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27 RechtspflegeNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
GJGebGes 1962; keine Bedenken gegen TP3 litb Z2 erster Satz; keine denkunmögliche Anwendung der TP3 litb Z1Spruch
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
1. Auf Antrag des Beschwerdeführers wurde in einem von ihm beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien angestrengten Rechtsstreit ein Versäumungsurteil gefällt, das jedoch nach Widerspruch gemäß §397a ZPO wieder aufgehoben wurde. Im Hinblick auf eine außergerichtliche Einigung trat bei der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung in der Folge Ruhen des Verfahrens ein.
Mit Zahlungsauftrag vom 30. Oktober 1981 schrieb der Kostenbeamte dem Beschwerdeführer für das über seinen Antrag ergangene Versäumungsurteil eine Entscheidungsgebühr nach Tarifpost 3 (künftig: TP3) litb Z1 Gerichts- und Justizverwaltungsgebührengesetz 1962 (GJGebGes 1962) vor. Dem dagegen eingebrachten Berichtigungsantrag wurde mit Bescheid des Präsidenten des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 10. Mai 1982, Jv 1572-33a/82, keine Folge gegeben.
2.1. Gegen diesen Bescheid wendet sich die auf Art144 B-VG gestützte, vorliegende Beschwerde, in der die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unverletzlichkeit des Eigentums sowie die Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes geltend gemacht und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.
2.2. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde begehrt.
3. Der VfGH hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
3.1. Ausgehend davon, daß ihm gemäß TP3 litb Z1 des GJGebGes 1962 für das auf seinen Antrag ergangene Versäumungsurteil eine Entscheidungsgebühr von 1 % des Streitgegenstandes vorgeschrieben wurde, behauptet der Beschwerdeführer unter Hinweis darauf, daß dieses Versäumungsurteil infolge eines gemäß §397a ZPO erhobenen Widerspruches aufgehoben worden sei, die Verfassungswidrigkeit des Wortes "Versäumungs-," in der angewendeten Gesetzesstelle wegen eines Verstoßes gegen den Gleichheitssatz, da das Gesetz fünf taxativ aufgezählte Ausnahmen kenne, denen zufolge gemäß §41 Abs1 GJGebGes die Gebührenpflicht erlösche und es gegebenenfalls zu keiner Gebührenvorschreibung mehr zu kommen habe, hiebei jedoch der Fall eines Widerspruches gegen ein Versäumungsurteil als Ausnahme nicht berücksichtigt werde, obwohl die vergleichbare Regelung einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand einen der Ausnahmefälle bildet.
3.2. Der VfGH sieht sich auf Grund folgender Erwägungen nicht veranlaßt, sich dem Bedenken des Beschwerdeführers anzuschließen:
3.2.1. In TP3 des GJGebGes 1962 wird angeordnet, in welcher Höhe, nämlich mit welchem Hundertsatz vom Wert des Streitgegenstandes die Gebühren für gerichtliche Entscheidungen zu bemessen sind. Nach Z1 der litb der TP3 beträgt die Entscheidungsgebühr für Versäumungsurteile 1 von 100 vom Wert des Streitgegenstandes.
Nach Z2 der einen Bestandteil des GJGebGes 1962 bildenden Anmerkungen zur TP3 wird bestimmt:
"2. Die Gebührenpflicht einer Entscheidung wird dadurch nicht berührt, daß diese aufgehoben oder außer Kraft gesetzt wird. Wird jedoch nach Aufhebung einer Entscheidung im Instanzenzug die Sache zur neuerlichen Entscheidung zurückverwiesen, so ist die Gebühr für die aufgehobene Entscheidung in die für die neue Entscheidung oder in die Gebühr für einen vor der neuen Entscheidung getroffenen gerichtlichen Vergleich einzurechnen. Wenn die erste Gebühr die zweite übersteigt, ist der Mehrbetrag zurückzuzahlen.
