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L6 Land- und ForstwirtschaftNorm
B-VG Art7 Abs1 / VerwaltungsaktLeitsatz
Nö. Grundverkehrsgesetz 1973; Unterlassung des Ermittlungsverfahrens in einem entscheidenden Punkt auf Grund unrichtiger Auslegung des §9 Abs2 litc - WillkürSpruch
Der Bescheid wird aufgehoben.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Die Brucker Zuckerfabrik, eine Gesellschaft mbH mit dem Sitz in Wien (im folgenden Beschwerdeführerin), hat mit Kaufvertrag vom 13. April 1978 bzw. 13. Dezember 1977 die in ein Zusammenlegungsgebiet einbezogenen Grundstücke 3390/1 und 3391 je Acker aus der EZ 377 KG Bruck a. d. Leitha erworben. Diese Grundstücke haben im Zusammenlegungsverfahren die (neue) Nummer 3631, Acker im Ausmaß von 1,6669 ha.
Mit Bescheid der Grundverkehrs-Bezirkskommission Bruck a. d. Leitha vom 7. Juli 1978 wurde dem Kaufvertrag gemäß §8 Abs2 lita des Nö. Grundverkehrsgesetzes 1973, LGBl. 6800-2 (im folgenden Nö. GVG), die Genehmigung versagt.
Die gegen diesen Bescheid von der Beschwerdeführerin erhobene Berufung hat die Grundverkehrs-Landeskommission beim Amt der Nö. Landesregierung mit dem Bescheid vom 19. März 1979 gemäß §66 Abs4 AVG 1950 iVm §§1 Abs1, 6 Abs3 und 8 Abs1 und 2 lita und j Nö. GVG abgewiesen und den erstinstanzlichen Bescheid bestätigt.
2. Gegen den Bescheid der Grundverkehrs-Landeskommission vom 19. März 1979 richtet sich die unter Berufung auf Art144 B-VG erhobene Beschwerde. Die Beschwerdeführerin behauptet, durch den angefochtenen Bescheid in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Unversehrtheit des Eigentums und auf Gleichheit vor dem Gesetz verletzt worden zu sein.
Es wird der Antrag gestellt, den angefochtenen Bescheid kostenpflichtig aufzuheben.
II. Der VfGH hat erwogen:
1. Gegen den Bescheid der Grundverkehrs-Landeskommission beim Amt der Nö. Landesregierung ist eine Berufung nicht zulässig (§7 Abs8 Nö. GVG). Der Instanzenzug ist erschöpft. Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen gegeben sind, ist die Beschwerde zulässig.
2. Die für die Beurteilung des Beschwerdefalles maßgeblichen Bestimmungen des Nö. GVG lauten:
a) §1
(1) Rechtsgeschäfte unter Lebenden, welche die Übertragung des Eigentums oder die Einräumung des Fruchtnießungsrechtes an einer land- oder forstwirtschaftlichen Liegenschaft zum Gegenstand haben, bedürfen zu ihrer Gültigkeit der Zustimmung der Grundverkehrskommission.
...
b) §8
(1) Die Grundverkehrskommission hat ihre Zustimmung nicht zu erteilen, wenn das Rechtsgeschäft dem allgemeinen Interesse an der Erhaltung, Stärkung oder Schaffung eines leistungsfähigen Bauernstandes und, soweit ein solches nicht in Frage kommt, dem Interesse an der Erhaltung und Schaffung eines wirtschaftlich gesunden, mittleren oder kleinen landwirtschaftlichen Grundbesitzes oder an dem Bestand eines rationell bewirtschafteten, für die Versorgung der Bevölkerung mit Bodenerzeugnissen wichtigen Großbesitzes widerstreitet.
(2) Ein Rechtsgeschäft widerstreitet jedenfalls dem allgemeinen Interesse an der Erhaltung, Stärkung oder Schaffung eines leistungsfähigen Bauernstandes, wenn
a) der Erwerber, Fruchtnießer oder Pächter eines oder mehrerer land- oder forstwirtschaftlicher Grundstücke kein Landwirt ist und in der Gemeinde, in der das Grundstück oder die Grundstücke liegen, oder in den umliegenden Gemeinden ein oder mehrere Landwirte, oder in Ermangelung solcher Interessenten ein oder mehrere Nebenerwerbslandwirte bereit sind, den ortsüblichen Verkehrswert oder Pachtzins zu bezahlen;
...
j) die durch eine Zusammenlegung oder Flurbereinigung hergestellte Flureinteilung ohne zwingende Gründe wieder gestört wird.
