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10 VerfassungsrechtNorm
B-VG Art139a / AllgLeitsatz
Art140 Abs1 B-VG; rückwirkende Aufhebung einer wiederverlautbarten Bestimmung durch den VfGH gemäß Art139a B-VG - Wegfall des Gegenstandes der Gesetzesprüfungsanträge; Einstellung des VerfahrensSpruch
Das Verfahren wird eingestellt.
Begründung
Begründung:
I. 1. Das Landesgericht Klagenfurt beantragt gemäß Art89 Abs2 und Art140 Abs1 B-VG die Aufhebung des §9 des Ktn. Straßengesetzes 1978 (künftig: KStrG 1978), Anlage zur Kundmachung der Ktn. Landesregierung vom 22. November 1977, LGBl. für Ktn. 33/1978, über die Wiederverlautbarung des Straßengesetzes 1971 (künftig: StrG 1971), als verfassungswidrig.
Anlaß für diese Gesetzesprüfungsanträge sind zwei beim antragstellenden Gericht anhängige Berufungsverfahren, nämlich:
a) Gegenstand eines zu AZ 2 R 427/80 anhängigen Rechtsstreites ist eine Schadenersatzforderung von S 23.000,- auf Grund eines Verkehrsunfalles, der sich am 24. November 1978 ereignete. Bei diesem Unfall erlitt der Kläger an seinem Fahrzeug einen Totalschaden dadurch, daß er im Bereich der von ihm geklagten Gemeinde auf einer vereisten Stelle der Fahrbahn einer Gemeindestraße über den Fahrbahnrand geraten und gegen einen Baum gestoßen war. Das Erstgericht wies die Klage ab, weil grobe Fahrlässigkeit der Organe der beklagten Gemeinde iS des §1319a ABGB nicht vorliege, ausgehend von der Rechtsansicht, daß dem §9 KStrG 1978 (gemeint ist wohl: StrG 1971) durch ArtIV (richtig ArtI) des Bundesgesetzes vom 3. Juli 1975, BGBl. 416, mit dem das ABGB durch die Regelung der Haftung für den Zustand eines Weges ergänzt wurde, materiellrechtlich derogiert worden sei. Die beklagte Partei beantragt die Abweisung der gegen dieses erstgerichtliche Urteil erhobenen Berufung, weil nach §9 KStrG 1978 eine Haftung für den Schaden, der durch Glatteisbildung auf Straßen hervorgerufen wird, ausgeschlossen sei.
b) Gegenstand eines zu AZ 3 R 299/80 anhängigen Rechtsstreites ist eine Schadenersatzforderung von S 5.821,65, die vom Kläger gegen eine Gemeinde auf Grund eines Verkehrsunfalles geltend gemacht wurde, den er durch einen Zusammenstoß mit einem entgegenkommenden Fahrzeug am 28. Jänner 1980 dadurch erlitt, daß die vereiste Fahrbahn einer Straße nicht gestreut und infolge dessen sein Bremsmanöver unwirksam geblieben war; die beklagte Gemeinde treffe infolge Unterlassung der ihr obliegenden Streupflicht das Mitverschulden an diesem Verkehrsunfall. Gegen das abweisende Urteil erster Instanz, das sich auf §9 KStrG 1978, letzter Satz, stützt, wonach für Schäden, die durch Glatteisbildung auf der Straße hervorgerufen werden, der Straßenerhaltungspflichtige nicht haftet, wendet sich die an das anfechtende Gericht erhobene Berufung.
Gegen die Verfassungsmäßigkeit des §9 KStrG 1978 werden vom Landesgericht Klagenfurt in beiden Anfechtungen folgende Bedenken erhoben:
"Zur Erlassung von Bestimmungen über die Regelung der Haftung für den Zustand einer öffentlichen Straße ist der Landesgesetzgeber nicht zuständig, weil es sich um Angelegenheiten des Zivilrechtswesens iS des Artikel 10 Abs1 Z6 B-VG handelt. Sonderregelungen der Haftung für Landes- und andere durch landesgesetzliche Straßenverwaltungsvorschriften geregelte öffentliche Straßen iS des Artikel 15 Abs9 B-VG sind nicht erforderlich, weshalb der Landesgesetzgeber zur Erlassung solcher Sondervorschriften nicht befugt ist. Dies hat der VfGH bereits in der Begründung seines Erk. vom 9. Dezember 1963, VfSlgNF 4605/1963 zum Ausdruck gebracht.
