TE Vfgh Erkenntnis 1982/12/16 V29/77, V3/82

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Veröffentlicht am 16.12.1982
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Index

L8 Boden- und Verkehrsrecht
L8500 Straßen

Norm

Stmk LStVG 1964 §45 Abs1 bis Abs3
Verordnung des Gemeinderates der Marktgemeinde Trofaiach vom 05.07.76, betreffend öffentliche Interessentenwege im Bereiche des Sandbühels sowie die Zusammenfassung der Interessenten zur öffentlich-rechtlichen Weggenossenschaft "Sandbühel"

Beachte

vgl. Kundmachung LGBl. 36/1983 am 10. Juni 1983

Leitsatz

Verordnung des Gemeinderates der Marktgemeinde Trofaiach, betreffend die Herstellung und Erhaltung von öffentlichen Interessentenwegen im Bereiche des Sandbühels sowie die Zusammenfassung der Interessenten zur öffentlich-rechtlichen Weggenossenschaft "Sandbühel"; wegen Widerspruchs zu §45 Abs3 Stmk. Landesstraßenverwaltungsgesetz 1964 gesetzwidrig

Spruch

Die Verordnung des Gemeinderates der (damaligen) Marktgemeinde Trofaiach, betreffend die Herstellung und Erhaltung von öffentlichen Interessentenwegen im Bereiche des Sandbühels in der Katastralgemeinde Trofaiach sowie die Zusammenfassung der Interessenten an diesem Weg zur öffentlich-rechtlichen Weggenossenschaft "Sandbühel", beschlossen vom Gemeinderat in seiner Sitzung vom 5. Juli 1976, wird als gesetzwidrig aufgehoben.

Die Stmk. Landesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung im Landesgesetzblatt verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Zahlreiche Liegenschaftseigentümer im Bereich des Siedlungsgebietes "Sandbühel" in der Marktgemeinde (nunmehr: Stadtgemeinde) Trofaiach gaben gegenüber dem "Gründungsausschuß der Weggenossenschaft Sandbühel" gleichlautende Erklärungen ab, "mit der Gründung einer Weggenossenschaft zwecks Ausbau der Straßen im Bereiche des Siedlungsgebietes Sandbühel" sowie einer Beitragsleistung von voraussichtlich S 25.000,- einverstanden zu sein; dies mit dem Beifügen, die "Erklärung dient ausschließlich als Ausgangsbasis für die Gründung der Weggenossenschaft und soll nur Anhaltspunkte für die Finanzierung des Straßenbaues geben."

Der "Gründungsausschuß" ersuchte sodann mit einer Eingabe an den Gemeinderat vom 4. Juni 1976 "um die Erlassung einer Verordnung, mit der die in der beiliegenden Liste angeführten Grundeigentümer gemäß §45, Abs. (3) des Landesstraßenverwaltungsgesetzes in eine öffentlich-rechtliche Weggenossenschaft zusammengefaßt werden, mit der Wirkung, daß die Pflicht zur Beitragsleistung auf den jeweiligen Besitzer der Liegenschaft übergeht."

2. Der Gemeinderat der (damaligen) Marktgemeinde Trofaiach behandelte die Eingabe in seiner Sitzung vom 5. Juli 1976, in welcher der den Vorsitz führende 1. Vizebürgermeister laut der Verhandlungsschrift insbesondere folgendes berichtete:

"Der Vorsitzende berichtete, daß der Gründungsausschuß der Weggenossenschaft Sandbühel den Gemeinderat der Marktgemeinde Trofaiach um die Beschlüsse, die zur Gründung einer Weggenossenschaft und die Vergabe der Arbeiten erforderlich sind, ersucht habe. Es sollen demnach folgende Beschlüsse gefaßt werden:

1. Einreihung der Verkehrsflächen als öffentliche Interessentenwege,

2. Zusammenfassung der Anrainer zu einer öffentlich-rechtlichen Weggenossenschaft,

3. Vergabe von Kanalisationsarbeiten.

4. Vergabe der Arbeiten für die Verlegung der Straßenbeleuchtungskabel.

5. Übernahme der Haftung für den von der öffentlich-rechtlichen Weggenossenschaft Sandbühel aufzunehmenden Kredit.

