Index
L6 Land- und ForstwirtschaftNorm
B-VG Art7 Abs1 / VerwaltungsaktLeitsatz
Tir. landwirtschaftliches Siedlungsgesetz 1969; keine denkunmögliche und keine gleichheitswidrige Anwendung des §1 Abs2Spruch
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. 1. Der Beschwerdeführer, der in Innsbruck als Rechtsanwalt tätig ist und in Hall in Tirol wohnt, stellte beim Amt der Tir. Landesregierung als Agrarbehörde erster Instanz den Antrag auf Durchführung eines landwirtschaftlichen Siedlungsverfahrens auf Grund des von ihm am 15. Oktober 1976 mit dem Landwirt J. N. als Verkäufer abgeschlossenen Kaufvertrages, mit dem der Beschwerdeführer den geschlossenen Hof "Schm.", EZ. 41 I KG T., um den Preis von
S 1,600.000,- zuzüglich der Renten- und Ausgedingsleistungen an M. und M. E. erworben hatte. Nach dem Vertrag besteht der Hof aus 4,7353 ha landwirtschaftlicher Nutzfläche und aus 14,0495 ha Wald.
1.2. Das Amt der Tir. Landesregierung stellte mit Bescheid vom 27. Mai 1977 gemäß §5 Abs3 des Tir. landwirtschaftlichen Siedlungsgesetzes 1969 (TLSG 1969), LGBl. 49, fest, daß der Kaufvertrag nicht den Grundsätzen der §§1 und 2 Abs4 TLSG 1969 entspricht.
1.3. Der gegen diesen Bescheid vom Beschwerdeführer erhobenen Berufung gab der Landesagrarsenat beim Amt der Tir. Landesregierung mit Erk. vom 1. Februar 1978, LAS - 73/4-77, gemäß §66 Abs4 AVG 1950 iVm §§1 und 2 TLSG 1969 nicht Folge. In der Begründung des Erk. wurde im wesentlichen ausgeführt, daß der Beschwerdeführer als Rechtsanwalt in Innsbruck den überwiegenden Teil seines Lebensunterhaltes und des Unterhalts seiner Familie aus den Einkünften seiner Anwaltskanzlei, nicht aber aus den Erträgnissen des angekauften Hofes bestreite. Der Ankauf des Hofes "Schm." diene daher nicht iS des TLSG 1969 dazu, einer bäuerlichen Familie einen angemessenen Lebensunterhalt nachhaltig zu sichern. Der Beschwerdeführer habe seinen Wohnsitz in Hall in Tirol.
2. Gegen diesen Bescheid des Landesagrarsenates richtet sich die gemäß Art144 B-VG an den VfGH erhobene Beschwerde. Der Beschwerdeführer behauptet, durch den Bescheid in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten, Liegenschaften zu erwerben und über dieselben frei zu verfügen, sowie unter den gesetzlichen Bedingungen jeden Erwerbszweig auszuüben (Art6 StGG), auf Freizügigkeit der Person und des Vermögens (Art4 StGG), auf Freiheit der Berufswahl (Art18 StGG) und auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art7 Abs1 B-VG und Art2 StGG) verletzt zu sein. Der Beschwerdeführer beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides und hilfsweise die Abtretung der Beschwerde an den VwGH.
3. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt wurde.
II. Der VfGH hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1. §1 TLSG 1969 lautet:
"§1 (1) Zum Zwecke der Verbesserung der Agrarstruktur können landwirtschaftliche Siedlungsverfahren durchgeführt werden.
(2) Das Ziel dieser Verfahren ist die Schaffung und Erhaltung solcher bäuerlicher Betriebe, deren Erträgnisse allein oder in Verbindung mit einem Nebenerwerb einer bäuerlichen Familie einen angemessenen Lebensunterhalt nachhaltig sichern."
