TE Vfgh Erkenntnis 1983/3/16 B158/78

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Veröffentlicht am 16.03.1983
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Index

L8 Boden- und Verkehrsrecht
L8230 Abwasser, Kanalisation

Norm

StGG Art5
Bgld KanalanschlußgebührenG 1957 §1 idF LGBl 9/1967
Bgld KanalanschlußgebührenG 1957 §2 idF LGBl 9/1967

Leitsatz

Bgld. Kanalanschlußgebührengesetz 1957; keine Bedenken gegen §§1 und 2 idF der Nov. LGBl. 9/1967 und gegen die endgültige Gebührenfestsetzung mit Beschluß des Gemeinderates Siegendorf vom 19. Dezember 1975; keine Verletzung des Eigentumsrechtes

Spruch

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde Siegendorf vom 19. Mai 1976 wurde gemäß §§1 und 2 des Gesetzes vom 27. September 1956, LGBl. 1/1957 (künftig: KAGG) idF des Gesetzes vom 18. Oktober 1966, LGBl. 9/1967 (künftig auch: Nov.) iVm dem Gemeinderatsbeschluß vom 19. Dezember 1975 die das Grundstück des Beschwerdeführers betreffende Kanalanschlußgebühr "mit (Berechnungsfläche 354,84 Quadratmeter x Einheitssatz S 38,-) = S 13.483,92 neu festgesetzt" und ausgesprochen, daß die "gemäß §2 Abs3, letzter Satz, des Gesetzes bereits entrichtete Kanalanschlußgebühr im Betrage von S 6.000,-

anzurechnen" sei, sodaß eine Gebührenschuld von S 7.483,92 verbleibe, die vom Beschwerdeführer in drei Jahresraten zu entrichten sei.

Zur Begründung wurde dargelegt, daß die vom Gemeinderat der Ermittlung des Einheitssatzes gemäß §2 Abs3 zugrunde gelegten genehmigten Baukosten der Kanalisation Siegendorf S 19,471.145,-

abzüglich Subventionen in Höhe von S 3,860.000,-, somit verbleibend S 15,611.145,- zuzüglich Darlehenszinsen in Höhe von S 1,115.300,-, demnach im Ergebnis S 16,726.445,-, die Kanallänge 13.274 m und der Hebesatz 3 vH betragen. Gemäß §2 Abs3 habe die Gemeinde bei jeder wesentlichen Änderung der Kanalisationsanlagen eine Neuberechnung der Anschlußgebühr durchzuführen; eine Projektsänderung der Kanalisation für Siegendorf sei mit Bescheid des Landeshauptmannes für das Bgld. vom 8. Oktober 1974 genehmigt worden.

1.2.1. Gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde Siegendorf vom 19. Mai 1976 erhob der Beschwerdeführer Berufung, in der er geltend machte, daß ihm mit Bescheid vom 10. Mai 1967 auf Grund des KAGG iVm dem Gemeinderatsbeschluß vom 16. September 1966 eine Kanalanschlußgebühr von S 4.000,- für den Bauabschnitt I, dem Kosten in der Höhe von S 9,000.000,- zugrunde gelegen seien, und mit Bescheid vom 20. Mai 1969 auf Grund des KAGG iVm dem Gemeinderatsbeschluß vom 29. November 1968 eine Gebühr von S 2.000,-

für den Bauabschnitt II, dem S 7,000.000,- Kosten zugrunde gelegen seien, bereits zur Vorschreibung gebracht worden seien. Wie aus dem Bescheid vom 19. Mai 1976 hervorgehe, hätten die tatsächlichen Kosten des Kanalisationsbaues S 15,611.145, betragen, die bereits bei den ersten beiden Vorschreibungen, denen Kosten in Höhe von insgesamt S 16,000.000,- zugrunde lagen, berücksichtigt worden wären.

1.2.2. Mit Bescheid des Gemeinderates der Gemeinde Siegendorf vom 26. Jänner 1977 wurde die Berufung im wesentlichen mit der bereits im Bescheid erster Instanz enthaltenen Begründung abgewiesen, wozu ergänzend dargetan wurde, daß die Vorschreibung von S 4.000,- nicht für den Bauabschnitt I und die weitere Vorschreibung von S 2.000,-

nicht für den Bauabschnitt II erfolgt sei, sondern daß dem ursprünglichen Betrag von S 4.000,- veranschlagte Baukosten von S 9,100.000,- und der Erhöhung von S 2.000,- Projektausweitungen zugrunde lagen.

