Index
50 GewerberechtNorm
B-VG Art10 Abs1 Z8Leitsatz
Wr. Marktordnung 1976; §61 Abs1 (Verwendung der zum Marktgebiet bestimmten Grundflächen für das Fahren mit Fahrzeugen) regelt eine Angelegenheit des Gewerbes und nicht eine Angelegenheit der StraßenpolizeiSpruch
Dem Antrag wird nicht Folge gegeben.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Beim VwGH ist eine Beschwerde gegen einen im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 19. Jänner 1979, Z MA 63 - M 17/77/Str., anhängig, mit dem die Beschwerdeführerin schuldig erkannt wurde, "sie habe am 12. Juni 1976 um 12.35 Uhr mit dem Kraftfahrzeug mit polizeilichem Kennzeichen
W ... trotz des Straßenverkehrszeichens 'Fahrverbot' und der Zusatztafeln 'Marktgebiet' und 'werktags 5 - 16 Uhr' den zum Marktgebiet des Kutschkermarktes in Wien 18 gehörenden Abschnitt der Kutschkergasse befahren und dadurch eine Verwaltungsübertretung nach §61 Abs1 der Marktordnung 1976 begangen".
Aus Anlaß dieser Beschwerde stellt der VwGH gemäß Art139 Abs1 B-VG iVm Art89 Abs2 B-VG an den VfGH den Antrag, die im zweiten Satz des §61 Abs1 der Verordnung des Magistrates der Stadt Wien vom 29. April 1976, mit der eine Marktordnung für die Stadt Wien (Marktordnung 1976) erlassen wird, enthaltenen Worte "das Fahren mit Fahrzeugen sowie" als gesetzwidrig aufzuheben.
Im Antrag des VwGH wird nach Anführung des Wortlautes des §61 Abs1 der Marktordnung 1976 ausgeführt, daß sich diese Regelung an einen nicht individuell bestimmten Adressatenkreis wende. Es handle sich somit um eine generelle, von einer Verwaltungsbehörde erlassene Rechtsvorschrift, sohin um eine Rechtsverordnung.
Ferner wird ausgeführt, daß für den VwGH der zweite Satz des §61 Abs1 präjudiziell sei. Allerdings sei nach der von der belangten Behörde angenommenen Tathandlung der zweite Satz des §61 Abs1 der Marktordnung 1976 insofern nicht präjudiziell, als er sich auf das Parken von Fahrzeugen beziehe. Auch das Halten von Fahrzeugen spiele, obgleich es nur im Zusammenhang mit dem Fahren in Betracht komme, in dem vor dem VwGH anhängigen Bescheidprüfungsverfahren keine Rolle. Anknüpfungspunkt für die Anwendbarkeit des zweiten Satzes des §61 Abs1 der Marktordnung 1976 in dem vor dem VwGH anhängigen Bescheidprüfungsverfahren seien somit die Worte "das Fahren mit Fahrzeugen". Diese Worte seien somit einschließlich des damit sprachlich untrennbar zusammenhängenden Wortes "sowie" Gegenstand der vorliegenden Anfechtung.
2. Der Bundesminister für Handel, Gewerbe und Industrie hat eine Äußerung erstattet, in der ersucht wird, den Antrag des VwGH abzuweisen.
Der Magistrat der Stadt Wien hat in seiner Äußerung den Antrag gestellt, der VfGH möge erkennen, daß die im zweiten Satz des §61 Abs1 der Marktordnung 1976 enthaltenen Worte "das Fahren mit Fahrzeugen sowie" nicht gesetzwidrig seien und demnach nicht aufgehoben würden.
II. Der VfGH hat erwogen:
1. a) Nach §324 Abs1 der Gewerbeordnung 1973 - GewO 1973, BGBl. 50/1974, ist unter einem Markt iS dieses Bundesgesetzes eine Veranstaltung zu verstehen, bei der auf einem örtlich bestimmten Gebiet (Marktplatz, Markthalle) auf Grund des der Gemeinde verliehenen Marktrechtes und zu den durch die Marktordnung bestimmten Markttagen und Marktzeiten, von jedermann Waren nach Maßgabe der Marktordnung feilgeboten und verkauft werden dürfen.
