß drei, jeweils rund 570 Quadratmeter große Bauplätze (359/3, 359/5 und 359/7) geschaffen wurden. Diesen Bauplätzen vorgelagert zum bestehenden Weg auf dem Grundstück 356/1 wurden drei jeweils drei Meter breite und rund 80 Quadratmeter große Grundstücke (359/4, 359/6 und 359/8). Diese Abteilung wurde grundbücherlich durchgeführt; in der Folge wurden die Bauplätze bebaut.
Mit einem Notariatsakt vom 26. März 1955 wurde ein Dienstbarkeitsvertrag abgeschlossen, der "für immerwährende Zeiten" den Vertragspartnern und ihren Rechtsnachfolgern (dazu zählen sowohl die Beschwerdeführer des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens wie auch die Eigentümer der Grundstücke 359/1, 359/3, 359/4, 359/5, 359/6, 359/7 und 359/8 sowie die Eigentümer der übrigen aus 359/1 herausgelösten Grundstücke) ein unentgeltliches und unbeschränktes Geh- und Fahrtrecht einräumte. Gegenstand dieses Rechts waren die Grundstücke 359/4, 359/6, 359/8, aber auch Teile der bebauten Grundstücke 359/3, 359/5 und 359/7 sowie aus dem Eigentum des Beschwerdeführers des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens das schmale Grundstück 359/9 und Teile des Grundstücks 356/1.
Der Beschwerdeführer des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens behauptet nun, seine Vertragspartner hätten diesen Vertrag nicht eingehalten; vielmehr seien Straßengrundstreifen entgegen erteilten baubehördlichen Bewilligungen verbaut worden. Nach dem Verbauen notwendiger Verkehrsflächen sei sodann versucht worden, die untragbaren Zustände durch Übernahme einiger Privatwegteile in das öffentliche Gut auf die Gemeinde Pinsdorf abzuwälzen. Ende 1973 wurden auf Grund von Ansuchen der Vertragspartner des Beschwerdeführers des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens Teile der Grundstücke 359/4, 359/6, 359/8 und 359/15 ins öffentliche Gut übernommen.
Im Frühjahr 1974 wurde versucht, den Beschwerdeführer zu veranlassen, der Abtretung seines Grundstückes 359/9 im Ausmaß von 29 Quadratmeter in das öffentliche Gut zuzustimmen. Sollte der Beschwerdeführer nicht verhandlungsbereit sein, wurde die Durchführung eines Enteignungsverfahrens in Aussicht genommen.
b) In der Sitzung des Gemeinderates vom 18. Juli 1974 wurde sodann die den Gegenstand der verwaltungsgerichtlichen Anfechtung bildende Verordnung beschlossen.
Der VfGH nimmt auf Grund der Aktenlage und des Ergebnisses der öffentlichen mündlichen Verhandlung als erwiesen an, daß die dem Beschwerdeführer des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens gehörigen Teile des Weges zum Zeitpunkt der Erlassung der Verordnung auf Grund der Vereinbarung vom 26. März 1955 als Privatweg genutzt wurden.
3. a) Der VwGH legt in seinem Beschluß dar, daß die genannte Verordnung die Grundlage des von der Gemeinde Pinsdorf in der Folge beantragten Enteignungsverfahrens bildet und daß sie dem vor dem VwGH angefochtenen im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Oö. Landesregierung vom 20. Februar 1980 zugrunde liegt. Er ist daher der Auffassung, daß die Verordnung "für die im Beschwerdefall vom VwGH zu fällende Entscheidung präjudiziell ist, sodaß der VwGH nach Art139 B-VG berechtigt und verpflichtet ist, die Frage der Gesetz- und sohin Verfassungsmäßigkeit dieser Verordnung zu prüfen".