Zwar hat nach Artikel IV des Bundesgesetzes vom 3. Juli 1975, mit dem das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch durch die Regelung der Haftung für den Zustand eines Weges ergänzt wird, der §5 des Bundesstraßengesetzes 1971 mit dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes seine Wirksamkeit verloren, doch kann daraus entgegen der von Feil in 'Die Haftung für den Zustand von Wegen' Seite 22, vertretenen Auffassung, nicht gefolgert werden, daß infolge materiellrechtlicher Derogation damit auch die Haftungsbestimmungen des Ktn. Straßengesetzes 1978 ihre Wirksamkeit verlieren. Es darf nämlich nicht übersehen werden, daß sich dabei die Bestimmungen zweier voneinander verschiedener Gesetzgeber gegenüberstehen. Dazu kommt, daß sich die Bestimmung des §1319a ABGB mit einem Haftungsausschluß für durch Glatteisbildung auf einer Straße hervorgerufene Schäden gar nicht befaßt."
Beim VfGH ist die vom Landesgericht Klagenfurt aus Anlaß des Berufungsverfahrens 2 R 427/80 erhobene Anfechtung unter G89/80, die aus Anlaß des Berufungsverfahrens 3 R 299/80 erhobene Anfechtung unter G91/80 protokolliert. Der VfGH hat beide Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.
2. Die Ktn. Landesregierung hat in der von ihr im Verfahren G89/80 erstatteten Äußerung die Verfassungsmäßigkeit des §9 KStrG 1978 verteidigt, wobei sie zusammenfassend vorbrachte, daß nach ihrer Auffassung nur der letzte Satz des §9 KStrG 1978 für das anfechtende Gericht in den dort anhängigen Berufungsverfahren präjudiziell, diese Bestimmung jedoch nicht verfassungswidrig sei; der übrige Inhalt der angefochtenen Bestimmung stelle sich als deklarative Wiedergabe bundesrechtlicher Bestimmungen dar und könne aus diesem Grunde nicht verfassungswidrig sein. Es werde daher der Antrag gestellt, §9 KStrG 1978 nicht als verfassungswidrig aufzuheben.
3. Bei der Beratung über die Gesetzesprüfungsanträge ist im VfGH das Bedenken entstanden, ob bei der Wiederverlautbarung des Straßengesetzes 1971, LGBl. für Ktn. 48, in der durch die Gesetze LGBl. 15/1973 und 33/1977 geänderten Fassung, als Straßengesetz 1978, Anlage der Kundmachung der Ktn. Landesregierung vom 22. November 1977, Z Verf-417/1/1977, LGBl. für Ktn. 33/1978, in Ansehung des §9 die Grenzen der durch das Landes-Wiederverlautbarungsgesetz vom 25. Mai 1948, LGBl. für Ktn. 24, erteilten Ermächtigung überschritten wurden. Es wurde daher von Amts wegen ein Verfahren gemäß Art139a B-VG idF BGBl. 350/1981 eingeleitet.
Mit Erk. vom 17. 12. 1982, V6/82, hat der VfGH §9 der Anlage zur Kundmachung der Ktn. Landesregierung vom 22. November 1977, Z Verf-417/1/1977, LGBl. für Ktn. 33/1978, über die Wiederverlautbarung des Straßengesetzes 1971, LGBl. für Ktn. 48, in der durch die Gesetze LGBl. 15/1973 und 33/1977 geänderten Fassung, als gesetzwidrig aufgehoben.
Der VfGH hat weiters ausgesprochen, daß die aufgehobene Bestimmung auch auf die vor der Aufhebung verwirklichten Tatbestände nicht anzuwenden ist.
II. Der VfGH hat erwogen:
1. Hinsichtlich der Zulässigkeit der Gesetzesprüfungsanträge genügt es darauf zu verweisen, daß die Präjudizialität der angefochtenen Bestimmung für die Anlaßverfahren, ebenso wie das Vorliegen der sonstigen Prozeßvoraussetzungen, in dem Erk. vom 17. 12. 1982, V6/82, festgestellt wurde.
2. Mit dem eben zitierten Erk. wurde §9 KStrG 1978 gemäß Art139a B-VG idF BGBl. 350/1981 in sinngemäßer Anwendung des Art139 Abs3 und 6 B-VG rückwirkend aufgehoben, womit die Bindung an die wiederverlautbarte Fassung dieser Bestimmung weggefallen ist. Der Aufhebung lag zu Grunde, daß dem §9 StrG 1971 durch den mit Bundesgesetz vom 3. Juli 1975, BGBl. 416, in das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch eingefügten §1319a, der zufolge ArtII leg. cit. mit 1. Jänner 1976 in Kraft trat, mit diesem Zeitpunkte derogiert wurde.
Hieraus folgt, daß mit der rückwirkenden Aufhebung der wiederverlautbarten Bestimmung durch das Erk. des VfGH vom 17. 12. 1982, V6/82, der Gegenstand der Gesetzesprüfungsanträge des Landesgerichtes Klagenfurt weggefallen ist.
3. In analoger Anwendung des §19 Abs3 Z3 VerfGG 1953 idF der Nov. BGBl. 353/1981 waren die Gesetzesprüfungsverfahren daher einzustellen.
Schlagworte
VfGH / GegenstandslosigkeitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1983:G89.1980Dokumentnummer
JFT_10169699_80G00089_00