TE Vfgh Erkenntnis 1983/3/3 B77/81

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Veröffentlicht am 03.03.1983
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Index

L6 Land- und Forstwirtschaft
L6800 Ausländergrunderwerb, Grundverkehr

Norm

StGG Art5
Vlbg GVG §5 Abs1

Leitsatz

Vbg. Grundverkehrsgesetz; denkunmögliche Auslegung des §5 Abs1

Spruch

Der Bescheid wird aufgehoben.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Mit Übergabs- und Leibrentenvertrag vom 27. September 1979 übergaben F. X. F. und dessen Nichte G. F., beide Landwirte, ihre je einhalb Anteile an den landwirtschaftlichen Liegenschaften EZ 75 und EZ 274 KG L. in Vbg., G. 76, an den Beschwerdeführer. Als Gegenleistung wurden monatliche Leibrentenzahlungen vereinbart und den Übergebern ein unentgeltliches lebenslängliches Wohnungsrecht eingeräumt.

Diesem beabsichtigten Rechtserwerb wurde von der Grundverkehrs-Landeskommission mit Bescheid vom 26. August 1980 gemäß §5 Abs1 des mit Verordnung neu kundgemachten Gesetzes über den Verkehr mit Grundstücken (Grundverkehrsgesetz - GVG), Vbg. Landesgesetzblatt 18/1977, die Zustimmung versagt.

2. Der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung des Beschwerdeführers wurde mit Bescheid des Grundverkehrssenates vom 13. Jänner 1981, Zl. GVS-310-110, keine Folge gegeben und der angefochtene Bescheid bestätigt.

3. Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Liegenschaftserwerbsfreiheit und auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz geltend gemacht und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.

Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde begehrt.

II. Der VfGH hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Die Übertragung des Eigentums an land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken durch ein Rechtsgeschäft unter Lebenden ist nach §3 Abs1 lita GVG nur mit Zustimmung der Grundverkehrsbehörde zulässig. Gegenstand des Übergabs- und Leibrentenvertrages vom 27. September 1979 ist der landwirtschaftliche Betrieb, G. 76 in L., mit einem Wohn- und Wirtschaftsgebäude und der Land- und Forstwirtschaft gewidmeten Grundstücken in einem Gesamtausmaß von 15 ha 57 a, inliegend EZ 75 und 813 Quadratmeter Wald inliegend EZ 274, beides KG L.. Während die landwirtschaftlich nutzbare Fläche einen wenn auch teilweise ungünstig geformten, jedoch zusammenhängenden Flächenkomplex bildet, handelt es sich bei den Waldgrundstücken um eine Reihe von kleinen und kleinsten, völlig verstreut liegenden Parzellen.

Das Anwesen, G. 76 in L., wird seit Jahresbeginn 1980 vom Beschwerdeführer mit von ihm erworbenen 16 Stück Jungvieh und den erforderlichen landwirtschaftlichen Maschinen bewirtschaftet. Auf dem Anwesen führt der Beschwerdeführer bereits seit 30 Jahren eine Imkerei mit derzeit 80 Bienenvölkern.

2. Im angefochtenen Bescheid wird von der belangten Behörde ausgeführt, auch wenn die landwirtschaftliche Tätigkeit bzw. die Bewirtschaftung der Übergabsliegenschaften durch den Beschwerdeführer keinesfalls bestritten werden solle, vermöge diese Tatsache die Erteilung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung noch nicht zu rechtfertigen, da das Ziel des Grundverkehrsrechtes in erster Linie sei, leistungsfähige und vor allem krisenfeste und existenzsichere landwirtschaftliche Betriebe zu schaffen, die auch in der Lage seien, einer bäuerlichen Familie ein entsprechendes Einkommen zu sichern. Aus den Ergebnissen der durchgeführten Agrarstrukturerhebung lasse sich deutlich ablesen, daß die Arrondierung landwirtschaftlicher Betriebe von ausschlaggebender Bedeutung sei. Es könne daher nicht iS der Ziele des Grundverkehrsgesetzes gelegen sein, jeden Rechtserwerb im Rahmen eines landwirtschaftlichen Betriebes bzw. einer landwirtschaftlichen Tätigkeit als den Bestimmungen dieses Gesetzes entsprechend anzusehen. Bei der Beurteilung, ob ein Rechtserwerb den Bestimmungen des Grundverkehrsgesetzes entspreche, komme es nicht allein darauf an, ob das Grundstück auch in Zukunft tatsächlich landwirtschaftlich genutzt werde, sondern es sei der Rechtserwerb in erster Linie dahin gehend zu prüfen, ob er den Interessen an der Erhaltung eines leistungsfähigen Bauernstandes und damit agrarstrukturellen und allgemeinen landwirtschaftlichen Interessen nicht widerspreche. Im vorliegenden Fall sei dies umso mehr zu verneinen, als mehrere Interessenten aus dem Kreis der ortsansässigen Landwirte vorhanden wären, für die der Erwerb der Übergabsliegenschaften eine im Interesse der Erhaltung dieser bäuerlichen Betriebe wirtschaftlich wünschenswerte Aufstockungsmaßnahme bedeuten würde. Es stehe außer Zweifel, daß eine dauerhafte landwirtschaftliche Nutzung am ehesten im Falle einer Aufstockung oder Arrondierung bestehender bäuerlicher Familienbetriebe gegeben wäre. Gerade der Bereich, in welchem die zur Übergabsliegenschaft gehörenden Waldgrundstücke gelegen seien, sei durch besondere Kleinheit und ungünstige Ausformung der einzelnen Waldparzellen gekennzeichnet, eine Arrondierung liege daher auch besonders im Interesse der forstwirtschaftlichen Nutzung.