b) Der VwGH erachtet die genannte Verordnung aus mehreren Gründen für verfassungsrechtlich bedenklich:
"Zunächst gehen die Bedenken des VwGH dahin, daß diese Verordnung offensichtlich nur dem Ziele dient, Grundflächen des Beschwerdeführers zu enteignen, ohne daß geprüft worden wäre, ob nicht ohnehin ausreichend Grundflächen für die beabsichtigte Verbreiterung der Verkehrsfläche auf insgesamt 4 m Gesamtbreite zur Verfügung stehen. Nach dem Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Gmunden vom 6. Oktober 1953 besitzen die Grundstücke 359/4, 359/6 und 359/8 eine Mindestbreite von 3 m. Bei der Übernahme dieser Grundstücke in das öffentliche Gut wurde aber deren Ausmaß nicht überprüft, obwohl schon auf Grund des erwähnten Abteilungsaktes klar zu erkennen gewesen wäre, daß die Bauplätze 359/3, 359/5 und 359/7 nur unter der Voraussetzung der gleichzeitigen Abtretung der vorerwähnten Grundstücke ins öffentliche Gut baubehördlich bewilligt worden waren, wenngleich diese Abtretung in dem erwähnten Verwaltungsakt nicht vorgeschrieben worden war. Hätte die Gemeinde Pinsdorf diesen Umstand beachtet, so hätte sie, um einen 4 m breiten Ortschaftsweg zu schaffen, lediglich einen Grundstreifen von 1 m Breite von den Grundstücken 359/9 bzw. 356/1 in Anspruch nehmen müssen. Schon aus diesem Grunde erweist sich nach Meinung des VwGH die in Rede stehende Verordnung als gesetz- und verfassungswidrig, weil sie ohne sachliche Rechtfertigung die Verbreiterung des bestehenden Weges lediglich im Hinblick auf die Grundstücke 359/9 und 356/1 vornimmt, obwohl weitere Grundflächen bereits auf Grund des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft Gmunden vom 6. Oktober 1953 für die Verbreiterung in Frage kommen, ein Umstand, der nach hg. Dafürhalten dem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Gleichheitsgrundsatz widerspricht. In diesem Sinne hat der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde an den VwGH zu Recht dargetan, daß bei Beachtung der früheren behördlichen Regelung 'Straßengrund, behördlich ausgewiesen, im erforderlichen Umfang zur Verfügung' stehe. Die Behörde hätte nämlich davon ausgehen müssen, daß die Grundstücke 359/8, 359/6 und 359/4 mindestens drei Meter breit sind und nicht zwei Meter, wie noch in der Gegenschrift der Gemeinde Pinsdorf an den VwGH ausgeführt wird.
Eine Gesetzwidrigkeit der Verordnung könnte nach Ansicht des VwGH ferner in dem Umstand gelegen sein, daß befangene Gemeinderatsmitglieder an der Beschlußfassung dieser Verordnung mitwirkten. Auf diese Befangenheit verweist auch der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde an den VwGH. Er vermeint, schon deswegen liege ein dem Gesetz entsprechender Gemeinderatsbeschluß nicht vor. Dieser Auffassung schließt sich der VwGH ganz allgemein nicht an, weil die Oö. Gemeindeordnung an die Mitwirkung befangener Gemeinderatsmitglieder derartige Rechtswirkungen nicht knüpft. Allerdings hat J. Sp. an der Beschlußfassung in besonderer Weise mitgewirkt, weil er unter anderem, ..., erklärte, der abgeschlossene Notariatsakt enthalte keinerlei besondere Verpflichtungen, obwohl das Gegenteil zutrifft. Nach dem Notariatsakt haben nämlich auch Teile der Bauplätze 359/3, 359/5 und 359/7, insbesondere auch der südöstliche Teil des Grundstückes 359/7, dem gemeinsamen Geh- und Fahrtrecht zu dienen, sodaß durch diese Äußerung des vom Geh- und Fahrtrecht hauptsächlich betroffenen Vertragspartners die übrigen Gemeinderatsmitglieder falsch informiert wurden. Bei richtiger Information der Gemeinderatsmitglieder über den Inhalt des Notariatsaktes wäre möglicherweise eine Beschlußfassung unterblieben bzw. hätte der Gemeinderat die Verbreiterung des Weges 'Moos' nicht zu Lasten des Beschwerdeführers beschlossen (hiezu verweist der VwGH auf sein von einem ähnlichen Gedankengang getragenes Erk. vom 26. April 1965, Z 2273/64; ...). Insoweit erscheinen daher auch dem VwGH die diesbezüglichen Bedenken des Beschwerdeführers berechtigt und im Rahmen einer Prüfung der Verordnung auf ihre Gesetzmäßigkeit rechtlich erheblich.
Eine weitere Gesetzwidrigkeit der Verordnung könnte schließlich darin erblickt werden, daß hier ein Servitutsweg, der der Aufschließung von einzelnen Liegenschaften dient, ohne entsprechende sachliche Rechtfertigung als Ortschaftsweg erklärt bzw. ohne eine solche Rechtfertigung dessen Verbreiterung beschlossen wurde. In diesem Zusammenhang ist insbesondere darauf zu verweisen, daß der Gemeinderat der Gemeinde Pinsdorf noch anläßlich seiner Sitzung am 21. Februar 1974 aus dem Eigentum des Beschwerdeführers lediglich die Abtretung des Grundstückes 359/9 als erforderlich ansah, also eine Verbreiterung des Weges zu diesem Zeitpunkt noch nicht in Erwägung zog.
