TE Vfgh Erkenntnis 1982/12/9 V37/80

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Veröffentlicht am 09.12.1982
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Index

L9 Sozial- und Gesundheitsrecht
L9200 Altenheime, Pflegeheime, Sozialhilfe

Norm

B-VG Art15a idF der B-VG-Nov 1974
B-VG Art18 Abs2
B-VG Art49
B-VG Art50
B-VG Art65
B-VG Art107 idF vor der B-VG-Nov 1974
B-VG Art139 Abs1 / Prüfungsgegenstand
B-VG Art140 Abs1 / Prüfungsgegenstand
Oö SozialhilfeG 1973 §67 Abs1
Vereinbarung zwischen den Länder Oö. Tir und Vlbg vom 17.12.73 über den Kostenersatz in Angelegenheiten der Sozialhilfe Art7
Verordnung der Oö Landesregierung vom 17.12.73, LGBl 83, über den Kostenersatz in Angelegenheiten der Sozialhilfe zwischen den Sozialhilfeträgern Oö und den Sozialhilfeträgern der Länder Tirol und Vlbg

Leitsatz

Vereinbarung zwischen den Ländern OÖ, Tirol und Vbg. vom 17. Dezember 1973 über den Kostenersatz in Angelegenheiten der Sozialhilfe Verordnung der Oö. Landesregierung vom 17. Dezember 1973, LGBl. 83, über den Kostenersatz in Angelegenheiten der Sozialhilfe zwischen den Sozialhilfeträgern OÖ und den Sozialhilfeträgern der Länder Tirol und Vbg.; vor dem Inkrafttreten der B-VG-Novelle 1974 abgeschlossene Vereinbarungen sind nach Art15a B-VG zu beurteilen; Rechtswirkungen für den Normunterworfenen nur durch Transformationsakt; Art7 der Vereinbarung als unmittelbarer Inhalt der Verordnung LGBl. 83/1973 nicht gesetzwidrig

Spruch

Dem Antrag wird keine Folge gegeben.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. a) Der als Landesverfassungsbestimmung erlassene §67 Abs1 des Oö. Landesgesetzes vom 6. August 1973, LGBl. 66, über die Sozialhilfe (OöSHG) lautet:

"Vereinbarungen mit anderen Bundesländern gemäß Art107 Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 über den Ersatz von Kosten für Hilfeleistungen zur Sicherung des Lebensbedarfes können vom Landeshauptmann abgeschlossen werden. Der Landeshauptmann hat den Abschluß solcher Vereinbarungen ohne Verzug der Landesregierung zur Kenntnis zu bringen. Rechte und Pflichten einer solchen Vereinbarung treffen nach Maßgabe entsprechender Verordnungen der Landesregierung und der im übrigen sinngemäß anzuwendenden Bestimmungen der Abschnitte IX und X dieses Gesetzes die Sozialhilfeträger."

b) Am 13./14./17. Dezember 1973 schlossen die Bundesländer OÖ, Tirol und Vbg., jeweils vertreten durch ihre Landeshauptmänner, gemäß Art107 B-VG idF vor der Nov. BGBl. 444/1974 eine Vereinbarung über den Kostenersatz in den Angelegenheiten der Sozialhilfe.

Nach Art1 dieser Vereinbarung sind die Träger der Sozialhilfe eines Vertragslandes - im folgenden als "Träger" bezeichnet - verpflichtet, den Trägern eines anderen Vertragslandes die für Sozialhilfe aufgewendeten Kosten nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen zu ersetzen.

Art2 der Vereinbarung bestimmt:

"Zu den Kosten der Sozialhilfe gehören die Kosten, die einem Träger für einen Hilfesuchenden

a) nach den landesrechtlichen Vorschriften über die Sozialhilfe oder

b) nach den landesrechtlichen Vorschriften über die Jugendwohlfahrtspflege und nach dem Geschlechtskrankheitengesetz, StGBl. Nr. 152/1945, in der Fassung BGBl. Nr. 54/1946 erwachsen."

