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L1 GemeinderechtNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Nö. Kommunalstrukturverbesserungsgesetz 1971; Vereinigung der Gemeinde Tattendorf mit den Gemeinden Günselsdorf und Teesdorf (§3 Abs1 Z8) nicht unsachlichSpruch
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. a) §3 Abs3 Z8 des Nö. Kommunalstrukturverbesserungsgesetzes 1971, Nö. LGBl. 264 (im folgenden kurz: KStrVG), verfügt die Vereinigung der im politischen Bezirk Baden gelegenen Gemeinden Günselsdorf, Teesdorf und Tattendorf zur Gemeinde Günselsdorf (nunmehr Steinfelden - vgl. LGBl. für NÖ 1200/2-O). Die von der Vereinigung betroffenen Gemeinden haben gemäß §5 Abs1 KStrVG mit dem Tag des Inkrafttretens dieses Gesetzes - das ist seinem §9 zufolge der 1. Jänner 1972 als eigene Gemeinden zu bestehen aufgehört.
b) Unter dem Datum 14. Dezember 1971 hat die Nö. Landesregierung den Bescheid Z II/1-76-1971 erlassen, dessen Spruch lautet:
"Gemäß §3 Abs3 Zif. 8 des Kommunalstrukturverbesserungsgesetzes 1971, LGBl. Nr. 264, wurden die Gemeinden Günselsdorf, Teesdorf und Tattendorf zur Marktgemeinde Günselsdorf vereinigt.
Gemäß §6 Abs2 leg. cit. werden bis zur Angelobung des neugewählten Bürgermeisters zur Besorgung der unaufschiebbaren Geschäfte dieser Gemeinde bestellt:
Zum Regierungskommissär: ...
Zu Beiräten: ... (es folgen 8 Namen)
Das Beiratsmitglied ... wird zum Stellvertreter des
Regierungskommissärs bestimmt.
Die von der Gemeinde zu tragende Entschädigung des Regierungskommissärs wird mit S 3.693,- festgesetzt."
Der Beschwerdeführer wurde mit diesem Bescheid weder zum Regierungskommissär noch zum Beirat bestellt.
Wohl aber war er seinerzeit Mitglied des Gemeinderates der Gemeinde Tattendorf.
2. a) Gegen diesen Bescheid der Nö. Landesregierung vom 14. Dezember 1971 wendet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.
b) Der Beschwerdeführer begründet seine Behauptung, im Gleichheitsrecht verletzt zu sein, ausschließlich damit, daß seiner Meinung nach die im angefochtenen Bescheid angewendeten Bestimmungen des KStrVG gleichheitswidrig seien.
Unter Hinweis auf die Judikatur des VfGH, insbesondere auf die hg. Erk. VfSlg. 8108/1977 (betreffend die Gemeinde Alberndorf) und VfSlg. 9068/1981 (betreffend die Gemeinde Gerersdorf) bringt er vor, daß keine sachlichen Gründe für die verfügte Vereinigung von Tattendorf mit Günselsdorf und Teesdorf vorgelegen seien. Tattendorf habe zum Zeitpunkt der Vereinigung (1971) 942 Einwohner gehabt. Es seien aber andere Gemeinden mit einer Bevölkerungszahl unter 1.000 selbständig gelassen worden. Im übrigen habe sich die Einwohnerzahl im Gemeindeteil Tattendorf inzwischen auf 984 Einwohner erhöht. Tattendorf werde in den nächsten Jahren voraussichtlich mehr als 1.000 Einwohner haben. Dies sei für den Gesetzgeber bereits im Jahre 1971 vorhersehbar gewesen.
Tattendorf sei ein bekannter Weinort. Durch das Verbot des Namens "Tattendorf", der für die Weinbauern der Gemeinde ein Gütesiegel dargestellt habe, sei dem Weinbau dieses Gebietes großer Schaden zugefügt worden.