2.1. Der Beschwerdeführer behauptet die Verletzung des durch Art6 StGG gewährleisteten Rechtes auf Freiheit des Erwerbes von Liegenschaften und der Verfügung über diese. Dazu ist festzuhalten, daß die gesetzliche Grundlage, auf die der angefochtene Bescheid sich stützt, nicht auf eine Beschränkung des Liegenschaftsverkehrs gerichtet ist. Der angefochtene Bescheid, mit dem die Durchführung eines landwirtschaftlichen Siedlungsverfahrens nach dem TLSG 1969 verweigert wird, verhindert nicht den Erwerb der Liegenschaft durch den Beschwerdeführer. Durch die Abweisung des Antrages auf Durchführung eines landwirtschaftlichen Siedlungsverfahrens wird daher in die Freiheit des Liegenschaftserwerbes nicht eingegriffen.
Das gleichfalls durch Art6 StGG verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Freiheit der Erwerbsbetätigung wird nur dann berührt, wenn einem Staatsbürger der Antritt oder die Ausübung einer bestimmten Erwerbsbetätigung untersagt wird (vgl. zB VfSlg. 8284/1978, 9123/1981). Auch dies ist hier nicht der Fall. Der Beschwerdeführer ist sohin offenkundig auch in dem zuletzt erwähnten Grundrecht nicht verletzt worden.
2.2. Gleiches gilt für die Freiheit der Berufswahl, die darin besteht, ohne Behinderung oder Beschränkung durch eine österreichische Rechtsnorm einen Beruf zu wählen (vgl. zB VfSlg. 8037/1977, 9123/1981). Dieses Recht kann durch den angefochtenen Bescheid offenkundig nicht verletzt werden.
2.3. Die vom Beschwerdeführer ebenfalls geltend gemachte durch Art4 StGG gewährleistete Freizügigkeit der Person und des Vermögens kommt nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH bei Liegenschaften begrifflich nicht in Betracht (vgl. VfSlg. 8876/1980).
Der Beschwerdeführer ist daher durch den angefochtenen Bescheid auch in diesen von ihm geltend gemachten Rechten nicht verletzt worden.
2.4. Die vom Beschwerdeführer behauptete Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH (zB VfSlg. 8823/1980) nur vorliegen, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei der Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat.
Der VfGH hat unter dem Gesichtspunkt des vorliegenden Beschwerdefalles gegen die den angefochtenen Bescheid tragenden Rechtsvorschriften keine verfassungsrechtlichen Bedenken, insbesondere nicht, daß sie - auch wenn sie den von der Behörde angenommenen Inhalt haben - dem Gleichheitsgebot widersprechen (vgl. auch VfSlg. 8409/1978).
Ein willkürliches Verhalten kann der Behörde unter anderem dann vorgeworfen werden, wenn sie den Beschwerdeführer aus unsachlichen Gründen benachteiligt oder wenn der angefochtene Bescheid wegen gehäuften Verkennens der Rechtslage in einem besonderen Maße mit den Rechtsvorschriften in Widerspruch steht, nicht aber, wenn die Behörde - ungeachtet des Erfolges ihrer Bestrebungen - bemüht war, das Gesetz richtig anzuwenden (vgl. VfSlg. 8783/1980, 9123/1981).
Die Behörde hat sich ausführlich mit dem Berufungsvorbringen des Beschwerdeführers auseinandergesetzt. Die Bemühung um eine richtige Entscheidung kann ihr nicht abgesprochen werden. Ihre Entscheidung ist keinesfalls derart grob unrichtig, daß eine Verletzung des Gleichheitsrechtes vorliegen könnte.
Dem §1 Abs2 TLSG 1969 ist vertretbar zu entnehmen, daß dann, wenn es sich um einen (ausnahmsweise) zu fördernden bäuerlichen Nebenerwerbsbetrieb handelt, der bäuerliche Betrieb der Haupterwerb und die andere Tätigkeit der Nebenerwerb zu sein hat. Aus der eigentümlichen Bedeutung des Wortes "Nebenerwerb" kann denkmöglich gefolgert werden, daß dieser in zeitlicher Hinsicht und in seiner wirtschaftlichen Bedeutung gegenüber dem bäuerlichen Haupterwerb in den Hintergrund treten muß. Besonders gilt diese Betrachtungsweise, wie aus dem Zweck des Gesetzes ableitbar ist, wenn der Nebenerwerb mit dem bäuerlichen Haupterwerb - wie hier - nicht in Zusammenhang steht.