Im Art3 Abs1 der Vereinbarung wird die Zuständigkeit wie folgt geregelt:

"Soweit in den folgenden Absätzen nichts anderes bestimmt ist, ist jener Träger zum Kostenersatz verpflichtet, in dessen Bereich sich der Hilfesuchende während der letzten sechs Monate vor Gewährung der Hilfe mindestens durch fünf Monate aufgehalten hat und der nach den für ihn geltenden landesrechtlichen Vorschriften die Kosten für Leistungen, wie sie dem Kostenanspruch zugrunde liegen, zu tragen hat."

Art7 der Vereinbarung lautet:

"Über die Verpflichtung zum Kostenersatz hat im Streitfalle die Landesregierung, in deren Bereich der zum Kostenersatz angesprochene Träger liegt, im Verwaltungsweg zu entscheiden."

Die Vereinbarung ist ihrem Art8 Abs2 zufolge am 1. Jänner 1974 in Kraft getreten.

c) Die sohin ergangene Verordnung der Oö. Landesregierung vom 17. Dezember 1973, LGBl. 83, über den Kostenersatz in Angelegenheiten der Sozialhilfe zwischen den Sozialhilfeträgern OÖ und den Sozialhilfeträgern der Länder Tirol und Vbg. (OöSHV) hat folgenden Wortlaut:

"Auf Grund des §67 des O.ö. Sozialhilfegesetzes, LGBl. Nr. 66/1973, wird verordnet:

§1

Die Träger der Sozialhilfe (§23 Abs1 des Gesetzes) sind verpflichtet, in sinngemäßer Anwendung der Bestimmungen der Abschnitte IX und X des Gesetzes den Sozialhilfeträgern der Länder Tirol und Vbg. die für die Sozialhilfe aufgewendeten Kosten nach Maßgabe der Vereinbarung zwischen den Ländern OÖ, Tirol und Vbg. vom 17. Dezember 1973 über den Kostenersatz in Angelegenheiten der Sozialhilfe (Anlage) zu ersetzen.

§2

Diese Verordnung tritt am 1. Jänner 1974 in Kraft."

In der Anlage zu dieser Verordnung ist die in der vorstehenden litb erwähnte Vereinbarung wiedergegeben.

d) Das Land NÖ ist der Vereinbarung mit Wirksamkeit vom 3. Juni 1976 beigetreten (LGBl. f. NÖ 9200/6-0).

2. a) Der VwGH hat aus Anlaß der bei ihm zu Z 1895/79 anhängigen Beschwerde des Sozialhilfeverbandes Wels-Land gegen den Bescheid der Oö. Landesregierung vom 28. Mai 1979, Z SH-30363/18-1979/Hu, an den VfGH gemäß Art139 Abs1 B-VG iVm Art89 Abs2 B-VG den Antrag gestellt,

"Art7 der Vereinbarung zwischen den Ländern OÖ, Tirol und Vbg. vom 17. Dezember 1973 über den Kostenersatz in Angelegenheiten der Sozialhilfe (Anlage zur Verordnung der Oö. Landesregierung vom 17. Dezember 1973 über den Kostenersatz in Angelegenheiten der Sozialhilfe zwischen den Sozialhilfeträgern der Länder Tirol und Vbg., LGBl. Nr. 83/1973) als gesetzwidrig aufzuheben."

b) Der Verwaltungsgerichtshofbeschwerde liegt folgendes Verwaltungsgeschehen zugrunde:

Mit dem oben näher zitierten Bescheid vom 28. Mai 1979 hat die Oö. Landesregierung ausgesprochen, daß der Sozialhilfeverband Wels-Land gemäß Art1 und 3 Abs2 litb und c der Vereinbarung zwischen den Ländern OÖ, Tirol und Vbg. über den Kostenersatz in den Angelegenheiten der Sozialhilfe, LGBl. f. OÖ Nr. 83/1973, dem das Bundesland NÖ mit Wirkung vom 3. Juni 1976 beigetreten ist (LGBl. f. OÖ Nr. 32/1976, LGBl. f. NÖ 9200/6-0), verpflichtet sei, dem Bundesland NÖ die für den mj. M. H. ab 24. September 1976 entstandenen Kosten (Art2 der Vereinbarung) zu ersetzen.