Schließlich erscheint es im Hinblick auf das Erk. des VfGH vom 6. Oktober 1976, Slg. Nr. 7884, überhaupt fraglich, ob ein bestehender Privatweg durch Verordnung (gemeint: des Gemeinderates) zum Ortschaftsweg erklärt werden kann. In diesem Erk. hat nämlich der VfGH ganz allgemein ausgeführt, daß eine Verordnung dieser Art nur hinsichtlich noch nicht bestehender Straßen, hinsichtlich bestehender Straßen aber nur dann ergehen darf, wenn diese schon vorher dem öffentlichen Verkehr gewidmet waren."
Diese Erwägungen bestimmten den VwGH die gegenständliche Verordnung anzufechten. Hinsichtlich des Umfanges der Anfechtung führte der VwGH aus:
"Der VwGH ist hiebei der Auffassung, daß im Hinblick auf den gegebenen untrennbaren Zusammenhang die gesamte Verordnung als gesetzwidrig aufzuheben ist; sollte jedoch der VfGH diese Meinung nicht teilen, wird der Eventualantrag gestellt, die Verordnung insoweit aufzuheben, als durch diese die dem Beschwerdeführer J. Sch. gehörigen Grundstücke betroffen sind."
4. Die Gemeinde Pinsdorf und die Oö. Landesregierung haben Äußerungen erstattet und beantragt, der VfGH möge erkennen, daß die in Rede stehende Verordnung nicht gesetzwidrig ist. Dabei wird bestritten, daß die angefochtene Verordnung den Beschwerdeführer des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens einseitig benachteilige, und das öffentliche Interesse an der Erklärung zum Ortschaftsweg dargelegt. Hinsichtlich der Mitwirkung des Gemeinderatsmitglieds Sp. an der Verordnungserlassung vertritt die Gemeinde Pinsdorf die Auffassung, daß diese bei der Beschlußfassung ohne Belang geblieben sei. Auch die Oö. Landesregierung bezweifelt, daß die Mitwirkung des Gemeinderats Sp. für die Beschlußfassung der Verordnung von besonderer Relevanz gewesen sei.
Zu der vom VwGH aufgeworfenen Frage, ob es nach VfSlg. 7884/1976 überhaupt zulässig sei, daß ein bestehender Privatweg durch Verordnung zum Ortschaftsweg erklärt wird, verweist die Landesregierung darauf, daß die Verordnung vom Gemeinderat vor diesem Erk. beschlossen worden sei; auch die Verordnungsprüfung durch die Landesregierung sei zeitlich vor dem Erk. des VfGH abgeschlossen gewesen und sie vertritt (in ihrem Vorbringen in der mündlichen Verhandlung vor dem VfGH) die Ansicht, daß jedenfalls für jene Teile des Weges, die schon im Eigentum der Gemeinde stehen, die Voraussetzungen für die Erlassung einer Verordnung durch den Gemeinderat gegeben gewesen seien. Überdies sei auch der den Beschwerdeführern gehörige Teil des in der Natur vorhandenen Weges zur Bedienung der Objekte, die auf aus dem seinerzeitigen Grundstück 359/1 gelösten Grundstücken errichtet wurden, durch Müllabfuhr, Rettung usw. benützt worden.
II. Der VfGH hat erwogen:
1. Der VwGH ist der Auffassung, daß er die angefochtene Verordnung bei der Entscheidung über den bei ihm angefochtenen Enteignungsbescheid anzuwenden hat. Dieser Ansicht ist im verfassungsgerichtlichen Verfahren nicht entgegengetreten worden. Auch der VfGH sieht keinen Grund, an der Vertretbarkeit der vom VwGH dargelegten Ansicht zu zweifeln. Auch ist dem VwGH nicht entgegenzutreten, wenn er des untrennbaren Zusammenhanges der Verordnung zufolge beantragt, die gesamte Verordnung in Prüfung zu ziehen.
Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen gegeben sind, ist der Verordnungsprüfungsantrag des VwGH zulässig.
