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50 GewerberechtNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Gelegenheitsverkehrsgesetz; keine Bedenken gegen §5 Abs1; keine denkunmögliche und keine willkürliche Anwendung; eine freie Betätigung (Ausübung) des gewählten Berufes ist nicht Inhalt des Rechtes auf Freiheit der BerufswahlSpruch
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Der Landeshauptmann von Wien hat mit - einen Bescheid des Magistrates der Stadt Wien als Behörde erster Instanz bestätigenden - Berufungsbescheid vom 11. Jänner 1980 gemäß §5 Abs1 des Gelegenheitsverkehrs-Gesetzes, BGBl. 85/1952 idF vor der Nov. BGBl. 486/1981 (im folgenden kurz: GelVerkG), die vom Beschwerdeführer beantragte Konzession zur Ausübung des Taxigewerbes mit dem Standort in Wien verweigert.
2. Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung näher bezeichneter verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides, hilfsweise die Abtretung der Beschwerde an den VwGH beantragt wird.
3. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie begehrt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen. Außerdem hat sie über Aufforderung des VfGH am 29. September 1982 eine ergänzende Stellungnahme abgegeben.
II. Der VfGH hat erwogen:
1. Der angefochtene Bescheid ist vom Landeshauptmann als Rechtsmittelbehörde erlassen worden. Gegen diesen Bescheid ist, da durch keine bundesgesetzliche Vorschrift etwas anderes bestimmt ist, gemäß Art103 Abs4 B-VG ein ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig (s. auch §344 Abs3 Z1 GewO idF der Nov. BGBl. 253/1976). Der Instanzenzug ist erschöpft (vgl. VfSlg. 9206/1981).
Die Beschwerde ist, da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen gegeben sind, zulässig.
2. a) Im angefochtenen Berufungsbescheid wird zunächst darauf hingewiesen, daß die erste Instanz dem Konzessionsansuchen mit der Begründung keine Folge gegeben hat, es bestehe kein Bedarf nach weiteren Leistungen des Taxigewerbes. Außerdem habe die erste Instanz die Zuverlässigkeit des Beschwerdeführers verneint, dies deshalb, weil er mit Strafverfügung des Bezirksgerichtes Floridsdorf vom 15. März 1977, 9 U 315/77, wegen §88 Abs1 StGB rechtskräftig bestraft wurde (Körperverletzung, die sich im Straßenverkehr ereignete; der Beschwerdeführer war mit seinem Fahrzeug auf ein anderes Fahrzeug aufgefahren).
Sodann lautet es im angefochtenen Berufungsbescheid wörtlich:
"Gemäß §5 Abs1 Gelegenheitsverkehrsgesetz darf die Konzession nur erteilt werden, wenn die Erfordernisse zum Antritt eines konzessionierten Gewerbes (§25 Abs1 Z1 GewO 1973) erfüllt und ein Bedarf nach der Gewerbeausübung sowie die Leistungsfähigkeit des Betriebes gegeben sind.
Da die letzte Bedarfserhebung bereits vor längerer Zeit durchgeführt worden war, hat die erkennende Behörde im Dezember 1977 durch das Marktamt der Stadt Wien und durch die Bundespolizeidirektion Wien bezüglich der Bedarfslage weitere Erhebungen vornehmen lassen. Bei insgesamt 2.506 Überprüfungen wurde festgestellt, daß an den vorhandenen Standplätzen in etwa 20 % der Fälle Wartezeiten von über fünf Minuten in Kauf genommen werden mußten. Hinsichtlich der über Funkvermittlung erreichbaren Taxifahrzeuge entstanden bei mindestens 15 % aller täglich weitergegebenen Aufträge Wartezeiten von über fünf Minuten.
Das Ergebnis dieser Erhebungen zeigt somit, daß die angebotenen Leistungen des Taxigewerbes zum Erhebungszeitpunkt nicht ausreichten, um die Nachfrage voll zu befriedigen; und zwar, obwohl auf Grund des Erk. des VwGH vom 15. September 1976, Zl. 1311/75, in welchem ausgesprochen wurde, daß zu diesem Zeitpunkt ein Bedarf nach etwa 200 weiteren Konzessionen bestand, insgesamt sogar 246 Taxikonzessionen neu erteilt worden waren.