Weiters ist einzurechnen:
a) die Gebühr für einen unter lita fallenden Zahlungsauftrag in die Gebühr für das über die Einwendungen gegen den Zahlungsauftrag gefällte Urteil erster Instanz oder einen vor dieser Instanz geschlossenen Vergleich;
b) die Gebühr für den Zahlungsbefehl im Mahnverfahren in die Gebühr für das infolge des Widerspruches gegen den Zahlungsbefehl gefällte Urteil erster Instanz oder einen vor dieser Instanz geschlossenen Vergleich;
c) die Gebühr für eine durch die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aufgehobene Entscheidung in die von derselben Instanz über denselben Gegenstand gefällte neue Entscheidung oder einen von dieser Instanz geschlossenen Vergleich;
d) die Gebühr für das Urteil über eine Nichtigkeits- oder Wiederaufnahmsklage in die Gebühr für das infolge der Nichtigerklärung oder der Bewilligung der Wiederaufnahme gefällte neue Urteil in der Hauptsache oder für einen vor dieser Instanz geschlossenen Vergleich."
Die wiedergegebenen Bestimmungen stehen im Verhältnis einer allgemeinen Regelung, wonach die Gebührenpflicht von der Aufhebung oder Außerkraftsetzung einer Entscheidung nicht berührt wird, die sich im ersten Satz der Z2 findet, zu Ausnahmeregelungen, in denen taxativ aufgezählt wird, in welchen Fällen die Entscheidungsgebühr für eine aufgehobene oder außer Kraft gesetzte Entscheidung in die Gebühr für eine nachfolgende neue Entscheidung oder in einen Vergleich einzurechnen ist. Eine der Ausnahmefälle (litc) ist die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen ein Versäumungsurteil.
Unter den Ausnahmebestimmungen ist demgegenüber die seit Inkrafttreten des §397a ZPO vorgesehene Möglichkeit eines Widerspruches gegen ein nach §396 gefälltes Versäumungsurteil nicht berücksichtigt. Nach dieser durch §36 Z5 des Konsumentenschutzgesetzes vom 30. März 1979, BGBl. 140, in die ZPO eingefügten Bestimmung ist ein Versäumungsurteil, gegen das Widerspruch erhoben wurde, zu Beginn der anzuberaumenden Streitverhandlung mit Beschluß aufzuheben. Derjenigen Partei, die den Widerspruch erhoben hat, ist der Ersatz aller Kosten aufzuerlegen, die durch ihre Versäumung und die Verhandlung über den Widerspruch verursacht worden sind (Abs4).
In der Regierungsvorlage zum Konsumentenschutzgesetz (744 BlgNR XIV. GP S 53) wird ausgeführt, daß mit Rücksicht auf die Vergleichbarkeit der Rechtsbehelfe der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und des Widerspruches gegen ein Versäumungsurteil die in Abs4 enthaltene, dem §154 ZPO ähnliche Regelung vorzusehen war.
3.2.2.1. Im Beschwerdefall stützt sich die Vorschreibung der Entscheidungsgebühr auf TP3 litb Z1 GJGebGes 1962. Es ist aber auch der erste Satz der Z2 der Anm. zu TP3 anzuwenden, da sich aus ihm ergibt, daß die Gebührenpflicht einer Entscheidung - grundsätzlich - von der Aufhebung oder der Außerkraftsetzung dieser Entscheidung nicht berührt wird. Die nachfolgend aufgezählten Ausnahmen, in denen festgelegt wird, unter welchen Voraussetzungen eine Anrechnung einer vorgeschriebenen Entscheidungsgebühr auf die Gebühr für eine spätere Entscheidung oder einen nachfolgenden Vergleich bzw. eine Rückzahlung zu erfolgen hat, sind im Beschwerdefall wohl nicht präjudiziell; in den Erk. VfSlg. 8533/1979 und 8806/1980 hat der VfGH jedoch in einer ähnlichen Situation durch Vergleich einer allgemeinen Regelung mit einer Ausnahmebestimmung eine Gleichheitswidrigkeit wegen Fehlens einer entsprechenden weiteren Ausnahmeregelung festgestellt, den Grundtatbestand wegen Fehlens einer Ausnahmeregelung als verfassungswidrig aufgehoben und ausgesagt, daß es dabei nicht von Bedeutung ist, ob er in der anhängigen Rechtssache die fehlende Befreiungsregelung, hätte es eine solche gegeben, anzuwenden gehabt hätte, da die Verfassungswidrigkeit einer Norm nicht davon abhängt, ob die Umstände, die sie verfassungswidrig machen, bei der Anwendung der Norm im Beschwerdefall eine Rolle spielen.