In §325 ist die Begriffsbestimmung für einen "Gelegenheitsmarkt ('Quasimarkt')" enthalten. Nach den Bestimmungen der §§327 ff. über die Zuständigkeit und das Verfahren zur Verleihung von Marktrechten und zur Erteilung der Bewilligung zur Abhaltung eines Gelegenheitsmarktes (§329) und nach der Regelung der Vergabe des Marktplatzes an die Marktbesucher durch die Gemeinde in §330 GewO 1973 bestimmt §331 GewO 1973 folgendes:
"§331. (1) Die Gemeinde hat hinsichtlich des Marktes oder der Märkte ihres Gebietes eine Marktordnung zu erlassen, die unter Berücksichtigung des Bescheides über die Verleihung des Marktrechtes jedenfalls zu enthalten hat:
1. die genaue räumliche Abgrenzung des Marktes;
2. Bestimmungen über die Marktzeiten und Markttage (Markttermine);
3. die gattungsmäßige Bezeichnung des Marktes und die Angabe der Haupt- und Nebengegenstände des Marktverkehrs;
4. die Regelung betreffend die Vormerkung und die Vergabe von Marktplätzen und Markteinrichtungen;
5. Bestimmungen über die Ausweisleistung und die Überwachung der Marktbesucher;
6. die Regelung des Verlustes (Widerrufes) von Marktplätzen und Markteinrichtungen bei Vergabe durch Bescheid und der Untersagung der weiteren Ausübung der Markttätigkeit bei zivilrechtlicher Vergabe.
(2) Darüber hinaus kann die Marktordnung insbesondere noch enthalten:
1. Bestimmungen darüber, ob und inwieweit die Marktbesucher auf den Marktplätzen selbst standfeste Bauten errichten dürfen, und über die Verpflichtung, solche Bauten im Falle des Verlustes des Marktplatzes zu entfernen;
2. Bestimmungen, die die Reinhaltung des Marktes sichern;
3. Bestimmungen über die Tätigkeit der Markthelfer;
4. Bestimmungen darüber, inwieweit der Ausschank von Getränken und die Verabreichung von Speisen gestattet sind.
(3) Die Marktordnung gemäß Abs1 bedarf der Genehmigung des Landeshauptmannes, der vor seiner Entscheidung die Landeskammer der gewerblichen Wirtschaft, die Kammer für Arbeiter und Angestellte und die Landwirtschaftskammer zu hören hat. Die Genehmigung darf nur versagt werden, wenn durch die Marktordnung eine geordnete Abwicklung der Marktgeschäfte nicht gewährleistet ist, wenn den Interessen der Marktbesucher und Käufer nicht entsprechend Rechnung getragen wird oder wenn die Marktordnung vom Standpunkt der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit, des Gesundheitsschutzes oder des ungestörten Straßenverkehrs Bedenken begegnet.
(4) Für einen Gelegenheitsmarkt (§325) ist eine Marktordnung dann zu erlassen, wenn dies wegen der Eigenart, Dauer und besonderen Bedeutung dieser Veranstaltung oder im Interesse der Marktbesucher oder Käufer erforderlich ist. In diesem Falle sind die Abs1 und 3 sinngemäß anzuwenden."
Nach §337 GewO 1973 sind die in den §§327, 328, 329, 330 und 331 festgelegten Aufgaben der Gemeinde (mit Ausnahme der Durchführung des Verwaltungsstrafverfahrens) solche des eigenen Wirkungsbereiches.
b) Der Magistrat der Stadt Wien hat mit der auf Grund der §§330 Abs2, 331 und 337 GewO 1973 mit Genehmigung des Landeshauptmannes ergangenen Verordnung vom 29. April 1976 eine Marktordnung für die Stadt Wien (Marktordnung 1976) erlassen. Diese Verordnung ist durch Anschlag an den Amtstafeln der Magistratischen Bezirksämter und im Amtsblatt der Stadt Wien vom 27. Mai 1976, Heft 22, Jahrgang 81, kundgemacht worden (vgl. §108 Abs3 der Wr. Stadtverfassung, wiederverlautbart im LGBl. für Wien 28/1968).