Der VwGH hat in ständiger Rechtsprechung (vgl. in dieser Hinsicht VwGH 24. 3. 1981 Z 3532/80; 2. 10. 1981 Z 81/07/0085) ausgesprochen, daß als bäuerliche Betriebe jene zu gelten haben, in denen der Betriebsinhaber selbst sowie die im Familienverband lebenden Familienangehörigen im Betriebe mitarbeiten, mit den Dienstnehmern in der Regel in Hausgemeinschaft leben und bei der Führung des Betriebes ein leitender Angestellter nicht beschäftigt ist. Diese persönliche Beziehung der bäuerlichen Familie zum landwirtschaftlichen Betrieb ist dann als verwirklicht anzunehmen, wenn der bäuerliche Hof den Mittelpunkt der Lebensinteressen der Familie, also ihren Wohnsitz bildet, ohne daß dies allerdings voraussetzen würde, daß alle Familienmitglieder dauernd auf dem Hofe anwesend sein müssen. Der Beschwerdeführer beabsichtigt nach seinen eigenen Behauptungen nicht, den Wohnsitz auf den Hof "Schm." zu verlegen. Vielmehr hat der Beschwerdeführer nach den unwidersprochen gebliebenen Feststellungen der belangten Behörde seinen Wohnsitz in Hall in Tirol. Bei diesem Sachverhalt ist die belangte Behörde durchaus denkmöglich davon ausgegangen, daß ein bäuerlicher Betrieb iS des §1 TLSG 1969 nicht vorliegt.
Demnach ist die Annahme der Behörde, daß die Übertragung des landwirtschaftlichen Betriebes an den Beschwerdeführer dem Ziel des Verfahrens nach §1 Abs2 TLSG 1969 nicht entspreche, jedenfalls nicht derart denkunmöglich, daß der VfGH die Ausübung von Willkür annehmen könnte (vgl. VfSlg. 9123/1981).
Bei diesem Ergebnis ist auf das weitere Vorbringen des Beschwerdeführers, das sich auf §2 Z4 litc TLSG 1969 stützt, nicht mehr einzugehen.
Die vom Beschwerdeführer behauptete Verletzung des Gleichheitsgebotes liegt demnach offenkundig nicht vor.
2.5. Der Beschwerdeführer macht ferner geltend, daß das sachverständige Mitglied des Landesagrarsenates nicht in demselben Verfahren als Amtssachverständiger auftreten dürfe. Es kann dahingestellt bleiben, ob der Beschwerdeführer damit die Verletzung des Rechtes auf den gesetzlichen Richter geltend machen wollte. Eine Verletzung dieses Rechtes liegt aber offenkundig nicht vor (vgl. VfSlg. 8398/1978).
3. Das Verfahren hat nicht ergeben, daß der Beschwerdeführer in von ihm nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt wurde.
Insbesondere ist der Beschwerdeführer nicht im Eigentumsrecht verletzt worden. Bei der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides würde dieser das erwähnte Grundrecht nur verletzen, wenn die Behörde das Gesetz in denkunmöglicher Weise angewendet hätte. Dies ist aber, wie sich aus den Ausführungen unter 2.4. ergibt, nicht der Fall. Unerörtert kann daher bleiben, ob durch den angefochtenen Bescheid überhaupt in dieses Recht eingegriffen wird (vgl. VfSlg. 8409/1978).
4. Die Beschwerde war daher abzuweisen.
Schlagworte
Bodenreform, SiedlungswesenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1983:B228.1978Dokumentnummer
JFT_10169391_78B00228_00