TE Vfgh Erkenntnis 1982/12/13 B257/82

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Veröffentlicht am 13.12.1982
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Index

72 Wissenschaft, Hochschulen
72/02 Studienrecht allgemein

Norm

B-VG Art83 Abs2
AHStG §43 Abs1, §43 Abs3

Leitsatz

AHStG; §43 Abs3 auf Bescheide des Präses einer Prüfungskommission nicht anwendbar; Entzug des gesetzlichen Richters

Spruch

Der Bescheid wird aufgehoben.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1.1.1. Der Akademische Senat der Universität Wien wies mit Bescheid vom 1. April 1982, Z 82/12-1981/82, die Berufung des Studenten der Rechtswissenschaften M. P. gegen den Bescheid des Dekans der Rechtswissenschaftlichen Fakultät dieser Universität vom 10. Feber 1982, Dek. Z 724s/82, mit dem ein Antrag auf Erstreckung der Frist zur Ablegung einer Teilprüfung des judiziellen Rigorosums gemäß §31 AHStG abgewiesen worden war, gemäß §66 Abs4 AVG 1950 (als unzulässig) zurück.

1.1.2. Die Begründung dieses Bescheides lautete wörtlich:

"Der Antragsteller stellte am 28. 1. 1982 ein Ansuchen um Fristerstreckung zur Ablegung der Teilprüfung aus Zivilgerichtlichem Verfahren des judiziellen Rigorosums gemäß §31 AHStG mit der Begründung, er habe sich wegen starker Kopfschmerzen auf die Prüfung nicht richtig vorbereiten können. Der Dekan hat den Antrag jedoch abgewiesen, weil die Bestimmung nicht den Zweck hätte, die Wiederholung von Prüfungen zu ermöglichen, zu denen der Kandidat 3 Tage vor Ablauf der 3-Semesterfrist angetreten sei, auch wenn sein Versagen bei dieser Prüfung durch einen mehrere Tage andauernden Kopfschmerz verursacht sein sollte. Gegen diesen Bescheid erhob der Antragsteller fristgerecht Berufung.

§43 AHStG regelt das Verfahren in Prüfungsangelegenheiten. Im Abs2 werden die Bescheide von Einzelprüfern oder Prüfungskommissionen aufgezählt, gegen die eine Berufung an das oberste Kollegialorgan zulässig ist, die Aufzählung ist eine taxative. Gemäß §43 Abs3 leg. cit. ist gegen alle sonstigen Bescheide von Einzelprüfern oder Prüfungskommissionen eine Berufung nicht zulässig."

1.2.1. Dagegen richtet sich die vorliegende, auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde des M. P., in der die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter (Art83 Abs2 B-VG) behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides, hilfsweise die Abtretung der Beschwerde an den VwGH begehrt wird.

1.2.2. Der Akademische Senat der Universität Wien als belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift und beantragte darin die Abweisung der Beschwerde.

2. Über die - zulässige - Beschwerde wurde erwogen:

2.1.1. Das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH (zB VfSlg. 7078/1973, 7508/1975, 8047/1977, 9105/1981) ua. dann verletzt, wenn die Behörde eine Sachentscheidung gesetzwidrigerweise verweigert; dies ist zB der Fall, wenn eine Berufungsbehörde eine Berufung im Widerspruch zum Gesetz zurückweist, statt eine Sachentscheidung zu fällen (zB VfSlg. 7344/1974).

Der angefochtene Bescheid, mit dem eine Berufung des Beschwerdeführers als unzulässig zurückgewiesen wurde, enthält eine solche Verweigerung der Sachentscheidung.

Der VfGH hatte daher zu prüfen, ob die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers zu Recht zurückwies.

2.1.2. Die - durch das UOG (s. §8) unberührt gelassene Bestimmung des §43 AHStG, die Vorschriften über das Verfahren in Prüfungsangelegenheiten enthält, erklärt in ihrem Absatz 2 die Berufung an die oberste akademische Behörde gegen Bescheide von Einzelprüfern oder Prüfungskommissionen für statthaft, mit denen die Zulassung zu einer Prüfung verweigert (§27), eine Prüfung für ungültig erklärt (§32) oder eine Verfügung gemäß §30 Abs3 getroffen wird. Nach §43 Abs3 AHStG sind gegen alle sonstigen Bescheide von Einzelprüfern oder Prüfungskommissionen Berufungen unzulässig.

Die hier mit Berufung angefochtene Entscheidung ist weder ein Bescheid eines Einzelprüfers noch einer Prüfungskommission. Sie erging nämlich auf Grund des §31 zweiter Satz AHStG, wonach der Präses der zuständigen Prüfungskommission, wenn ein wichtiger Grund (§6 Abs5 litb letzter Satz AHStG), eine Beurlaubung oder eine Studienbehinderung (§8 AHStG) vorliegt, die Frist von drei Semestern zu verlängern hat, nach deren Ablauf erfolgreich abgelegte Teilprüfungen oder Teile von Prüfungen für den Fall der Fortsetzung des Studiums wiederholt werden müssen. Daß der von Gesetzes wegen als Präses fungierende Dekan (§26 Abs7 AHStG), der den (erstinstanzlichen) Bescheid auf Grund der zitierten Bestimmung erließ, hier weder "Einzelprüfer" war noch mit der Prüfungskommission ident ist, steht außer Frage. Daran vermag auch die Bestimmung des §43 Abs1 zweiter Satz AHStG nichts zu ändern, wonach der Präses der Prüfungskommission, weil er (erster Satz) die Kommissionsgeschäfte zu führen hat, insbesondere alle Verfügungen und Entscheidungen "im Namen der Kommission" erlassen muß. Denn - entgegen der in der Gegenschrift der belangten Behörde verfochtenen Rechtsmeinung - bezieht sich diese Bestimmung schon ihrem Zusammenhang mit der "Führung der Geschäfte" der Prüfungskommission nach ausschließlich auf die kanzleimäßige Ausfertigung und Zustellung der von der Prüfungskommission als einer kollegial zusammengesetzten Behörde getroffenen Verfügungen und Entscheidungen und erfaßt keineswegs jene hievon verschiedenen Verwaltungsakte, zu denen das Gesetz, wie hier §31 zweiter Satz AHStG, den Präses selbst als monokratische Verwaltungsbehörde beruft. Auch daß unter den in §43 Abs2 AHStG aufgezählten Ausnahmen von der in Abs3 leg. cit. normierten Rechtsmittelbeschränkung Bescheide angeführt sind, mit denen eine Prüfung für ungültig erklärt wird (§32 AHStG), berechtigt - der offenbaren Rechtsauffassung der belangten Behörde zuwider - nicht zu dem Schluß, daß die Rechtsmittelbeschränkung des §43 Abs3 AHStG über ihren klaren Wortlaut hinaus auch Bescheide des Präses einer Prüfungskommission erfaßt. Dies deshalb, weil §32 AHStG nicht nur von solchen Bescheiden, sondern auch von weiteren Bescheiden - für Prüfungen nach §26 Abs1 und 6 AHStG - handelt, die nicht in den Zuständigkeitsbereich des Präses einer Prüfungskommission, sondern anderer akademischer Behörden, zB (Fall des §26 Abs1 leg. cit.) der in §43 Abs3 AHStG aufgezählten "Einzelprüfer" fallen.

2.1.3. Aus den dargelegten Erwägungen kommt daher der VfGH - in Übereinstimmung mit der Judikatur des VwGH (s. VwGH 26. 9. 1974 Z 1250/74; 13. 1. 1977 Z 2600/76) - zum Ergebnis, daß die Bestimmung des §43 Abs3 AHStG über die Beschränkung des Rechtsmittelzuges auf Bescheide des Präses einer Prüfungskommission nicht anwendbar ist: In diesen Fällen endet vielmehr der administrative Instanzenzug dann, wenn es sich - wie hier - um Angelegenheiten des autonomen Wirkungsbereiches der Hochschulen handelt, beim obersten Kollegialorgan, also dem Akademischen Senat.

2.1.4. Demgemäß wurde der Beschwerdeführer durch die - eine Sachentscheidung gesetzwidrig verweigernde - Zurückweisung seiner Berufung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt.

2.2. Der angefochtene Bescheid war daher aufzuheben.

Schlagworte

Hochschulen Organisation

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1982:B257.1982

Dokumentnummer

JFT_10178787_82B00257_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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