Die Marktordnung 1976 umschreibt im I. Abschnitt ihren Geltungsbereich. Der mit "Märkte" überschriebene II. Abschnitt hat mehrere Untergliederungen, darunter 1. die Regelung der Markttage, Marktgebiete und Widmung von Märkten (Marktteilen) (§§2 bis 4) und 2. die Regelung der Marktzeiten (§§5 bis 8).
Der III. Abschnitt (§§51 bis 56) enthält die Regelung für die "Gelegenheitsmärkte" (zB Firmungsmarkt, Kirchweihmärkte etc.), der IV. Abschnitt (§§57 bis 60) Bestimmungen über die Marktentgelte.
Der V. Abschnitt (§§61 bis 63) hat die Überschrift "Regelung des Fahrzeugverkehrs". Der VI. Abschnitt enthält "Strafbestimmungen", der VII. Abschnitt "Übergangs- und Schlußbestimmungen".
In §2 Abs1 sind unter den Z1 bis 30 die Märkte angeführt, die an Werktagen abgehalten werden. Zu diesen gehört nach Z22 "der Kutschkermarkt im 18. Bezirk auf der Fahrbahn der Kutschkergasse und des in der Verlängerung dieser Gasse anschließenden Teiles des Gertrudplatzes zwischen der Staudgasse und der Währinger Straße, einschließlich eines 1 m breiten Streifens auf beiden Gehsteigen, mit Ausnahme der Fahrbahnen der Schopenhauerstraße und der Schulgasse, wobei der zwischen der Staudgasse und der Schopenhauerstraße vor den Häusern mit geraden ONr. gelegene Teil der Kutschkergasse für Landparteien bestimmt ist".
Zu den in §3 angeführten alljährlich stattfindenden Märkten gehört nach Abs2 Z1 "der Christkindlmarkt", der im 1. Bezirk auf den näher umschriebenen Teilen des Platzes vor dem Rathaus abgehalten wird.
§61 Abs1 der Marktordnung 1976 lautet:
"(1) auf den im §2 Abs1 Z1 bis 11, 13, 15, 20 und 21, 23 bis 27, 29 und 30 sowie im §3 Abs2 Z1 beschriebenen Marktgebieten ist das Fahren mit Fahrzeugen sowie das Halten und Parken verboten. Auf den Marktgebieten aller anderen Märkte (Gelegenheitsmärkte) ist während der Marktzeiten (§§5 bis 7 und 52), der für das Beziehen und Räumen der Marktplätze (§8) bestimmten sowie der daran anschließenden für die Reinigung der Marktflächen notwendigen Zeit von einer Stunde das Fahren mit Fahrzeugen sowie das Halten und Parken verboten."
Die Absätze 2 und 3 des §61 enthalten Ausnahmen von den im Absatz 1 festgesetzten Verboten, in Absatz 5 ist die Ermächtigung für den Magistrat enthalten, Marktflächen für das Parken von Marktfahrzeugen zu bestimmen, Marktflächen zu Kurzparkzonen (§25 der Straßenverkehrsordnung 1960) vorzusehen sowie sonstige Verbote, Beschränkungen, Erleichterungen und Hinweise hinsichtlich des Fahrzeugverkehrs auf Marktgebieten zu erlassen. Nach §62 Abs2 sind die in §61 Abs1 und 5 vorgesehenen Beschränkungen bzw. Maßnahmen zur Regelung des Verkehrs auf Märkten (Gelegenheitsmärkten) durch entsprechende Straßenverkehrszeichen oder Bodenmarkierungen nach der Straßenverkehrsordnung 1960 kundzumachen.
