TE Vfgh Erkenntnis 1982/12/15 B163/79

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 15.12.1982
beobachten
merken

Index

32 Steuerrecht
32/06 Verkehrsteuern

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
StGG Art5
GrEStG 1955 §4 Abs1 Z2 lita

Beachte

ähnliche Erwägungen im Erk. v. 16. Dezember 1982, B282/79

Leitsatz

Grunderwerbsteuergesetz 1955; keine Bedenken gegen §4 Abs1 Z2 lita; Rechtsauffassung der Unteilbarkeit des Erwerbsvorganges in einen steuerpflichtigen und einen steuerbefreiten Erwerb nicht denkunmöglich; keine Gleichheitsverletzung

Spruch

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Die Beschwerdeführerin erwarb mit einem Vertrag vom 30. Juni 1978 das Eigentum an dem 957 Quadratmeter großen Grundstück 683/4 KG

M. zur Hälfte um den Übergabspreis von S 29.968,50.

In der gemäß §18 des Grunderwerbsteuergesetzes 1955, BGBl. 140/1955, (GrEStG 1955), idF der Nov. BGBl. 225/1962, erstatteten Abgabenerklärung wurde die "Grunderwerbsteuerbefreiung ... wegen Arbeiterwohnstätte" beantragt.

2. a) Mit dem (vorläufigen) Bescheid des Finanzamtes für Gebühren und Verkehrsteuern Wien vom 12. September 1978 wurde der Beschwerdeführerin eine Grunderwerbsteuer in der Höhe von S 1.002,-

vorgeschrieben. Dieser Betrag wurde errechnet, indem von der Gegenleistung in Höhe von S 29.968,50 ein Betrag von S 15.657,50 ("frei gem. §4 (1) 2a GrestGes", Gegenleistung für eine Fläche von 500 Quadratmeter) abgezogen und die Grunderwerbsteuer mit 7% vom Restbetrag (S 14.311,-) festgesetzt wurde.

b) Die gegen diesen Bescheid von der Beschwerdeführerin erhobene Berufung wurde mit dem Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, NÖ und Bgld. vom 1. März 1979 als unbegründet abgewiesen, der erstinstanzliche Bescheid jedoch gemäß §289 Abs2 BAO dahin gehend geändert, daß die Grunderwerbsteuer mit 7% vom Gesamtbetrag der Gegenleistung (S 29.968,50) in der Höhe von S 2.098,- festgesetzt wurde.

Der Bescheid ist wie folgt begründet:

"Nach §4 Abs1 Z2 lita GrEStG ist der Erwerb eines Grundstückes zur Schaffung von Arbeiterwohnstätten von der Besteuerung ausgenommen. Wenn, wie im vorliegenden Fall, der begünstigte Zweck, die Schaffung einer Arbeiterwohnstätte, durch den Bau eines Einfamilienhauses erreicht werden soll, kann dem begünstigten Zweck nur ein Grundstück mit einem solchen Ausmaß dienen, das der Steuerpflichtige mindestens erwerben muß, um sein Einfamilienhaus errichten zu können. Die Bauordnung für Niederösterreich selbst schreibt kein ziffernmäßig bestimmtes Mindestausmaß vor, in Anlehnung an die für andere Verbauungsgebiete Österreichs geltenden Vorschriften kann eine Fläche von 500 Quadratmeter für die Errichtung eines Einfamilienhauses als ausreichend angenommen werden. Die Gewährung der Grunderwerbsteuerbefreiung für Grundstücksgrößen aller Art kann nicht in der Absicht des Gesetzgebers gelegen sein, da unter einer Arbeiterwohnstätte, gerade wenn sie in Form eines Einfamilienhauses geschaffen wird, doch nur eine Wohnstätte zu verstehen ist, die nach ihrem Grundausmaß und ihrer kostenmäßigen Ausstattung der Lebenshaltung minderbemittelter Kreise der Bevölkerung dient.

Nach dem Erk. des VwGH vom 29. September 1977, Zl. 1652/74, ist zu untersuchen, ob der Rechtsvorgang im konkreten Fall der Befriedigung des Siedlungsbedürfnisses dient. Gem. §10 der Durchführungsverordnung zum Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz vom 23. Juli 1940, DRGBl. I. S. 1012 ff, ist es zulässig, Kleinwohnungen mit Kleingärten und Anlagen für Kleintierhaltung zu verbinden. Die gesetzlichen Bestimmungen legen aber kein Ausmaß dafür fest. Wenn auch die Bestimmungen des Bundesgesetzes über die Regelungen des Kleingartenwesens vom 16. Dezember 1958, BGBl. 1959/6, nicht für Kleingärten auf Eigengrund gelten, soweit in diesem Gesetz nichts anderes bestimmt wird, bestehen keine Bedenken, das Siedlungsbedürfnis iS des oben angeführten VwGH-Erk. mit dem Höchstausmaß eines Kleingartens nach dem Kleingartengesetz 1958, das sind 650 Quadratmeter, zu begrenzen.