1.3. Die gegen diesen Bescheid erhobene Vorstellung wurde mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Eisenstadt-Umgebung vom 19. Dezember 1977, Z II-K-5-1977, abgewiesen. Begründend wurde dargelegt, daß sich auf Grund des vorliegenden Sachverhaltes für die Aufsichtsbehörde die Kernfrage stelle, ob die mit den Bescheiden der Jahre 1967 und 1969 vorgeschriebenen Beträge die Vorschreibung einer einmaligen Anschlußgebühr darstellten oder ob sie lediglich als Vorauszahlungen anzusehen seien. Während es nach dem KAGG der Gemeinde freigestanden wäre, von der gesetzlichen Ermächtigung, Kanalanschlußgebühren vorzuschreiben, Gebrauch zu machen, ergebe sich aus der Nov. vom 18. Oktober 1966 für die Gemeinden eine Verpflichtung, eine einmalige Anschlußgebühr und zwar in der vollen, sich aus §2 Abs1 des Gesetzes ergebenden Berechnungsgrundlage einzuheben. Da das in §2 Abs3 vorgeschriebene formale Verfahren (Kundmachung der Baukosten und der Länge des Kanalnetzes) weder zur Zeit des Gemeinderatsbeschlusses vom 16. September 1966, noch bei Erlassung des Gemeinderatsbeschlusses vom 29. November 1968 durchgeführt gewesen sei, könne weder der ursprünglich vorgeschriebene Betrag von S 4.000,- noch der auf S 6.000,- erhöhte Betrag als endgültige Anschlußgebühr angesehen werden, da dies zur Gesetzwidrigkeit der zugrundeliegenden Gemeinderatsbeschlüsse führen würde; es könne sich bei den Vorschreibungen daher nur um Vorauszahlungen handeln. Damit erübrige sich, der eingangs als Frage aufgeworfenen alternativen Betrachtungsweise einer Änderung der Gemeindekanalisationsanlage nachzugehen. Die "vom Bürgermeister und vom Gemeinderat angestellte Betrachtungsweise", die - hievon abweichend - von einer wesentlichen Projektänderung ausgehe, vermöge der materiellen Richtigkeit des angefochtenen Bescheides keinen Abbruch zu tun, denn die bereits entrichteten Anschlußgebühren seien an Stelle der Einrechnung auf die neu berechnete Anschlußgebühr als Vorauszahlung auf die endgültige Höhe der Anschlußgebühr anzurechnen, sodaß materielle Rechte des Beschwerdeführers nicht verletzt worden seien.

2.1. Gegen diesen Bescheid richtet sich die auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums geltend gemacht und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides, für den Fall der Abweisung der Beschwerde deren Abtretung an den VwGH beantragt wird.

2.2. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde begehrt.

3. Der VfGH hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

3.1. Der Beschwerde liegt sachverhaltsmäßig folgende Vorgeschichte zugrunde:

3.1.1. Im Jahre 1964 wurde in der Gemeinde Siegendorf mit dem Bau einer Kanalanlage begonnen. Die wasserrechtliche Bewilligung zur Errichtung dieser Kanalisationsanlage wurde mit Bescheid des Landeshauptmannes für das Bgld. vom 26. März 1964, Z VI/1-657/3-1964, erteilt.

Mit weiteren Bescheiden des Landeshauptmannes für das Bgld. vom 9. Juni 1971, Z VI/1-1454/11-1971, und vom 8. Oktober 1974, Z VI/1-1169/7-1974, wurden Projektänderungen wasserrechtlich bewilligt, denen Erweiterungen der Kanalanlage, die sich zufolge neu entstandener Siedlungen als notwendig erwiesen, zugrunde lagen. Der Kanalbau wurde 1974 fertiggestellt.