6. Nach Baudurchführung Übernahme in das öffentliche Gut.

Aus den Ausführungen des Vorsitzenden ging noch hervor, daß die Gemeinde keineswegs verpflichtet sei, private Straßen instand zu setzen. Er bemerkte auch, daß die großen Wohnungsgenossenschaften in Trofaiach die Straßen innerhalb ihrer Siedlungsgebiete asphaltieren und diese erst dann von der Gemeinde übernommen werden. Es war aber auch der Gemeinde bewußt, daß im Siedlungsgebiet am Sandbühel die Finanzkraft dieser Familien bei alleiniger Kostentragung überfordert wäre. Es hat sich daher das Proponentenkomitee zur Aufgabe gestellt, die Siedler auf einen Nenner zu bringen. Die Punkte 5 und 6 können allerdings nur Grundsatzbeschlüsse sein."

Antragsgemäß faßte der Gemeinderat sodann (ua.) die im folgenden unter I.3. wiedergegebenen Beschlüsse, ferner auch nachstehenden Beschluß:

"6. Die unter Ziffer 2 des gegenständlichen Beschlusses angeführten öffentlichen Interessentenwege nach Baudurchführung in das öffentliche Gut zu übernehmen."

3. Die (durch Anschlag an der Gemeindeamtstafel verlautbarte) Kundmachung vom 6. Juli 1978 über die in der Gemeinderatssitzung gefaßten Beschlüsse lautet folgendermaßen:

"Der Gemeinderat der Marktgemeinde Trofaiach hat in seiner Sitzung am 5. Juli 1976 zum Zwecke der Herstellung und Erhaltung von öffentlichen Interessentenwegen im Bereiche des Sandbühels in der KG Trofaiach, iS des §45 Abs1 bis 3 des Stmk.

Landesstraßenverwaltungsgesetzes 1964, LGBl. Nr. 154, folgende Beschlüsse gefaßt:

1. Den hiefür benötigten Gemeindeweg - die Sternberggasse - Grundstück Nr. 527, KG Trofaiach, in einen öffentlichen Interessentenweg umzuwandeln.

2. Die im folgenden angeführten Straßen - also der umgewandelte Gemeindeweg und die zur Verfügung gestellten privaten Grundstücke als öffentliche Interessentenwege zu erklären.

Grundstück Nr. Eigentümer

Alpenweg 508/1, 495/1 (1) Wald- u. Wirtschaftsgemeinschaft

Trofaiach (WWGT)"

(Es sind sodann weitere Straßen samt Grundstücksnummern - einschließlich näherer topographischer Hinweise - sowie Eigentümer angeführt.)

"3. Die Interessenten an diesem Wegbau werden zur öffentlich-rechtlichen Weggenossenschaft Sandbühel mit der Wirkung zusammengefaßt, daß die Mitgliedschaft und damit die Pflicht zur Beitragsleistung auf den jeweiligen Besitzer der beteiligten Liegenschaft übergeht. Das Ausmaß der Beitragsleistung der einzelnen Interessenten zu den Kosten der Herstellung und Erhaltung dieser öffentlichen Interessentenwege wird nach dem Prozentsatz, wie er in der der Gemeinde übermittelten Liste angeführt ist, festgesetzt.

4. Gemäß §92 Abs1 der Gemeindeordnung 1967, i.d.g.F., ist diese Kundmachung durch zwei Wochen, und zwar in der Zeit vom 6. bis einschließlich 20. Juli 1976, an der Amtstafel anzuschlagen."