Die Oö. Landesregierung hat ihre Zuständigkeit auf Art7 der genannten Vereinbarung gestützt.

Gegen diesen Bescheid hat der Sozialhilfeverband Wels-Land fristgerecht Beschwerde an den VwGH erhoben.

c) Der VwGH meint, daß bei Erledigung dieser Beschwerde im Rahmen der Prüfung der Zuständigkeit der belangten Behörde Art7 der Vereinbarung präjudiziell sei. Diese damals noch auf Grund des Art107 B-VG (nunmehr seit der Nov. BGBl. 444/1974: Art15a Abs2 B-VG) abgeschlossene - Vereinbarung sei insofern in das Oö. Landesrecht transformiert worden, als die Oö. Landesregierung die Verordnung vom 17. Dezember 1973, LGBl. 83/1973, (so. I.1.c) erlassen hat.

Der VwGH legt seine Bedenken gegen Art7 der genannten Vereinbarung - "die integrierender Bestandteil der genannten Verordnung vom 17. Dezember 1973 sei und somit auf diese Weise der Normenkontrolle unterliege" - nach einer Wiedergabe des Textes des §67 OöSHG (so. I.1.a) wie folgt dar:

"Im §67 des OöSHG wird somit inhaltlich bestimmt, unter welchen Voraussetzungen Ländervereinbarungen abgeschlossen bzw. damit korrespondierend Verordnungen erlassen werden können, die den Kostenersatz in Angelegenheiten der Sozialhilfe von seiten der Sozialhilfeträger OÖ. an Sozialhilfeträger außerhalb dieses Bundeslandes regeln. Es wird dabei dem Grunde nach auf das Vorliegen bestimmter örtlicher Anknüpfungspunkte, die in der Person des Hilfeempfängers zum Bundesland OÖ gelegen sein müssen, sowie auf das Ausmaß einer solchen sich daraus ergebenden Ersatzleistung Bezug genommen. Eine gesetzliche Anordnung darüber, wie vorzugehen ist, wenn ein in Anspruch genommener Sozialhilfeträger OÖ. einen Ersatz der Kosten ablehnt, fehlt hingegen. Es wird mit keinem Wort erwähnt, daß im Streitfall der Verwaltungsweg zu beschreiten sei und eine der beiden in Betracht kommenden Landesregierungen bzw. welche von ihnen darüber zu entscheiden habe. Im Art7 der genannten Vereinbarung ist aber - wie oben zitiert - eine derartige Lösungsmöglichkeit für Streitfälle und im Zusammenhang damit die Schaffung einer entsprechenden Zuständigkeit normiert worden. Diese Regelung findet im §67 OöSHG keine Deckung und widerspricht demnach dem Art18 Abs2 B-VG. Zuständigkeiten können, da es sich hiebei zweifellos um ein wesentliches Merkmal einer Regelung handelt, nur durch den Gesetzgeber, nicht aber im Verordnungsweg, in dem lediglich Präzisierungen im Rahmen der vom Gesetzgeber bereits vorgegebenen Richtlinien zulässig sind, begründet werden. Daran hat weder die frühere Bestimmung des Art107 B-VG noch die jetzt geltende des Art15a B-VG etwas geändert, sodaß es ohne Belang ist, daß der gegenständlichen Verordnung eine Ländervereinbarung zugrunde liegt.