3.1.2. Am 16. September 1966 faßte der Gemeinderat der Gemeinde Siegendorf unter 5. zum Tagesordnungspunkt "Kanalanschlußgebühren-Erhöhung" folgenden Beschluß:

"Der Gemeinderat beschließt ... die Kanalanschlußgebühren als Akontozahlung in Höhe von S 3.000,- pro Hausanschluß ab 1. 1. 1967 in drei aufeinanderfolgenden Jahresraten einzuheben, wobei gleichzeitig bestimmt wird, daß auf Grund des in Ausarbeitung befindlichen Gesetzes die Hausanschlußgebühren mit höchstens S 4.000,- festgesetzt werden. Für jene Objekte, die mehrere Wohnungen aufweisen, wird jedoch nach gesetzlichen Grundlagen vorgeschrieben. Dieser Punkt liegt vierzehn Tage zur allgemeinen öffentlichen Einsicht- und Einspruchnahme auf."

3.1.3. In Ausführung dieses Beschlusses wurde dem Beschwerdeführer - nachdem am 4. März 1967 die durch die Nov. vom 18. Oktober 1966, LGBl. 9, verfügte Abänderung des KAGG, wonach an die Stelle der bis dahin bestehenden Ermächtigung eine Verpflichtung der Gemeinde zur Einhebung von Kanalanschlußgebühren trat, in Kraft getreten war - mit Bescheid vom 10. Mai 1967 eine Gebühr in Höhe von S 4.000,-

vorgeschrieben.

3.1.4. Am 29. November 1968 faßte der Gemeinderat der Gemeinde Siegendorf unter Punkt 8. der Tagesordnung folgenden weiteren Beschluß:

"Der Gemeinderat beschließt ... die Kanalanschlußgebühren von S 4.000,- auf S 6.000,- pro Hausanschluß zu erhöhen."

Zur Zahlung wurden Jahresraten vorgesehen und es wurde angeordnet, daß der Gemeinderatsbeschluß vierzehn Tage zur allgemeinen öffentlichen Einsicht- und Einspruchnahme aufzulegen sei.

3.1.5. In Ausführung dieses Gemeinderatsbeschlusses wurde dem Beschwerdeführer mit Bescheid vom 20. Mai 1969 "eine Vorauszahlung der Kanalanschlußgebühr in Höhe von S 6.000,-" vorgeschrieben. Begründend wurde ausgeführt, daß gemäß §2 Abs3 KAGG idF des Gesetzes LGBl. 9/1967 der Gemeinderat die Einrichtung von Vorauszahlungen bis zur Höhe der voraussichtlich zu entrichtenden Anschlußgebühr vorschreiben könne, sofern die wasserrechtliche Bewilligung erteilt sei.

3.1.6. Am 19. Dezember 1975 wurde schließlich vom Gemeinderat der Gemeinde Siegendorf beschlossen, die Gesamtkosten für die Kanalisation Siegendorf in der Höhe von S 19,471.145,- und eine Länge der Kanalisation von 13.274 m zu genehmigen, sowie unter Punkt 8. der Tagesordnung die dem angefochtenen Bescheid materiellrechtlich zugrundeliegende Verordnung über die Einhebung einer Gebühr für den Anschluß an die Gemeindekanalisationsanlagen beschlossen; diese hat folgenden Wortlaut:

"Auf Grund der Bestimmungen des §1 Abs1 und des §2 Abs3 des Gesetzes vom 27. September 1956 über die Einhebung einer Gebühr für den Anschluß an die Gemeindekanalanlagen, LGBl. Nr. 1/1957, in der Fassung des Gesetzes vom 18. Oktober 1966, LGBl. Nr. 9/1967, wird verordnet:

§1

Von den Eigentümern jener Grundstücke, die nach Maßgabe der Bestimmungen des Gesetzes vom 18. Oktober 1966, LGBl. Nr. 9/1967, über die Verpflichtung zum Anschluß an öffentliche Kanalisationsanlagen und die Art ihrer Benützung zum Anschluß an die öffentliche Gemeindekanalisation verpflichtet werden oder denen auf Ansuchen der Anschluß bewilligt wurde, wird eine einmalige Anschluß- und Sondergebühr nach den Bestimmungen des Gesetzes vom 27. September 1956 über die Einhebung einer Gebühr für den Anschluß an die Gemeindekanalanlagen, LGBl. Nr. 1/1957 in der Fassung des Gesetzes vom 18. Oktober 1966, LGBl. Nr. 9/1967, eingehoben.