Nach §63 Abs1 finden auf allen Marktgebieten während der im §61 Abs1 angeführten Zeiten die Bestimmungen der Straßenverkehrsordnung 1960 sinngemäß Anwendung.
Nach §64 Z28 der Marktordnung 1976 begeht eine Verwaltungsübertretung und ist nach den Bestimmungen des V. Hauptstückes der Gewerbeordnung 1973 zu bestrafen, "wer entgegen §§61 bis 63 auf Marktgebiet
a) fährt, hält oder parkt,
b) die Verkehrszeichen, Bodenmarkierungen oder Bestimmungen der Straßenverkehrsordnung 1960 nicht beachtet,
c) den Anordnungen von Marktaufsichtsorganen über die Benützung von Verkehrsflächen auf Märkten nicht Folge leistet".
2. Es ist offenkundig, daß es sich bei der Marktordnung 1976 - wie vom VwGH ausgeführt - um eine Rechtsverordnung handelt.
Es sind keine Umstände hervorgekommen, die gegen die Annahme des VwGH sprechen, daß er - da der Kutschkermarkt nicht zu den im ersten Satz des §61 Abs1 angeführten Märkten gehört - den zweiten Satz insoweit anzuwenden hat, als er sich auf das Fahren mit Fahrzeugen bezieht. Demnach ist die Präjudizialität der vom VwGH zur Aufhebung beantragten Worte "das Fahren mit Fahrzeugen sowie" im zweiten Satz des §61 Abs1 der Marktordnung 1976 gegeben. Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, ist der Antrag des VwGH zulässig.
3. a) Zur Darlegung der Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit der zur Aufhebung beantragten Worte wird im Antrag des VwGH ausgeführt:
"Die Kutschkergasse einschließlich des zum Marktgebiet des Kutschkermarktes gehörenden Abschnittes ist Teil des Wiener Straßennetzes. Sie steht außerhalb der im angeführten Schuldspruch bezeichneten Zeiten dem allgemeinen Fahrzeugverkehr offen. Sie bleibt aber auch während der im zweiten Satz des §61 Abs1 der Marktordnung 1976 umschriebenen Zeiten der Benützung für jedermann zu Verkehrszwecken, und zwar in der Form des Fußgängerverkehrs, gewidmet. Die Widmung als Marktgebiet bewirkt also nicht einmal für die Dauer der Marktzeiten eine Aufhebung der Widmung der Kutschkergasse (einschließlich des zum Marktgebiet des Kutschkermarktes gehörenden Abschnittes) als Straße mit öffentlichem Verkehr.
Gegenstand der hiemit angefochtenen Regelung des zweiten Satzes des §61 Abs1 der Marktordnung 1976 ist das Verkehrsgeschehen auf einer Straße mit öffentlichem Verkehr, nämlich die Anordnung eines Fahrverbotes. Es handelt sich um eine Regelung, die - mag der Beweggrund für die Normierung dieses Fahrverbotes auch die Abhaltung eines Marktes sein - ihrem Gegenstand nach nicht unter den Kompetenztatbestand 'Angelegenheiten des Gewerbes und der Industrie' iS des Art10 Abs1 Z8 B-VG, sondern unter den Kompetenztatbestand 'Straßenpolizei' iS des Art11 Abs1 Z4 B-VG fällt.
Die Erlassung einer solchen straßenpolizeilichen Regelung ist durch - in den Bereich der Bundesvollziehung fallende - Bestimmungen der Gewerbeordnung 1973, insbesondere auch durch deren §331, der sich seinem normativen Gehalt nach - entsprechend der Kompetenzverteilung der Bundesverfassung - nicht auf straßenpolizeiliche Maßnahmen bezieht, nicht gedeckt.
