Index
L3 FinanzrechtNorm
B-VG Art18 Abs2Beachte
vgl. Kundmachung LGBl. 37/1983 am 10. Juni 1983; s. Anlaßfälle VfSlg. 9733/1983Leitsatz
Grazer Kanalabgabenordnung 1971; keine gesetzliche Deckung des §3 Abs3 im §4 Abs2 des Stmk. Kanalabgabengesetzes 1955 (Abweichung von den gesetzlichen Kriterien der durchschnittlichen ortsüblichen Baukosten für Kanäle; Höhe des Einheitssatzes) Kundmachung des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Graz vom 8. Oktober 1975 über Kanalisationsbeiträge und Kundmachung des Stadtrates für Finanzen der Landeshauptstadt Graz vom 12. Juli 1977 über Kanalisationsbeiträge; Wegfall der gesetzlichen Grundlage durch Aufhebung des §3 Abs3 der Grazer KanalabgabenordnungSpruch
I. Als gesetzwidrig werden aufgehoben:
1. §3 Abs3 der Verordnung des Gemeinderates vom 13. Mai 1971, mit der die Kanalabgabenordnung der Landeshauptstadt Graz erlassen wird, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel im Rathaus am 25. Mai 1971 und durch Verlautbarung im Amtsblatt der Landeshauptstadt Graz 1971, Nr. 11, S 137 f.;
2. Die Kundmachung des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Graz vom 8. Oktober 1975 über Kanalisationsbeiträge, verlautbart im Amtsblatt der Landeshauptstadt Graz 1975, Nr. 14, S 250;
3. Die Kundmachung des Stadtrates für Finanzen der Landeshauptstadt Graz vom 12. Juli 1977 über Kanalisationsbeiträge, verlautbart im Amtsblatt der Landeshauptstadt Graz 1977, Nr. 12, S 217.
II. Die Stmk. Landesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung im Landesgesetzblatt verpflichtet.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. Beim VfGH sind zu den Geschäftszahlen B129/79, B606/80 und B385a, b/81 Beschwerden gegen Bescheide des Gemeinderates der Landeshauptstadt Graz anhängig, denen folgende Sachverhalte zugrunde liegen:
1. a) Der Bürgermeister der Landeshauptstadt Graz hat mit Bescheid vom 3. August 1978 der zu B129/79 beschwerdeführenden Aktiengesellschaft anläßlich der erstmaligen Benützung von Teilen der Baulichkeit auf der Liegenschaft Graz XII, St-straße 18, gemäß §§2 und 4 des Kanalabgabengesetzes 1955, LGBl. 71/1955 idF der Nov. LGBl. 40/1971 iVm den §§2 und 3 der Verordnung des Gemeinderates der Landeshauptstadt Graz vom 13. Mai 1971, mit der die Kanalabgabenordnung der Landeshauptstadt Graz erlassen wird, einen Kanalisationsbeitrag vorgeschrieben.
Mit Bescheid vom 8. Februar 1979 hat der Gemeinderat einer von der beschwerdeführenden Aktiengesellschaft erhobenen Berufung teilweise Folge gegeben und den erstinstanzlichen Bescheid dahin abgeändert, daß der vorgeschriebene Kanalisationsbeitrag herabgesetzt wurde. Der Gemeinderat hat sich in seiner Entscheidung ua. auch darauf berufen, daß die "Erhöhung des Einheitssatzes ... iS des Stadtrechtes kundgemacht wurde".
Gegen diesen Bescheid richtet sich die zu B129/79 protokollierte Beschwerde, in welcher die beschwerdeführende Aktiengesellschaft die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Unversehrtheit des Eigentums und auf Gleichheit vor dem Gesetz, und zwar durch Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes und einer gesetzwidrigen Verordnung, geltend macht und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt.
b) Der Bürgermeister der Landeshauptstadt Graz hat mit einem Bescheid vom 21. März 1979 sowie mit vier Bescheiden vom 28. November 1979 anläßlich der erstmaligen Benützung von Baulichkeiten oder ihrer Teile auf der Liegenschaft Graz XII, A. R-straße 66, der beschwerdeführenden Aktiengesellschaft insgesamt fünf (weitere) Kanalisationsbeiträge vorgeschrieben.