Dazu kommt - ohne daß dies nach Ansicht des VwGH im Hinblick auf die schon bisher aufgezeigten Umstände besonders ausführlich dargelegt werden müßte -, daß selbst dann, wenn eine hinreichende Verordnungsermächtigung angenommen werden könnte, gegen eine solche Zuständigkeitsregelung ebenfalls Bedenken bestünden. Jede Verwaltungsbehörde darf nämlich von dem ihr nach Art18 Abs2 B-VG zustehenden Verordnungsrecht nur innerhalb ihrer sachlichen und örtlichen Kompetenz Gebrauch machen. Nun sind zwar Angelegenheiten der Sozialhilfe infolge der durch den Bund nicht ausgeschöpften Grundsatzgesetzgebungskompetenz des Art12 Abs1 Z2 B-VG ('Armenwesen') in Gesetzgebung und Vollziehung Landessache (vgl. Erk. VfSlg. 7764/76), jedoch in bezug auf das jeweilige Bundesland immer nur innerhalb der Landesgrenzen. Gemäß Art15a Abs2 B-VG können Vereinbarungen der Länder untereinander gleichfalls nur über Angelegenheiten ihres selbständigen Wirkungsbereiches getroffen werden. Nun umschließt weder das Gesetzgebungsrecht der Länder die Befugnis, Organe vorzusehen, die für mehrere Länder mit rechtsverbindlicher Kraft Entscheidungen treffen können, noch die Vollziehungsgewalt der Länder das Recht, für mehrere Länder verbindliche Entscheidungen zu fällen (vgl. Rill, Gliedstaatsverträge, 679, zur Frage vereinbarter Schiedsgerichtsbarkeit, wobei diese grundsätzlichen Überlegungen jedoch auch hier gelten). Die Schaffung einer grenzüberschreitenden Kompetenz, die sich im vorliegenden Beschwerdefall für die Oö. Landesregierung gemäß Art7 der genannten Vereinbarung ergibt, steht somit nicht im Einklang mit dem Bundes-Verfassungsgesetz. Es darf in diesem Zusammenhang auch auf die Note des Bundeskanzleramtes - Verfassungsdienst vom 6. Jänner 1973, Zl. 84.962-2b/72, welche in Fotokopie als Beilage der Beschwerde angeschlossen wurde, hingewiesen werden. Auch darin wurden die gleichen verfassungsmäßigen Bedenken geäußert, und zwar noch zum Art107 B-VG, wobei jedoch durch die B-VG-Nov. BGBl. Nr. 1974 keine neuen Gesichtspunkte entstanden sind. Ergebnis dieses Standpunktes ist, daß im Streitfall zur Entscheidung über den Kostenersatz in Angelegenheiten der Sozialhilfe, soweit davon Organe verschiedener Bundesländer berührt sind, der VfGH gemäß Art137 B-VG berufen ist."

3. a) Die Oö. Landesregierung erstattete eine Äußerung. Sie beantragt, der VfGH wolle erkennen, daß die angefochtene Verordnungsstelle nicht rechtswidrig ist.

b) Weiters haben sich die Vbg. und die Tir. Landesregierung geäußert.

Die Vbg. Landesregierung meint, daß der Antrag des VwGH zurückzuweisen sei. Der VwGH beantrage nämlich, Art7 der Vereinbarung über den Kostenersatz in den Angelegenheiten der Sozialhilfe als gesetzwidrig aufzuheben. Art138a Abs2 B-VG setze der verfassungsgerichtlichen Prüfung von Vereinbarungen nach Art15a Abs2 B-VG nicht nur inhaltlich, sondern auch hinsichtlich der Antragslegitimation feste Grenzen; nur wenn es in einer Vereinbarung nach Art15a Abs2 B-VG vorgesehen ist und lediglich von den beteiligten Landesregierungen könne ein Antrag nach Art138a Abs2 B-VG gestellt werden. Der Antrag des VwGH sei daher unzulässig.

Sollte aber der Antrag des VwGH dahin gedeutet werden, daß er sich auf die Verordnung der Oö. Landesregierung beziehe, zu deren Inhalt auch die genannte Vereinbarung gehöre, so wäre der Antrag zulässig. Für diesen Fall legt die Vbg. Landesregierung ausführlich ihre Meinung dar, weshalb die vom VwGH vorgetragenen Bedenken nicht zuträfen.

