TE Vfgh Erkenntnis 1983/6/11 B60/79

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Veröffentlicht am 11.06.1983
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Index

66 Sozialversicherung
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
B-VG Art130 Abs2
StGG Art5
GSPVG §61 Abs3 idF 5. Nov BGBl 14/1962
GSVG §115 Abs1 Z1
GSVG §115 Abs3

Beachte

ähnlich Erk. v. 11. Juni 1983, B523/79, zu §115 Abs3 GSVG idF BGBl. 560/1978

Leitsatz

GSPVG; keine denkunmögliche und keine willkürliche Anwendung des §61 Abs3

Spruch

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. Der Beschwerdeführer führte von 1935 bis 1977 ein Transportunternehmen und stellte am 20. April 1977 einen Antrag auf Gewährung der Alterspension, den er in der Folge in einen Antrag auf Gewährung einer Erwerbsunfähigkeitspension nach §73 GSPVG abänderte. Von den erforderlichen 60 Versicherungsmonaten im Zeitraum zwischen 1. September 1967 und 31. August 1977 hat der Beschwerdeführer nach §61 Abs1 Z1 GSPVG nur 15 Monate erworben; die Wartezeit wäre nur erfüllt, wenn die Entrichtung von Beiträgen für 40 Monate trotz Verspätung anerkannt würde (für den Rest können Beiträge nach §63 Abs1 GSPVG noch wirksam entrichtet werden).

Der Beschwerdeführer beantragte daher beim Bundesminister für soziale Verwaltung gemäß §61 Abs3 GSPVG die Anerkennung von Beiträgen als wirksam entrichtet mit der Begründung, er sei infolge längerer Krankheit und Umsatzrückganges nicht in der Lage gewesen, die Beiträge rechtzeitig zu entrichten. Er sei alleinstehend und verfüge über keinerlei Einkünfte und sehe einen Fall von besonderer Härte deshalb gegeben, weil die Wartezeit für die Alterspension bloß wegen der Verspätung bei der Beitragszahlung nicht erfüllt sei.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 5. Jänner 1979 gab der Bundesminister für soziale Verwaltung dem Antrag keine Folge. Von der Bestimmung des §61 Abs3 GSPVG solle - wie der VwGH ausgesprochen habe - nur soweit Gebrauch gemacht werden, als dies zur Schließung von Lücken im Versicherungsverlauf erforderlich sei. Hier gehe es um den Erwerb von 40 Beitragsmonaten (gegen erworbene 15), sodaß von der bloßen Schließung einer Lücke im Versicherungsverlauf nicht mehr die Rede sein könne. Die Behörde sehe sich daher trotz der Einkommensverhältnisse des Beschwerdeführers nicht in der Lage, von dem ihr zustehenden Ermessen antragsgemäß Gebrauch zu machen.

Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Unversehrtheit des Eigentums und auf Gleichheit vor dem Gesetz gerügt werden.

II. Die Beschwerde ist nicht begründet.

1. §61 Abs1 Z1 und Abs3 GSPVG, BGBl. 292/1957, lautete in der zuletzt maßgebend gewesenen Fassung der 20. Nov. BGBl. 288/1971 bzw. der 5. Nov. BGBl. 14/1962 - sie wurde zwar mit 1. Jänner 1979 (also unmittelbar vor Bescheiderlassung) durch §115 Abs1 Z1 und Abs3 GSVG, BGBl. 560/1978, abgelöst, hat dadurch aber inhaltlich keine Veränderung erfahren, sodaß sich eine Berichtigung der Gesetzeszitate erübrigt - folgendermaßen:

"(1) Als Beitragszeiten sind anzusehen:

1. Zeiten der Beitragspflicht, wenn die Beiträge innerhalb von zwei Jahren nach Ablauf des Kalendermonats, für den sie gelten sollen, wirksam ... entrichtet worden sind;"

...

"(3) In Fällen besonderer Härte kann das Bundesministerium für soziale Verwaltung auch Beiträge als wirksam entrichtet anerkennen, die für Zeiten nach Abs1 Z1 nach Ablauf des dort bezeichneten Zeitraumes entrichtet werden. Ein Fall besonderer Härte ist insbesondere dann anzunehmen, wenn dem Versicherten ansonst ein Nachteil in seinen versicherungsrechtlichen Verhältnissen erwächst, der unter Berücksichtigung seiner Familien- und Einkommensverhältnisse von wesentlicher Bedeutung ist, und der Versicherte seine Anmeldung zur Versicherung nicht vorsätzlich unterlassen hat."