§2

(1) Die vom Gemeinderat der Ermittlung des Einheitssatzes zugrundegelegten Baukosten der Gemeindekanalisationsanlagen betragen auf Grund der wasserrechtlich genehmigten Kanalprojekte für den Ortsteil Siegendorf S 19,471.145,-.

(2) ...

§3

Die Gesamtlänge der wasserrechtlich genehmigten Kanalprojekte im Bereich der Gemeinde Siegendorf im Bgld. beträgt:

a) im Ortsteil Siegendorf ... 13.274 m

b) ...

§4

Der Hebesatz wird mit 3 vH. festgesetzt.

§5

Der Einheitssatz beträgt demnach

a) im Ortsteil Siegendorf ... S 38,-

b) ...

§6

Diese Verordnung tritt mit Wirkung vom 1. 1. 1976 in Kraft."

3.2.1. Die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums wird vom Beschwerdeführer wie folgt behauptet:

Gemäß §2 Abs3 KAGG idF Nov. habe eine Neuberechnung von Anschlußgebühren nur bei wesentlichen Änderungen einer Gemeindekanalisationsanlage zu erfolgen. Eine solche liege nicht vor, da bereits bei den ersten beiden Vorschreibungen Kosten in Höhe von S 17,400.000,- als Grundlage der Vorschreibungen berücksichtigt worden seien, wohingegen der Vorschreibung, die Gegenstand des angefochtenen Vorstellungsbescheides sei, effektive Kosten von nur S 17,726.445,- (richtig: S 16,726.445,-) zugrunde lägen. Bei den Vorschreibungen der Jahre 1967 und 1969 handle es sich auch nicht um begehrte Vorauszahlungen, was sowohl aus dem Gemeinderatsbeschluß vom 16. September 1966, wo es ausdrücklich heiße, daß die Hausanschlußgebühr mit höchstens S 4.000,- festgesetzt werde, hervorgehe, als auch aus dem Gemeinderatsbeschluß vom 29. November 1969 (richtig: 1968), wo die Kosten für den Bauabschnitt I mit S 9,800.000,- und für den Bauabschnitt II mit S 7,600.000,-

festgehalten und der Vorschreibung zugrunde gelegt worden seien. Daß es sich dabei um eine endgültige Vorschreibung gehandelt habe, gehe auch aus dem Schriftverkehr hervor, der dem VfGH (als Beilage/A und/B) vorgelegt werde, woraus sich ergebe, daß die Gemeinde die Anschlußgebühren pauschal vorgeschrieben und die Erklärung abgegeben habe, den nach dem Gesetz zu errechnenden Mehrbetrag selbst zu tragen. §1 Abs1 KAGG idF Nov. schreibe den Gemeinden die Einhebung von Kanalanschlußgebühren zwar vor, zwinge sie aber nicht, die Höchstgebühren einzuheben, da nach der zitierten Bestimmung ausdrücklich vorgesehen sei, daß die Höhe der Gebühr nicht in einem wirtschaftlich ungerechtfertigten Mißverhältnis zum Wert des die Gebühren begründenden Grundstückes und zu dem für das Grundstück aus der Anlage entstehenden Nutzen stehen dürfe. Unmittelbare Rechtsgrundlage der bekämpften Vorschreibung sei der Gemeinderatsbeschluß vom 19. Dezember 1975, dem Verordnungscharakter beizumessen sei. Die Gemeinderatsbeschlüsse vom 16. September 1966 und vom 29. November 1968 seien bis heute nicht aufgehoben worden und demnach weiterhin aufrecht. Der Gemeinderatsbeschluß vom 19. Dezember 1975 hätte eine wesentliche Änderung zur Voraussetzung gehabt, die jedoch nicht stattgefunden habe, da die gesamten Kosten, von denen er ausgehe, bei den vorausgehenden Vorschreibungen bereits berücksichtigt worden seien. Dies zeige, daß die Verordnung im Gesetz keine Deckung finde.

3.2.2. Der angefochtene Bescheid greift in das Eigentumsrecht ein. Dieser Eingriff wäre nach der ständigen Judikatur des VfGH (zB VfSlg. 8776/1980, 9014/1981) dann verfassungswidrig, wenn der ihn verfügende Bescheid ohne jede Rechtsgrundlage ergangen wäre oder auf einer verfassungswidrigen Rechtsgrundlage beruhte, oder wenn die Behörde bei Erlassung des Bescheides eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Rechtsgrundlage in denkunmöglicher Weise angewendet hätte, ein Fall, der nur dann vorläge, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte, daß dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre.