Der Gemeinderat hat mit Bescheid vom 9. Oktober 1980 die von der beschwerdeführenden Aktiengesellschaft gegen diese fünf Bescheide erhobenen Berufungen - unter anderem auch unter Hinweis auf die Kundmachung der Erhöhung des Einheitssatzes - als unbegründet abgewiesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die zu B606/80 protokollierte Beschwerde, in welcher die beschwerdeführende Aktiengesellschaft die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Unversehrtheit des Eigentums und auf Gleichheit vor dem Gesetz, und zwar durch Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes und einer gesetzwidrigen Verordnung, geltend macht und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides, in eventu die Abtretung der Beschwerde an den VwGH beantragt.
2. Der Beschwerdeführerin zu B385a, b/81 wurden gemäß §§2 und 4 des Kanalabgabengesetzes iVm §§2 und 3 der Verordnung des Gemeinderates vom 13. Mai 1971 vom Bürgermeister folgende Kanalgebühren vorgeschrieben:
a) mit dem Bescheid vom 14. November 1980, GZ A 8-887/16-1980, in der Höhe von S 486.956,- (unter Anwendung eines mit Aktenvermerk des Magistrates Graz, Finanzabteilung, vom 24. Jänner 1974,
A 8-34/34-1974, festgehaltenen Einheitssatzes)
b) mit dem Bescheid vom 14. November 1980, GZ A 8-887/17-1980, in der Höhe von S 516.991,- (unter Anwendung eines mit Aktenvermerk des Magistrates Graz, Finanzabteilung vom 18. Juli 1972, A 8-366/32-1972, festgehaltenen Einheitssatzes)
c) mit dem Bescheid vom 25. Feber 1981, GZ A 8-70/1-1981, in der Höhe von S 896.232,- (unter Anwendung des mit Kundmachung des Stadtrates für Finanzen der Landeshauptstadt Graz vom 12. Juli 1977,
A 8-324/55-1977, festgesetzten Einheitssatzes).
Die von der Beschwerdeführerin gegen die Bescheide unter lita und b erhobenen Berufungen hat der Gemeinderat der Landeshauptstadt Graz mit dem Bescheid vom 2. Juli 1981, GZ 8 A-33/20-1981, und die gegen den Bescheid unter litc erhobene Berufung mit dem Bescheid vom 2. Juli 1981, GZ A 8-70/2-1981, als unbegründet abgewiesen.
Gegen diese Bescheide des Gemeinderates richtet sich die zu B385a, b/81 protokollierte Beschwerde, in der die Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung sowie die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und auf Unverletzlichkeit des Eigentums geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung der angefochtenen Bescheide, in eventu die Abtretung der Beschwerde an den VwGH beantragt wird.
3. Der VfGH hat aus Anlaß dieser Beschwerden beschlossen, die Gesetzmäßigkeit folgender Verordnungsbestimmungen gemäß Art139 Abs1 B-VG von Amts wegen zu prüfen:
a) des §3 Abs3 der Verordnung des Gemeinderates vom 13. Mai 1971, mit der die Kanalabgabenordnung der Landeshauptstadt Graz erlassen wird, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel im Rathaus am 25. Mai 1971 und durch Verlautbarung im Amtsblatt der Landeshauptstadt Graz 1971, Nr. 11, S 137 f.;
b) der Kundmachung des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Graz vom 8. Oktober 1975 über Kanalisationsbeiträge, verlautbart im Amtsblatt der Landeshauptstadt Graz 1975, Nr. 14, S 250;
c) der Kundmachung des Stadtrates für Finanzen der Landeshauptstadt Graz vom 12. Juli 1977 über Kanalisationsbeiträge, verlautbart im Amtsblatt der Landeshauptstadt Graz 1977, Nr. 12, S 217.