2. a) Das zum Zeitpunkt der Verordnungserlassung geltende (inzwischen als Oö. Landes-Straßenverwaltungsgesetz 1975, LGBl. 22/1975 wiederverlautbarte) Gesetz vom 29. April 1936 über die öffentlichen Straßen mit Ausnahme der Bundesstraßen (Landes-Straßenverwaltungsgesetz), LGBl. 43/1936 idF LGBl. 2/1947 und 20/1947 (künftig LStVG) unterscheidet bei den unter das Gesetz fallenden Straßen zwischen Landesstraßen, Bezirksstraßen, Eisenbahn-Zufahrtstraßen, Gemeindestraßen, Ortschaftswegen, Güterwegen und Wanderwegen (§8 Abs1 LStVG). Hinsichtlich der Ortschaftswege ist bestimmt, daß diese Verkehrsflächen der Gemeinde sind. Die Erklärung einer Straße als Ortschaftsweg hat durch Verordnung des Gemeinderates zu erfolgen (§9 Abs3 leg. cit.). Als eine derartige Verordnung versteht sich die angefochtene Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde Pinsdorf vom 18. Juli 1974.
Der VfGH hat in seinem Erk. VfSlg. 7884/1976 dargelegt, daß eine solche Verordnung gemäß §9 LStVG "allgemein nur hinsichtlich noch nicht bestehender Straßen, hinsichtlich bestehender Straßen aber nur dann ergehen darf, wenn diese schon vorher dem öffentlichen Verkehr gewidmet waren". In VfSlg. 8156/1977 (und hinsichtlich der der oö. vergleichbaren stmk. Regelung auch in VfSlg. 8282/1978 und VfSlg. 8514/1979, hinsichtlich der Ktn. Regelung in VfSlg. 9375/1982 und 9377/1982) hat der Gerichtshof diese Auffassung bestätigt.
Hingegen darf die Öffentlicherklärung eines schon bestehenden Privatwegs und damit die Begründung des Gemeingebrauchs an diesem nur durch eine Verordnung gemäß §6 LStVG erfolgen. Diese Bestimmung ermächtigt die Bezirksverwaltungsbehörde, dann, wenn sich ein dringendes Verkehrsbedürfnis in anderer Weise ohne unverhältnismäßige Kosten nicht befriedigen läßt oder wenn die Umlegung einer öffentlichen Straße aus wichtigen Gründen notwendig wird, einen bestehenden Privatweg (Straße) nach Anhörung der bisher Berechtigten und Feststellung des unabweislichen Bedürfnisses auf Grund eines Augenscheins durch Enteignung als öffentlich zu erklären.
b) Im vorliegenden Fall ist keine der Voraussetzungen des §9 Abs3 LStVG gegeben. Vielmehr wird durch die angefochtene Verordnung ein schon bisher als Verkehrsfläche dienender Weg, der teilweise - und zwar hinsichtlich jener Teile, die über die Grundstücke 359/9 und 356/1 verlaufen - über Privatgrund, teilweise über öffentlichen Grund führt, zum Ortschaftsweg erklärt. Hinsichtlich jener Teile dieses Weges, die über Privatgrund führen, wurde durch die Verordnung der Gemeingebrauch begründet. Dies dürfte aber nach den zitierten Bestimmungen des LStVG nicht durch Verordnung des Gemeinderates gemäß §9, sondern nur gemäß §6 - unter den dort genannten Voraussetzungen - von der Bezirksverwaltungsbehörde verfügt werden. Erst danach wäre es dem Gemeinderat zugekommen, den in Rede stehenden Weg als Verkehrsfläche der Gemeinde in eine nach §8 Abs1 LStVG dafür in Frage kommende Gattung einzureihen.
c) Die angefochtene Verordnung war allein schon aus diesem Grund als gesetzwidrig aufzuheben, und zwar ihres untrennbaren Zusammenhanges wegen zur Gänze (vgl. VfSlg. 7884/1976 und 8156/1977). Auf das übrige Vorbringen des VwGH brauchte deshalb nicht eingegangen zu werden.
3. Gründe dafür, für das Außerkrafttreten der Verordnung eine Frist gemäß Art139 Abs5 B-VG zu bestimmen, konnte der VfGH nicht erkennen.
Die Verpflichtung der Oö. Landesregierung zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung im Landesgesetzblatt erfließt aus Art139 Abs5 B-VG und §60 Abs2 VerfGG.
Schlagworte
Straßenverwaltung, Ortschaftsweg, Widmung (einer Straße)European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1982:V22.1979Dokumentnummer
JFT_10178992_79V00022_00