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66 SozialversicherungNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
32. ASVG-Nov.; keine Bedenken gegen ArtVII Abs10; keine gleichheitswidrige Anwendung; kein Entzug des gesetzlichen RichtersSpruch
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Der Beschwerdeführer stellte beim Bundesminister für soziale Verwaltung den Antrag auf Herabsetzung der Monatsbeiträge auf ein Viertel, weil er laut einer beigelegten Bestätigung nur bescheidene Einkünfte in der Höhe von S 5.500.- (brutto) monatlich habe. Den vom Bundesminister vorgelegten Akten ist zu entnehmen, daß die Pensionsversicherung der Angestellten dem Beschwerdeführer mit Bescheid vom 28. September 1977 den nachträglichen Einkauf von Versicherungszeiten für insgesamt 88 Kalendermonate bewilligt hat.
2. Das Amt der Wr. Landesregierung teilte dem Bundesminister auf dessen Anfrage mit Schreiben vom 22. November 1977 mit, der Beschwerdeführer, geboren am 18. Mai 1918, sei geschieden und habe als Sachbearbeiter in einer Steuerberatungskanzlei ein monatliches Einkommen von netto S 4.414,-. Er sei Alleineigentümer eines Grundstückes EZ. 489 der KG F. bei Graz mit einem Einheitswert von
S 168.000,-. Er sei im Begriffe, dieses Grundstück zu verkaufen, um damit eine Schuld an die Finanzverwaltung in der Höhe von S 194.263,-
abzudecken. Eine Sorgepflicht für die geschiedene Ehegattin bestehe nicht. Der Beschwerdeführer bewohne eine Mietwohnung der Gemeinde Wien mit einer Monatsmiete von S 800,-. Die geschiedene Ehegattin wohne in einem völlig abgetrennten Raum der Wohnung und zahle hiefür keine Miete. Der Beschwerdeführer selbst gab gegenüber dem Amt der Wr. Landesregierung an, daß er für Miete, Telefon, Beleuchtung und Heizung, Bekleidung und Wäsche sowie Lebensmittel monatlich S 4.200,-
ausgebe. Aus dem Gewerbebetrieb seiner Ehegattin, der bis 31. August 1972 bestanden habe, bestehe gegenüber dem Finanzamt eine Schuld von S 265.500,-, die bis Dezember 1977 gestundet sei. Außerdem laufe ein Finanzstrafverfahren. Sonstiges Vermögen besitze er außer seiner persönlichen Habe - nicht. In einer Niederschrift vom 10. November 1977 bezifferte der Beschwerdeführer seine Schuld gegenüber dem Finanzamt mit S 194.263,-. Die Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten teilte am 18. November 1977 mit, daß sie von einer Stellungnahme zum Antrag des Beschwerdeführers Abstand nehme.
3. Mit Bescheid des Bundesministers für soziale Verwaltung vom 18. Jänner 1978, gab dieser dem Antrag des Beschwerdeführers auf Herabsetzung des Beitrages für einzukaufende Versicherungszeiten in der Pensionsversicherung gemäß ArtVII Abs10 der 32. Nov. zum ASVG, BGBl. 704/1976, nicht Folge.
In der Begründung des Bescheides wurde ausgeführt, der Beschwerdeführer begehre die Herabsetzung des Beitrages für den nachträglichen Einkauf von Versicherungszeiten (insgesamt 88 Kalendermonate). Aus dem vom Amt der Wr. Landesregierung eingeholten Erhebungsbericht gehe hervor, daß der Beschwerdeführer bei einem Monatsgehalt von S 4.414,- zwar nur über ein geringes Einkommen, jedoch über einen Grundbesitz in der Steiermark mit einem Einheitswert von S 168.000,- verfüge. Weiters sei ersichtlich, daß er einen Raum seiner Wohnung, ohne dafür Miete zu erhalten, an seine geschiedene Ehegattin überlassen habe.
Nach Wiedergabe des ArtVII Abs10 der 32. ASVG-Nov. kam die belangte Behörde in Anbetracht der dargelegten Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse zu dem Schluß, daß der Lebensunterhalt des Beschwerdeführers durch die volle Beitragsentrichtung für 88 Kalendermonate (in der Höhe von S 1.000,- monatlich) insbesondere angesichts der Möglichkeit, Ratenzahlung zu begehren sowie die in seinem Eigentum befindliche Liegenschaft zu verwerten, auf längere Sicht nicht wesentlich gefährdet sei. Dem Antrag sei daher unter Handhabung des vom Gesetz eingeräumten Ermessens nicht stattzugeben gewesen, zumal auch das Vorliegen besonderer Härte aus anderen Gründen nicht zu bejahen gewesen sei.
4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die unter Berufung auf Art144 B-VG wegen Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf a) das Verfahren vor dem gesetzlichen Richter (Art83 Abs2 B-VG) und b) der Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art7 Abs1 B-VG) erhobene Beschwerde. Die Prüfung, ob das Gesetz deshalb verfassungswidrig sei, weil die Entscheidung in erster und letzter Instanz durch den Bundesminister für soziale Verwaltung erfolgt, wird angeregt. Er beantragte ferner, kostenpflichtig zu erkennen, daß er durch den angefochtenen Bescheid in seinen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt sei, und für den Fall der Abweisung die Abtretung der Beschwerde an den VwGH.