...
(5) Als Landwirt iS dieses Gesetzes ist anzusehen, wer aus seiner Arbeit in der Land- oder Forstwirtschaft seinen und seiner Familie Lebensunterhalt vorwiegend bestreitet oder nach dem Erwerb der Liegenschaft bestreiten will, sofern er auf Grund praktischer Tätigkeit oder fachlicher Ausbildung die dazu erforderlichen Fähigkeiten besitzt und Grund zur Annahme besteht, daß er diese selbständige Arbeit nach dem Erwerb der Liegenschaft ausüben wird (Voll- oder Nebenerwerbslandwirt).
...
c) §9
(1) ...
(2) Die Zustimmung ist unbeschadet der Bestimmungen des §8 Abs3 zu erteilen, wenn
a) ...
b) ...
c) ein Grundstück zum Zwecke der Errichtung oder Vergrößerung einer gewerblichen, industriellen oder bergbaulichen Anlage bestimmt ist, es sei denn, daß mehr Grundflächen als notwendig in Anspruch genommen werden;
...
(3) Die Bestimmung einer Liegenschaft zur Errichtung oder Vergrößerung einer gewerblichen, industriellen oder bergbaulichen Anlage ist durch eine Bescheinigung der Kammer der gewerblichen Wirtschaft glaubhaft zu machen und von der Grundverkehrsbehörde zu überprüfen.
d) Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der angeführten und der sonstigen bei der Erlassung des angefochtenen Bescheides angewendeten Vorschriften sind in der Beschwerde nicht vorgebracht worden und im Verfahren vor dem VfGH nicht entstanden.
3. a) Als Grund für die Erwerbung des Grundstückes hat die Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren vorgebracht, daß sie es als Deponie bzw. zur Anlandung des aus ihrem Rübenschlamm- und Waschwasserkreislauf und der Technologie der Zuckererzeugung anfallenden Schlammes benötige. Diese Feststoffe würden derzeit in gepachteten Grundstücken, die zwischen dem Aubach und dem Leithakanal lägen, angelandet. Das überstehende Wasser werde "in südlich vom Leithakanal liegenden Klärbecken gestapelt". Die Anlandegründe würden in einigen Jahren erschöpft sein. Außerdem sei das westlich der Anlandegründe gelegene (im Eigentum der Beschwerdeführerin stehende) Grundstück 3097 KG Wilfleinsdorf mit Verordnung der Gemeinde Bruck a.
d. Leitha von Grünland in Bauland umgewidmet worden. Auf diesem Grundstück sei eine Kolonie von 100 bis 150 Weekendhäusern in Entstehung begriffen. Bei der Realisierung des Umwidmungsvorhabens würde das Bauland unmittelbar an die von der Beschwerdeführerin für Abwasserzwecke genutzten Flächen heranrücken. Die Emissionsverminderung gewinne dadurch erhöht an Bedeutung und Interesse. Es sei festgestellt worden, daß in absehbarer Zeit die Anlandung wegen "Erschöpfung der Gründe" beendet sein würde und daß aus Sicht der Behörde Interesse bestehe, die Anlandung auf den derzeitigen Flächen so bald als möglich zum Abschluß zu bringen. Aus diesem Grunde sei konkret beabsichtigt, in den nächsten Jahren auf geeigneten Grundstücken mit Erdwällen umrandete Becken anzulegen, in denen Rübenerde und Saturationsschlamm zwischengelagert und nach dem Austrocknen abtransportiert würden. Für die Anlage dieser Becken bestehe daher ein legitimer Bedarf an Grundstücken. Aus technischen, wirtschaftlichen und im Bereich des Umweltschutzes liegenden Gründen erscheine es am zweckmäßigsten, die künftigen Becken westlich des im Eigentum der Beschwerdeführerin stehenden Grundstückes 3634 KG Bruck a. d. Leitha anzulegen, auf dem sich bereits jetzt die Rohrleitungen sowie ein Zwischenbecken für die zu deponierenden Abfallstoffe befänden. Das kaufgegenständliche Grundstück, das durch zwei schmale andere Grundstücke vom Grundstücke der Beschwerdeführerin getrennt sei, gehöre zu dem für die geplanten Anlagen erforderlichen Areal.