Wenn auch - was der VwGH im genannten Erk. zum Ausdruck gebracht hat - Anhaltspunkte für die Annahme bestehen, daß nicht alle Inhaber der bestehenden Betriebe von dem Bestreben geleitet sind, bei der Ausübung ihrer Gewerbeberechtigung der Nachfrage des Publikums in einer dieser befriedigenden Weise zu entsprechen, muß ihnen ein derartiges Verhalten dennoch unterstellt werden (vgl. das obgenannte Erk. des VwGH sowie das Erk. Slg. N. F. 7340/A). Trotz der Tatsache, daß daher nicht ausgeschlossen werden kann, daß die derzeit bestehenden Gewerbeberechtigungen bei entsprechendem beruflichem Einsatz der Konzessionsinhaber zur Bedarfsdeckung ausreichen könnten, sah die erkennende Behörde dennoch in der Erteilung weiterer Konzessionen die einzige Möglichkeit, die bestehende Nachfrage zu decken.
Die Frage, durch welche Zahl zu erteilender Konzessionen dieses Ziel erreicht wird, kann mit mathematischer Sicherheit nicht gelöst werden (vgl. das zitierte Erk. des VwGH vom 15. September 1976 sowie das vom 17. Jänner 1968, Zl. 240/67).
Die erkennende Behörde ist daher zur Ansicht gekommen, daß nur durch die Erteilung weiterer Konzessionen der gegenwärtige und zukünftige Bedarf befriedigt werden kann. Da aber wesentlich mehr Konzessionsansuchen anhängig sind, als zur Befriedigung der ungedeckten Nachfrage Konzessionen zu erteilen sind, war es notwendig, unter den Bewerbern eine Auswahl zu treffen. Als Auswahlkriterien für eine positive Erledigung wurde in Anlehnung an die vom VwGH seinerzeit gewählte Vorgangsweise (vgl. das zitierte Erk. vom 15. September 1976) bestimmt, daß das Ansuchen bereits vor dem 1. Juli 1978 eingebracht wurde und der Konzessionswerber - abgesehen von der Erfüllung der allgemeinen Voraussetzungen für die Ausübung von Gewerben - bis zu diesem Zeitpunkt mindestens fünf Jahre Pächter eines Taxiunternehmens war und überdies einen Taxilenkerausweis besitzt oder bis zu diesem Zeitpunkt bereits mindestens insgesamt fünf Jahre hauptberuflich als Taxilenker tätig war. Weiters wurde festgelegt, daß Konzessionen an Bewerber nicht erteilt werden, die eine solche bereits besitzen oder besessen haben, wodurch einer möglichst großen Personenzahl die selbständige Ausübung des Gewerbes ermöglicht werden soll.
Obwohl der Berufungswerber diese Voraussetzungen erfüllt, kam er aus folgenden Erwägungen nicht zum Zug:
Wenn auch das festgestellte Vergehen des Rechtsmittelwerbers wohl nicht seine Zuverlässigkeit ausschließt, so ist dieser Umstand bei der Auswahl unter mehreren Konzessionswerbern doch von Bedeutung. Nach Ansicht der erkennenden Behörde ist es gerechtfertigt, Personen, deren Verhalten im Straßenverkehr bisher keinen Anlaß für eine verwaltungsbehördliche oder gerichtliche Bestrafung gegeben haben, jenen vorzuziehen, bei denen dies nicht mehr zutrifft. Da mehrere Bewerber, die noch nie im Straßenverkehr nachteilig in Erscheinung getreten sind, für eine nur geringe Anzahl zu erteilender Taxikonzessionen vorhanden sind, konnte dem Berufungswerber, obwohl seine Zuverlässigkeit nicht bestritten wird, derzeit keine Konzession erteilt werden. Der Berufung war daher der Erfolg zu versagen. ..."
b) Über Aufforderung des VfGH hat die belangte Behörde zu fünf ihr gestellten Fragen am 29. September 1982 folgende Stellungnahme erstattet:
"Zu 1. und 2.