Tattendorf sei einedeutlich abgegrenzte Siedlung, die in keiner Weise nach Teesdorf oder Günselsdorf hin orientiert gewesen sei, sondern eher nach Oberwaltersdorf und Ebreichsdorf. Dies beweise auch die sogenannte Hauptdorfkarte.
Tattendorf sei ein typischer Weinbauort und unterscheide sich strukturell wesentlich von Teesdorf und Günselsdorf. Die Bevölkerung von Tattendorf habe sich stets mit großer Mehrheit gegen eine Zusammenlegung mit einer anderen Gemeinde ausgesprochen. Diese eigenständige Entwicklung von Tattendorf werde beispielsweise durch die Existenz der auf das Jahr 1809 zurückgehenden "Burschenschaft Tattendorf" belegt.
Tattendorf habe zum Zeitpunkt der Gemeindevereinigung (1971) eine voll entwickelte Infrastruktur - wie sie in der Beschwerde im einzelnen dargestellt wird - gehabt. Die wirtschaftliche und finanzielle Situation der Gemeinde Tattendorf sei damals günstig gewesen, und hätte keine Zusammenlegung erfordert. Durch die Vereinigung sei für den Ortsteil Tattendorf eine absolute Verschlechterung der Finanzstruktur zum Schaden seiner Einwohner entstanden; aus dem Ortsteil Tattendorf stammende Mittel seien nicht dorthin zurückgeflossen, sondern weitgehend von der Großgemeinde Günselsdorf (nunmehr Steinfelden) für andere Zwecke verbraucht worden.
Das gemeinsame Gemeindeamt befinde sich seit der Zusammenlegung im Ortsteil Teesdorf, und sei von der Tattendorfer Bevölkerung nur schwer zu erreichen.
Die Gemeindeverwaltung vernachlässige die Interessen des Ortsteiles Tattendorf.
Die Pro-Kopf-Belastung der Bevölkerung mit den Kosten der Gemeindeverwaltung sei seit der Gemeindezusammenlegung wesentlich angestiegen.
Die in Tattendorf bestehende Volksschule sei 1977 geschlossen worden; die Kinder müßten nun die Schule in Teesdorf besuchen.
Die Gemeindevereinigung sei ohne Untersuchung und ohne Überprüfung der konkreten Verhältnisse "am grünen Tisch" vorgenommen worden. Die Zusammenlegung habe für die Bevölkerung von Tattendorf ausschließlich Nachteile und keinerlei Vorteile gebracht.
Der Beschwerdeführer regt an, die Verfassungsmäßigkeit des §3 Abs3 Z8 KStrVG von Amts wegen zu prüfen.
3. Die Nö. Landesregierung als belangte Behörde hat am 23. März 1982 eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde begehrt. Sie hat außerdem am 13. Oktober 1982 eine weitere Stellungnahme abgegeben. Hierauf hat der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 2. Feber 1983 repliziert.
II. Der VfGH hat zur Frage der Zulässigkeit der Beschwerde erwogen:
1. - 3. ... (Die unter Pkt. 1. bis 3. folgenden Ausführungen entsprechen - lediglich auf den anderen Sachverhalt bezogen - wörtlich denen des Pkt. II.1. bis 3. des Erk. B640/81 v. 3. März 1983) ...
III. In der Sache hat der VfGH erwogen:
1. Der angefochtene Bescheid wird vor allem auf die Bestimmung des §3 Abs3 Z8 KStrVG gegründet. Gegen diese hat der VfGH mit Erk. vom 16. Juni 1972, B55/72, unter dem Gesichtspunkt des damaligen Beschwerdefalles keine verfassungsrechtlichen Bedenken geäußert. Obgleich dem Beschwerdeführer - wie er ausdrücklich mitteilt - diese Entscheidung bekannt ist, behauptet er, die zitierte Gesetzesstelle sei gleichheitswidrig.
... (Die Ausführungen des zweiten Absatzes in diesem Punkt
entsprechen wörtlich denen des zweiten Absatzes in Pkt. III.1. des Erk. B640/81 v. 3. März 1983) ...
