TE Vfgh Erkenntnis 1982/10/9 B649/81

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Veröffentlicht am 09.10.1982
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Index

27 Rechtspflege
27/01 Rechtsanwälte

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
StGG Art5
RAO §50 Abs1

Leitsatz

Rechtsanwaltsordnung; keine Bedenken gegen §50 Abs1; keine denkunmögliche und keine gleichheitswidrige Anwendung

Spruch

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Der Beschwerdeführer, der seit dem 22. Jänner 1957 in die Liste der Rechtsanwälte der Rechtsanwaltskammer für Wien, NÖ und Bgld. eingetragen war, und auf Grund eines Erk. der Obersten Berufungs- und Disziplinarkommission (§55a des Disziplinarstatuts - DSt), RGBl. 40/1872 idF BGBl. 159/1956, mit Wirkung vom 17. April 1972 aus der Liste der Rechtsanwälte der genannten Kammer gestrichen worden war, richtete am 3. Juli 1980 an den Ausschuß der Rechtsanwaltskammer für Wien, NÖ und Bgld. (im folgenden als Ausschuß bezeichnet) ein "Ansuchen um Gewährung einer Rente".

Mit dem Bescheid vom 11. November 1980 wurde dieses Ansuchen von der Abteilung VII des Ausschusses abgelehnt. Der gegen diesen Bescheid erhobenen Vorstellung hat der Ausschuß mit dem Bescheid vom 13. Oktober 1981 keine Folge gegeben.

In der Begründung des Bescheides wird ausgeführt, daß auf das Vorbringen des Beschwerdeführers, wonach §50 Abs2 Z1 und Abs2 Z2 litc der Rechtsanwaltsordnung (RAO), RGBl. 96/1868, idF BGBl. 570/1973, verfassungswidrig seien, nicht einzugehen gewesen sei; der Ausschuß sei nicht zuständig, über die Frage der Verfassungsmäßigkeit der angeführten Bestimmungen zu entscheiden.

Die Vorstellung gehe aber auch, abgesehen von der Frage der Verfassungswidrigkeit, insofern von irrigen Rechtsauffassungen aus, als es sich bei den Bestimmungen über die Versorgungseinrichtungen der Rechtsanwaltskammern nicht um eine sozialversicherungsrechtliche Regelung, sondern um eine besondere Regelung für den Rechtsanwaltsstand handle. Dementsprechend könnten sozialversicherungsrechtliche Erwägungen, wie sie in der Vorstellung in ziemlicher Breite angestellt worden seien, auf die Auslegung der gegenständlichen Gesetzesstellen nicht angewendet werden.

Im übrigen übersehe die Vorstellung aber, daß zum Zeitpunkt der Zuerkennung der Berufsunfähigkeitspension an den Vorstellungswerber (Beschwerdeführer) durch die Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten, nämlich am 14. Juni 1976, dieser (der Beschwerdeführer) schon seit Jahren, nämlich seit dem 17. April 1972, nicht mehr Rechtsanwalt gewesen sei und dementsprechend die Bestimmungen der Rechtsanwaltsordnung auf den Vorstellungswerber gar keine Anwendung finden könnten. Ergänzend sei noch darauf hingewiesen, daß der Vorstellungswerber nicht einmal zur Zeit des Inkrafttretens der Bestimmungen über die Versorgungseinrichtungen der Rechtsanwaltschaft, nämlich am 1. Dezember 1973, Angehöriger des Berufsstandes gewesen sei und, da diese Bestimmungen nicht zurückwirkten, diese auf keinen Fall auf ihn Anwendung finden könnten.

2. Gegen den Bescheid des Ausschusses vom 13. Oktober 1981 richtet sich die vorliegende - auf Art144 B-VG gestützte - Beschwerde. Der Beschwerdeführer behauptet, durch diesen Bescheid in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Unversehrtheit des Eigentums und auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden zu sein. Es wird die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides, für den Fall der Abweisung die Abtretung der Beschwerde an den VwGH beantragt.

II. Der VfGH hat erwogen:

1. Das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde nur verletzt werden, wenn dieser auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde den dem Bescheid zugrundeliegenden Rechtsvorschriften fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie Willkür geübt hat (vgl. VfSlg. 8956/1980).

Das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Unversehrtheit des Eigentums wird nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH (vgl. VfSlg. 8956/1980) durch einen in das Eigentum eingreifenden Bescheid einer Verwaltungsbehörde nur dann verletzt, wenn der Bescheid unter Heranziehung einer verfassungswidrigen Rechtsgrundlage erlassen wurde oder wenn er gesetzlos ist, wobei die denkunmögliche Anwendung des Gesetzes ebenfalls als Gesetzlosigkeit angesehen wird.

2. a) Der Beschwerdeführer begründet die behauptete Verletzung des Eigentums- und des Gleichheitsrechtes ausschließlich damit, daß die Bestimmungen des §50 Abs2 Z1 und Z2 litc der Rechtsanwaltsordnung (RAO), RGBl. 96/1868 idF der Nov. BGBl. 570/1973 verfassungswidrig seien, "da sie sowohl den Gleichheitsgrundsatz als auch den Grundsatz der Unverletzlichkeit des Eigentums" verletzten.

b) §50 Abs1 und Abs2 Z1 und Z2 litc RAO lauten:

"§50. Jeder Rechtsanwalt und seine Hinterbliebenen haben bei Vorliegen der Voraussetzungen und bei Eintritt des Versorgungsfalls Anspruch auf Alters-, Berufsunfähigkeits- und Hinterbliebenenversorgung.

