TE Vfgh Beschluss 1983/6/9 B47/83, G4/83

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Veröffentlicht am 09.06.1983
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Index

98 Wohnbau
98/01 Wohnbauförderung

Norm

B-VG Art139 Abs1 / Individualantrag
B-VG Art144 Abs1 / Bescheid
Wohnhaus-WiederaufbauG §19 Abs2 idF BGBl 54/1967

Leitsatz

Wohnhaus-Wiederaufbaugesetz; kein Bescheidcharakter einer Kündigung gemäß §19 Abs2 lite; Individualantrag auf Aufhebung des §19 Abs2 lite - keine Legitimation, Zivilrechtsweg zur Bekämpfung der Kündigung zumutbar

Spruch

1. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

2. Der Antrag auf Aufhebung des §19 Abs2 lite des Wohnhaus-Wiederaufbaugesetzes BGBl. 130/1948 idF BGBl. 54/1967 wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. 1. 1. Nach dem Schreiben des Bundesministers für Bauten und Technik vom 16. Dezember 1982, W 3833/199-V-9/a/82, das dieser als Verwalter des Wohnhaus-Wiederaufbaufonds (Fonds) an die Beschwerdeführerin richtete, hat der Fonds mit Bewilligung vom 26. November 1957, W 3833/7-2-14S/57, für die Wiederherstellung des Hauses Wien 3., Löwengasse 1a, ein Darlehen ursprünglich in der Höhe von S 3,973.900,- zugesichert. Das Darlehen des Fonds wurde mit Bescheid vom 4. Juli 2960, W 3833/76-I-4/60 endgültig mit dem Betrag von S 3,815.010,- festgesetzt. Der Text der genannten Bescheide ist zugleich Text der Darlehensverträge. Der Darlehensbetrag ist durch Pfandrechte ob der Liegenschaft EZ 3946, KG Landstraße, sichergestellt. Die Beschwerdeführerin ist zu 147/3367 Anteilen Miteigentümerin dieser Liegenschaft. Mit diesen Liegenschaftsanteilen ist das Wohnungseigentum an der Top Nr. 10 untrennbar verbunden.

1.2. Mit dem oben angeführten Schreiben kündigte der Fonds der Beschwerdeführerin gemäß §19 Abs2 lite Wohnhaus-Wiederaufbaugesetz BGBl. 130/1948 idF BGBl. 54/1967 (WWG) von dem oben genannten Gesamtbetrag den auf ihre Liegenschaftsanteile entfallenden Darlehensbetrag in der Höhe von S 166.560,-. Nach Abzug der bis 30. Juni 1982 geleisteten anteiligen Tilgungsquoten von S 48.856,-

hafte noch ein Betrag von S 117.704,- unberichtigt aus. Unter Einhaltung der gesetzlichen vierteljährlichen Kündigungsfrist sei der letztgenannte Betrag bis spätestens binnen drei Monaten an den Fonds einzuzahlen.

In der Begründung wurde ausgeführt, daß nach Mitteilung der Beschwerdeführerin die genannte Eigentumswohnung von der Schwiegermutter ihres Sohnes bewohnt werde. Da eine ordnungsgemäße Benützung der Wohnung iS der angegebenen Gesetzesstelle nicht gegeben sei, sei die Kündigung auszusprechen gewesen.

1.3. Gegen die unter 1.2. angeführte Erledigung des Bundesministers für Bauten und Technik richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz wegen Anwendung der nach Ansicht der Beschwerdeführerin verfassungswidrigen Norm des §19 Abs2 lite WWG geltend gemacht und die Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens beantragt wird.

1.4. Für den Fall, daß der VfGH der Ansicht ist, die Erledigung des Bundesministers für Bauten und Technik vom 16. Dezember 1982 sei kein Bescheid, wird die "Beschwerde" auf Art140 Abs1 letzter Satz B-VG gestützt und die Aufhebung des §19 Abs2 lite WWG als verfassungswidrig beantragt.

II. 1. 1. Die Beschwerde gemäß Art144 Abs1 B-VG ist aus folgenden Erwägungen unzulässig:

1.2. Gemäß Art144 Abs1 B-VG erkennt der VfGH über Beschwerden gegen Bescheide der Verwaltungsbehörden. Daher ist zu prüfen, ob sich die vorliegende Beschwerde gegen einen Bescheid einer Verwaltungsbehörde richtet.

Die angefochtene Erledigung des Bundesministers für Bauten und Technik ist nicht in der äußeren Form eines Bescheides ergangen. Sie ist mit "Darlehenskündigung" überschrieben. Es fehlen die Bezeichnung als Bescheid und die Gliederung in Spruch, Begründung und Rechtsmittelbelehrung.

