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66 SozialversicherungNorm
B-VG Art7 Abs1 / VerwaltungsaktLeitsatz
ASVG; keine Bedenken gegen §67 Abs4; keine denkunmögliche AnwendungSpruch
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
1. Mit Bescheid des Landeshauptmannes von OÖ wurde einem Einspruch der A. F. S. Ges. m. b. H. gegen den Bescheid vom 9. November 1977 keine Folge gegeben und ausgesprochen, daß die genannte Gesellschaft als Betriebsnachfolger der D. F. Ges. m. b. H. & Co. KG nach §67 Abs4 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG) verpflichtet ist, die von ihrem Betriebsvorgänger geschuldeten Sozialversicherungsbeiträge für die Zeit vom Mai 1976 bis 13. Feber 1977 von S 277.701,44 samt Verzugszinsen in Höhe von S 261.891,49 ds. 8,5 v. H. ab 14. Feber 1977 an die Oö. Gebietskrankenkasse für Arbeiter und Angestellte zu bezahlen.
2. Gegen diesen Bescheid wendet sich die auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde der A. F. S. Ges. m. b. H., in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Unversehrtheit des Eigentums und auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz behauptet und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.
Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde begehrt.
3. Der VfGH hat über die Beschwerde erwogen:
3.1. Gemäß §67 Abs4 ASVG haftet der Betriebsnachfolger für die Beiträge, die sein Vorgänger im Betrieb zu zahlen gehabt hätte, unbeschadet der fortdauernden Haftung des Vorgängers und unbeschadet der Haftung des Betriebsnachfolgers nach dem §1409 ABGB, für die Zeit von höchstens 12 Monaten, vom Tage des Erwerbes zurückgerechnet, im Falle einer Anfrage beim Versicherungsträger jedoch nur mit dem Betrag, der ihm als Rückstand ausgewiesen ist.
Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Bestimmung wurden von der Beschwerdeführerin nicht vorgebracht. Der VfGH hat die Regelung bereits mit Erk. VfSlg. 5369/1966 - aus der Sicht des damals anhängigen Beschwerdefalles - als unbedenklich erachtet; auch bei der Beratung des vorliegenden Falles sind Bedenken nicht entstanden.
3.2.1. Die Beschwerdeführerin bringt zur behaupteten Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums vor, daß eine Anwendung des §67 Abs4 ASVG die Nachfolge in einem Betrieb voraussetze, ein solcher Vorgang jedoch zu verneinen sei, wenn wie hier "nur ein geringer Bruchteil (fast ein Sechstel) der Arbeitnehmer des alten Betriebes neu angestellt" werden und wenn nur ein Teil der Maschinen des alten Betriebes "und zwar ein unwesentlicher Teil benutzt wird auf Grund eines Mietverhältnisses, wobei der Vermieter diese Maschinen zufällig aus dem Konkurs erworben hat". Im gegenständlichen Fall würden die Aktiva der vermeintlichen Vorgängerin durch den Masseverwalter im Wege der öffentlichen Versteigerung bereits gewinnbringend verwertet. Diese Betriebsmittel seien auch keineswegs als Gesamtsache iS des §302 ABGB aufzufassen, sodaß deren neuerliche Verwertung unter Berufung auf einen gesetzlichen Schuldbeitritt unzulässig sei. Ebensowenig könne zur Begründung herangezogen werden, daß Aktiva und Passiva zu Lasten von Gläubigern nicht zu trennen seien, da die Aktiva ja vom Masseverwalter verwertet werden. Der von der Beschwerdeführerin "erworbene Teil der bisherigen Betriebsmittel und die verbliebenen drei Arbeitnehmer der Firma D. F. Ges. m. b. H. & Co. KG" bildeten keine selbständige Einheit, was aber die Voraussetzung einer Nachfolgehaftung wäre. Entgegen der Annahme der belangten Behörde seien eben nicht "die ursprünglich im Eigentum der Vorgängerfirma befindlichen Maschinen" vom Ersteigerer B. an die Beschwerdeführerin vermietet worden, sondern lediglich ein ganz geringer Teil dieser Maschinen. Der Umstand, daß D. F. Geschäftsführer bei der vermeintlichen Vorgängerfirma gewesen sei und in dieser Eigenschaft auch für die Beschwerdeführerin tätig werde, sei unerheblich, da alles andere dazu führe, daß jeder Geschäftsführer eines in Konkurs gegangenen Betriebes "für alle Zeiten brotlos" werden würde, da man sich hüten müßte, einen solchen anzustellen.
3.2.2. Bei der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides würde dieser das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Unversehrtheit des Eigentums nur verletzen, wenn die Behörde das Gesetz in denkunmöglicher Weise angewendet hätte, ein Fall, der nur dann vorläge, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte, daß dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre (vgl. zB VfSlg. 8866/1980, 9047/1981).