Im vorliegenden Fall wurden jedoch 957 Quadratmeter erworben, dem gegenständlichen Erwerbsvorgang kann somit die Befreiung nach §4 Abs1 Z2 lita GrEStG nicht zukommen.

Da nach den Ausführungen des VwGH im Erk. vom 29. September 1977, Zl. 1652/74, ein einheitlich vereinbarter Rechtsvorgang für Zwecke der Besteuerung nicht in einen steuerpflichtigen und einen steuerbefreiten Erwerb aufgespalten werden kann, war die Grunderwerbsteuer von der gesamten Gegenleistung vorzuschreiben. Der Bescheid war daher - wie im Spruche ausgeführt - abzuändern, die Berufung aber als unbegründet abzuweisen."

3. Gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, NÖ und Bgld. vom 1. März 1979 richtet sich die auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde. Die Beschwerdeführerin behauptet, durch den angefochtenen Bescheid in näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt worden zu sein.

Es wird der Antrag gestellt, den Bescheid kostenpflichtig aufzuheben, in eventu die Beschwerde dem VwGH abzutreten.

Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet und darin beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

II. Der VfGH hat erwogen:

1. Gemäß §4 Abs1 Z2 lita GrEStG 1955 ist von der Besteuerung beim Arbeiterwohnstättenbau der Erwerb eines Grundstückes zur Schaffung von Arbeiterwohnstätten ausgenommen.

In der Beschwerde wird "vorsorglich geltend" gemacht, daß die Beschwerdeführerin durch den angefochtenen Bescheid "im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf das Rechtsstaatsprinzip gemäß Art18 B-VG" verletzt worden sei. Die angeführte Gesetzesstelle sei "dann, wenn man den Begriff der Arbeiterwohnstätte keinen so konkreten Inhalt entnehmen" könne, "daß das Verhalten der Behörde auf seine Übereinstimmung mit dem Gesetz überprüft werden könnte, verfassungswidrig".

Zu diesem Vorbringen ist zunächst zu bemerken, daß nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH Art18 B-VG kein subjektives Recht auf eine gesetzmäßige Führung der Verwaltung gewährleistet (vgl. VfSlg. 9238/1981).

Sofern aber mit den angeführten Beschwerdeausführungen Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der bei der Erlassung des angefochtenen Bescheides angewendeten Bestimmungen des GrEStG 1955, insbesondere gegen die Determinierung des Begriffes "Arbeiterwohnstätten" im Hinblick auf Art18 B-VG geltend gemacht werden sollten, ist auf das Erk. VfSlg. 8395/1978 zu verweisen, in dem §4 Abs1 Z2 lita GrEStG 1955 wegen eines etwaigen Widerspruchs zu Art18 B-VG in Prüfung gezogen und nicht als verfassungswidrig aufgehoben wurde (vgl. auch VfSlg. 8971/1980). Es braucht daher auch auf das Beschwerdevorbringen, in dem zwar förmlich der Antrag gestellt wird, "aushilfsweise" die dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegende Bestimmung des §4 Abs1 Z2 lita GrEStG 1955 als verfassungswidrig aufzuheben, das aber dem Inhalte nach als Anregung auf Einleitung eines amtswegigen Verfahrens zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit dieser Bestimmung zu werten ist, nicht weiter eingegangen zu werden.

Sonstige Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der bei der Erlassung des angefochtenen Bescheides angewendeten Rechtsvorschriften sind in der Beschwerde nicht vorgebracht worden. Im Verfahren vor dem VfGH sind solche Bedenken nicht hervorgekommen.