Die angefochtene Vorschreibung stützt sich in materiellrechtlicher Hinsicht auf §§1 und 2 KAGG idF Nov. iVm dem Gemeinderatsbeschluß vom 19. Dezember 1975.

Mit den §§1 und 2 KAGG idF Nov. hat sich der VfGH bereits mit Erk. VfSlg. 5945/1969 befaßt und aus der Sicht des damaligen Beschwerdefalles ausgesprochen, daß er sich nicht veranlaßt sehe, Bedenken ob deren Verfassungsmäßigkeit zu hegen. Auch im vorliegenden Fall hat weder der Beschwerdeführer derartige Bedenken behauptet, noch sind solche bei der Beratung des Beschwerdefalles im VfGH entstanden.

Der Beschwerdeführer behauptet jedoch, daß der der Gebührenvorschreibung in materiellrechtlicher Hinsicht zugrundeliegende Gemeinderatsbeschluß vom 19. Dezember 1975 gesetzwidrig sei. Der VfGH hat keine derartigen Bedenken.

Wie bereits mit Erk. VfSlg. 5945/1969 ausgesprochen, ergibt sich aus dem Wortlaut des letzten Satzes in §1 Abs1 KAGG idF Nov., daß der darin liegende Befehl an die die einzelnen Bescheide erlassenden Behörden gerichtet ist (die Regelung bezieht sich ausdrücklich auf das einzelne Grundstück). Die Bedachtnahme auf den Zweck der Regelung, Härten im Einzelfalle zu vermeiden, unterstreicht dieses Ergebnis der Gesetzesauslegung. Daß die Vorschrift dem Art18 Abs1 oder 2 B-VG nicht widerspricht, ergibt sich, wie im zitierten Erk. weiters ausgesagt wurde, daraus, daß die Höhe der Aufwendungen iS des vorletzten Satzes des §1 Abs1 beurteilt werden kann. Aus dieser Begründung des zitierten Erk. ergibt sich, daß es keineswegs im Belieben der Gemeinde steht, bei der Festsetzung der Gebühren sich nur mit einem Teil der von ihr für die Herstellung der Kanalisation geleisteten oder voranschlagsmäßig zu leistenden Aufwendungen zu begnügen. Die gebotene Bedachtnahme auf das Verhältnis der Gebührenschuld für ein bestimmtes Grundstück zu dem aus der Kanalisationsanlage für dieses Grundstück entstehenden Nutzen bei Vorschreibung der Gebühren unterstreicht, daß die Gemeinden bei der Gebührenfestsetzung - auch der Höhe nach - an das Gesetz streng gebunden sind.

Wenn der Beschwerdeführer behauptet, daß die Gemeinde Siegendorf bereits bei den auf Grund von Gemeinderatsbeschlüssen ergangenen Bescheiden vom 10. Mai 1967 und 20. Mai 1969 Aufwendungen für die Kanalanlage in Höhe von S 17,400.000, berücksichtigt, sich aber dennoch mit einer Vorschreibung von nur S 6.000,- begnügt habe, ist für ihn, selbst bei Richtigkeit dieser Behauptung, nichts zu gewinnen. Zu bemerken ist in diesem Zusammenhange vorerst, daß die Schriftstücke, auf die sich der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhange beruft, seine Behauptung keineswegs untermauern. In dem als Beilage/A vorgelegten Schreiben wurde den Adressaten (es handelt sich hiebei nicht um den Beschwerdeführer) lediglich mitgeteilt, daß für den Fall des Neubaues eines Objektes die Kanalanschlußgebühr nur so berechnet werden würde, als wäre immer nur ein Haus vorhanden gewesen. Bei dem unter Beilage/B vorgelegten Schriftstück handelt es sich um ein Flugblatt einer wahlwerbenden Gruppe, also nur um die persönliche Meinung der Flugblattverfasser.