4. Beim VwGH sind zu den Zahlen 2911/76 und 1701/78 Verfahren über Beschwerden gegen je einen gemeindeaufsichtsbehördlichen Bescheid der Stmk. Landesregierung anhängig, mit dem die Vorstellung der jeweils beschwerdeführenden Partei gegen einen ihre Einbeziehung in die Weggenossenschaft "Sandbühel" und ihre diesbezügliche Beitragsleistung betreffenden Bescheid des Gemeinderates der Gemeinde Trofaiach abgewiesen wurde. Anläßlich dieser Beschwerdeverfahren stellt der VwGH (zu A10/77 und A31/81) unter Berufung auf Art139 Abs1 iVm Art89 Abs2 B-VG den Antrag, den oben unter I.3. wiedergegebenen, als Verordnung beurteilten Gemeinderatsbeschluß als gesetzwidrig aufzuheben.

Unter Bezugnahme auf §45 Abs1 bis 3 des Stmk.

Landesstraßenverwaltungsgesetzes 1964, LGBl. 154 (zuletzt geändert durch LGBl. 133/1974 - im folgenden: LStVG 1964) und auf die Verhandlungsschrift über die Gemeinderatssitzung vom 5. Juli 1976 äußert der VwGH zunächst das Bedenken, daß die Weggenossenschaft "Sandbühel" nicht zur Sicherstellung der Erhaltung, sondern nur zur Errichtung des Interessentenweges erforderlich, die Gründung einer öffentlich-rechtlichen Weggenossenschaft jedoch nur zur Sicherstellung der Erhaltung von öffentlichen Interessentenwegen zulässig sei. Weiters hält der VwGH den Gemeinderatsbeschluß im Hinblick auf §7 Abs1 Z4 und 5 leg. cit. deshalb für bedenklich, weil auf Grund der ihm vorliegenden Unterlagen nicht klar zu erkennen sei, daß die verfügte Umwandlung eines Gemeindeweges in einen öffentlichen Interessentenweg sowie die Erklärung von weiteren Verkehrswegen zu öffentlichen Interessentenwegen dem Gesetz entsprechend vorgenommen worden sei; es erscheine fraglich, ob die vorgenommene rechtliche Umgestaltung den gesetzlichen Anforderungen entspreche oder ob nur eine für die Gemeinde günstigere Finanzierung ermöglicht werden sollte.

5. Der Gemeinderat der Stadtgemeinde Trofaiach sowie die Stmk. Landesregierung erstatteten zu diesen Anträgen des VwGH Äußerungen.

II. Der VfGH hat erwogen:

1. Es haben sich keine erörterungsbedürftigen Anhaltspunkte gegen die Richtigkeit der Annahme des VwGH ergeben, daß er den - von ihm zu Recht als Verordnung gewerteten - Gemeinderatsbeschluß in den anhängigen Beschwerdefällen anzuwenden hätte. Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen gegeben sind, sind die Verordnungsprüfungsanträge zulässig.

2. Das Bedenken des VwGH, daß die Weggenossenschaft im Widerspruch zu §45 Abs3 LStVG 1964 gegründet worden ist, ist gerechtfertigt.

Die Absätze 1 bis 3 im §45 LStVG 1964 lauten wie folgt:

"(1) Die Kosten der Herstellung und Erhaltung öffentlicher Interessentenwege fallen den Liegenschaftsbesitzern oder sonstigen Verkehrsinteressenten zur Last. Die Gemeinde ist jedoch verpflichtet, nach Maßgabe ihres Interesses an dem Bestand einer solchen Straße Beiträge zu leisten.

(2) Über das Ausmaß und die Art der Beitragsleistung zu den Kosten der Herstellung und Erhaltung eines öffentlichen Interessentenweges entscheidet auf Antrag oder von Amts wegen die Gemeinde.

