TE Vfgh Beschluss 1983/2/25 B359/82

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Veröffentlicht am 25.02.1983
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Index

10 Verfassungsrecht
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 (B-VG)

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Befehls- und Zwangsausübung unmittelb

Leitsatz

Art144 Abs1 B-VG; keine Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch die Feststellung des Bürgermeisters, daß ein Mitglied des Gemeinderates an einer Gemeinderatssitzung nicht teilnehmen könne

Spruch

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

1.1. Im Protokoll über die Sitzung des Gemeinderates der Stadtgemeinde Lienz vom 27. Mai 1982 heißt es ua. wörtlich:

"Vor Eingang in die Tagesordnung bringt der Bürgermeister dem Gemeinderat folgenden Sachverhalt zur Kenntnis:

'Er sei vom Landesgericht Innsbruck wegen einer amtlichen Benachrichtigung mit Datum vom 15. April 1982 von dem Umstand in Kenntnis gesetzt worden, daß gegen Gemeinderat A. M. am 14. April 1982 die Voruntersuchung wegen der Tatbestände der §§146, 147 Abs3 des Strafgesetzbuches eingeleitet worden sei.

Der Tatbestand des §147 Abs3 des Strafgesetzbuches ist schwerer Betrug.

Er trägt die Gesetzesbestimmungen im Detail vor:

Die Tiroler Gemeindewahlordnung 1973 faßt diesen Tatbestand als Wahlausschließungsgrund auf.

Daran anknüpfend normiert §22 der Tiroler Gemeindeordnung, daß in einem solchen Falle, als gegen ein Mitglied des Gemeinderates eine gerichtliche Voruntersuchung wegen einer strafbaren Handlung eingeleitet wird, die nach der Gemeindewahlordnung einen Wahlausschließungsgrund bildet, das Mandat und alle damit verbundenen Ämter so lange ruhen, als dieses Verfahren anhängig ist.

Er erklärt, daß auf Grund der gegebenen Sach- und Rechtslage daher das Mandat des Gemeinderates A. M. derzeit kraft Gesetzes ruhe.

Da die Wirkungen des Ruhens des Mandates unmittelbar kraft Gesetzes eintreten, war es demnach auch nicht möglich, Gemeinderat A. M. zu einer Sitzung des Gemeinderates einzuladen. Es wurde daher richtigerweise die stellvertretende Listenführerin, nämlich die Gattin des A. M., Frau I. M. zur Gemeinderatssitzung eingeladen.

Der Herr Bürgermeister stellt hiezu fest, daß sie trotz ordnungsgemäß ausgewiesener Ladung nicht erschienen ist.

A. M., dessen Mandat ruht, ist jedoch trotz nicht erfolgter Ladung zu dieser Sitzung gekommen.

Der Herr Bürgermeister stellt ihm jedoch klar, daß seine Mitwirkung an der Sitzung auf Grund der bestehenden Sach- und Rechtslage nicht möglich sei.

A. M. nimmt hierauf an der Sitzung nicht teil. Er verbleibt jedoch im Gemeinderats-Sitzungssaal als Zuhörer.

Zuvor hat A. M. jedoch noch eingewendet, daß die Einleitung der Voruntersuchung noch nicht rechtskräftig geworden sei, weil er gemäß §113 StPO Beschwerde an die Ratskammer des Landesgerichtes Innsbruck erhoben habe.

Der Herr Bürgermeister hält fest, daß dieser Umstand an der Tatsache des Ruhens des Mandates gemäß §22 TGO nichts ändere.'

Hierauf geht der Herr Bürgermeister in die Tagesordnung ein."

1.2. A. M. wendet sich mit der vorliegenden, an den VfGH gerichteten und ersichtlich auf Art144 Abs1 B-VG gestützten Beschwerde ausschließlich gegen das einleitend bezeichnete (in der Beschwerdeschrift ua. mit "Ignorieren" eines Mandatars umschriebene) Verhalten des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Lienz, das er als - ihn in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzenden - Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt versteht.

2. Über die Beschwerde wurde erwogen:

2.1. Nach Art144 Abs1 Satz 2 B-VG idF BGBl. 302/1975 erkennt der VfGH über Beschwerden gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gegen eine bestimmte Person.

2.2.1. Ein diese Voraussetzungen erfüllender Verwaltungsakt liegt hier nicht vor.

Denn nach dem Inhalt des Protokolls über die Gemeinderatssitzung vom 27. Mai 1982 kann es keinem Zweifel unterliegen, daß der Bürgermeister der Stadtgemeinde Lienz dem Beschwerdeführer damals die gegebene Rechtslage eröffnete, ihm aber keineswegs einen mit sofortigem physischen Zwang durchzusetzenden Befehl erteilte. Eine solche den Charakter einer schlichten Mitteilung tragende Rechtsbelehrung ("... Bürgermeister stellt ihm gemeint: A. M. - jedoch klar ...") entbehrt aber des individuellnormativen Inhalts, wie ihn die Bestimmung des Art144 Abs1 Satz 2 B-VG idF der Nov. BGBl. 302/1975 zwingend verlangt (s. zB VfGH 21. 6. 1982 B291, 292/79 ua.).

2.2.2. Da es allein schon aus diesen Gründen an einem tauglichen Beschwerdegegenstand fehlt, war die Beschwerde als unzulässig zurückzuweisen.

Schlagworte

VfGH / Prüfungsgegenstand, Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1983:B359.1982

Dokumentnummer

JFT_10169775_82B00359_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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