II. Der VfGH hat erwogen:
1. a) Das Gesetz vom 28. Juni 1955 über die Erhebung der Kanalabgaben durch die Gemeinden des Landes Stmk. (Kanalabgabengesetz 1955) - im folgenden mit KAG bezeichnet -, LGBl. 71/1955 in der Fassung der Gesetze LGBl. 158/1963, 63/1965 und 40/1971, ermächtigt die Gemeinden des Landes Stmk., welche öffentliche Kanalanlagen zur Ableitung von Abwässern errichten und betreiben, durch Beschluß des Gemeinderates eine einmalige Abgabe zur Deckung der Kosten der Errichtung und der Erweiterung der öffentlichen Kanalanlage (Kanalisationsbeitrag) nach den Bestimmungen dieses Gesetzes zu erheben (§1), wobei die Beitragspflicht mit der Anschlußpflicht einer Liegenschaft ohne Rücksicht auf den tatsächlichen Anschluß oder mit dem freiwilligen Anschluß an das öffentliche Kanalnetz verknüpft ist (§2). Die Ermächtigung zur Erhebung des Kanalisationsbeitrages ist auf §8 Abs5 F-VG gestützt. Das Ausmaß dieses Beitrages ist durch §4 KAG geregelt, dessen ersten beiden Absätze lauten:
"(1) Die Höhe des Kanalisationsbeitrages bestimmt sich aus dem mit der verbauten Grundfläche (in Quadratmetern) mal Geschoßzahl vervielfachten Einheitssatz (Abs2), wobei Dachgeschosse und Kellergeschosse je zur Hälfte eingerechnet werden;
Wirtschaftsgebäude, die keine Wohnung oder Betriebsstätte enthalten, werden nach der verbauten Fläche ohne Rücksicht auf die Geschoßzahl, Hofflächen, das sind ganz oder teilweise von Baulichkeiten umschlossene Grundflächen, deren Entwässerung durch die Kanalanlage erfolgt, nach dem Flächenausmaß eingerechnet.
(2) Der Einheitssatz ist vom Gemeinderat in der Kanalabgabenordnung (§7) nach den durchschnittlichen, ortsüblichen Baukosten je Meter der Kanalanlage höchstens bis zu 3 v. H. dieser Baukosten für den Meter festzusetzen. Bei der Festsetzung des Einheitssatzes sind aus Bundes- und Landesmitteln für die Errichtung und die Erweiterung der öffentlichen Kanalanlage gewährte Beiträge und Zuschüsse in Abschlag zu bringen."
b) Auf dem KAG beruht die Verordnung des Gemeinderates vom 13. Mai 1971, mit der die Kanalabgabenordnung der Landeshauptstadt Graz erlassen wird (kundgemacht gemäß §101 Abs1 und 3 des Statutes der Landeshauptstadt Graz durch Anschlag an der Amtstafel im Rathaus am 25. Mai 1971 und durch Verlautbarung im Amtsblatt der Landeshauptstadt Graz 1971, Nr. 11, S 137 f.). In §3 dieser Verordnung wurde der Einheitssatz auf Basis der Baukosten je Meter zum 1. Jänner 1971 mit 3 v. H. von S 1.640,-, d.s. S 49,20, festgesetzt.
Der Abs3 dieses Paragraphen lautet wie folgt:
"Erfolgt eine Steigerung des Baukostenindex auf der Basis 1. Jänner 1971 von mehr als 10 v. H., so werden die dieser Verordnung zugrundegelegten durchschnittlichen ortsüblichen Kanalherstellungskosten pro Laufmeter jeweils gleitend und automatisch der neuen Kostensituation voll angepaßt und der Einheitssatzberechnung mit Wirkung des jeweils nächstfolgenden 1. Juli bzw. 1. Jänner zugrundegelegt."
c) Mit "Kundmachung" des Bürgermeisters vom 8. Oktober 1975, veröffentlicht im Amtsblatt der Landeshauptstadt Graz 1975, Nr. 14,
S 250, wurden die der Berechnung des Kanalisationsbeitrages ab 1. Juli 1975 zugrundeliegenden Einheitssätze verlautbart.
d) Mit der für den Bürgermeister der Landeshauptstadt Graz durch den Stadtrat für Finanzen erlassenen "Kundmachung" vom 12. Juli 1977, veröffentlicht im Amtsblatt der Landeshauptstadt Graz 1977, Nr. 12,
S 217, wurde der ab 1. Juli 1977 geltende Einheitssatz verlautbart.
2. a) Im Beschluß auf Einleitung des Verordnungsprüfungsverfahrens in den zu B385a, b/81 protokollierten Anlaßfällen hat der VfGH das Verfahren betreffend die Kundmachung des Stadtrates für Finanzen vom 12. Juli 1977 nur hinsichtlich des zu B385b/81 angefochtenen Bescheides des Gemeinderates vom 2. Juli 1981, GZ A 8-70/2-1981 eingeleitet. Im übrigen hat der Gemeinderat die jeweils in Prüfung gezogenen Bestimmungen bei der Bemessung der Kanalisationsbeiträge in den Anlaßfällen angewendet und hatte sie auch anzuwenden; dies gilt auch für den VfGH.
