Index
L4 Innere VerwaltungNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Art118 Abs6 B-VG; Prostitutionsverordnung Wien vom 13. Feber 1975; Verbot der Ausübung der Prostitution durch verheiratete Frauen - kein Verstoß gegen den GleichheitsgrundsatzSpruch
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Die Beschwerdeführerin teilte mit Schreiben vom 5. September 1978 der Bundespolizeidirektion Wien-Sicherheitsbüro mit, daß sie beabsichtige, im Gebiete der Stadt Wien die Prostitution auszuüben. Sie beantragte, ihr einen mit ihrem Lichtbild versehenen Ausweis auszustellen.
Die Bundespolizeidirektion Wien wertete diese Eingabe als Meldung iS der Verordnung des Magistrates der Stadt Wien über die sittlichkeitspolizeiliche Regelung der Prostitution vom 13. Februar 1975, kundgemacht im Amtsblatt der Stadt Wien Nr. 20/1975 (im folgenden kurz: PrV Wien). Sie wies mit Bescheid vom 19. Jänner 1979 diese Meldung zurück.
Die Wr. Landesregierung wies die dagegen von der Beschwerdeführerin eingebrachte Berufung als unbegründet ab und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid mit der Abänderung, daß die Entgegennahme der Meldung verweigert wird.
2. Gegen diesen Berufungsbescheid wendet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.
3. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde begehrt.
II. Der VfGH hat erwogen:
1. Nach §1 PrV Wien unterliegt die Ausübung gewerbsmäßiger Unzucht (Prostitution) durch Frauen im Gebiet der Stadt Wien den Bestimmungen dieser Verordnung.
Gemäß §3 erster Satz ist die Ausübung der Prostitution durch minderjährige oder verheiratete Frauen verboten.
Dem §4 Abs1 zufolge haben Frauen, die die Prostitution im Gebiet der Stadt Wien auszuüben beabsichtigen, dies vor Beginn der Tätigkeit persönlich der Behörde zu melden. §4 Abs2 PrV Wien bestimmt, daß die Behörde die Entgegennahme der Meldung zu verweigern hat, wenn sie von einer im §3 erster Satz genannten Person erstattet wird.
2. Der angefochtene Berufungsbescheid wird vor allem damit begründet, daß die Berufungswerberin (die nunmehrige Beschwerdeführerin vor dem VfGH) jedenfalls zum Zeitpunkt der Erstattung der Meldung verheiratet gewesen sei. §3 PrV Wien verbiete nun aber die Ausübung der Prostitution durch verheiratete Frauen. Die Entgegennahme der Meldung sei daher gemäß §4 Abs2 PrV Wien zu verweigern gewesen.
3. Die Beschwerdeführerin begründet ihre Behauptung, im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Gleichheitsrecht verletzt worden zu sein, damit, daß die PrV Wien zwischen unverheirateten und verheirateten Frauen unterscheide; es bestehe in der Ausübung der Prostitution in dieser Hinsicht aber keinerlei Unterschied, weshalb keine sachliche Rechtfertigung für diese ungleiche Behandlung bestehe. In anderen Bundesländern (NÖ und Tirol) werde denn auch die Ausübung der Prostitution durch verheiratete Frauen nicht verboten.
4. Der VfGH teilt diese Bedenken der Beschwerdeführerin nicht:
Auszugehen ist davon, daß es an sich zulässig ist, die gewerbsmäßige Unzucht (Prostitution) - die notwendig der Öffentlichkeit gegenüber in Erscheinung tritt - im Wege einer ortspolizeilichen Verordnung nach Art118 Abs6 B-VG zu regeln (vgl. zB VfSlg. 7960/1976, 8506/1979).
Es ist sachlich gerechtfertigt, wenn der Verordnungsgeber angenommen hat, daß es dem Wesen der Ehe abträglich sei, wenn ein (oder beide) Ehepartner der Prostitution nachgehen. Etwa aus der Strafdrohung des §194 StGB (auch wenn es sich hiebei um ein Privatanklagedelikt handelt) und daraus, daß der Ehebruch einen Ehescheidungsgrund nach §47 EheG bildet (auch wenn der Ehebruch verziehen werden kann - §56 EheG) ergibt sich klar, daß der Ehegesetzgeber nach wie vor schon den (auch nur einmaligen) Ehebruch mit einem bestimmten Partner mißbilligt; umso mehr wertet er den wiederholten Ehebruch mit ständig wechselnden Partnern negativ.
Wie der VfGH wiederholt dargetan hat (zB VfSlg. 8161/1977 und 8485/1979), ist es verfassungsrechtlich unbedenklich, wenn die eine Gesetzgebungsautorität an Rechtsinstitute anknüpft und auf Lebenssachverhalte Bedacht nimmt, die von der anderen Gesetzgebungsautorität zu regeln sind, sofern das Anknüpfen und die Bedachtnahme sachlich gerechtfertigt sind. Diese Überlegungen sind sinngemäß auf ortspolizeiliche Verordnungen zu übertragen.
Im vorliegenden Fall ist das Anknüpfen an das Rechtsinstitut der Ehe sachlich und sohin verfassungsrechtlich unbedenklich, weil diese Bedachtnahme geeignet ist, die Hintanhaltung jener Mißstände zu fördern, die von der gewerbsmäßigen Prostitution ausgehen.
Damit wird nicht zum Ausdruck gebracht, daß nicht auch eine andere Regelung vor dem Sachlichkeitsgebot Bestand haben könnte (vgl. hiezu zB VfSlg. 8147/1977).
Der Hinweis der Beschwerdeführerin, daß in anderen Bundesländern eine andere Regelung bestehe, tut nicht eine Gleichheitswidrigkeit dar, da die Verschiedenartigkeit der Regelung durch das bundesstaatliche Prinzip und jenes der Gemeindeautonomie bedingt ist (vgl. zB VfSlg. 8247/1978, 9116/1981).
Der VfGH hat auch nicht aus anderen als den von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Gründen das Bedenken, daß die PrV Wien gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoßen würde.
Anhaltspunkte dafür, daß die Behörde die Beschwerdeführerin willkürlich behandelt hätte, haben sich nicht ergeben.
Die Beschwerdeführerin ist sohin nicht im Gleichheitsrecht verletzt worden.
5. Da die Beschwerdeführerin auch nicht in anderen, von ihr nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden ist (s. hiezu die Ausführungen in der vorstehenden Z4) war die Beschwerde abzuweisen.
Schlagworte
Gemeinderecht, Wirkungsbereich eigener, Sittlichkeitspolizei, Prostitution, VerweisungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1982:B266.1980Dokumentnummer
JFT_10178985_80B00266_00