Der §61 Abs1 zweiter Satz der Marktordnung 1976 wurde, wie bereits erwähnt, vom Magistrat Wien mit Genehmigung des Landeshauptmannes erlassen. Die vom VwGH angefochtene Regelung ist somit unter Inanspruchnahme einer auf die Straßenverkehrsordnung 1960 nicht zu gründenden Kompetenz erlassen worden, d. h. insofern gesetzwidrig zustande gekommen."
b) In der Äußerung des Bundesministers für Handel, Gewerbe und Industrie wird ausgeführt:
"Die vom VwGH angefochtene Regelung des §61 Abs1 zweiter Satz der Marktordnung 1976, wonach auf den darin erfaßten Marktgebieten während der Marktzeiten sowie sonstiger im Zusammenhang mit der Abhaltung der Märkte zusammenhängender Zeiten ua. das Fahren von Fahrzeugen verboten wird, geht nach Meinung des Bundesministeriums für Handel, Gewerbe und Industrie davon aus, daß es sich bei einem Marktgebiet um keine Straße mit öffentlichem Verkehr iS des §1 Abs1 der Straßenverkehrsordnung 1960 handelt. Dies auch dann nicht, wenn das Marktgebiet außerhalb der Marktzeiten dem öffentlichen Verkehr zur Verfügung steht. Das Marktgebiet stellt also auch dann keine Straße mit öffentlichem Verkehr dar, wenn es vor und nach dem Markt eine solche ist. Das gemäß §331 Abs1 Z1 GewO 1973 genau räumlich abzugrenzende Marktgebiet kann iS des §1 Abs1 der Straßenverkehrsordnung nicht von jedermann zu den gleichen Bedingungen benützt werden (vgl. die marktrechtlichen Regelungen über den Gegenstand des Marktverkehrs, die Zuweisung von Verkaufsplätzen uä.).
Stellt also ein Marktgebiet keine Straße mit öffentlichem Verkehr dar, so können in den Marktordnungen Regelungen für den Fahrzeugverkehr innerhalb des Marktgebietes getroffen werden. Es würde sich dabei um 'andere Rechtsvorschriften' iS des §1 Abs2 der Straßenverkehrsordnung 1960 handeln.
Zu der weiteren vom VwGH aufgeworfenen Frage, ob die durch die Worte 'das Fahren mit Fahrzeugen sowie' im §61 Abs1 zweiter Satz der Marktordnung 1976 getroffene Regelung in der Verordnungsermächtigung des §331 GewO 1973 ihre Deckung findet, ist folgendes zu sagen:
§331 Abs2 GewO 1973 enthält eine demonstrative Aufzählung jener Regelungen, die in einer Marktordnung getroffen werden können. Die Zulässigkeit von Regelungen über das Fahren von Fahrzeugen innerhalb des Marktgebietes läßt sich aus dem §331 Abs3 GewO 1973 erschließen. Danach darf die Genehmigung der Marktordnung durch den Landeshauptmann nur versagt werden, wenn durch die Marktordnung eine geordnete Abwicklung der Marktgeschäfte nicht gewährleistet ist, wenn den Interessen der Marktbesucher und der Käufer nicht entsprechend Rechnung getragen wird oder wenn die Marktordnung vom Standpunkt der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit, des Gesundheitsschutzes oder des ungestörten Straßenverkehrs Bedenken begegnet. Außer Zweifel wird eine Regelung des Fahrens von Fahrzeugen innerhalb des Marktgebietes in vielen Fällen Voraussetzung für eine geordnete Abwicklung der Marktgeschäfte sein und auch im Interesse der Marktbesucher und Käufer notwendig sein; auch vom Standpunkt der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit und allenfalls auch des Gesundheitsschutzes werden Regelungen über das Fahren von Fahrzeugen innerhalb des Marktgebietes erforderlich sein können. Hingegen wird etwa im Interesse des ungestörten Straßenverkehrs kaum eine Regelung über das Fahren von Fahrzeugen innerhalb des Marktgebietes in Betracht kommmen, weil diesbezüglich eher auf den Straßenverkehr außerhalb des Marktgebietes abgestellt ist; der Straßenverkehr soll etwa durch die Abhaltung eines Marktes auf einer ansonsten dem öffentlichen Verkehr zur Verfügung stehenden Straße nicht allzusehr beeinträchtigt werden, was vor allem bei der Festlegung des Marktgebietes zu berücksichtigen sein wird.