b) Der Umstand, daß die Kundmachung des Bürgermeisters vom 8. Oktober 1975 und des Stadtrates für Finanzen vom 12. Juli 1977 in der für Verordnungen der Stadt gemäß §101 des Statutes der Landeshauptstadt Graz 1967 vorgesehenen Form durch Anschlag an der Amtstafel bzw. durch Verlautbarung im Amtsblatt erfolgten, kann zwar einerseits allein (noch) nicht dazu führen, die Kundmachungen als Verordnungen iS des Art139 B-VG zu qualifizieren. Auf der anderen Seite würde die Tatsache, daß der Bürgermeister und der Stadtrat für Finanzen mit den Kundmachungen keine Verordnungen erlassen wollten, (noch) keineswegs bedeuten, daß den Kundmachungen deshalb der Verordnungscharakter fehlt.
Maßgeblich für die Beurteilung dieser Frage im vorliegenden Fall ist vielmehr die Formulierung des §3 Abs3 der Kanalabgabenordnung ("Erfolgt eine Steigerung des Baukostenindex ..."), die es der Vollziehung auferlegt, im Einzelfall einen entsprechenden Index heranzuziehen und so den Kanalisationsbeitrag zu bemessen. Durch die Kundmachung des jeweils geltenden Einheitssatzes wird die Vollziehung im Einzelfall an die der Kundmachung zugrundeliegende Berechnungsmethode sowie an das Ergebnis dieser Berechnung gebunden. Das gibt den Kundmachungen einen allgemein verbindlichen, die Rechtslage der Betroffenen gestaltenden Charakter (vgl. die ständige Rechtsprechung des VfGH, zB VfSlg. 9247/1981).
Die Kundmachungen sind somit Verordnungen iS des Art139 B-VG.
c) Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, ist das Verordnungsprüfungsverfahren zulässig.
3. Der VfGH hat folgende Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit der in Prüfung gezogenen Bestimmungen geäußert:
"a) Zu §3 Abs3 der Verordnung des Gemeinderates vom 13. Mai 1971:
Nach §4 Abs2 erster Satz KAG ist der Einheitssatz vom Gemeinderat in der Kanalabgabenordnung 'nach den durchschnittlichen ortsüblichen Baukosten je Meter der Kanalanlage' festzusetzen. Es scheint, daß die Ermittlung der Steigerung solcher Kosten im Wege eines allgemeinen, auf Durchschnittskosten im gesamten Bundesgebiet abgestellten 'Baukostenindex' dem vom Gesetzgeber aufgestellten Kriterium der Ortsüblichkeit ebensowenig entspricht wie dem Erfordernis, daß es sich hiebei um Kosten beim Kanalbau zu handeln hat, deren Steigerung selbstredend mit Kostensteigerungen in anderen Baubereichen keineswegs ident sein muß.
Hiezu kommt, daß im Hinblick auf die in §4 Abs2 erster Satz KAG vorgesehene Beschränkung auf die ortsüblichen Baukosten bei Kanalanlagen ein Abstellen auf einen Index deshalb nicht möglich erscheint, weil einerseits ein Index betreffend die Entwicklung der Kanalbaukosten in Graz wegen des engen hier in Betracht kommenden Bereiches wohl kaum erstellbar sein dürfte und weil andererseits die Heranziehung eines über den genannten engen Bereich hinausgehenden Index aus den oben dargelegten Gründen mit §4 Abs2 erster Satz KAG nicht in Einklang stehen dürfte.
Der VfGH hat auch das Bedenken, ob es mit der zitierten Bestimmung des KAG im Hinblick auf deren Wortlaut ('Der Einheitssatz ist vom Gemeinderat ... festzusetzen') vereinbar ist, in der Verordnung des Gemeinderates lediglich Komponenten für die Berechnung des (jeweiligen) Einheitssatzes aufzustellen. Es scheint, daß §4 Abs2 erster Satz KAG (auch) bezweckt, daß der Rechtsunterworfene aus der Verordnung des Gemeinderates selbst entnehmen kann, wie hoch der jeweils geltende Einheitssatz ist.
b) Zur Kundmachung des Bürgermeisters vom 8. Oktober 1975:
Der VfGH geht vorläufig davon aus, daß der Kundmachung Verordnungscharakter zukommt. Die oben unter Pkt. a) geäußerten Bedenken treffen auch auf sie zu. Darüberhinaus besteht das Bedenken, daß mit der Kundmachung der Bürgermeister den Einheitssatz festgelegt zu haben scheint, was jedoch nach §4 Abs2 erster Satz KAG dem Gemeinderat vorbehalten ist."
