TE Vfgh Beschluss 1983/3/1 WI-1/82

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Veröffentlicht am 01.03.1983
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Index

10 Verfassungsrecht
10/07 Verfassungsgerichtshof, Verwaltungsgerichtshof

Norm

B-VG Art141 Abs1 lita
VfGG §67 Abs1
VfGG §67 Abs2

Leitsatz

Art141 B-VG iVm §67 VerfGG 1953; Anfechtungsbefugnis der Wählergruppe allein vom Einschreiten des zustellungsbevollmächtigten Vertreters abhängig; die behauptete Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens muß ausreichend substantiiert sein

Spruch

Die Wahlanfechtung wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

1.1. Am 3. Oktober 1982 fand eine Wahl in den Landtag des Bgld. statt: Das Wahlergebnis (Ergebnis des zweiten Ermittlungsverfahrens) wurde von der Landeswahlbehörde gemäß §75 Abs4 Landtagswahlordnung 1978, LGBl. 8/1979 (LWO), am 7. Oktober 1982 durch Anschlag an der Amtstafel des Amtes der Landesregierung verlautbart.

1.2.1. Die Freiheitliche Partei Österreichs, Landesgruppe Bgld., vertreten durch ihren Obmann Dipl.-Ing. W. P., focht diese Landtagswahl - mit einem am 3. November 1982 zur Post gegebenen Schriftsatz - beim VfGH unter Berufung auf die Bestimmung des Art141 Abs1 lita B-VG wegen Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens an.

1.2.2. Die Landeswahlbehörde am Sitz der Bgld. Landesregierung erstattete eine Gegenschrift und beantragte darin die Zurückweisung der Wahlanfechtung.

2. Über die Wahlanfechtung wurde erwogen:

2.1.1. Gemäß Art141 Abs1 lita B-VG erkennt der VfGH ua. über Anfechtungen von Wahlen zu den allgemeinen Vertretungskörpern, so auch zu den Landtagen. Nach Art141 Abs1 Satz 2 B-VG kann eine solche Anfechtung auf die behauptete Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens gegründet werden. Sie hat gemäß §67 Abs1 VerfGG 1953 den "begründeten Antrag auf Nichtigerklärung des Wahlverfahrens oder eines bestimmten Teiles desselben zu enthalten". Berechtigt zur Anfechtung gemäß §67 Abs2 VerfGG 1953 sind ua. Wählergruppen (Parteien), die bei einer (durch die Wahlordnung vorgeschriebenen) Wahlbehörde Wahlvorschläge für die angefochtene Wahl rechtzeitig vorgelegt haben, und zwar durch ihren zustellungsbevollmächtigten Vertreter. Die Wahlanfechtung muß binnen vier Wochen nach Beendigung des Wahlverfahrens, wenn aber in dem betreffenden Wahlgesetz ein Instanzenzug vorgesehen ist, binnen vier Wochen nach Zustellung des in letzter Instanz ergangenen Bescheides eingebracht sein (§68 Abs1 VerfGG 1953).

2.1.2. Aus den Administrativakten geht hervor, daß Dipl.-Ing. W. P. für das Wahlverfahren gar nicht als zustellungsbevollmächtigter Vertreter der wahlwerbenden Freiheitlichen Partei Österreichs nominiert worden war. Eine zulässige Anfechtung der in Rede stehenden Landtagswahl liegt hier also nicht vor, weil das Gesetz (§67 Abs2 VerfGG 1953) die Anfechtungsbefugnis der Wählergruppe vom Einschreiten nicht irgendeines, sondern einzig und allein des zustellungsbevollmächtigten Vertreters abhängig macht (vgl. VfSlg. 6339/1970). Der Umstand, daß Dipl.-Ing. W. P die Funktion des Obmannes der Bgld. Landesgruppe der Freiheitlichen Partei innehat, vermag daran nichts zu ändern.

2.1.3. Daß bei Nennung des Vertreters in der Anfechtungsschrift ein (iS des §18 VerfGG 1953) verbesserungsfähiger Formfehler (Schreibfehler) unterlief, ist - abgesehen vom dagegensprechenden Anfechtungswortlaut insgesamt - schon deshalb auszuschließen, weil der vor dem VfGH im Anfechtungsverfahren einschreitende Rechtsanwalt in einem am 12. Dezember 1982 zur Post beförderten nachträglichen Schriftsatz als Vertreter der Freiheitlichen Partei zwar einen tatsächlichen Zustellungsbevollmächtigten (A. G. an Stelle von Dipl.-Ing. W. P.) nannte, zugleich aber eine Vollmacht vorlegte, die A. G. erst am 2. Dezember 1982, also nach Ablauf der (hier mit der Verlautbarung des Wahlergebnisses am 7. Oktober 1982 in Gang gesetzten - vgl. VfGH 2. 3. 1982 WI-12/81) vierwöchigen Anfechtungsfrist erteilt hatte.

2.2. Im übrigen muß die von einer Wählergruppe behauptete Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens, wie der VfGH schon mit Beschluß vom 22. Juni 1982, WI-11/81, aussprach, in der Wahlanfechtungsschrift substantiiert sein (vgl. die in ständiger Rechtsprechung vertretene Rechtsauffassung, daß der VfGH das Wahlverfahren nur in den Grenzen der behaupteten Rechtswidrigkeit zu überprüfen habe, zB VfSlg. 1904/1950, 2937/1955, 6339/1970, 7070/1973, 8321/1978, 8700/1979; ferner zuletzt VfSlg. 9011/1981).

Im gegebenen Fall erschöpft sich das teils unklar formulierte Anfechtungsvorbringen aber der Sache nach in der - sinngemäß zusammengefaßten - Behauptung, die Landtagswahl beruhe auf "unrichtigen" Wählerverzeichnissen. Hiezu wird lediglich auf nicht weiter belegte statistische Methoden zur Errechnung der - wie es heißt - "fiktiven Zahl der Wahlberechtigten" verwiesen, ohne die Namen solcher Personen zu nennen, die nach Meinung der anfechtenden Wählergruppe zu Unrecht in den Wählerverzeichnissen aufschienen oder in diese Verzeichnisse zu Unrecht keine Aufnahme fanden. Damit liegen der Anfechtung jedoch in Wahrheit schlichte Mutmaßungen zugrunde, die keinesfalls als ausreichend substantiierte Behauptung einer das Wahlergebnis beeinflussenden Rechtswidrigkeit beurteilt und gewertet werden können, sodaß auch insoweit ein Prozeßhindernis besteht. Beizufügen bleibt, daß die Ankündigung in der Anfechtungsschrift, es würden noch für den Standpunkt der Anfechtungswerberin sprechende "konkrete Beispiele" (einer rechtswidrigen Stimmabgabe) nachgereicht werden, ohne jede Bedeutung ist, weil dem VfGH im Wahlanfechtungsverfahren die Prüfung obliegt, ob die bereits in der (schriftlichen) Wahlanfechtung - und nicht etwa erst während des folgenden Verfahrens - geltend gemachten Rechtswidrigkeiten zutreffen (§67 Abs1 VerfGG 1953; s. VfSlg. 9093/1981).

2.3. Schon aus all diesen Erwägungen war die Wahlanfechtung als unzulässig zurückzuweisen, ohne daß es eines näheren Eingehens auf das sonstige Anfechtungsvorbringen bedurfte.

Schlagworte

VfGH / Wahlanfechtung, Wahlpartei

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1983:WI1.1982

Dokumentnummer

JFT_10169699_82WI0001_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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