Nach Ansicht der Beschwerde ist der im zweiten Satz des Abs3 umschriebene Sachverhalt jedenfalls als Härtefall zu werten. Die Ansicht des VwGH möge in generellen Härtefällen zutreffen, sei aber für Sachverhalte dieser Art gesetzwidrig und gerade in einer Zeit verfehlt, in der soziale Leistungen ständig im Zunehmen begriffen sind. Außerdem sei die Feststellung der belangten Behörde, die Beitragsleistungen seien rechtzeitig vorgeschrieben worden, aktenwidrig, weil die Vorschreibung, für welche das Vorliegen der Einkommensteuerbescheide erforderlich war, meist erst ein Jahr nach Fälligkeit erfolgt sei. Der Beschwerdeführer sei stets zahlungswillig gewesen und habe trotz erfolgloser Exekutionen unter Minimierung seiner Lebensbedürfnisse freiwillig gezahlt. Nun habe er 147 Monate Beiträge umsonst erbracht. Das sei einer verfassungswidrigen Enteignung gleichzuhalten. Es widerspreche Treu und Glauben, noch Beiträge zu fordern, obwohl keinerlei Gegenleistung erfolge, und es sei gleichheitswidrig, wenn manche Versicherte durch Anrechnung verspäteter Zahlungen in den Genuß von Leistungen kämen, andere jedoch ungeachtet erbrachter Beiträge keine Leistungen erhielten.

2. Der VwGH hat im Erk. Z 1482/64 vom 24. November 1964 unter Bezugnahme auf seine Judikatur zu einer vergleichbaren Bestimmung des ASVG zum Ausdruck gebracht, daß nach der Absicht des Gesetzgebers durch die Bestimmung des §61 Abs3 GSPVG nur die Möglichkeit der Schließung von Lücken im Versicherungsverlauf geschaffen werden sollte (der Beschwerdeführer dieses verwaltungsgerichtlichen Verfahrens hatte 26 Beitragsmonate erworben). Diese Auffassung hat der VwGH stets festgehalten (zusammenfassend zB Z 81/08/0033 v. 22. 5. 1981; wobei 30 Monate nicht als bloße Lücke beurteilt wurden). Daß sie mit dem zweiten Satz des §61 Abs3 GSPVG unvereinbar wäre, läßt sich nicht sagen. Ist nämlich vom Ermessen nur in dem vom VwGH angenommenen Sinn Gebrauch zu machen, dann ist auch die Berücksichtigung von Härtefällen nur in diesem Rahmen zulässig.

Der VfGH hegt unter dem Blickwinkel des vorliegenden Beschwerdefalles keine Bedenken gegen eine Bestimmung dieses Inhaltes. Es ist nicht unsachlich, wenn das Gesetz in Fällen verspäteter Beitragszahlung unter Bedachtnahme auf das Versicherungsprinzip die Nachsicht nur für einen im Verhältnis zu den erworbenen Beitragszeiten geringfügigen Zeitraum ermöglicht. Die Behörde hat daher weder ein verfassungswidriges Gesetz angewendet noch dem angewendeten Gesetz fälschlich einen verfassungswidrigen Inhalt unterstellt (vgl. auch VfSlg. 9139/1981 und - zu ähnlichen Vorschriften des ASVG - VfSlg. 8392/1978).

Unter diesen Umständen könnte eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit vor dem Gesetz nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH nur vorliegen, wenn die Behörde Willkür geübt hätte. Davon kann aber im vorliegenden Fall gleichfalls keine Rede sein. Auf Grund der in denkmöglicher Gesetzesauslegung gewonnenen Rechtsansicht konnte die Behörde den Antrag unter Abstandnahme von weiteren Ermittlungen abweisen, ohne sich dem Vorwurf der Willkür auszusetzen. Es erübrigt sich daher auch eine Erörterung der Frage, ob die Verweigerung der Anerkennung verspäteter Beiträge als wirksam entrichtet überhaupt in das Eigentumsrecht des Beschwerdeführers eingreift. Zu prüfen, ob die Behörde richtig entschieden hat, ist der VwGH berufen.

Da die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte offenkundig nicht vorliegt, rechtswidrige generelle Normen nicht angewendet wurden und auch die Verletzung anderer verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte nicht hervorgekommen ist, kann die Beschwerde ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung abgewiesen werden (§19 Abs4 Z1 VerfGG).

Schlagworte

Sozialversicherung, Pensionsversicherung, Ermessen, Leistungsvoraussetzungen (Sozialversicherung)

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1983:B60.1979

Dokumentnummer

JFT_10169389_79B00060_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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