Die belangte Behörde hat im Zeitraum zwischen Einbringung des Taxikonzessionsansuchens des Beschwerdeführers und der Erlassung des angefochtenen Bescheides sämtlichen Erledigungen das Ergebnis der Bedarfserhebung vom Dezember 1977 zugrunde gelegt. Diese Erhebung zeigte, daß ein Bedarf nach einer Erweiterung des Taxidienstleistungsangebotes vorlag. Die Frage, welche Zahl zu erteilender Konzessionen zur Deckung der Nachfrage erforderlich war, konnte - wie auch der VwGH in seinen Erk. bei gleichgelagerten Fällen (u.a. in seinem Erk. vom 15. September 1976, Zl. 1311/75) ausgesprochen hat - nicht mit mathematischer Sicherheit gelöst werden. Weil aber mehr Konzessionsansuchen anhängig waren, als zur Befriedigung der ungedeckten Nachfrage Konzessionen zu erteilen waren, mußte unter den einzelnen Bewerbern eine Auswahl getroffen werden. Die Auswahlkriterien wurden in Anlehnung an die vom VwGH seinerzeit gewählte Vorgangsweise getroffen. Die belangte Behörde hat sämtliche Erledigungen in Übereinstimmung mit der Judikatur des VwGH getroffen.
Zu 3.
Im Zeitraum zwischen Einbringung des Taxikonzessionsansuchens des Beschwerdeführers und Erlassung des angefochtenen Bescheides wurden von der belangten Behörde 169 Konzessionen erteilt und 153 verweigert.
Zu 4.
Alle damals erledigten Konzessionsansuchen wurden unter Beachtung der im angefochtenen Berufungsbescheid erwähnten Richtlinien erledigt.
Zu 5.
Es erhielten damals ausschließlich solche Personen eine Taxikonzession, von denen angenommen werden konnte, daß ihr Verhalten im Straßenverkehr bisher keinen Anlaß für eine verwaltungsbehördliche oder gerichtliche Bestrafung gegeben hat."
3. Der Beschwerdeführer behauptet, durch den bekämpften Bescheid in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz, auf Erwerbsausübungsfreiheit und auf Freiheit der Berufswahl verletzt worden zu sein.
Er begründet dies im wesentlichen damit, daß die im angefochtenen Bescheid erwähnte Bedarfserhebung bereits drei Jahre zurückliege und der Bedarf in den letzten drei Jahren, insbesondere durch die Benzinpreiserhöhung, gestiegen sei. Es sei daher unzulässig, eine drei Jahre alte Bedarfserhebung der Entscheidung zugrunde zu legen; dies sei "schlechthin als eine willkürliche Steuerung der Wirtschaft bzw. einer Manipulation der Taxikonzession anzunehmen". Wenn seine Berufswahl eine Einschränkung wegen der rechtskräftigen Verurteilung nach §88 Abs1 StGB erfahre, müsse dem entgegengehalten werden, daß eine derartige Heranziehung seiner Vorstrafe gleichfalls als willkürlicher Akt anzusehen sei. Nach Art18 StGG stehe ihm nicht nur das Recht zu, einen Beruf zu wählen, sondern letztlich auch diesen Beruf zu "ergreifen".
4. a) Zur Widerlegung der Behauptung, in dem durch Art18 StGG verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Freiheit der Berufswahl verletzt worden zu sein, genügt es, auf die ständige Judikatur des VfGH (zB VfSlg. 4011/1961, 7071/1973) zu verweisen, wonach eine freie Betätigung (Ausübung) in dem gewählten Beruf nicht Inhalt dieses Grundrechtes ist.
b) aa) Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH (zB VfSlg. 8823/1980) nur vorliegen, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat.