3.2.2.2. Dieser Rechtsprechung folgend hätte der VfGH bei Zutreffen der erhobenen Bedenken in eine Prüfung des im Beschwerdefall anzuwendenden Grundtatbestandes, der sich im ersten Satz der Z2 der Anmerkungen findet, einzutreten.
Dem Beschwerdeführer ist beizupflichten, daß die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und der Widerspruch gegen ein Versäumungsurteil tatsächlich im wesentlichen gleichartige, zu denselben Ergebnissen führende Rechtsbehelfe sind, die nach dem Wortlaut des GJGebGes zu unterschiedlichen Gebührenfolgen führen. Sollte dies dem Willen des Gesetzgebers entsprechen, wäre die Gebührenregelung insgesamt mit Gleichheitswidrigkeit belastet. Der VfGH beurteilt die unter 3.2.1. dargelegte Rechtslage rücksichtlich des GJGebGes jedoch dahin, daß mit der Einführung des Widerspruches gebührenrechtlich eine Gesetzeslücke entstanden ist, die nach den allgemeinen Auslegungsregeln des §7 ABGB per analogiam zu schließen ist (vgl. VfSlg. 1916/1950), da nicht davon ausgegangen werden kann, daß der Gesetzgeber durch die taxative Aufzählung den damals in der ZPO noch gar nicht vorgesehenen Widerspruch gegen ein Versäumungsurteil als Ausnahmetatbestand ausschließen wollte (so im Ergebnis auch OLG Wien vom 27. 10. 1980 17 R 173/80).
Auf Grund dieser Erwägungen die, wie dargelegt, zu einem gleichheitskonformen Ergebnis führen, sieht sich der VfGH nicht veranlaßt, Bedenken zu hegen und ein Gesetzesprüfungsverfahren einzuleiten.
Der VfGH hatte sich - seiner unter 3.2.2.1. wiedergegebenen Rechtsprechung folgend - mit den erörterten verfassungsrechtlichen Bedenken zu befassen, obschon die abgehandelten Fragen Umstände betreffen, die im Beschwerdefall keinesfalls zum Tragen kommen konnten, also für dessen Ausgang in jedem Fall ohne Einfluß bleiben mußten.
3.3. Die vom Beschwerdeführer behauptete Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums durch den eine Gebühr vorschreibenden angefochtenen Bescheid, wäre der ständigen Rechtsprechung des VfGH zufolge (vgl. VfSlg. 8776/1980) dann gegeben, wenn der ihn verfügende Bescheid ohne jede Rechtsgrundlage ergangen wäre, auf einer verfassungswidrigen Rechtsgrundlage beruhte, oder wenn die Behörde bei Erlassung des Bescheides eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Rechtsgrundlage in denkunmöglicher Weise angewendet hätte. All dies trifft nicht zu.
Da das Verfahren auch nicht ergeben hat, daß der Beschwerdeführer in von ihm nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde, war die Beschwerde abzuweisen.
Schlagworte
Gerichts- und Justizverwaltungsgebühren, VfGH / Präjudizialität, Auslegung verfassungskonforme, VfGH / PrüfungsmaßstabEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1982:B310.1982Dokumentnummer
JFT_10178871_82B00310_00