2. - 4. a) ... (Die unter Pkt. 2. bis 4.a folgenden Ausführungen
entsprechen wörtlich denen des Pkt. III.2. bis 4.a des Erk. B640/81
v. 3. März 1982) ...
b) Die Gemeinde Tattendorf hatte im Jahre 1971 lt. Österr. Amtskalender 1971 bloß 950 Einwohner. Tattendorf war daher eine Kleingemeinde, gegen deren Auflösung nach dem Gesagten von Verfassungs wegen grundsätzlich nichts einzuwenden war, selbst wenn die wirtschaftliche und finanzielle Situation der Gemeinde Tattendorf ihre Zusammenlegung nicht geradezu erzwungen haben mag. Ob zu erwarten war, daß die Gemeinde Tattendorf die 1.000-Einwohner-Grenze in absehbarer Zeit überschreiten werde, ist hiebei unerheblich, weil - wie bereits dargetan - diese Grenze nur ein Richtwert sein kann.
Ganz besondere Umstände, die im Jahre 1971 trotz der geringen Einwohnerzahl für das Bestehenbleiben von Tattendorf sprachen, hat das Verfahren nicht erbracht.
Ebensowenig hat sich ergeben, daß irgendwelche Umstände, mit denen der Gesetzgeber des Jahres 1971 rechnen mußte, dagegen sprachen, Tattendorf gerade mit Günselsdorf (das damals 2262 Einwohner hatte) und mit Teesdorf (das damals 1635 Einwohner hatte) zu vereinigen. Tattendorf und Teesdorf sind nur etwa 1 - 2 km voneinander entfernt. Die Straßenverbindung ist gut. Die Siedlungsgebiete von Tattendorf und Teesdorf waren nur durch einen etwa 500 m breiten, landwirtschaftlich genutzten Streifen getrennt. Die sogenannte "Hauptdorfkarte" weist überhaupt keine Zuordnung von Tattendorf zu einer anderen Gemeinde aus. Die vom Beschwerdeführer erwähnten Gemeinden Oberwaltersdorf und Ebreichsdorf sind von Tattendorf weiter entfernt als Teesdorf und Günselsdorf. Wenn der Gesetzgeber 1971 die Kleingemeinde Tattendorf auflösen wollte, lag es sohin nahe, sie mit Teesdorf und Günselsdorf zusammenzulegen, zumal das Gemeindeamt der Gemeinde Steinfelden im Ortsteil Teesdorf liegt, sohin etwa in der Mitte der neuen Gemeinde.
c) aa) ... (Die in diesem Punkt folgenden Ausführungen entsprechen wörtlich denen des Pkt. III.4.c) aa) des Erk. B640/81 v. 3. März 1982) ...
bb) Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung erweist sich das Vorbringen des Beschwerdeführers als nicht zielführend:
Auch wenn sich Tattendorf von Teesdorf und Günselsdorf strukturell dadurch unterschieden hat, daß Tattendorf ein typischer Weinbauort war (und ist), sprach dies für sich allein nicht gegen die Gemeindevereinigung, zumal auch die Zusammenlegung mit anderen Gemeinden kein in dieser Hinsicht anderes Ergebnis gehabt hätte.
Wenn die Bedeutung von Tattendorf als Weinort durch die Zusammenlegung tatsächlich gemindert worden sein sollte (was der Beschwerdeführer behauptet, jedoch die Nö. Landesregierung bestreitet), war die verfügte Änderung der Gemeindestruktur deshalb allein keineswegs völlig untauglich, das angestrebte Ziel (s.o. III.4.a) zu erreichen, zumal als Herkunftsbezeichnung des im Gemeindeteil Tattendorf erzeugten Weines nach wie vor dieser Name verwendet werden darf (s. §15 Abs1 lita und f, §16 Abs3 und 4 des Weingesetzes, BGBl. 187/1961, zuletzt geändert durch die Nov. BGBl. 446/1980).