4. Im Verordnungsprüfungsverfahren haben die Stmk. Landesregierung, der Gemeinderat und der Bürgermeister der Landeshauptstadt Graz Äußerungen abgegeben.
a) Die Landesregierung verweist darauf, sie habe zur Frage der Indexbindung von Gebühren eine grundsätzliche Stellungnahme des Bundesministeriums für Finanzen eingeholt. In dieser Stellungnahme habe das Bundesministerium darauf hingewiesen, daß auf Grund des §8 Abs5 F-VG 1948 erlassene Landesgesetze die wesentlichen Merkmale von Gemeindeabgaben, insbesondere auch ihr zulässiges Höchstmaß, bestimmen müßten. Würde das Landesgesetz das zulässige Höchstmaß der Abgaben an einen Index binden, so wäre das Landesgesetz nicht eindeutig bestimmt. Ein solches Gesetz würde ohne Zweifel - so die Stellungnahme des Bundesministeriums für Finanzen - gegen das Legalitätsprinzip des §5 F-VG 1958 verstoßen. Es sei nicht einzusehen, daß es dem Landesgesetzgeber im Hinblick auf das Legalitätsprinzip verwehrt sein sollte, das zulässige Höchstausmaß einer freien Beschlußrechtsabgabe der Gemeinde an einen Index zu binden, die Gemeinde jedoch das Recht hätte, im Falle einer durch Bundesgesetz eingeräumten freien Beschlußrechtsabgabe der Gemeinde eine solche Indexbindung vorzunehmen.
Die Landesregierung hat in ihrer Äußerung darauf hingewiesen, sie habe diese Rechtsmeinung des Bundesministeriums für Finanzen dem Magistrat der Landeshauptstadt Graz mit der Einladung bekannt gegeben, die gesetzwidrigen Bestimmungen der Verordnung des Gemeinderates vom 13. Mai 1971 aufzuheben.
b) Der Gemeinderat verteidigt die Gesetzmäßigkeit der von ihm erlassenen Verordnung und führt dazu unter anderem aus:
"Die Heranziehung der durchschnittlichen, ortsüblichen Baukosten je Laufmeter Kanal eines Jahres bringt kein befriedigendes Ergebnis, da diese Kosten vor allem davon abhängig sind, ob - bezogen auf den Einheitssatz - zufällig in dem Jahr größer dimensionierte und damit kostenaufwendigere Kanäle (wie Sammler) oder geringer dimensionierte und damit kostengünstigere Kanäle gebaut werden.
Das besondere Problem der Stadt Graz besteht in diesem Zusammenhang darin, daß nicht wie bei einer kleinen Gemeinde die gesamte Kanalanlage mehr oder weniger in einem Zug errichtet werden kann, sondern das Kanalnetz in einem jahrzehntelangen Ausbau zur Errichtung gelangt.
Es erschien daher bezüglich der Anpassung der Einheitssätze eine Regelung erforderlich, die in Anbetracht der für die Stadt Graz bestehenden besonderen Problematik geeignet ist, über einen längeren Zeitraum als ein Jahr in bezug auf die durchschnittlichen Kosten einen Ausgleich zu erbringen.
Ausgehend von dieser Überlegung und im Hinblick auf die Tatsache, daß für die Steigerung der Kanalbaukosten kein spezieller Gradmesser verfügbar war, wurde die Steigerung der Einheitssätze daher an die Entwicklung der allgemeinen Baukosten gebunden.
Für die Heranziehung der Baukosten (Baukostenindex außerhalb Wiens, ohne Wiener U-Bahnabgabe) sprach die Überlegung, daß die Entwicklung der allgemeinen Baukosten und die Entwicklung der Kosten der Kanalherstellung in Graz - die dem vom Gemeinderat beschlossenen Einheitssatz von S 49,20 zugrundegelegt waren - im wesentlichen keinen unterschiedlichen Verlaufnehmen bzw. längerfristig betrachtet eine gleichartige Entwicklung zeigen.
Dies deshalb, weil der Baukostenindex Tief- und Hochbauarbeiten erfaßt und sich aus den Faktoren Lohn, Sonstiges (beinhaltend Kosten für Baustoffe einschließlich Transportkosten, Geschäftsgemeinkosten, Bauzinsen, Wagnis und Gewinn) sowie Handwerkerarbeiten zusammensetzt und bei der Herstellung von Kanalanlagen gleichartige Kostenfaktoren gegeben sind.
