TE Vfgh Erkenntnis 1983/2/24 B579/78

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Veröffentlicht am 24.02.1983
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Index

41 Innere Angelegenheiten
41/08 Ehrenzeichen, Orden, Uniformen, Abzeichen

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
AbzeichenG 1960 §1
VfGG §88

Leitsatz

Abzeichengesetz 1960; keine Bedenken gegen §§1 und 3; keine willkürliche Gesetzesanwendung; keine Verletzung der Rechte auf Versammlungsfreiheit und auf freie Vereinsbildung; kein Kostenersatz - Befassung der Finanzprokuratur mit der Vertretung der belangten Behörde nicht geboten

Spruch

Die Beschwerde wird daher abgewiesen und dem VwGH zur Entscheidung darüber abgetreten, ob der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in einem sonstigen Recht verletzt worden ist.

Ersatz von Kosten wird nicht zugesprochen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen vom 22. Juni 1978, Z III-B-633-1975, wurde über Dr. N. B. wegen der Verwaltungsübertretung nach §1 Abzeichengesetz 1960, BGBl. 84/1960, gemäß §3 Abs1 des genannten Gesetzes eine Geldstrafe von S 2000,-, für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzarreststrafe in der Dauer von sechs Tagen verhängt. Dem Beschuldigten wurde zur Last gelegt, als Erster Bundessprecher der Nationaldemokratischen Partei in einem an die Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen gerichteten Schreiben vom 19. November 1975 im Briefkopf und neben seiner Unterschrift die Lebensrune (Gabelkreuz) verwendet und damit ein Symbol einer in Österreich verbotenen nationalsozialistischen Organisation dargestellt zu haben.

2. Die Sicherheitsdirektion für das Bundesland NÖ gab der von Dr. N.

B. gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung mit Bescheid vom 29. August 1978, Z St 127/78, gemäß §66 Abs4 AVG 1950 nicht Folge und bestätigte das erstinstanzliche Straferkenntnis.

3. Gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion richtet sich die vorliegende, auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde des Dr. N. B. an den VfGH, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichbehandlung aller Staatsbürger vor dem Gesetz gemäß Art7 B-VG, auf Versammlungs- und Vereinsfreiheit gemäß Art12 StGG und gemäß Art11 MRK, behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides, ferner hilfsweise unter Berufung auf Art144 Abs2 B-VG in der Fassung vor dem BVG BGBl. 350/1981 die Abtretung der Beschwerde an der VwGH begehrt wird.

4. Die Sicherheitsdirektion für das Bundesland NÖ erstattete eine Gegenschrift und beantragte darin die Abweisung der Beschwerde.

II. Über die - zulässige - Beschwerde wurde erwogen:

1. Das Abzeichengesetz 1960, BGBl. 84/1960, bestimmt im §1 Abs1, daß Abzeichen einer in Österreich verbotenen Organisation öffentlich weder getragen noch zur Schau gestellt, dargestellt oder verbreitet werden dürfen, wobei als Abzeichen auch Embleme, Symbole und Kennzeichen anzusehen sind. Es bestimmt ferner in seinem §1 Abs2, daß sich dieses Verbot auch auf Abzeichen erstreckt, die auf Grund ihrer Ähnlichkeit oder ihrer offenkundigen Zweckbestimmung als Ersatz eines der im Abs1 erwähnten Abzeichen gebraucht werden. Das Gesetz ordnet im §3 ua. an, daß mit Geldstrafe bis zu 10.000,- S oder mit Arrest bis zu einem Monat zu bestrafen ist, wer einem Verbot des §1 zuwiderhandelt.

Das als Verfassungsgesetz erlassene Verbotsgesetz, StGBl. 13/1945, bestimmt in seinem §1, daß die NSDAP, ihre Wehrverbände (SS, SA, NSKK, NSFK), ihre Gliederungen und angeschlossenen Verbände sowie alle nationalsozialistischen Organisationen und Einrichtungen überhaupt aufgelöst sind und daß ihre Neubildung verboten ist.

§1 Abzeichengesetz 1960 findet somit auf die nach §1 Verbotsgesetz verbotenen Organisationen Anwendung.