Hieraus sei nicht abzuleiten, daß es dem Beschwerdeführer grundsätzlich verwehrt sein solle, land- oder forstwirtschaftliche Grundstücke zur Bewirtschaftung zu erwerben. Mit der vorliegenden Entscheidung sei vielmehr lediglich über den vom Beschwerdeführer konkret beabsichtigten Liegenschaftserwerb zu entscheiden, der aus den genannten Gründen nicht zu genehmigen gewesen sei.

3. Zum Nachweis der geltend gemachten Grundrechtsverletzungen verweist der Beschwerdeführer eingangs seiner Beschwerdeausführungen darauf, daß er mit den Grundeigentümern über 30 Jahre bekannt sei und ständig in deren Landwirtschaft mitgearbeitet habe; seit der gleichen Zeit betreibe er auch auf dem Hof eine Imkerei, "als Nebengewerbe", was von zuständiger Stelle den Landwirten allgemein empfohlen werde. Im Laufe des Jahres 1980 sei ihm gelungen, die seit ungefähr 10 Jahren von verschiedenen Pächtern genutzten Wiesen wieder zu einem geschlossenen ertragsreichen Landwirtschaftsbetrieb zusammenzufassen. Im Jänner 1980 habe er 16 Stück Jungvieh auf dem Hof gehabt, der Viehbestand betrage inzwischen 20 Stück. Zur besseren und rationelleren Bewirtschaftung habe er einen Traktor, einen Ladewagen, einen Kreiselheuer, eine Heuraupe, ein Pumpfaß, einen Kunstdüngerstreuer und verschiedene kleinere Geräte und Maschinen angeschafft. Das für die Erneuerung des Stadels und des Wirtschaftsgebäudes erforderliche Bauholz liege auf dem Hof bereit. Daß der Hof L. G. 76 bei ordnungsgemäßer Bewirtschaftung für sich allein den Erfordernissen des §5 GVG entspreche, könne somit nicht ernsthaft bestritten werden.

Die von der belangten Behörde vertretene Rechtsauffassung, daß dem von ihm angestrebten Rechtserwerb die Genehmigung zu versagen sei, mit der Begründung, daß eine dauerhafte landwirtschaftliche Nutzung am ehesten im Fall einer Aufstockung oder Arrondierung bestehender bäuerlicher Familienbetriebe gegeben wäre, verstoße sowohl gegen den Gleichheitsgrundsatz als auch gegen Art6 StGG, da hiemit eine bevorrechtete Klasse von Landwirten, nämlich von solchen, deren Grundbesitz an die Übergabsliegenschaften angrenze und die diese zur Arrondierung erwerben möchten, geschaffen werde. Auch dürften nach ständiger Rechtsprechung des VfGH Personen, die zwar fähig seien, die landwirtschaftliche Tätigkeit auszuüben, dies aber im Zeitpunkte der Erwerbung eines Grundbesitzes noch nicht tun, nicht schlechter gestellt werden als Personen, die im Zeitpunkte der Erwerbung diese Tätigkeit bereits ausüben.