Daß die Annahme einer praktisch gleichlaufenden Entwicklung der Kanalherstellungskosten und der allgemeinen Baukosten berechtigt war, zeigt die Gegenüberstellung der Steigerung des Meterwertes der Kanalbaukosten nach den tatsächlichen Aufwendungen der Stadt zu der Steigerung des Einheitssatzes nach dem Baukostenindex.
Im Jahre 1971 wurde von durchschnittlichen Baukosten von S 1.640,- je Laufmeter ausgegangen, im Jahre 1980 betrugen die durchschnittlichen Baukosten bei Kanalherstellungsarbeiten der Stadt S 5.012,- je Laufmeter, was einer Steigerung um rd. 205% entspricht.
Der Einheitssatz von S 49,20 des Jahres 1971 betrug im Jahre 1980 auf Grund der Aufwertung nach dem Baukostenindex bis 30. 6. S 142,28, ab 1. 7. S 155,41, was Steigerungen gegenüber von 1971 von 189,1 bzw. 215,8% entspricht."
5. Zu §3 Abs3 der Kanalabgabenordnung:
Der Gemeinderat gibt in seiner Äußerung zwar eine Erklärung dafür, weshalb er sich zu einer Bindung an den Baukostenindex entschlossen hat, nimmt aber zu den Bedenken des VfGHes betreffend die mangelnde Übereinstimmung des §3 Abs3 Kanalabgabenordnung mit §4 Abs2 KAG nicht direkt Stellung.
Die Äußerung des Gemeinderates bestätigt aber im Ergebnis die Bedenken des VfGH:
Der Gemeinderat räumt ein, daß für eine Indexbindung an die durchschnittlichen ortsüblichen Kanalbaukosten in Graz "kein spezieller Gradmesser verfügbar" war und deshalb auf die Entwicklung der allgemeinen Baukosten zurückgegriffen worden sei. Auch wenn innerhalb eines bestimmten Zeitraumes die Steigerung nach dem Baukostenindex nur geringfügig höher war als jene der durchschnittlichen Kanalbaukosten in Graz - was keineswegs immer der Fall sein muß -, rechtfertigt dieser Umstand nicht ein Abweichen des Verordnungsgebers von den ihm gesetzten Kriterien der Baukosten für Kanäle und der Ortsüblichkeit dieser Kosten. Der Hinweis des Gemeinderates, wonach die Heranziehung der durchschnittlichen ortsüblichen Baukosten je Laufmeter Kanal eines Jahres "kein befriedigendes Ergebnis" bringe, ändert daran nichts, weil die Bestimmung des §4 Abs2 KAG den Verordnungsgeber keineswegs zu einer jährlichen Anpassung des Einheitssatzes zwingt.
Gegen das weitere Bedenken des VfGH, daß im Hinblick auf den Wortlaut des §4 Abs2 KAG ("Der Einheitssatz ist vom Gemeinderat ... festzusetzen") der Rechtsunterworfene aus der Verordnung des Gemeinderates selbst entnehmen können müsse, wie hoch der jeweils geltende Einheitssatz ist, wurde im Verordnungsprüfungsverfahren nichts eingewendet. Daß diese Interpretation des §4 Abs2 KAG zutrifft, zeigt auch der Umstand, daß der Bürgermeister es als Folge der Indexbindung für erforderlich erachtete, den nach seinen Berechnungen jeweils geltenden Einheitssatz in Form einer Kundmachung zu verlautbaren.
Auch dieses Bedenken des VfGH erweist sich somit als gerechtfertigt.
§3 Abs3 der Kanalabgabenordnung ist daher als gesetzwidrig aufzuheben.
6. Zu den Kundmachungen vom 8. Oktober 1975 und vom 12. Juli 1977:
Mit dem Wegfall des (aufgehobenen) §3 Abs3 der Kanalabgabenordnung ist die Grundlage für eine - von wem auch immer erlassene - Feststellung der Höhe des jeweils geltenden Einheitssatzes weggefallen.
Die Kundmachungen sind schon deshalb als gesetzwidrig aufzuheben.
7. Die Verpflichtung der Stmk. Landesregierung zur Kundmachung der Aufhebung im Landesgesetzblatt stützt sich auf Art139 Abs5 B-VG.
Schlagworte
Verordnungsbegriff, RechtsV, Kanalisation, Abgaben KanalisationEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1983:V12.1982Dokumentnummer
JFT_10169684_82V00012_00