Im angefochtenen Bescheid wird begründend ausgeführt, im gegenständlichen Fall stehe fest, daß die beschwerdeführende Firma in den bisherigen Räumen der Firma D. F. Ges. m. b. H. & Co. KG geführt werde. Wie sich aus den übereinstimmenden Angaben der Ehegatten F. ergebe, habe die Vorgängerfirma im gleichen Standort elf Räume benützt, von diesen stünden bei der beschwerdeführenden Gesellschaft sieben in Benützung. Die Vorgängerfirma habe zuletzt sechzehn Dienstnehmer beschäftigt, die beschwerdeführende Gesellschaft beschäftige zehn Dienstnehmer, hievon vier Dienstnehmer der Vorgängerfirma. Auch die schon vorhanden gewesenen Maschinen stünden tatsächlich weiter in Verwendung. Diese Maschinen seien von Herrn B. aus der Konkursmasse erworben und der Beschwerdeführerin vermietet worden. Es spiele dabei keine Rolle, daß die ursprünglich im Firmeneigentum gestandenen Maschinen nunmehr gemietet seien. Eines der wesentlichen Merkmale der Betriebsnachfolge, nämlich die Tatsache, daß der Gegenstand des Betriebes - Siebdruck und Graphik - beibehalten worden sei, wäre unbestritten; es habe lediglich früher der Siebdruck überwogen, derzeit überwiege die Graphik. Zwischen der Beendigung des Vorgängerbetriebes und der Wiederaufnahme der Arbeit durch die Beschwerdeführerin lägen nur einige Tage. Der Kundenstock habe sich zwar zum Teil verändert, was speziell in dieser Branche üblich sei; wichtige Großkunden seien jedoch übernommen worden. Zu berücksichtigen sei schließlich, daß D. F. Geschäftsführer sowohl bei der Vorgängerfirma als auch bei der Einspruchswerberin sei und daher die Chancen, speziellen Erfahrungen, Absatzmöglichkeiten und Gechäftsbeziehungen hinsichtlich des Kundenkreises identisch blieben. Im gegenständlichen Fall spreche gegen eine Betriebsnachfolge lediglich die Änderung des Umfanges des Betriebes und der Umstand, daß die Bezugsquellen des im Betrieb zur Verarbeitung benötigten Materials sich geändert hätten. Dies sei aber auch darauf zurückzuführen, daß wegen des Insolvenzverfahrens der Vorgängerfirma die Geschäftsbeziehungen mit Lieferanten aufgehört hätten und neue Lieferanten gesucht werden mußten. Nach der ständigen Spruchpraxis des VwGH sei als Betriebsnachfolger derjenige anzusehen, der einem anderen in der Führung des schon in Gang gesetzten Betriebes tatsächlich nachfolge. Betriebsidentität sei anzunehmen, wenn der übernommene Betrieb in den bisherigen Räumen mit denselben Arbeitnehmern, den vorhandenen Betriebsmitteln, unter Beibehaltung des bisherigen Betriebsgegenstandes, der Geschäftsbeziehungen, des Kundenstockes und der Absatzgelegenheiten fortgeführt werde, wobei nicht alle Merkmale der Betriebsidentität gegeben sein müßten.
Der VfGH kann nicht finden, daß die belangte Behörde in Anwendung des Gesetzes denkunmöglich vorgegangen ist. Das wird von der beschwerdeführenden Gesellschaft auch gar nicht behauptet, sie hält vielmehr den angefochtenen Bescheid für rechtsirrig, womit in Wahrheit eine einfach-gesetzliche Rechtswidrigkeit geltend gemacht wird, zu deren Prüfung der VfGH jedoch nicht berufen ist.
Die behauptete Verletzung des Grundrechtes auf Unversehrtheit des Eigentums zufolge denkunmöglicher Gesetzesanwendung liegt somit nicht vor.
3.3.1. Offensichtlich zum Nachweise einer gegen das Gleichheitsgebot verstoßenden Gesetzeshandhabung legt die Beschwerdeführerin einen Bescheid des Landeshauptmannes von OÖ vom 31. Mai 1978 vor, mit dem einem Einspruch gegen einen Bescheid der Oö. Gebietskrankenkasse, mit dem die Haftung der damaligen Einspruchswerberin als Betriebsnachfolgerin gemäß §67 Abs4 ASVG bejaht worden war, Folge gegeben und die Betriebsnachfolge nach der genannten Gesetzesstelle verneint wurde. Die Beschwerdeführerin verweist darauf, daß dieser Bescheid "sogar auf eine persönliche Intervention" zurückzuführen und über ausdrücklichen Wunsch des Landeshauptmannes so gefällt worden sein soll.
3.3.2. Hiezu genügt es auf die ständige Rechtsprechung des VfGH (vgl. zB VfSlg. 7836/1976) zu verweisen, wonach ein allfälliges Fehlverhalten der Behörde in anderen Fällen nicht das Recht auf ein gleiches Fehlverhalten der Behörde gibt. Daß die Behörde ihre Spruchpraxis aus unsachlichen Gründen geändert hätte, ist nicht behauptet worden und auch nicht hervorgekommen.
Eine Gleichheitsverletzung liegt somit nicht vor.
3.4. Die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte hat somit nicht stattgefunden.
Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß die Beschwerdeführerin in von ihr nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde. Die Beschwerde war daher abzuweisen. Da Kosten nicht verzeichnet wurden, hatte ein Zuspruch schon aus diesem Grunde zu entfallen.
Schlagworte
Sozialversicherung, Beitragspflicht (Sozialversicherung)European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1983:B114.1979Dokumentnummer
JFT_10169390_79B00114_00