4. Der VfGH brauchte sich mit den behaupteten Verletzungen der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit und auf Freiheit des Liegenschaftserwerbes nicht auseinanderzusetzen, da der angefochtene Bescheid schon wegen Verstoßes gegen das Grundrecht auf Unversehrtheit des Eigentums aus folgenden Gründen aufzuheben ist:

a) Durch die Versagung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung wurde der Beschwerdeführer in der Ausübung seiner Privatrechte beschränkt. Im Sinne der ständigen Judikatur des VfGH stellt der angefochtene Bescheid demnach einen Eingriff in das Eigentum des Beschwerdeführers dar (vgl. zB VfSlg. 8143/1977). Dieser Eingriff wäre nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH verfassungswidrig, wenn der ihn verfügende Bescheid unter Heranziehung einer verfassungswidrigen Rechtsgrundlage erlassen worden oder wenn er gesetzlos ergangen wäre, wobei die denkunmögliche Anwendung eines Gesetzes ebenfalls als Gesetzlosigkeit angesehen wird (VfSlg. 8143/1977, 8779/1980).

b) Der VfGH hat in ständiger Judikatur (zB VfSlg. 5374/1966, 6342/1970, 7838/1976) ausgesprochen, daß zum Grundverkehrsrecht nur Maßnahmen gehören, die im Einzelfall verhindern, daß der Verkehr mit land- oder forstwirtschaftlichen Grundstücken dem allgemeinen Interesse an der Erhaltung eines leistungsfähigen Bauernstandes und - soweit dies nicht in Frage kommt - der Erhaltung und Schaffung eines mittleren und kleinen landwirtschaftlichen Grundbesitzes widerspricht. Grundverkehrsrechtlich darf der Eigentumserwerb also nur dann untersagt werden, wenn der Erwerb den erwähnten öffentlichen Interessen widerspricht. Der VfGH hat weiters in VfSlg. 5585/1967 - unter Berufung auf seine Ausführungen in VfSlg. 2658/1954 - ausgesprochen, daß das Gesetz die Grundverkehrsbehörde nicht dazu ermächtigen darf, im Einzelfall festzustellen, welcher Erwerber den Grundverkehrsinteressen am besten entspricht und damit zu bestimmen, daß nur eine ganz bestimmte Person das Grundstück erwerben darf.

c) Die bekämpfte Untersagung stützt sich auf §5 Abs1 GVG, nach welcher Gesetzesstelle ein Rechtserwerb nur zu genehmigen ist, wenn er dem allgemeinen Interesse an der Erhaltung eines leistungsfähigen Bauernstandes und, soweit ein solches nicht in Frage kommt, der Erhaltung und Schaffung eines wirtschaftlich gesunden, mittleren und kleinen landwirtschaftlichen Grundbesitzes nicht widerspricht. Wie aus den grundsätzlichen, unter litb wiedergegebenen Ausführungen hervorgeht, bietet bei verfassungskonformer Auslegung §5 Abs1 GVG keine gesetzliche Grundlage dafür, einem Eigentumserwerb die Zustimmung auch dann zu versagen, wenn dieser Erwerb zwar Grundverkehrsinteressen nicht widerstreitet, wohl aber der Erwerb durch andere Personen diesen Interessen besser dienen würde.

Gerade damit wird aber von der belangten Behörde die Verweigerung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung begründet, indem sie die Untersagung darauf stützt, daß eine Verwendung der in Frage stehenden land- und forstwirtschaftlichen Grundstücke zu Arrondierungen den grundverkehrsrechtlichen Interessen in höherem Maße dienen würde, als deren land- und forstwirtschaftliche Nutzung durch den Beschwerdeführer. Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid weder in Zweifel gezogen, daß der Beschwerdeführer die Liegenschaften land- und forstwirtschaftlich nutzen werde, noch, daß der Rechtserwerb durch den Beschwerdeführer den grundverkehrsgesetzlich geschützten Interessen an sich diene.

Damit steht aber fest, daß es bei verfassungskonformer Auslegung denkunmöglich war, dem Beschwerdeführer die Zustimmung zum Eigentumserwerb einzig deshalb zu versagen, weil für benachbarte bäuerliche Betriebe ein Aufstockungs- oder Arrondierungsbedürfnis besteht (vgl. VfSlg. 9004/1981).

Der angefochtene Bescheid war daher wegen Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums als verfassungswidrig aufzuheben.

Schlagworte

Grundverkehrsrecht, Auslegung verfassungskonforme

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1983:B77.1981

Dokumentnummer

JFT_10169697_81B00077_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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