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10/07 VerwaltungsgerichtshofNorm
AsylG 1997 §5 Abs1 idF 1999/I/004;Rechtssatz
Die Auffassung, das jedenfalls bei ehelichen Kindern ipso iure - unabhängig vom Erfordernis etwa eines Zusammenlebens - bestehende Familienleben zwischen Eltern und Kindern höre mit Erreichen der Volljährigkeit nicht auf, sofern die Beziehungen nicht abgebrochen werden, wobei es in diesem Zusammenhang auf zusätzliche Elemente, wie sie im Bereich des erweiterten Familienlebens gefordert werden, und im Besonderen auf eine "Abhängigkeit" im Verhältnis zwischen Eltern und erwachsenen Kindern nicht ankomme, sofern nur "die Beziehungen nicht abgebrochen" seien, findet in den Entscheidungen des EGMR KEINE Deckung, zumal der EGMR die auf die Entscheidung der EKMR vom 10. Dezember 1984, ZI. 10375/83, zurückgehende "restriktivere Rechtsprechung der EKMR" ausdrücklich fortführt. Gegenüber einer isolierten Betonung des Gesichtspunktes der "Abhängigkeit" ist hervorzuheben, dass die Aussage, Beziehungen zwischen Erwachsenen fielen ohne Elemente einer über die normalen gefühlsmäßigen Beziehungen hinausgehenden "Abhängigkeit" nicht notwendigerweise in den Schutzbereich des Art. 8 MRK, in der Entscheidung der EKMR vom 10. Dezember 1984, einen Nachzugsfall betraf, in dem es nicht um die Beendigung eines aktuellen Zusammenlebens zwischen Elternteil und erwachsenem Kind im Vertragsstaat ging. Ob außerhalb des Bereiches des insbesondere zwischen Ehegatten und ihren minderjährigen Kindern ipso iure zu bejahenden Familienlebens iSd Art. 8 MRK ein Familienleben vorliegt, hängt nach der Rechtsprechung des EGMR jeweils von den konkreten Umständen ab, wobei für die Prüfung einer hinreichend stark ausgeprägten persönlichen Nahebeziehung gegebenenfalls auch die Intensität und Dauer des Zusammenlebens von Bedeutung sind. (Hier: UBAS hat die Beziehungen zwischen Eltern und erwachsenen Kindern nicht von Beziehungen zwischen Geschwistern oder sonstigen "miteinander verwandten" Personen unterschieden und u.a. zum Verhältnis zwischen Eltern und erwachsenen Kindern ausgeführt, der Begriff des "Familienlebens" in Art. 8 MRK setze "neben der Verwandtschaft auch andere, engere Bindungen voraus". Abzustellen sei etwa darauf, ob die betreffenden Personen zusammen gelebt hätten, ein gemeinsamer Haushalt vorliege oder sie finanziell voneinander abhängig seien. In Bezug auf erwachsene Personen fielen verwandtschaftliche Beziehungen zwischen solchen Personen "nicht notwendigerweise" in den Schutzbereich des Art 8 MRK, wenn nicht "weitere Elemente der Abhängigkeit" dargetan würden, die "über die normalen emotionalen Bindungen" hinausgingen. Unter "Abhängigkeit" sei ein "tatsächliches Angewiesensein" zu verstehen. Das Fehlen einer "Abhängigkeit" führe - trotz des Zusammenlebens im gemeinsamen Haushalt - zur Verneinung eines Familienlebens iSd Art 8 MRK. Der UBAS hätte - über das Kriterium der "Abhängigkeit" in der von ihm angenommenen engen Bedeutung hinaus - im Rahmen einer ganzheitlichen Bewertung berücksichtigen müssen, dass der 21-jährige Asylwerber in Österreich mit seinen Eltern und Geschwistern im gemeinsamen Haushalt zusammenlebt, von den Eltern tatsächlich (finanziell) unterstützt wird und mit seiner Mutter und seinen Geschwistern das Familienleben fortsetzt, das er mit diesen -unterbrochen durch eine nur verhältnismäßig kurze Zeitspanne - in der Türkei geführt hatte. Diese Umstände lassen die Annahme, der Asylwerber habe in Österreich keine familiären Bindungen, die dem Schutzbereich des Art. 8 Abs. 1 MRK unterlägen, insgesamt nicht zu und hätten daher eine Abwägung nach Gesichtspunkten des Art. 8 Abs. 2 MRK erforderlich gemacht.)
Schlagworte
Besondere RechtsgebieteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2006:2002200423.X04Im RIS seit
22.03.2006Zuletzt aktualisiert am
21.03.2014