Das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Freiheit der Erwerbsbetätigung wird mit Rücksicht auf den in Art6 StGG enthaltenen Gesetzesvorbehalt nur verletzt, wenn einem Staatsbürger durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde der Antritt oder die Ausübung einer bestimmten Erwerbsbetätigung untersagt wird, ohne daß ein Gesetz die Behörde zu einem solchen die Erwerbstätigkeit einschränkenden Bescheid ermächtigt, oder wenn die Rechtsvorschrift, auf die sich der Bescheid stützt, verfassungswidrig oder gesetzwidrig ist, oder wenn bei der Erlassung des Bescheides ein verfassungsmäßiges Gesetz oder eine gesetzmäßige Verordnung in denkunmöglicher Weise angewendet worden ist (vgl. zB VfSlg. 8492/1979).
bb) Der angefochtene Bescheid ist nicht ohne jede gesetzliche Grundlage ergangen. Er gründet sich vor allem auf §5 Abs1 GelVerkG, wonach die Taxikonzession nur erteilt werden darf, wenn die Erfordernisse zum Antritt eines konzessionierten Gewerbes erfüllt und ein Bedarf nach der Gewerbeausübung sowie die Leistungsfähigkeit des Betriebes gegeben sind.
Der VfGH hat unter dem Gesichtspunkt des vorliegenden Beschwerdefalles gegen diese Gesetzesbestimmung keine verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. zB VfSlg. 8492/1979).
cc) Die Behörde hat das Gesetz weder denkunmöglich noch willkürlich angewendet:
Sie hat auf Grund einer - eingehenden - Bedarfserhebung vom Dezember 1977 festgestellt, daß ein Bedarf nach einer Erweiterung des Taxidienstleistungsangebotes vorlag. Es ist jedenfalls nicht denkunmöglich oder willkürlich, wenn die Behörde noch etwa zwei Jahre später von den Ergebnissen dieser Bedarfserhebung ausgeht. Keinesfalls stellt es einen in die Verfassungssphäre reichenden Verfahrensmangel dar, wenn die Behörde nicht neuerlich eine - aufwendige - Erhebung über den Bedarf verfügt hat; sie mußte nicht annehmen, daß sich die Bedarfsverhältnisse innerhalb der letzten zwei Jahre wesentlich geändert hatten.
Die Zahl der nach Ansicht der belangten Behörde zur Befriedigung des ungedeckten Bedarfes neu zu erteilenden Taxikonzessionen lag wesentlich unter der Zahl der anhängigen Konzessionsansuchen. Die belangte Behörde legte sich daher Richtlinien zurecht, nach denen die Auswahl der positiv zu erledigenden Ansuchen zu treffen war. Dagegen ist verfassungsrechtlich nichts einzuwenden (vgl. zB VfSlg. 7767/1976 und 8378/1978). Es haben sich keine Anhaltspunkte dafür ergeben, daß die Behörde ihre eigenen Richtlinien zum Nachteil des Beschwerdeführers mißachtet hätte.
Wenn die Behörde Konzessionswerber, deren Verhalten im Straßenverkehr bisher keinen Anlaß für eine verwaltungsbehördliche oder gerichtliche Bestrafung gegeben hat, gegenüber jenen, die eine solche Strafe aufzuweisen haben, den Vorzug gegeben hat, so kann ihr nicht der Vorwurf einer denkunmöglichen oder willkürlichen Gesetzesanwendung gemacht werden.
dd) Der Beschwerdeführer ist sohin weder im Gleichheitsrecht noch im Recht auf Erwerbsausübungsfreiheit verletzt worden.
c) Die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte hat sohin nicht stattgefunden.
Das Verfahren hat nicht ergeben, daß der Beschwerdeführer in von ihm nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Rechtsnorm in einem Recht verletzt wurde.
Die Beschwerde war daher abzuweisen.
Schlagworte
Gewerberecht, Gelegenheitsverkehr, Taxis, Berufswahl- und BerufsausbildungsfreiheitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1982:B261.1980Dokumentnummer
JFT_10178875_80B00261_00