Die Lebensrune (das Gabelkreuz), deren Gebrauch dem Beschwerdeführer zur Last liegt, wurde innerhalb der nach §1 Verbotsgesetz verbotenen Organisationen in verschiedener Weise als Emblem, Symbol oder Kennzeichen verwendet, wie dem Organisationsbuch der NSDAP,

7. Auflage, 1943, herausgegeben vom Reichsorganisationsleiter, zu entnehmen ist: So als beherrschendes Symbol im Abzeichen der NS-Frauenschaft, die gemäß der Verordnung zur Durchführung des Gesetzes zur Sicherung der Einheit von Partei und Staat vom 29. März 1935, DRGBl. I, S 502, §2, eine Gliederung der NSDAP bildete, und in gleicher Weise auch im Abzeichen des Deutschen Frauenwerks (aaO, Tafel 5) sowie im Abzeichen der Frauenschaftsleiterinnen (aaO, Tafel 18). Ferner wurde die Lebensrune als Abzeichen für die im Sanitäts- und Veterinärdienst der SA tätigen Personen (aaO, Tafel 39) und in gleicher Bedeutung auch in anderen nationalsozialistischen Organisationen verwendet.

2.1. Die vom Beschwerdeführer behauptete Verletzung des Gleichheitsrechtes (Art7 Abs1 B-VG, Art2 StGG) kann nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH (zB VfSlg. 7974/1977, 8360/1978) nur gegeben sein, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde den angewendeten Rechtsvorschriften fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellte oder wenn sie bei der Bescheiderlassung Willkür übte.

2.2. Der Beschwerdeführer behauptet nicht, daß die angefochtene Entscheidung auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht oder daß die belangte Behörde den angewendeten Rechtsvorschriften fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt hätte. Solches ist auch im verfassungsgerichtlichen Verfahren nicht hervorgekommen (vgl. in dieser Hinsicht VfSlg. 8242/1978 und 9107/1981).

2.3. Unter diesen Umständen könnte der Beschwerdeführer im Gleichheitsrecht nur durch willkürliche Gesetzesvollziehung verletzt worden sein. Eine solche Willkür sieht der Beschwerdeführer darin gelegen, daß die gekreuzte Ähre beim Bauernbund und die drei Pfeile der Sozialistischen Partei, sowie die Abzeichen anderer Organisationen, die auch von der NSDAP und ihren Gliederungen verwendet wurden, nicht als Abzeichen iS des Abzeichengesetzes 1960 behandelt werden, wohl aber die Lebensrune (Gabelkreuz). Daß man das eine Mal die Verwendung solcher Abzeichen als selbstverständlich und nicht gesetzwidrig empfinde, das andere Mal bei Benützung durch die Nationaldemokratische Partei und deren Organe einen strafbaren Tatbestand sehen wolle, bedeute eine unsachliche Differenzierung auf dem Gebiet des Normenvollzuges, was rechtlich Willkür anzeige und somit einer Verletzung des Art7 Abs1 B-VG gleichkomme.

Das Verfahren ergab indes keinerlei Anhaltspunkte dafür, daß sich die belangte Behörde bei der Bescheiderlassung von unsachlichen Erwägungen leiten ließ. Sie war vielmehr offensichtlich um eine gesetzmäßige Entscheidung bemüht, wie vor allem daraus erhellt, daß sie sich in keineswegs schlechterdings denkunmöglicher, dh. unter Umständen Willkür anzeigender Auslegung des §1 Abs1 Abzeichengesetz 1960 an der Rechtsprechung des VwGH orientierte. Ein solches Bemühen schließt Willkür aus, selbst wenn die Behörde im konkreten Fall zu einem fehlerhaften Ergebnis gelangt sein sollte (VfSlg. 6992/1973, 7962/1976, 9107/1981). Auch mit dem Einwand der Beschwerde, die Behörde verfolge nicht jeden Gebrauch der sogenannten Lebensrune oder eines anderen Abzeichens einer verbotenen Organisation, ist für den Standpunkt des Beschwerdeführers nichts zu gewinnen, mag auch in anderen Fällen eine Strafverfolgung gesetzwidrig unterblieben sein. Ein derartiges Fehlverhalten könnte dem Beschwerdeführer nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH nämlich keinesfalls ein Recht auf gleiches behördliches Fehlverhalten einräumen (zB VfSlg. 6992/1973, 8242/1978). Im übrigen hat der VfGH ausgesprochen, es läge keine unsachliche Differenzierung vor, sofern das Gesetz die Verwendung von Abzeichen einer verbotenen Organisation dann nicht erfassen würde, wenn eine solche Verwendung in keiner Weise geeignet ist, den Geist der verbotenen Organisation darzutun oder wachzurufen. Eine solche Annahme ist nicht denkunmöglich und daher nicht willkürlich.

Der Beschwerdeführer wurde daher im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz nicht verletzt.

3. Nach Art12 StGG, das gemäß Art149 Abs1 B-VG als Verfassungsgesetz gilt, haben österreichische Staatsbürger das Recht, sich zu versammeln und Vereine zu bilden. Die Ausübung dieser Rechte wird durch besondere Gesetze geregelt. Als ein solches Gesetz besteht in bezug auf die Versammlungsfreiheit das Versammlungsgesetz 1953, in bezug auf die Vereinsbildung das Vereinsgesetz 1951.