Aus dem Vorgesagten ist schließlich deutlich ersichtlich, daß die in den Marktordnungen zu treffenden Regelungen über das Fahren von Fahrzeugen innerhalb von Marktgebieten von Gesichtspunkten bestimmt werden, die mit der Abhaltung eines Marktes zusammenhängen. Unter diesen Gesichtspunkten erscheinen derartige Regelungen zulässig. Nach der ständigen Judikatur des VfGH sind ja Regelungen eines Gegenstandes unter verschiedenen Gesichtspunkten zulässsig. Es muß daher in der vom VwGH angefochtenen Regelung der Marktordnung 1976 kein Eingriff in den Kompetenztatbestand "Straßenpolizei" des Art11 Abs1 Z4 B-VG erblickt werden. Diese Erwägungen haben selbst dann Gültigkeit, wenn man - wie der VwGH in seinem Antrag - die Auffassung vertritt, die Widmung einer Straße mit öffentlichem Verkehr als Marktgebiet ändere nicht einmal für die Dauer der Marktzeiten etwas an ihrer Eigenschaft als Straße mit öffentlichem Verkehr.
In diesem Zusammenhang darf noch darauf hingewiesen werden, daß es in Marktordnungen schon zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Kompetenzartikel des B-VG Regelungen gab, die sich mit dem Fahrzeugverkehr, Fußgeherverkehr uä. beschäftigen:
So wird in der Marktordnung für die kk. Reichshaupt- und Residenzstadt Wien (Kundmachung des kk. Statthalters im Erzherzogthume Österreich unter der Enns vom 12. März 1892, Z. 14101, im §10 festgelegt, es dürfen durch das Auslegen der Feilschaften die Zugänge zu den Standplätzen und die Wege zwischen denselben oder der allgemeine Straßenverkehr überhaupt nicht beeinträchtigt werden und es dürfe auf Marktplätzen nicht schnell gefahren oder geritten werden. Im §10 der Markt-Ordnung der Marktgemeinde Deutschlandsberg vom 3. März 1891, die in der Stadtgemeinde Deutschlandsberg übrigens bis zum Jahre 1961 in Kraft war, heißt es, daß auf dem Marktplatze nicht schnell gefahren oder geritten werden darf. Weiters wird in der Z2 der Vieh-Markt-Ordnung der Marktgemeinde Sillian geregelt, daß die Viehmärkte nur auf den behördlich genehmigten Marktplätzen abgehalten werden dürfen und daß die Fahrstraße vom Marktvieh nicht verstellt werden darf. Im §12 der Markt-Ordnung für die Stadtgemeinde Wolfsberg vom 7. November 1907 wird geregelt, es habe die Marktpolizei dafür zu sorgen, daß die Verkäufer die Reihenfolge der ihnen zugewiesenen Plätze genau einhalten und die Marktwaren so legen, daß die Besichtigung derselben ermöglicht und der Verkehr sowohl für die Fußgänger als auch für die Fahrenden nicht behindert wird.
Auch in den Jahren nach dem Inkrafttreten der Kompetenzartikel des B-VG finden sich Beispiele für derartige Regelungen. So wird im §10 der 'Marktordnung und Vorschriften für den Lebensmittel-Verkehr' in der Landeshauptstadt Bregenz vom 7. Dezember 1927 festgelegt, daß das Befahren der Kaiserstraße (diese stellt den eigentlichen Marktort dar) und der für Marktzwecke benützten Nebenstraßen mit Fahrzeugen aller Art während der Marktzeit strengstens verboten ist. Eine gleichartige Regelung enthält die Marktordnung der Stadtgemeinde Feldkirch vom 26. Juli 1949 in ihrem §11. Im §5 der 'Marktordnung und Vorschriften über den Verkehr mit Lebensmittel' der Stadtgemeinde Bludenz vom 5. Jänner 1927 wird das Aufstellen oder Lagern von Kisten, Körben, Stehenlassen von Handkarren oder anderen den Verkehr hemmenden Gegenständen außerhalb des Standes untersagt und außerdem angeordnet, daß die zur Zufuhr von Marktwaren benützten Wägen, Karren usw. auf dem eigens hiezu angewiesenen Platze aufzubewahren sind.