Die Tir. Landesregierung schließt sich den von der Oö. und der Vbg. Landesregierung erstatteten Stellungnahmen an.

II. Der VfGH hat zur Frage der Zulässigkeit des Antrages erwogen:

1. a) Die wiederholt erwähnte Vereinbarung zwischen den Ländern OÖ, Tirol und Vbg. wurde zwar am 13./14./17. Dezember 1973 abgeschlossen, also noch während der Geltung des Art107 B-VG idF vor der Nov. BGBl. 444/1974. Aber auch solche Vereinbarungen der Länder untereinander (im folgenden kurz: "Vereinbarungen" oder "Ländervereinbarungen"), die bereits vor dem Inkrafttreten dieser Nov. abgeschlossen wurden, sind nach der neuen Verfassungsrechtslage (also nach Art15a Abs2 B-VG idF der Nov. BGBl. 444/1974 zu beurteilen, dies schon deshalb, weil Art107 (alt) dem - wenngleich im anderen Kontext stehenden - Art15a Abs2 B-VG gleicht.

Die Ländervereinbarungen berechtigen und verpflichten als solche nur die Vertragsparteien, also ausschließlich die Bundesländer.

Streitigkeiten aus derartigen Vereinbarungen können dem Art138a Abs2 B-VG zufolge ausschließlich von einer beteiligten Landesregierung vor den VfGH gebracht werden. Der VwGH wäre also nicht legitimiert, einen derartigen Rechtsakt, nämlich eine Ländervereinbarung als solche, beim VfGH anzufechten.

Der VwGH stützt seinen Antrag aber gar nicht auf Art138a Abs2, sondern auf Art139 B-VG.

Mangels bundesverfassungsgesetzlicher Bestimmung ist es den Ländern freigestellt, wie sie die zur Aktualisierung der von der Ländervereinbarung intendierten Rechtswirkungen über die Bindung der Vertragspartner hinaus herbeiführen, wie sohin die sich aus der Ländervereinbarung für die Länder als Vertragspartner ergebenden Verpflichtungen erforderlichenfalls so umgewandelt (transformiert) werden, daß damit Normunterworfene (hier: Sozialhilfeträger) angesprochen werden, daß sie damit also in gleicher Weise gebunden werden wie durch sonstige, von Landesorganen zu setzende, an den einzelnen gerichtete Normen.

Daraus ergibt sich einerseits, daß ohne solchen Transformationsakt eine Ländervereinbarung für den Normunterworfenen keine Rechtswirkungen entfaltet und daß andererseits ein Transformationsakt - wie immer er gestaltet sein mag und unabhängig davon, ob er rechtmäßig ist - normative Wirkungen entfaltet, indem er ausschließlich zwischen den Ländern geltendes Vertragsrecht in Recht umwandelt, das den Normunterworfenen (hier: Sozialhilfeträger) verpflichtet und berechtigt.

Über die Eingliederung von Staatsverträgen, die zwischen der Republik Österreich und anderen Völkerrechtssubjekten abgeschlossen werden, in das österreichische Rechtssystem enthält das B-VG ausdrückliche Regelungen (vgl. insbesondere Art49, 50 und 65); Staatsverträge entfalten mit ihrer Kundmachung auch "innerstaatliche" Rechtswirkungen, also Wirkungen für den Rechtsunterworfenen; Staatsverträge sind - neben Gesetzen und Verordnungen - eine generelle Rechtsquelle eigener Art. Im Gegensatz dazu enthält die Bundesverfassung derartige Regeln für Vereinbarungen nach Art15a B-VG nicht; daraus ergibt sich, daß Ländervereinbarungen nicht eine den Normunterworfenen bindende generelle Rechtsnorm sein können. Ihr Inhalt verpflichtet diesen nur dann, wenn er durch Gesetz oder durch Verordnung als für den Normunterworfenen verpflichtend erklärt wird. Geltungsgrund dieser den Normunterworfenen bindenden Vorschrift ist dann aber nicht die Vereinbarung, sondern das Gesetz oder die Verordnung, selbst wenn diese nur den Text der Vereinbarung wörtlich übernehmen.