Zum Beweis für die vorgebrachten Behauptungen hat die Beschwerdeführerin die Einvernahme einer Reihe von Zeugen beantragt.
b) Die belangte Behörde hat ein Gutachten eines Amtssachverständigen auf dem Gebiete der Abwasserbeseitigung und eines landwirtschaftlichen Amtssachverständigen eingeholt. Zur Begründung, daß die Voraussetzungen für die Erteilung der Zustimmung nach §9 Abs2 litc Nö. GVG nicht gegeben seien, obgleich die Beschwerdeführerin eine industrielle Anlage besitze und die Bescheinigung nach §9 Abs3 Nö. GVG vorliege, wird ausgeführt, die Überprüfung durch den abwassertechnischen Amtssachverständigen habe ergeben, "daß das gegenständliche Grundstück, das lediglich eine Breite von 30 m aufweist und nicht an betriebseigene Grundstücke unmittelbar angrenzt, für die vorgesehene Zwischendeponie ungeeignet" sei. Die Berufungswerberin habe selbst zugeben müssen, daß dieses Grundstück allein für die vorgesehenen Zwecke der Deponie des angefallenen Schlammes nicht ausreiche und daß es nach dem derzeitigen technischen Stand der Abwasserbeseitigung diesem Zweck nicht dienen könne.
Das Rechtsgeschäft habe daher nicht unter die Ausnahmebestimmung des §9 Abs2 litc Nö. GVG subsumiert werden können, weil Ausnahmebestimmungen streng auszulegen seien. Da die Entscheidung auf Grund der derzeitigen Verhältnisse zu treffen sei, habe das Vorbringen, es würden noch weitere Grundstücke angekauft werden, nicht entscheidend berücksichtigt werden können.
Dazu komme noch, daß die Beschwerdeführerin mit dem Grundstück 3634 KG Bruck a. d. Leitha ein wesentlich breiteres Grundstück besitze. Warum gerade das Kaufgrundstück, das westlich von dem eigenen Grundstück liege, für die Anlage verwendet werden solle, sei lediglich damit begründet worden, daß es "aus technischen, wirtschaftlichen und im Bereich des Umweltschutzes liegenden Gründen am zweckmäßigsten erscheint, diese zukünftigen Becken westlich des Grundstückes 3634 KG Bruck a. d. Leitha anzulegen".
Aus diesen Überlegungen gehe eindeutig hervor, daß gegenwärtig offensichtlich doch mehr Grund als notwendig beansprucht werde, denn es habe die von der Grundverkehrs-Bezirkskommission getroffene Feststellung, "daß eine konkrete industrielle Nutzung des Grundstückes in nächster Zeit nicht beabsichtigt sei", auch im Berufungsverfahren nicht eindeutig widerlegt werden können.
Bei diesem Ergebnis habe die Grundverkehrs-Landeskommission die in erster Linie zum Beweis für die geplante Wochenendsiedlung beantragten Zeugeneinvernahmen als entbehrlich ausscheiden können, weil auf Grund des Gutachtens des abwassertechnischen Amtssachverständigen der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt mit Rücksicht auf die Grundsätze der Zweckmäßigkeit, Raschheit und Einfachheit als ausreichend (geklärt) erschienen sei.
c) In der Beschwerde wird vorgebracht, die belangte Behörde meine nun, es sei §9 Abs2 litc Nö. GVG als Ausnahmebestimmung streng auszulegen; da die Entscheidung "auf Grund der derzeitigen Verhältnisse zu treffen" sei, habe das Vorbringen, es würden noch weitere Grundstücke angekauft werden, "nicht entscheidend berücksichtigt" werden können. Damit habe die belangte Behörde einen Rechtsfehler begangen, der so schwer wiege, daß er einer Gesetzlosigkeit gleichzuhalten sei.
Das Gesetz verlange nur, daß das Grundstück zum Zwecke der Errichtung oder Vergrößerung einer gewerblichen, industriellen oder bergbaulichen Anlage bestimmt sei. Werde diese (ernstliche) Zweckbestimmung erwiesen, dann komme es nicht darauf an, ob das Grundstück dem begünstigten Zweck sofort (ohne weitere Grundzukäufe) oder später (nach weiteren Grundzukäufen) zugeführt werden soll. Die Behörde habe nicht etwa Ermessen zu üben, sondern festzustellen, ob die begünstigte Zweckbestimmung gegeben sei oder nicht; wenn ja, dann sei sie verpflichtet, die beantragte Zustimmung zu erteilen.