Dieser Anspruch ist in den Satzungen der Versorgungseinrichtungen nach festen Regeln festzusetzen. Hierbei sind folgende Grundsätze zu beachten:

1. Anspruchsberechtigte sind nur Rechtsanwälte, die zur Zeit des Eintritt des Versorgungsfalls in die Liste einer österreichischen Rechtsanwaltskammer eingetragen gewesen sind, sowie die Witwe und die Kinder eines Rechtsanwalts, der im Zeitpunkt seines Todes in die Liste einer österreichischen Rechtsanwaltskammer eingetragen gewesen ist oder einen Anspruch auf eine Versorgungsleistung gehabt hat.

2. Voraussetzungen für den Anspruch sind

a) ...

b) ...

c) im Fall der Alters- und der Berufungsunfähigkeitsversorgung der Verzicht auf die Ausübung der Rechtsanwaltschaft."

c) Die Abweisung des Antrages des Beschwerdeführers auf Gewährung einer Altersversorgung ist im angefochtenen Bescheid im wesentlichen damit begründet worden, daß der Beschwerdeführer im Zeitpunkt des Inkrafttretens (1. Dezember 1973) der durch die Nov. BGBl. 570/1973 geschaffenen Regelung über die Alters-, Berufungsunfähigkeits- und Hinterbliebenenversorgung (VII. Abschnitt der RAO) für die Rechtsanwälte nicht mehr Rechtsanwalt gewesen sei und daß damit auf ihn die angeführte Regelung nicht Anwendung finden könne.

Wie sich daraus ergibt, stützt sich nach dem Inhalt der Begründung des angefochtenen Bescheides die Abweisung des Antrages des Beschwerdeführers auf §50 Abs1 RAO. Nach dieser Bestimmung hat nur ein Rechtsanwalt (auf die Hinterbliebenen braucht im gegebenen Zusammenhang nicht Bedacht genommen zu werden) bei Vorliegen der Voraussetzungen und bei Eintritt des Versorgungsfalles Anspruch auf Alters-, Berufsunfähigkeits- und Hinterbliebenenversorgung. Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit dieser Bestimmung sind vom Beschwerdeführer nicht vorgebracht worden und im Verfahren vor dem VfGH nicht entstanden.

Ob die Voraussetzungen für die Gewährung einer Altersversorgung an den Beschwerdeführer nach den Bestimmungen des §50 Abs2 Z1 und Z2 litc RAO vorliegen, ist nicht geprüft worden und war auch nicht (mehr) zu prüfen. Die Bestimmungen, mit deren Verfassungswidrigkeit die vom Beschwerdeführer geltend gemachte Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte begründet wird, sind bei der Erlassung des angefochtenen Bescheides weder angewendet worden noch waren sie anzuwenden. Sie sind nicht präjudiziell; damit kommt aus Anlaß des vorliegenden Beschwerdefalles die Einleitung eines Verfahrens gemäß Art140 Abs1 B-VG zur Prüfung ihrer Verfassungsmäßigkeit jedenfalls nicht in Betracht.

3. Der VfGH kann es dahingestellt sein lassen, ob durch den angefochtenen Bescheid überhaupt in das Eigentum eingegriffen wurde. Hätte ein solcher Eingriff stattgefunden, wäre er bei der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH (vgl. VfSlg. 8703/1979) nur dann verfassungswidrig, wenn dieser auf einer denkunmöglichen Gesetzesanwendung beruhte; dies träfe nur dann zu, wenn der Annahme der belangten Behörde, daß dem Beschwerdeführer ein Anspruch auf Altersversorgung nicht zusteht, weil er im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Regelung über die Altersversorgung nicht Rechtsanwalt war und daher eine Anwendung dieser Bestimmungen auf ihn nicht mehr in Betracht kommt, eine denkunmögliche Gesetzesanwendung zugrunde läge.

Bei dem vom Beschwerdeführer nicht bestrittenen Umstand, daß er im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Regelung über die Altersversorgung nicht in die Liste einer Rechtsanwaltskammer eingetragen und daher nicht mehr Rechtsanwalt war, und bei dem Wortlaut des §50 Abs1, wonach nur ein Rechtsanwalt Anspruch auf Altersversorgung hat, ist die von der belangten Behörde vorgenommene Auslegung, daß der Beschwerdeführer von einem Anspruch auf Altersversorgung ausgeschlossen ist, jedenfalls nicht so fehlerhaft, daß sie einer Gesetzlosigkeit gleichkommt. Ob diese Auslegung auch richtig ist, hat nicht der VfGH, sondern der VwGH zu prüfen.

Der Beschwerdeführer ist somit keinesfalls im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt worden.

4. Bei der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides könnte die behauptete Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz nur vorliegen, wenn die Behörde dem Gesetz fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie Willkür geübt hätte.

Nach den Ausführungen in Z3 kann der belangten Behörde eine allenfalls Willkür indizierende, denkunmögliche Gesetzesanwendung nicht zum Vorwurf gemacht werden. Anhaltspunkte, aus denen aus anderen Gründen auf ein willkürliches Vorgehen der belangten Behörde bei der Erlassung des angefochtenen Bescheides geschlossen werden könnte, sind im Verfahren vor dem VfGH ebensowenig hervorgekommen wie Anhaltspunkte dafür, daß sie dem Gesetz fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt hätte. Die behauptete Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz liegt nicht vor.

5. Im Verfahren vor dem VfGH ist auch nicht hervorgekommen, daß eine vom Beschwerdeführer nicht geltend gemachte Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte stattgefunden hätte oder daß er wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden wäre.

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

Schlagworte

Rechtsanwälte Versorgung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1982:B649.1981

Dokumentnummer

JFT_10178991_81B00649_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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