5. Die belangte Behörde beantragte, die Beschwerde abzuweisen, erstattete jedoch keine Gegenschrift.
II. Über die - zulässige - Beschwerde hat der VfGH erwogen:
1. ArtVII Abs10 der 32. ASVG-Nov. hat folgenden Wortlaut:
"In Fällen besonderer Härte kann das Bundesministerium für soziale Verwaltung die monatlichen Beiträge nach Abs6 herabsetzen, jedoch nicht unter den Betrag eines Viertels dieser Monatsbeträge. Ein Fall besonderer Härte ist insbesondere dann anzunehmen, wenn durch die Beitragsentrichtung der Lebensunterhalt des Antragstellers unter Berücksichtigung seiner Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse nicht nur vorübergehend wesentlich gefährdet wäre."
Nach Abs6 des ArtVII ist für jeden einzukaufenden Versicherungsmonat für Männer ein Betrag von S 1.000,-, für Frauen ein solcher von S 700,- zu entrichten.
2. Der Beschwerdeführer regt in seiner Beschwerde "primär" an, die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes zu prüfen, weil nach seiner Ansicht wenigstens "ein Instanzenzug notwendig" sei.
Der VfGH hat schon mehrfach zum Ausdruck gebracht, daß keine Verfassungsbestimmung verbiete, mit bestimmten Entscheidungen einen Bundesminister als erste und daher einzige Instanz zu betrauen, zumal dessen Entscheidungen der Rechtskontrolle durch beide Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes unterliegen (VfSlg. 8434/1978 und 8813/1980). Die begründungslos gebliebene Behauptung des Beschwerdeführers bietet für den VfGH keine Veranlassung, von dieser Rechtsprechung abzugehen.
3. Da der Beschwerdeführer die Verletzung des Rechts auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter gemäß Art83 Abs2 B-VG ausschließlich auf die Behauptung stützt, der VfGH habe ausgesprochen, es müsse eine Berufungsinstanz gegeben sein, er habe aber keine Möglichkeit "auch nur eines Rechtsmittelzuges" gehabt, kann seinem Vorbringen kein Erfolg beschieden sein. Auch sonst liegen keine Anhaltspunkte vor, daß er in diesem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt wäre. Die belangte Behörde hat nämlich die ihr gesetzlich zukommende Zuständigkeit in Anspruch genommen (vgl. zB VfSlg. 8828/1980).
4. Der Beschwerdeführer wirft der belangten Behörde weiter vor, ihn durch den angefochtenen Bescheid in seinem Recht auf Gleichbehandlung aller Staatsbürger vor dem Gesetz gemäß Art7 Abs1 B-VG verletzt zu haben. Er macht in diesem Zusammenhang geltend, daß die belangte Behörde die Ermittlungsergebnisse hinsichtlich seiner Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse nicht zur Gänze berücksichtigt habe und daß ihm nach Abschluß des Ermittlungsverfahrens nicht Gelegenheit gegeben worden sei, vom Ergebnis des Ermittlungsverfahrens Kenntnis und dazu Stellung zu nehmen.
Das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Gleichbehandlung aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH (zB VfSlg. 8856/1980, 9015/1981) durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde nur verletzt werden, wenn dieser auf einer mit dem Gleichheitsgebot in Widerspruch stehenden Rechtsgrundlage beruht oder wenn die Behörde Willkür geübt hat.
Der Beschwerdeführer behauptet nicht, daß die belangte Behörde ihren Bescheid auf eine Rechtsgrundlage gestützt habe, die mit dem Gleichheitsgebot in Widerspruch stünde. Auch im Verfahren des VfGH ist nichts derartiges hervorgekommen.
Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt ua. in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Verfahrens überhaupt, insbesondere iVm einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (vgl. zB VfSlg. 8808/1980 und die dort angeführte Rechtsprechung, 9187/1981).
Daß die belangte Behörde die Rechtslage gehäuft verkannt habe, hat der Beschwerdeführer nicht behauptet und ist auch im verfassungsgerichtlichen Verfahren nicht hervorgekommen. Die belangte Behörde hat im Hinblick auf die für die Entscheidung wesentlichen Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse im Wege des Amtes der Wr. Landesregierung eine verhältnismäßig umfangreiche Ermittlungstätigkeit entfaltet. Hiebei hat sie sich zu einem wesentlichen Teil auf das Vorbringen des Beschwerdeführers gestützt. Es kann ihr auch nicht zum Vorwurf gemacht werden, daß sie vom Inhalt der Akten leichtfertig abgegangen wäre oder daß sie den konkreten Sachverhalt außer acht gelassen hätte. Ein eventuell hinsichtlich der Berücksichtigung der gegenüber dem Finanzamt bestehenden Schuld vorliegender Begründungsmangel und die Verletzung des Rechtes auf Parteiengehör reichen jedenfalls nicht in die Verfassungssphäre. Der Vorwurf der Willkür ist demnach nicht berechtigt. Ob der Beschwerdeführer durch Verletzung von Verfahrensvorschriften in einfachgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde, hat der VfGH nicht zu prüfen.
5. Die Verletzung eines sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes hat der Beschwerdeführer nicht behauptet. Im Verfahren vor dem VfGH ist eine solche auch nicht hervorgekommen.
Bei der verfassungsgesetzlichen Unbedenklichkeit der Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides ist der Beschwerdeführer auch nicht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.
6. Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.
Schlagworte
SozialversicherungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1983:B192.1978Dokumentnummer
JFT_10169776_78B00192_00