Der Beschwerdeführer erhebt weiters den Vorwurf, die von den Organen der neuen Gemeinde Günselsdorf (nun: Steinfelden) verfolgte Politik wirke sich zum Nachteil des Ortsteiles Tattendorf aus. Selbst wenn dieses Vorbringen zutreffen sollte - was im übrigen von der Nö. Landesregierung unter Anführung näherer Umstände bestritten wird - so ist es im gegebenen Zusammenhang rechtlich unerheblich; ein derartiges Verhalten der Gemeindeorgane könnte nämlich - da besondere Umstände, die ein derartiges Verhalten der Organe der neuen Gemeinde erwarten ließen, nicht vorlagen - nicht dem Gemeindestruktur-Gesetzgeber angelastet werden.
Gleiches gilt für die Behauptung, die Verwaltungskosten der zusammengelegten Gemeinde seien überproportional angestiegen. Im übrigen ist zu bedenken, daß den Gemeinden allgemein in den letzten Jahren vermehrt Aufgaben entstanden sind und deshalb auch ein Anwachsen der Verwaltungskosten nur schwer vermeidbar war.
Auch das weitere Beschwerdevorbringen, das darauf hinausläuft, der - wirtschaftlich relativ starke - Ortsteil Tattendorf finanziere Vorhaben in anderen Ortsteilen, weist - selbst wenn es zutreffen sollte - keine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes nach, da sich der Gesetzgeber im Rahmen des ihm von der Verfassung zugestandenen rechtspolitischen Gestaltungsfreiraumes bewegt, wenn er gerade darauf abzielt, zwischen finanziell stärkeren und schwächeren Gebieten einen Ausgleich zu schaffen und sich dazu (auch) des Mittels der Änderung der Gemeindestruktur bedient.
Schließlich läßt der vom Beschwerdeführer noch hervorgehobene Umstand, daß der Nö. Landesgesetzgeber andere Gemeinden als Tattendorf mit unter 1000 Einwohnern bestehen ließ, keinen Rückschluß darauf zu, daß die Vereinigung der Gemeinden Tattendorf, Teesdorf und Günselsdorf unsachlich gewesen wäre.
Der nö. Landesgesetzgeber konnte im Jahre 1971 begründet annehmen, die Vereinigung der Gemeinde Tattendorf mit den Gemeinden Günselsdorf und Teesdorf werde ein leistungsfähigeres Kommunalwesen als bisher gewährleisten. Wenn diese Vorteile in der Folge nicht oder nicht im erwarteten Ausmaß eingetreten sein sollten, so könnte dies für den Landesgesetzgeber oder Verordnungsgeber (§9 des Nö. Gemeindeordnung 1973, LGBl. 1000-4) allenfalls Anlaß bieten, die Kommunalstruktur neuerlich zu ändern, würde aber nicht bewirken, daß die Prognoseentscheidung des Jahres 1971 als unsachlich zu bezeichnen wäre.
d) Zusammenfassend ist festzuhalten, daß der VfGH (auch) unter dem Gesichtspunkt des vorliegenden Beschwerdefalles weder gegen §3 Abs3 Z8 KStrVG 1971 noch gegen die anderen bei Erlassung des angefochtenen Bescheides angewendeten Rechtsvorschriften verfassungsrechtliche Bedenken - etwa im Hinblick auf den Gleichheitssatz - hat.
5. Der Beschwerdeführer behauptet nicht, daß bei der Vollziehung des Gesetzes Fehler unterlaufen wären. Anhaltspunkte dafür hat das Verfahren auch sonst nicht ergeben.
Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid sohin im Gleichheitsrecht nicht verletzt worden.
6. Der Beschwerdeführer ist auch nicht in von ihm nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in einem Recht verletzt worden.
Die Beschwerde war daher abzuweisen.
Schlagworte
Gemeinderecht Zusammenlegung, KommunalstrukturverbesserungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1983:B641.1981Dokumentnummer
JFT_10169686_81B00641_00