Der Ausnahmetatbestand, daß "mehr Grundflächen als notwendig" in Anspruch genommen würden, lasse sich angesichts des vom Sachverständigen anerkannten Bedarfes der beschwerdeführenden Partei an Auflandegrundstücken nicht denkmöglich zur Begründung des angefochtenen Bescheides heranziehen. Die Beschwerdeführerin habe zum Nachweis der Absicht, weitere Grundflächen zuzukaufen und schließlich unter Einbeziehung des strittigen Grundstückes Auflandeteiche zu errichten, Zeugenbeweise angeboten, die die belangte Behörde bei denkmöglicher und gleichheitskonformer Gesetzesanwendung nicht übergehen hätte dürfen. Außerdem hätte die vorgelegte Bescheinigung der Kammer der gewerblichen Wirtschaft berücksichtigt werden müssen (§9 Abs3 Nö. GVG).
Die belangte Behörde habe jedoch von einer qualifiziert unrichtigen - denkunmöglichen - Auslegung des Gesetzes ausgehend in einem entscheidenden Punkt, nämlich in der Richtung, ob das Grundstück überhaupt - (und nicht bloß gegenwärtig) - zur Vergrößerung einer industriellen Anlage bestimmt sei, jegliche Prüfung unterlassen; dies stelle nicht bloß die Verletzung einfachgesetzlicher Verfahrensvorschriften dar, sondern greife in die Verfassungssphäre ein (s. Hinweis auf die Judikatur des VfGH insbesondere B111/78 vom 22. 6. 1978). Die Beschwerdeführerin sei sohin durch den angefochtenen Bescheid im Eigentumsrecht und im Gleichheitsrecht verletzt worden.
d) Der VfGH ist - ebenso wie die Beschwerdeführerin - der Auffassung, daß einem Rechtsgeschäft die grundverkehrsbehördliche Zustimmung bereits dann zu erteilen ist, falls die Voraussetzungen des §9 Abs2 litc Nö. GVG vorliegen, auch wenn einer der Versagungsgründe des §8 Nö. GVG gegeben ist.
Nach §9 Abs2 litc Nö. GVG ist die Zustimmung zu erteilen, wenn ein Grundstück zum Zwecke der Errichtung oder Vergrößerung einer gewerblichen, industriellen oder bergbaulichen Anlage bestimmt ist. Die belangte Behörde hat diese Bestimmung dahin ausgelegt, daß die Entscheidung auf Grund der "derzeitigen Verhältnisse" (gemeint: ohne Berücksichtigung der zukünftigen Entwicklung) zu treffen ist; das Vorbringen betreffend den Ankauf weiterer Grundstücke könne daher "nicht entscheidend berücksichtigt" werden. Die Behörde hat auf Grund dieser Rechtsauffassung jegliches weitere Ermittlungsverfahren unterlassen und hat insbesondere die von der Beschwerdeführerin beantragten Beweise nicht erhoben.
Der VfGH kann die von der belangten Behörde getroffene Auslegung des §9 Abs2 litc Nö. GVG aus folgenden Gründen nicht teilen:
Die Realisierung eines Vorhabens wie des vorliegenden hängt auch von in der Zukunft liegenden Umständen ab. Die Planung des Grundeigentümers, ein Grundstück einem der in §9 Abs2 litc Nö. GVG genannten Verwendungszwecke zuzuführen, muß zwangsläufig eine Reihe von Komponenten berücksichtigen (wie etwa Finanzierbarkeit, technische Realisierbarkeit, Möglichkeit eines Zukaufes weiterer Grundstücke udgl. mehr), welche auch zukünftige Entwicklungen beinhalten. Daß eine solche Planung nicht mit absoluter Sicherheit gewährleisten kann, daß das Grundstück dem bestimmten Zweck letztlich auch tatsächlich zugeführt wird, liegt in der Natur jeder Planung. Es müssen (nur) gewichtige Anhaltspunkte dafür vorhanden sein, daß die ernsthafte Absicht und begründete Aussicht besteht, das Grundstück zu diesem Zweck zu verwenden.
Um das Vorliegen einer derartigen Absicht beurteilen zu können, genügt es - wie sich aus dem oben Gesagten ergibt - keineswegs, ohne Rücksichtnahme auf die Planung und deren Realisierbarkeit lediglich auf die derzeitigen Verhältnisse abzustellen, wie es die belangte Behörde getan hat.
In einer derartigen Vorgangsweise liegt aber iS der ständigen Rechtsprechung des VfGH ein willkürliches Verhalten der Behörde, welches einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz darstellt (vgl. zB VfSlg. 8320/1978, S 361 und die dort angeführte Vorjudikatur).
4. Der Bescheid ist daher aufzuheben.
Schlagworte
Grundverkehrsrecht, Grundstück land- oder forstwirtschaftlichesEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1982:B186.1979Dokumentnummer
JFT_10178871_79B00186_00