Schließlich ist noch darauf hinzuweisen, daß sich auch in einer Reihe jüngerer Marktordnungen, auch in solchen, die bereits auf Grund der Gewerbeordnung 1973 erlassen worden sind, Beispiele für Regelungen finden, die den Fahrzeugverkehr auf Märkten betreffen."
c) Der Magistrat der Stadt Wien hat nach dem Hinweis auf die vom VwGH geäußerten Bedenken in seiner Äußerung folgendes vorgebracht:
"Nach Auffassung des Magistrates der Stadt Wien ist nicht jede Regelung des öffentlichen Verkehrs auf Straßen zwingend eine Angelegenheit der Straßenpolizei. Wie der VfGH bereits wiederholt ausgesprochen hat, ist es zulässig, einen bestimmten Sachverhalt unter den Gesichtspunkten verschiedener Kompetenztatbestände zu regeln. Es muß deshalb als zulässig angesehen werden, daß im Rahmen des Kompetenztatbestandes 'Angelegenheiten des Gewerbes und der Industrie' Verkehrsregelungen getroffen werden, soweit sie zur Abwehr von Störungen des Marktbetriebes erforderlich sind. Es ist nicht ersichtlich, daß die vom VwGH angefochtene Fahrverbotsregelung über das hiefür notwendige Ausmaß hinausgeht. Es wäre auch nicht einzusehen, daß in der Marktordnung zwar der Verkehr auf jenen zahlreichen Märkten geregelt werden dürfte, die sich nicht auf Straßengrund befinden, nicht jedoch der Verkehr auf Märkten auf Straßengrund. Schließlich ist im §331 Abs3 GewO 1973 vorgesehen, daß der Landeshauptmann die Genehmigung der Marktordnung unter anderem versagen darf, wenn die Marktordnung vom Standpunkt des ungestörten Straßenverkehrs Bedenken begegnet. Obwohl der Magistrat der Stadt Wien nicht verkennt, daß der Gesetzgeber bestimmen kann, daß bei einem in seine Kompetenz fallenden Verwaltungsakt auch Interessen berücksichtigt werden, deren Regelung an sich in die Kompetenz eines anderen Gesetzgebers fällt, macht diese Bestimmung doch deutlich, daß sich der Gesetzgeber der GewO 1973 die Auffassung zu eigen gemacht hat, daß die Ordnung des Marktwesens auch Belange des Verkehrs einschließt.
Die sogenannte Versteinerungstheorie, nach der die Kompetenztatbestände des B-VG den Inhalt haben, der ihnen nach dem Stand der einfachen Gesetzgebung im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Kompetenzartikel des B-VG am 1. Oktober 1925 zugekommen ist, führt ebenfalls zu dem Ergebnis, daß die Regelung des spezifischen Verkehrsgeschehens auf Märkten unter den Kompetenztatbestand 'Angelegenheiten des Gewerbes und der Industrie' fällt, weil aus den §§62 ff., insbesondere aber aus §70 GewO 1859 abgeleitet werden kann, daß die Regelung des Marktwesens auch die Regelung des Marktverkehrs umfaßte."
4. Wie sich aus dem Wortlaut des §61 Abs1 der Marktordnung 1976 ergibt, ist sowohl nach dem ersten als auch nach dem zweiten Satz das Fahren mit Fahrzeugen (auf das Halten und Parken braucht im gegebenen Zusammenhang nicht Bedacht genommen zu werden) "auf den Marktgebieten" verboten. Das Verbot bezieht sich damit räumlich auf alle beschriebenen Marktgebiete in gleicher Weise, damit auf alle innerhalb der Grenzen eines Marktgebietes gelegenen Grundflächen, aber auch nur auf diese. Die Regelung des §61 Abs1 der Marktordnung 1976 ist damit darauf abgestellt, das Fahren mit Fahrzeugen auf den Grundflächen des Marktgebietes während der marktrechtlich relevanten Zeiten auszuschließen, gleichgültig, welche Zweckwidmung (sei es als öffentliche Verkehrsfläche, als öffentlicher Platz oder zur privaten Benützung) die Grundfläche unabhängig von der Einbeziehung in das Marktgebiet hat.