Für diese These spricht auch die durch Art138a Abs2 B-VG beschränkte Möglichkeit, Ländervereinbarungen vor den VfGH zu bringen. Wäre nämlich die Vereinbarung durch bloße Publikation, also ohne Dazwischentreten des Normsetzungsaktes eines Landesorgans wirksam, so müßte sie - um den unbeschränkten Rechtsschutz gegen rechtswidrige generelle Normen zu gewährleisten - in gleicher Weise wie ein Staatsvertrag nach Art140a B-VG voll bekämpft werden können. Da das nicht der Fall ist, geht das B-VG offenkundig davon aus, daß eine Vereinbarung, deren Inhalt auch den Normunterworfenen binden soll, in ein Gesetz oder eine Verordnung umgegossen werden muß und auf diese Weise der umfassenden Anfechtung beim VfGH unterliegt.

b) Die OöSHV hat nun zumindest die Wirkung, die Träger der Sozialhilfe (§23 Abs1 OöSHG) generell und abstrakt zu verpflichten, Sozialhilfeträgern, die den Sitz in Ländern haben, die Partner der Vereinbarung sind, nach Maßgabe dieser Vereinbarung Kostenersatz zu leisten. Ohne die OöSHV bestünde nämlich nur eine Verpflichtung der Bundesländer als Vertragspartner aus der Ländervereinbarung, nicht aber auch eine solche für Rechtsträger, die nicht Partner dieser Vereinbarung sind. Die OöSHV wurde von einer Verwaltungsbehörde (der Oö. Landesregierung) unter der Bezeichnung "Verordnung" erlassen.

Es besteht sohin kein Zweifel, daß sie als Verordnung zu qualifizieren ist, die nach Art139 B-VG auch vom VwGH beim VfGH angefochten werden kann.

c) Der vorliegende Anfechtungsantrag des VwGH wendet sich nicht gegen Art7 der nur die Länder als Vertragspartner bindenden Vereinbarung, sondern gegen den Transformationsakt, der den Inhalt dieser Vereinbarungsbestimmung zu Oö. Landesrecht macht, sohin gegen Art7 der Vereinbarung als mittelbarer Inhalt der Verordnung der Oö. Landesregierung LGBl. 83/1973.

Mögliche Zweifel, die sich aus dem Wortlaut des Antrages des VwGH ergeben, werden durch die Begründung des Antrages ausgeräumt.

d) Angefochten wird sohin eine Verordnungsbestimmung iS des Art139 Abs1 B-VG.

2. Nichts spricht gegen die Annahme des VwGH, daß er bei Entscheidung über die bei ihm anhängige Beschwerde die angefochtene Verordnungsstelle anzuwenden hat, daß sie sohin präjudiziell ist.

3. Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, ist der Verordnungsprüfungsantrag zulässig.

III. In der Sache hat der VfGH erwogen:

1. a) Das eine Bedenken des VwGH geht dahin, daß durch die angefochtene Verordnungsstelle eine "grenzüberschreitende Kompetenz" der Oö. Landesregierung geschaffen worden sei; dies stehe in Widerspruch zur Bundesverfassung.

b) Die angefochtene Bestimmung wurde von einem Normsetzungsorgan des Landes OÖ (nämlich der Oö. Landesregierung) erlassen. Sie beruft eine Behörde desselben Bundeslandes (nämlich gleichfalls die Oö. Landesregierung) zur Entscheidung darüber, ob ein Sozialhilfeträger mit dem Sitz im Land OÖ verpflichtet ist, bestimmte Kosten zu ersetzen. Diese Anknüpfungspunkte sind jedenfalls derart auf das eigene Bundesland bezogen, daß keinesfalls davon gesprochen werden kann, es würde damit die Zuständigkeit der Oö. Landesregierung begründet, "für andere Länder mit rechtsverbindlicher Kraft Entscheidungen zu treffen". Daran ändert nichts, daß die (erst) durch die Verordnung Berechtigten (nämlich andere Sozialhilfeträger) ihren Sitz außerhalb OÖ haben.