Festzuhalten ist weiters, daß der Gemeinderatsbeschluß vom 16. September 1966 noch unter der Herrschaft des §1 KAGG vor der Nov. LGBl. 9/1967 gefaßt wurde, also in einem Zeitpunkte, in dem den Gemeinden wohl eine Ermächtigung zur Vorschreibung von Kanalanschlußgebühren erteilt war, dies ihnen jedoch noch nicht zur Pflicht gemacht worden war; die Kundmachungen der Kosten und der Länge des Kanalnetzes waren jedoch schon damals vorgeschrieben. Was den Gemeinderatsbeschluß vom 29. November 1968 betrifft, auf den sich der Beschwerdeführer primär stützt, ist für ihn ebenfalls nichts zu gewinnen, da selbst dann, wenn er vom Sachverhalt her recht hätte, dieser Beschluß mit dem Gesetz nicht im Einklang stünde. Wie sich nämlich aus dessen unter 2.2. wiedergegebenem Text ergibt, lag auch dieser Beschlußfassung des Gemeinderates weder ein festgesetzter Einheitssatz zugrunde, noch wurden ermittelte Baukosten oder die Länge des Kanalnetzes öffentlich kundgemacht. Auch dieser Beschluß wäre - wenn er eine endgültige Festsetzung der Kanalgebühr zum Inhalt hätte - formell gesetzwidrig, zusätzlich aber nach dem eigenen Vorbringen des Beschwerdeführers auch inhaltlich mit Gesetzwidrigkeit belastet, da er mit dem Gesetzesauftrag, bei der Festsetzung der Gebühren alle Aufwendungen zugrunde zu legen, im Widerspruch stünde. Selbst wenn die Behauptung des Beschwerdeführers zutreffen sollte, würde für die Gemeinde hieraus keine Bindung erwachsen, die sie hindern hätte können, am 19. Dezember 1975 einen gesetzmäßigen Beschluß zu fassen; ebensowenig könnte dem Beschwerdeführer aus einer gesetzwidrigen Abstandnahme der Gemeinde auf volle Gebührenvorschreibung - also aus einem Fehlverhalten - ein Recht auf ein neuerliches Fehlverhalten erwachsen sein, aus welchem - wie dies der Beschwerdeführer vermeint - auf eine Gesetzwidrigkeit des Gemeinderatsbeschlusses vom 19. Dezember 1975 zu schließen wäre (vgl. auch VfSlg. 8159/1977, 9288/1981, VfGH 18. 3. 1982 B506/78).

Daß erst mit dem Gemeinderatsbeschluß vom 19. Dezember 1975 eine endgültige Gebührenfestsetzung erfolgt ist, wird auch dadurch bestätigt, daß mit dem Bescheid vom 20. Mai 1969, durch den die ursprüngliche Vorschreibung vom 10. Mai 1967 ersetzt wurde - entsprechend §2 Abs3 KAGG idF Nov. - lediglich eine "Vorauszahlung" zur Vorschreibung gebracht wurde.

Daß der Gemeinderatsbeschluß vom 19. Dezember 1975 in anderer Hinsicht gesetzwidrig wäre, etwa deshalb, weil die kundgemachten Baukosten oder die kundgemachte Länge des Kanalnetzes den Tatsachen nicht entspräche, wird selbst vom Beschwerdeführer nicht behauptet. Auch im VfGH sind diesbezügliche Bedenken nicht entstanden.

3.3. Da erst mit dem Gemeinderatsbeschluß vom 19. Dezember 1975 eine (endgültige) Gebührenfestsetzung erfolgt ist, erübrigt es sich auf die Frage einzugehen, ob während des Kanalisationsbaues wesentliche Änderungen eingetreten sind, die die Gemeinde zu einer Neuberechnung der Anschlußgebühr berechtigt hätten.

Die Behauptung des Beschwerdeführers, er sei durch Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt worden, trifft demnach offenkundig nicht zu. Daß die Behörde die Vorschriften - auch im Fall ihrer Unbedenklichkeit - denkunmöglich angewendet hätte, wird gar nicht behauptet. Auch für ein willkürliches Vorgehen, das vom Beschwerdeführer unsubstanziiert behauptet wird, findet sich keinerlei Anhaltspunkt.

Die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte hat somit nicht stattgefunden. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß der Beschwerdeführer in von ihm nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde.

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

Schlagworte

Kanalisation

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1983:B158.1978

Dokumentnummer

JFT_10169684_78B00158_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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