Im Beschwerdefall kann die Bestrafung des Beschwerdeführers wegen Verwendung der sogenannten Lebensrune den Beschwerdebehauptungen zuwider allein deshalb weder in das Versammlungs- noch in das Vereinsrecht eingreifen, weil die freie Ausübung dieser Rechte vom Gebrauch des Symbols der Lebensrune in Schriftstücken nicht abhängt. Ein Eingriff in die verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte der Versammlungsfreiheit und freien Vereinsbildung fand daher nicht statt (vgl. auch VfGH 1. 10. 1981 B12/78).

4. Gemäß Art11 Abs1 MRK haben alle Menschen das Recht, sich friedlich zu versammeln und sich frei mit anderen zusammenzuschließen, einschließlich des Rechts, zum Schutze ihrer Interessen Gewerkschaften zu bilden und diesen beizutreten. Nach Art11 Abs2 MRK darf dieses Recht nur gewissen durch Gesetz vorgesehenen Einschränkungen unterworfen werden.

Da schon unter 3. ausgeführt wurde, daß weder die Versammlungsfreiheit noch die Freiheit der Vereinsbildung dadurch eingeschränkt wird, daß der Gebrauch der Lebensrune in Schriftstücken verboten wird, sind offensichtlich auch die durch Art11 MRK verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte durch den angefochtenen Bescheid nicht verletzt (VfSlg. 7762/1976 und 8610/1979).

5. Der Beschwerdeführer behauptet weiter, der angefochtene Bescheid stelle einen Verstoß gegen das Parteiengesetz, BGBl. 404/1975, dar. Die Existenz und Vielfalt politischer Parteien seien wesentliche Bestandteile der demokratischen Ordnung der Republik Österreich. Zu den Aufgaben der politischen Parteien gehöre die Mitwirkung an der politischen Willensbildung. Die Gründung politischer Parteien sei frei, sofern bundesverfassungsgesetzlich nichts anderes bestimmt sei. Ihre Tätigkeit dürfe keiner Beschränkung durch besondere Rechtsvorschriften unterworfen werden. Es bedürfe wohl keiner weitläufigen Erörterungen der Sach- und Rechtslage, um klarzulegen, daß das unter Strafsanktion gestellte Verbot des 'Markenzeichens' der Nationaldemokratischen Partei einen ganz wesentlichen Einschnitt in die Tätigkeit dieser Partei darstelle.

Diese Bezugnahme auf ArtI §1 des Parteiengesetzes, BGBl. 404/1975, geht schon im Ansatz fehl, weil diese Bestimmungen anordnen, daß die Tätigkeit der österreichischen politischen Parteien keiner Beschränkung durch besondere Rechtsvorschriften unterworfen werden darf, womit die Bestrafung des Beschwerdeführers wegen Verwendung eines Abzeichens einer nationalsozialistischen Organisation in keinen wie immer gearteten Zusammenhang zu bringen ist. Er ist daher in dieser Hinsicht nicht in seinen Rechten verletzt worden. Bemerkt wird, daß durch die Verhängung einer Verwaltungsstrafe über den Beschwerdeführer auch die Nationaldemokratische Partei nicht in ihren Rechten verletzt sein könnte (vgl. in dieser Hinsicht VfSlg. 9107/1981).

6.1. Die Verletzung eines sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes wurde nicht behauptet und kam auch im Verfahren vor dem VfGH nicht hervor.

6.2. Im Hinblick auf die aus der Sicht dieses Beschwerdefalles gegebene verfassungsrechtliche Unbedenklichkeit der dem angefochtenen Bescheid zu Grunde liegenden Rechtsvorschriften (vgl. VfSlg. 9107/1981; VfGH 1. 10. 1981 B12/78) wurde der Beschwerdeführer auch nicht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt.

6.3. Die Beschwerde war folglich als unbegründet abzuweisen und antragsgemäß nach Art144 Abs2 B-VG in der vor dem Inkrafttreten des BVG BGBl. 350/1981 in Geltung gestandenen Fassung und §87 Abs3 VerfGG 1953 dem VwGH abzutreten.

6.4. Die Entscheidung über den Kostenersatz beruht auf §88 VerfGG 1953. Ein Zuspruch von Kostenersatz kam nicht in Betracht, weil es nach Lage des Falles nicht geboten war, die Finanzprokuratur in dieser verwaltungsstrafrechtlichen Angelegenheit mit der Vertretung der belangten Behörde zu betrauen (s. VfSlg. 7455/1974, und 9107/1981).

Schlagworte

Abzeichen, VfGH / Kosten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1983:B579.1978

Dokumentnummer

JFT_10169776_78B00579_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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