Die Ausgangsposition des VwGH, der Oö. Landesregierung sei eine "grenzüberschreitende Kompetenz" eingeräumt worden, trifft sohin nicht zu, sodaß nicht darauf einzugehen war, wie die Rechtslage zu beurteilen wäre, wenn tatsächlich eine "grenzüberschreitende Zuständigkeit" geschaffen worden wäre.

Im übrigen hat der VfGH im Erk. VfSlg. 4744/1964 keine verfassungsrechtlichen Bedenken dagegen geäußert, daß eine Landesregierung zur Entscheidung in Fürsorgestreitigkeiten berufen ist, dies auch dann nicht, wenn dies Auswirkungen auf Fürsorgeträger anderer Bundesländer hat.

2. a) Der VwGH bringt weiters das Bedenken vor, daß die angefochtene Verordnungsstelle durch das Gesetz - insbesondere durch §67 OöSHG - nicht gedeckt sei und daher in Widerspruch zu Art18 Abs2 B-VG stehe.

b) Wie oben unter II.1. dargetan wurde, bekämpft der vorliegende Antrag eine Verordnungsstelle. Der VwGH geht von der richtigen Annahme aus, daß - da bundesverfassungsgesetzlich für den vorliegenden Fall (der Inhalt von Ländervereinbarungsrecht wird für Rechtsträger, die nicht Partner der Vereinbarung sind, verbindlich erklärt) nicht ausdrücklich anderes bestimmt ist - auch hier Art18 Abs2 B-VG uneingeschränkt gilt; und sohin die bekämpfte Verordnungsstelle im Gesetz ihre Deckung finden müßte.

Dies ist - entgegen der Meinung des VwGH - und iS der von der Oö. Landesregierung erstatteten Äußerung - der Fall:

Nach §67 Abs1 letzter Satz OöSHG treffen Rechte und Pflichten einer vom Land OÖ abgeschlossenen Ländervereinbarung nach Maßgabe entsprechender Verordnungen der Landesregierung und der im übrigen sinngemäß anzuwendenden Bestimmungen der Abschnitte IX und X dieses Gesetzes die Sozialhilfeträger. Gemäß §48 OöSHG (der sich im IX. Abschnitt dieses Gesetzes findet) ist die (Oö.) Landesregierung zur Entscheidung über Streitigkeiten zwischen Sozialhilfeträgern berufen.

Aus dem Zusammenhalt dieser landesgesetzlichen Bestimmungen ergibt sich eindeutig, daß dann, wenn (als Folge einer Ländervereinbarung) die Oö. Sozialhilfeträger verpflichtet werden, Sozialhilfeträgern mit dem Sitz in anderen Bundesländern Kostenersatz zu leisten, im Streitfall die (Oö.) Landesregierung (im Verwaltungsweg) zu entscheiden hat.

Nichts anderes aber besagt die angefochtene Verordnungsstelle, das ist jener Teil der Verordnung, der sich auf Art7 der Vereinbarung bezieht.

Die bekämpfte Verordnungsbestimmung ist sohin durch das Gesetz gedeckt.

Ob das gleicherweise auch für die anderen - von Art7 trennbaren - Verordnungsstellen gilt, war nicht zu erörtern.

3. Die vom VwGH vorgebrachten Bedenken treffen also insgesamt nicht zu. Seinem Antrag war daher nicht Folge zu geben.

Schlagworte

Vereinbarungen nach Art15a B-VG, Novellierung, Sozialhilfe, Transformation (von Vereinbarungen nach Art15a B-VG), RechtsV, Auslegung eines Antrages

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1982:V37.1980

Dokumentnummer

JFT_10178791_80V00037_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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