Aus diesem Inhalt der Regelung des §61 Abs1 der Marktordnung 1976 ergibt sich, daß sie die Verwendung der zum Marktgebiet bestimmten Grundflächen für das Fahren mit Fahrzeugen zum Gegenstand hat. Es handelt sich um eine zur Sicherung der Abhaltung des Marktes iS des §324 Abs1 GewO 1973 erlassene und damit um eine Norm, die ein Verhalten für einen Teilbereich des zum Sachgebiet der Angelegenheiten des Gewerbes nach Art10 Abs1 Z8 B-VG gehörenden Marktverkehrs regelt. Inhalt der Regelung ist nicht eine Angelegenheit der Straßenpolizei nach Art11 Abs1 Z4 B-VG. So wie die Regelung der Veranstaltung des Marktes eine Angelegenheit der Sachmaterie des Gewerbes ist, gehört auch die Normierung von Zwangsrechten und Zwangsverpflichtungen, die der Durchsetzung der auf die Veranstaltung des Marktes bezogenen Verhaltensnormen dienen (vgl. VfGH 1. 3. 1982 KII-4/79), zu dieser Sachmaterie.
Daraus geht hervor, daß sich die Zuständigkeit der Regelung der Verwendung der Grundflächen des Marktgebietes zum Fahren mit Fahrzeugen nach der für die Angelegenheiten des Gewerbes geltenden Zuständigkeit zu richten hat.
Dazu kommt, daß bereits im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Kompetenzartikel des B-VG (1. 10. 1925), nach dem iS der Versteinerungstheorie Inhalt und Umfang der Kompetenztatbestände zu beurteilen sind, marktrechtliche und damit in die Sachmaterie des Gewerbes fallende Regelungen bestanden haben, aus denen sich ergibt, daß die Regelung der Verwendung der Grundflächen des Marktgebietes für das Fahren mit Fahrzeugen als eine vom Kompetenztatbestand "Angelegenheiten des Gewerbes" umfaßte Angelegenheit anzusehen war. Hiezu kann auf die Ausführungen in der Äußerung des Bundesministers für Handel, Gewerbe und Industrie verwiesen werden.
Da es sich somit bei der Regelung des §61 Abs1 der Marktordnung 1976 um eine gewerberechtliche Vorschrift handelt, trifft die Annahme des VwGH, daß Gegenstand dieser Regelung das Verkehrsgeschehen auf einer Straße mit öffentlichem Verkehr sei, nicht zu. Demnach kann auch das vom VwGH gegen die Gesetzmäßigkeit der angeführten Regelung allein vorgebrachte Bedenken, die Regelung sei insofern gesetzwidrig zustande gekommen, als sie unter Inanspruchnahme einer auf die Straßenverkehrsordnung 1960 nicht zu gründenden Kompetenz erlassen worden sei, nicht gegeben sein. Nach seiner ständigen Rechtsprechung hält sich der VfGH zur Prüfung, ob andere als die geltend gemachten Bedenken bestehen, nicht für berechtigt (vgl. VfSlg. 5581/1967, 8253/1978).
Dem Antrag des VwGH war daher nicht Folge zu geben.
Schlagworte
Verordnungsbegriff, RechtsV, Kompetenz Bund - Länder, Kompetenz Bund - Länder Gewerbe und Industrie, Kompetenz Bund - Länder Straßenpolizei, Straßenpolizei, Gewerberecht, MarktverkehrEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1983:V39.1980Dokumentnummer
JFT_10169772_80V00039_00