Diese Art der Erledigung entspricht der gegebenen Rechtslage. Gemäß §19 Abs1 WWG erwirbt der Bewerber durch den Bescheid, mit dem die Fondshilfe bewilligt wird, einen Anspruch auf Abschluß eines diesem Bundesgesetz entsprechenden Vertrages. Der Bescheid tritt mit Abschluß dieses Vertrages außer Wirksamkeit. Von diesem Zeitpunkt an liegt lediglich ein privatrechtlicher Darlehensvertrag vor. Dies geht auch aus §19 Abs2 WWG hervor: Solange nämlich der Darlehensvertrag nach Abs1 nicht abgeschlossen ist, muß bei Vorliegen der in der Folge (lita bis f) aufgezählten Tatbestände der Bewilligungsbescheid widerrufen werden. "Andernfalls", das heißt, wenn der Darlehensvertrag bereits abgeschlossen und der Bewilligungsbescheid damit kraft Gesetzes außer Wirksamkeit getreten ist, "ist das Darlehen" - bei Vorliegen der in §19 Abs2 lita bis f WWG normierten Tatbestände - "unter Beachtung einer vierteljährlichen Kündigungsfrist zur Rückzahlung zu kündigen" (vgl. auch VfSlg. 5665/1968).

Die Beschwerde war daher mangels der Zuständigkeit des VfGH zurückzuweisen.

Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lita VerfGG 1953 idF BGBl. 353/1981 ohne weiteres Verfahren und ohne vorangegangene Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

2.1. Auch der auf Art140 Abs1 letzter Satz B-VG gestützte Antrag auf Aufhebung des §19 Abs2 lite WWG ist unzulässig.

2.2. Gemäß Art140 Abs1 letzter Satz B-VG idF BGBl. 302/1975 erkennt der VfGH über Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Verfassungswidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern das Gesetz ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist.

Der VfGH hat seit dem Beschluß VfSlg. 8009/1977 in ständiger Rechtsprechung den Standpunkt vertreten, die Antragslegitimation nach Art140 Abs1 B-VG setze voraus, daß durch die bekämpfte Bestimmung die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt werden müssen und daß der durch Art140 Abs1 B-VG dem einzelnen eingeräumte Rechtsbehelf dazu bestimmt ist, Rechtsschutz gegen rechtswidrige generelle Normen nur insoweit zu gewähren, als ein anderer zumutbarer Weg hiefür nicht zur Verfügung steht (vgl. auch VfSlg. 9062/1981).

Die Antragstellerin begründet ihren Antrag damit, daß sie durch §19 Abs2 lite WWG im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt sei, weil aus §15 Abs9 WWG, wonach die mittels Fondshilfe wiederhergestellten Mietobjekte den Bestimmungen des Mietengesetzes unterliegen, die grundsätzliche Zulässigkeit der Vermietung von geförderten Wohnungen gefolgert werden könne, und die von ihr bekämpfte Bestimmung die Vermietung von Wohnungen, an denen Wohnungseigentum begründet sei, ausschließe. Darin liege eine unsachliche Differenzierung zwischen Eigentum einerseits und Wohnungseigentum andererseits.

Gemäß §19 Abs2 lite WWG hat der Fonds das Darlehen unter Beachtung einer vierteljährlichen Kündigungsfrist zur Rückzahlung zu kündigen, wenn an einer Wohnung Wohnungseigentum begründet wurde und die Wohnung nicht zur Befriedigung des Wohnbedürfnisses des Wohnungseigentümers, seines nahen Angehörigen iS des §19 Abs2 Z10 des Mietengesetzes oder seines Dienstnehmers regelmäßig verwendet wird, es sei denn, daß der Wohnungseigentümer wegen nachgewiesener Krankheit, zu Kur- oder Unterrichtszwecken oder aus zwingenden beruflichen Gründen abwesend ist.

Das Interesse der Antragstellerin ist dahin gerichtet, daß das ihr zugezählte Darlehen, das sie auf Grund eines Darlehensvertrages erhalten hat, nicht gekündigt wird. Unter Bedachtnahme auf die Sachlage ist der Antragstellerin zumutbar, die vom Fonds durch seinen Vertreter (§4 Abs2 WWG) ausgesprochene Kündigung des Darlehens zivilgerichtlich zu bekämpfen und in diesem Verfahren - vor dem Gericht der zweiten Rechtsstufe - verfassungsrechtliche Bedenken gegen die nach ihrer Ansicht präjudiziellen Bestimmungen des WWG mit der Anregung auf Stellung eines Gesetzesprüfungsantrages an den VfGH zu äußern.

Der Antrag ist daher mangels Legitimation der Antragstellerin zurückzuweisen.

Schlagworte

Bescheidbegriff, Privatwirtschaftsakt, VfGH / Individualantrag Wohnbauförderung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1983:B47.1983

Dokumentnummer

JFT_10169391_83B00047_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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