(3) Wenn es zur Sicherstellung der Erhaltung von öffentlichen Interessentenwegen erforderlich ist, kann die Gemeinde durch Verordnung die Zusammenfassung von Beitragspflichtigen in eine öffentlich-rechtliche Weggenossenschaft mit der Wirkung verfügen, daß die Mitgliedschaft und damit die Pflicht zur Beitragsleistung auf den jeweiligen Besitzer der beteiligten Liegenschaft übergeht."

Eine Weggenossenschaft kann also nicht zur bloßen Herstellung eines Interessentenweges errichtet werden. Die Zusammenfassung der (nach Abs1 und 2) Beitragspflichtigen mit der Wirkung, daß die Mitgliedschaft und damit die Beitragslast auf den jeweiligen Besitzer der beteiligten Liegenschaft übergeht, muß vielmehr zur Sicherstellung der - fortlaufenden - Erhaltung des Weges erforderlich sein. Abs3 hat nicht einzelne - vorübergehende - Maßnahmen, sondern die wiederkehrenden Erfordernisse der Straßenerhaltung vor Augen, für die längerfristig Vorsorge getroffen werden soll.

Die in Prüfung stehende Verordnung faßt nun die Interessenten an einem "Wegebau" zu einer Weggenossenschaft zusammen, in welcher Beitragsleistungen "zu den Kosten der Herstellung und Erhaltung" eines Weges erbracht werden sollen. Wie ihre Entstehungsgeschichte bestätigt, geht es dabei aber lediglich um den "Ausbau" des gemeindlichen Straßennetzes und die "Finanzierung des Straßenbaues". Erklärte Absicht der Gemeinde war, die Straßen nach Durchführung der geplanten Kanalisations- und Asphaltierungsarbeiten selbst zu übernehmen. Deshalb wird auch in der Begründung der Bescheide, die Gegenstand der verwaltungsgerichtlichen Anlaßbeschwerdeverfahren sind, ausdrücklich ausgesprochen, daß nach Baudurchführung "keine Beitragsleistung mehr zur Vorschreibung" komme, der Beitrag also "lediglich einmal zu bezahlen" sei. In der mündlichen Verhandlung vor dem VfGH ist zudem hervorgekommen, daß die Weggenossenschaft errichtet wurde, weil Förderungsmittel des Landes für den Ausbau der Straße erst bei Bestehen einer Weggenossenschaft zur Verfügung gestellt werden.

Unter diesen Umständen ist es nicht erforderlich zu prüfen, ob eine Weggenossenschaft, deren Errichtung zur Sicherstellung der späteren Erhaltung eines Interessentenweges iS des §45 Abs3 LStVG 1964 tatsächlich erforderlich und daher zulässig ist, im Hinblick auf die grundsätzliche Gleichartigkeit der Kostentragung für beide Zwecke (Abs1) dann auch schon mit der Herstellung des Weges befaßt werden kann. Es erübrigt sich ferner zu untersuchen, ob die (erstmalige oder neuerliche) Asphaltierung eines bestehenden Weges und die hiefür notwendigen Arbeiten am Unterbau und der Wegtrasse noch unter den Begriff der Erhaltung gebracht werden können oder bereits als Herstellung einer Straße gewertet werden müssen. Denn jedenfalls hatte die Errichtung der Weggenossenschaft "Sandbühel" nur die Durchführung einmaliger Ausbaumaßnahmen und nicht die Sicherstellung wiederkehrender Erhaltungsarbeiten zum Ziel. Sie war daher iS des §45 Abs3 leg. cit. nicht erforderlich und folglich unzulässig.

2. Die angefochtene Verordnung war aus dem dargelegten Grund als gesetzwidrig aufzuheben, sodaß sich ein Eingehen auf das weitere Antragsvorbringen erübrigte.

Der Ausspruch über die Verpflichtung der Stmk. Landesregierung zur Kundmachung der Aufhebung stützt sich auf Art139 Abs5 B-VG.

Schlagworte

Straßenverwaltung, Interessentenweg, Weggemeinschaft

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1982:V29.1977

Dokumentnummer

JFT_10178784_77V00029_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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