2. a) Bei der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides könnte die behauptete Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums durch den angefochtenen Bescheid, der durch die Vorschreibung einer Abgabe in das Eigentum der Beschwerdeführerin eingreift, nur dann verletzt worden sein, wenn das Gesetz denkunmöglich angewendet worden wäre. Dies wäre nur dann der Fall, wenn die belangte Behörde bei der Vorschreibung der Grunderwerbsteuer einen so schweren Fehler begangen hätte, daß dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre (vgl. VfSlg. 8898/1980).

b) Die belangte Behörde ist in der Begründung des angefochtenen Bescheides davon ausgegangen, daß den Gegenstand des Erwerbes das Grundstück 683/4 KG M. in seiner Gesamtgröße von 957 Quadratmeter bildet. Sie ist ferner unter Bezugnahme auf das Erk. des VwGH vom 29. 9. 1977 Z 1652/74 (VwSlg. 5167/F) zur Annahme gekommen, daß es nicht möglich sei, den einheitlich vereinbarten Rechtsvorgang über den Erwerb des genannten Grundstückes für Zwecke der Besteuerung in einen steuerpflichtigen und einen steuerbefreiten Erwerb aufzuspalten. Schließlich ist die belangte Behörde der Auffassung, daß die Grundstücksgröße von 957 Quadratmeter das Ausmaß überschreite, das erforderlich sei, das Siedlungsbedürfnis für die Errichtung einer Arbeiterwohnstätte in Form eines Einfamilienhauses zu befriedigen, wobei als Begrenzung für die Befriedigung dieses Siedlungsbedürfnisses eine Grundfläche in dem unter analoger Berücksichtigung der Bestimmungen des Kleingartengesetzes 1958, BGBl. 6/1959, angenommenen Höchstausmaß von 650 Quadratmeter angesehen werden könne.

c) Der VfGH ist der Auffassung, daß die von der belangten Behörde vertretene Auffassung über die Unteilbarkeit des Rechtsvorganges in einen steuerpflichtigen und einen steuerbefreiten Erwerb nicht denkunmöglich ist (vgl. VwGH 3. 7. 1979 Z 1505/77, wonach die, auf einen Grunderwerb nach §4 Abs1 Z1 lita bezogenen Ausführungen des Erk. vom 29. 9. 1977 Z 1652/74, auch für den Arbeiterwohnstättenbau gelten).

Die belangte Behörde hat sich bei der Beurteilung des Vorliegens der Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung gemäß §4 Abs1 Z2 GrEStG 1955 lediglich mit dem Flächenausmaß des erworbenen Grundstückes auseinandergesetzt. Sie verneinte das Vorliegen der Voraussetzungen für die Steuerbefreiung allein im Hinblick auf das 650 Quadratmeter übersteigende Flächenausmaß des in Rede stehenden Grundstücks. Diese Auffassung der belangten Behörde mag rechtswidrig sein (vgl. insb. VwSlg. 5167 F/1977, VwGH 9. 10. 1980 Z 1533/1979).

Der VfGH kann aber nicht finden, daß die belangte Behörde in Verfolgung ihrer Rechtsansicht einen so schweren Fehler begangen hätte, daß dieser einer Gesetzlosigkeit gleichkäme. Ob die Entscheidung der Behörde auch der einfachgesetzlichen Rechtslage entspricht, wird der VwGH zu prüfen haben.

Die Beschwerdeführerin ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums nicht verletzt worden.

3. In der Beschwerde wird "vorsorglich" und "aus den sinngemäß gleichen Überlegungen", die zur Begründung der behaupteten Eigentumsverletzung vorgebracht worden sind, geltend gemacht, daß die Beschwerdeführerin im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz (Art7 B-VG) verletzt worden sei.

Bei der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides könnte die behauptete Verletzung des Gleichheitsrechtes nur vorliegen, wenn die Behörde den bei der Erlassung des angefochtenen Bescheides angewendeten Rechtsvorschriften fälschlich einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie Willkür geübt hätte. Aus den Ausführungen unter Z2 geht hervor, daß bei der Erlassung des angefochtenen Bescheides das Gesetz nicht denkunmöglich angewendet wurde, sodaß eine denkunmögliche Gesetzesanwendung als Indiz für ein allfälliges willkürliches Vorgehen der belangten Behörde nicht in Betracht kommt. Sonstige Anhaltspunkte, aus denen auf ein eine Gleichheitsverletzung bewirkendes Verhalten der belangten Behörde bei der Erlassung des angefochtenen Bescheides geschlossen werden könnte, sind im Verfahren vor dem VfGH nicht hervorgekommen.

Die Beschwerdeführerin ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz nicht verletzt worden.

4. Im Verfahren vor dem VfGH ist auch nicht hervorgekommen, daß eine von der Beschwerdeführerin nicht geltend gemachte Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte stattgefunden hätte oder daß sie wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden wäre.

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

Schlagworte

Grunderwerbsteuer, Arbeiterwohnstätte

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1982:B163.1979

Dokumentnummer

JFT_10178785_79B00163_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten