TE Vfgh Erkenntnis 1983/6/13 B549/79, B310/81, B311/81, B312/81, B515/82

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Veröffentlicht am 13.06.1983
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Index

68 Invalideneinstellung, sonstiges Sozialrecht
68/01 Invalideneinstellung

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
StGG Art5
InvEG 1969 §9 Abs1 idF BGBl 96/1975
VfGG §20 Abs2

Leitsatz

Invalideneinstellungsgesetz; keine Bedenken gegen §9 Abs1; Ausgleichstaxe ist keine Abgabe; keine denkunmögliche und keine gleichheitswidrige Anwendung

Spruch

Die Beschwerden werden abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Dem Beschwerdeführer L. S. wurde mit Bescheiden des Landesinvalidenamtes für Wien, NÖ und Bgld. vom 24. Oktober 1977

a) gemäß §9 Abs1 Invalideneinstellungsgesetz 1969, BGBl. 22/1970 idF BGBl. 96/1975 (InvEinstG), wegen nur teilweiser Erfüllung der Beschäftigungspflicht nach §1 Abs1 InvEinstG für das Kalenderjahr 1976 die Entrichtung einer Ausgleichstaxe in der Höhe von S 45.500,-

und

b) gemäß §6 Z4 und 5 des Opferfürsorgegesetzes (OFG), BGBl. 183/1947 idF der Nov. BGBl. 93/1975 iVm §9 Abs1 InvEinstG, wegen Nichterfüllung der Beschäftigungspflicht für das Kalenderjahr 1976 die Entrichtung einer Ausgleichstaxe in der Höhe von S 4.200,-

vorgeschrieben.

Mit dem Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 18. Oktober 1979 wurden die gegen die angeführten Bescheide erhobenen Berufungen als unbegründet abgewiesen.

c) Gegen diesen Bescheid des Landeshauptmannes von Wien richtet sich die auf Art144 B-VG gestützte und unter B549/79 protokollierte Beschwerde.

2. a) Vom Landesinvalidenamt für Wien, NÖ und Bgld. wurden der S. Gesellschaft m. b. H & Co KG (Rechtsnachfolgerin des Beschwerdeführers nach Z1) gemäß §9 Abs1 InvEinstG Ausgleichstaxen für die Jahre 1977 (für dieses Jahr auch gemäß §6 Z4 OFG), 1978 und 1979 vorgeschrieben.

b) Die gegen diese Vorschreibungen von der genannten Gesellschaft erhobenen Berufungen hat der Landeshauptmann von Wien mit Bescheiden vom 24. April 1981 (die Vorschreibungen für die Jahre 1977 und 1978 betreffend) und mit Bescheid vom 27. April 1981 (die Vorschreibung für das Jahr 1979 betreffend) als unbegründet abgewiesen.

c) Gegen diese Bescheide richten sich die unter Berufung auf Art144 B-VG erhobenen, unter B310 - 312/81 protokollierten Beschwerden.

3. a) Mit dem Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 9. August 1982 wurde die von der genannten Gesellschaft erhobene Berufung gegen die mit Bescheid des Landesinvalidenamtes für Wien, NÖ und Bgld. vom 27. November 1981 erfolgte Berufung gegen die Vorschreibung einer Ausgleichstaxe für das Kalenderjahr 1980 als unbegründet abgewiesen.

b) Gegen diesen Bescheid des Landeshauptmannes von Wien richtet sich die unter Berufung auf Art144 B-VG erhobene, unter B515/82 protokollierte Beschwerde.

4. In allen angeführten Beschwerden wird geltend gemacht, daß die Beschwerdeführer durch die angefochtenen Bescheide in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Unversehrtheit des Eigentums und auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden seien.

Es wird die kostenpflichtige Aufhebung der angefochtenen Bescheide beantragt.

Die belangte Behörde hat in den Beschwerdeverfahren Gegenschriften erstattet und die Abweisung der Beschwerden beantragt.

Zur Frage des Verhältnisses der Zahl der zu begünstigenden Invaliden zu der für ihre Einstellung zu schaffenden Zahl der Arbeitsplätze hat der VfGH vom Österreichischen Statistischen Zentralamt statistische Unterlagen und eine Stellungnahme des Bundesministers für soziale Verwaltung eingeholt.

II. Der VfGH hat erwogen:

1. Nach §19a Abs1 InvEinstG entscheidet über Berufungen gegen Bescheide des Landesinvalidenamtes in Durchführung des genannten Bundesgesetzes der Landeshauptmann. Gegen seine Entscheidung ist eine weitere Berufung unzulässig. Damit ist der Instanzenzug erschöpft; die Beschwerden sind, da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen gegeben sind, zulässig.

2. Das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde nur dann verletzt werden, wenn dieser auf einer mit dem Gleichheitsgebot in Widerspruch stehenden Rechtsvorschrift beruht, wenn die Behörde den bei seiner Erlassung angewendeten Rechtsvorschriften fälschlich einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie Willkür geübt hat (vgl. VfSlg. 8341/1978).

Das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Unversehrtheit des Eigentums kann durch einen in das Eigentum eingreifenden Bescheid nur dann verletzt werden, wenn dieser auf einer verfassungswidrigen Rechtsgrundlage beruht oder wenn er gesetzlos ist, wobei die denkunmögliche Anwendung eines Gesetzes als Gesetzlosigkeit angesehen wird (vgl. VfSlg. 8293/1978).

3. Die Beschwerdeführer begründen die behauptete Verletzung der angeführten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte ausschließlich damit, daß §9 Abs1 InvEinstG verfassungswidrig sei. Sie verweisen auf das Erk. VfSlg. 8337/1978, in dem folgendes ausgeführt wird:

"Daß die Zahl der zu begünstigenden Invaliden außer jedem Verhältnis zur Zahl der durch die Beschäftigungspflicht geschaffenen Arbeitsplätze steht und die Belastung der Dienstgeber mit der Ausgleichstaxe bei der Nichterfüllung der Beschäftigungspflicht wegen dieses Mißverhältnisses sachlich nicht gerechtfertigt sei, ist von der Bf. nicht behauptet worden."

Es lasse sich "statistisch aber nachweisen, daß ein solches krasses Mißverhältnis zwischen der Zahl der zu begünstigten" (richtig: zu begünstigenden) "Invaliden zur Zahl der durch die Beschäftigungspflicht geschaffenen Arbeitsplätze" bestehe. Zum Nachweis hiefür werde "auf die Erläuterungen der Kammer der gewerblichen Wirtschaft zum BGBl. 1979/111" hingewiesen. Darin heiße es, daß vom Schutz des InvEinstG insgesamt 53.715 Behinderte erfaßt würden. Unter diesen befänden sich auch solche, die infolge der Schwere ihrer Behinderung in der freien Wirtschaft überhaupt nicht untergebracht werden könnten, für die also spezielle geschützte Werkstätten geschaffen werden müßten. Dies werde deshalb hervorgehoben, da hiedurch die oben angeführte Zahl von 53.715 Behinderten noch um eine entsprechende Zahl überhaupt in der freien Wirtschaft nicht unterbringbarer Behinderter vermindert werden müßte, um zu einer richtigen Verhältniszahl iS der obigen Ausführungen zu gelangen. Die oben zitierte Zahl der Behinderten sei weiters um jene Behinderten zu mindern, die bereits in wirtschaftliche Erwerbsprozesse ordnungsgemäß eingegliedert worden seien, wozu nicht nur diese unselbständigen, sondern auch die selbständigen Behinderten zu zählen seien, weiters um Personen, insbesondere Frauen, die im Haushalt tätig seien. Eine weitere Minderung müsse diese Zahl um jene arbeitsunwilligen Personen erfahren, die eine Vermittlung überhaupt nicht anstrebten.

In den angeführten Erläuterungen heiße es aber dann, daß "... von rund 150.000 offenen Jahrespflichtstellen auszugehen wäre".

Hiedurch werde das oben angeführte Mißverhältnis deutlich, wobei darauf zu verweisen sei, daß eine Beseitigung dieses Mißverhältnisses durch Verordnung des Bundesministers für soziale Verwaltung infolge der Beschränkung der Verordnungsermächtigung iS des §1 Abs2 InvEinstG nicht möglich wäre.

Die tatsächlichen Verhältnisse zeigten also auf, "daß es weitgehendst von sachlich keinesfalls gerechtfertigten Kriterien abhängig" sei, "sondern weitgehendst vom Zufall, inwiefern sich ein Dienstgeber der Entrichtung einer Ausgleichsabgabe gemäß §9" InvEinstG entziehen könne. Dies deshalb, weil trotz nachweisbarer Anforderung von Invaliden beim Arbeitsamt, auf Grund der oben angeführten statistischen Gründe nur in den seltensten Fällen eine Zuweisung erfolgen könne. Erfolge eine Zuweisung, so müsse dies als ausgesprochener Zufall bezeichnet werden. Eine Anknüpfung einer Ausgleichsabgabe an ein rein zufälliges Kriterium müsse als sachlich nicht gerechtfertigte Unterscheidung jener Dienstgeber angesehen werden, "denen es eben glückt, eine Einstellung von Invaliden zu erzielen, gegenüber solchen, denen dies trotz Anforderung nicht glückt".

Unter Hinweis auf die nach dem Erk. VfSlg. 8337/1978 gemäß der Verfassungsbestimmung des ArtI InvEinstG dem Bundesgesetzgeber eingeräumte Zuständigkeit wird sodann ausgeführt, daß sich aus dem aufgezeigten Mißverhältnis nicht nur eine Gleichheitswidrigkeit des Gesetzes, sondern darüber hinaus eine Überschreitung der dem Bundesgesetzgeber zukommenden Zuständigkeit ergebe, weshalb auch unter diesem Gesichtspunkt eine Verfassungswidrigkeit des §9 Abs1 EinstG anzunehmen sei.

4. Zu den Beschwerdevorbringen hat der Bundesminister für soziale Verwaltung auf Aufforderung des VfGH wie folgt Stellung genommen:

"Nach den statistischen Aufzeichnungen des Bundesministeriums für soziale Verwaltung ('Amtliche Nachrichten' des BMS und des BM für Gesundheit und Umweltschutz, Heft Nr. 3/1982, Tabellen 2.21 und 2.22, Seite 194/195) waren per Ende Feber 1982 ingesamt 10.116 Personen wegen körperlicher oder geistiger Behinderung als nur bedingt vermittlungsgeeignete Arbeitslose vorgemerkt. Hiezu kommt noch die Zahl jener Arbeitslosen, die zwar Behinderungen aufweisen, diese Behinderungen aber kein unmittelbares 'Vermittlungshindernis' darstellen (wie z. B. Gehbehinderte in Büroberufen oder sonstigen überwiegend im Sitzen auszuübenden Berufen), ferner die Zahl jener Behinderten, die nicht im Bezug von Arbeitslosengeld (bzw. Notstandshilfe) stehen, aber eine Beschäftigung anstreben; dies sind insbesondere die jährlich von den Sonderschulen abgehenden jugendlichen Behinderten.

Über die Zahl der jährlich neu auf den Arbeitsmarkt kommenden Behinderten liegen keine genauen Statistiken vor, was durch die unterschiedlichen Kompetenzen im Behindertenwesen bedingt ist. So befanden sich laut dem im Jahre 1978 vom Statistischen Zentralamt erhobenen Mikrozensus von den rund 900.000 ermittelten Behinderten rund die Hälfte im berufsfähigen Alter, nur rund 264.000 waren davon berufstätig. Von den ca. 190.000 als 'ständig behindert' Bezeichneten im erwerbsfähigen Alter (d. s. Behinderte mit starken oder vollkommenen Leistungseinschränkungen) waren ca. 82.000 tatsächlich erwerbstätig. Der Anteil an der Arbeitslosenquote dieser 'ständig stark' Behinderten erhöhte sich bei den Männern in den Jahren 1975 bis 1980 (Sommerwerte) von 39% auf 51%.

Auch in den Erl. zur RV betr. die Nov. zum Invalideneinstellungsgesetz 1969 vom 23. Feber 1979, BGBl. Nr. 111, (Nr. 1158 der BlgNR XIV. GP), wird darauf hingewiesen, daß es dem zuletzt erhobenen Mikrozensus zufolge zweifellos noch eine beträchtliche Zahl von Schwerbehinderten gibt, die die Begünstigungen dieses Gesetzes bisher nicht in Anspruch genommen haben.

Die mit der Durchführung des Invalideneinstellungsgesetzes betrauten Landesinvalidenämter sowie die gesetzlichen Interessenvertretungen sind bemüht, durch Intensivierung der Informationstätigkeit die 'bestehende Dunkelziffer' zu verringern. Dies zeigt auch in den letzten Jahren ein beträchtliches Ansteigen der Zahl der Zivilbehinderten.

Daß somit im abgeschlossenen Ausgleichstaxenberechnungsjahr 1980 von insgesamt 37.658 Pflichtstellen im Statistikmonat August 1980 insgesamt 16.359 Pflichtplätze nicht besetzt waren, ist nicht überwiegend auf das 'Nichtvorhandensein' von geeigneten Behinderten, sondern bedauerlicherweise unter anderem auch auf den Umstand zurückzuführen, daß Pflichtplätze, die mit aus dem Erwerbsleben ausscheidenden Kriegsbeschädigten besetzt waren, nicht im wünschenswerten Ausmaß durch nachdrängende Zivilbehinderte besetzt wurden, obwohl durch laufende Novellierungen zusätzliche finanzielle Anreize für die Arbeitgeber geschaffen werden und solche Arbeitskräfte dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen.

Nicht stichhältig ist damit der Einwand der Beschwerdeführer, daß die Zahl der dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehenden Behinderten im krassen Mißverhältnis zur Zahl der Pflichtplätze stünde. Im übrigen schwankt die Zahl der Pflichtstellen - je nach Anzahl der Gesamtbeschäftigten in Österreich - nur geringfügig (1975: 36.650, 1980: 37.658). Die vom Beschwerdeführer genannte Zahl von 150.000 Pflichtstellen kann nur auf einen Irrtum zurückzuführen sein, der statistisch nicht belegt werden kann. Offensichtlich verwechselten die Beschwerdeführer die auf den Monat abgestellten Jahrespflichtstellen, die als durchschnittliche Berechnungsgrundlage für das jährliche finanzielle Aufkommen der Betriebe an Ausgleichstaxen dienen, mit den offenen Pflichtplätzen. (Vgl. Erl. der RV 1158 der BlgNR XIV. GP.)

Ferner kann dem Argument der Beschwerdeführer - die dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehenden Behinderten seien so schwer behindert, daß sie nur in geschützten Werkstätten beschäftigt werden könnten - insofern nicht beigepflichtet werden, als nach den Erhebungen der Arbeitsmarktverwaltung nur ein Bedarf von ca. 1000 Arbeitsplätzen in geschützten Werkstätten im Bundesgebiet benötigt würden, alle übrigen Behinderten könnten durchaus in den freien Arbeitsmarkt eingegliedert werden."

5. Der VfGH hat im Erk. VfSlg. 8337/1978 unter Hinweis auf das Erk. VfSlg. 5997/1969 ausgeführt, daß die Tendenz des InvEinstG dahin geht, zunächst die im öffentlichen Interesse liegende Wiedereingliederung der Invaliden in das normale Berufsleben zu fördern, Zuschüsse für Investitionen zur Erleichterung der Beschäftigung eingestellter oder einzustellender Invalider zu gewähren und schließlich sonstige Fürsorgemaßnahmen zu treffen.

Für die berufliche Wiedereingliederung ist - wie nicht näher begründet zu werden braucht - das Vorhandensein von Beschäftigungsmöglichkeiten (Arbeitsplätzen) Voraussetzung. Zur Erreichung dieses Zieles ist vom Gesetzgeber die Beschäftigungspflicht der Dienstgeber festgelegt worden. Auch die Durchführung der sonstigen Maßnahmen (insbesondere die mit Hilfe der Geldmittel des Ausgleichstaxfonds ermöglichte Gewährung von Zuschüssen und die Vornahme sonstiger Investitionen) hat das Vorhandensein von Arbeitsplätzen für die Beschäftigung von Invaliden zur Voraussetzung.

Zur Funktion der Ausgleichstaxe hat der VfGH im angeführten Erk. ausgeführt, daß sie an die Stelle der wirtschaftlichen Belastung tritt, die mit der Erfüllung der (primären) Beschäftigungspflicht verbunden ist, die aber entfällt, wenn diese nicht erfüllt wird. Der Entfall dieser wirtschaftlichen Belastung wird durch die Erbringung einer Geldleistung in Form der Ausgleichstaxe ausgeglichen. Dieser Ausgleich ist nach der nunmehrigen Fassung des §9 Abs1 InvEinstG für alle Fälle der Nichterfüllung der Beschäftigungspflicht vorgesehen, somit nicht nur, wenn sie nach dem Willen des einstellungspflichtigen Dienstgebers nicht erfüllt wird, sondern auch aus anderen Gründen, etwa auf Grund der Entfernung zwischen dem Ort der Betriebsstätte des einstellungspflichtigen Dienstgebers und dem Wohnort der für eine Einstellung in Betracht kommenden Invaliden nicht erfüllt werden kann.

Die Regelung, nach der alle - zunächst in gleicher Weise primär mit der Beschäftigungspflicht belasteten - Dienstgeber verpflichtet werden, im Falle der Nichterfüllung der Beschäftigungspflicht anstelle der mit ihrer Erfüllung verbundenen wirtschaftlichen Belastung eine Geldleistung zu erbringen, ist nicht unsachlich.

Aus den in der Beschwerde wiedergegebenen Ausführungen (II.3.) des Erk. 8337/1978 geht aber hervor, daß der VfGH einen Verstoß der Regelung des §9 Abs1 InvEinstG gegen das Gleichheitsgebot dann nicht ausgeschlossen hätte, wenn die Zahl der zu begünstigenden Invaliden zu der Zahl der für ihre Einstellung zu schaffenden Arbeitsplätze außer jedem Verhältnis stünde und daß wegen dieses Mißverhältnisses die Belastung der Dienstgeber mit der Ausgleichstaxe bei der Nichterfüllung der Beschäftigungspflicht sachlich nicht gerechtfertigt sein könnte. Nach diesen Ausführungen des VfGH könnte ein solcher Verstoß gegen das Gleichheitsgebot aber nur dann vorliegen, wenn das Verhältnis zwischen der Zahl der zu begünstigenden Invaliden zu der Zahl der für ihre Einstellung zu schaffenden Arbeitsplätze als Fall eines Exzesses angesehen werden müßte. Von einem solchen exzessiven Verhältnis zwischen der Zahl der zu beschäftigenden Invaliden zu der Zahl der für ihre Einstellung zu schaffenden Arbeitsplätze könnte dann gesprochen werden, wenn die Zahl dieser Arbeitsplätze eine mit der Grundtendenz der Invalideneinstellung, nämlich der beruflichen Wiedereingliederung der Invaliden in das normale Berufsleben, eine nicht mehr im Zusammenhang stehende Höhe erreichte. Dadurch würde bewirkt, daß wegen der niedrigen Zahl der für eine Einstellung in Betracht kommenden Invaliden im Verhältnis zu einer hohen Zahl an Pflichtarbeitsplätzen von einer Erfüllung einer primären Beschäftigungspflicht nicht mehr gesprochen werden könnte, sodaß der durch die Nichterfüllung der Beschäftigungspflicht entstehenden Verpflichtung zur Entrichtung der Ausgleichstaxe nicht mehr die Funktion eines Ausgleiches für die mit der Beschäftigung von Invaliden verbundenen wirtschaftlichen Belastungen zukäme. Die Ausgleichstaxe würde primär vielmehr dem Zweck der Aufbringung von Geldmitteln, losgelöst von der Verpflichtung zur Beschäftigung von Invaliden, dienen.

Bei der Beurteilung des Verhältnisses zwischen der Zahl der zu begünstigenden Invaliden und der Zahl der Arbeitsplätze gehen die Beschwerdeführer von einem - um eine bestimmte Anzahl behinderter Personen zu vermindernden - Zahlenwert von 53.715 Invaliden aus, denen ihrer Auffassung nach 150.000 Pflichtplätze gegenüberstünden.

Der VfGH kann es dahingestellt sein lassen, ob die von den Beschwerdeführern angeführten Zahlenangaben den tatsächlichen Verhältnissen entsprechen oder ob sie - wie der Bundesminister für soziale Verwaltung in seiner Stellungnahme ausführt (II.4.) - auf einem Irrtum beruhen; denn selbst dann, wenn von den von den Beschwerdeführern angegebenen Zahlen ausgegangen wird, könnte das Verhältnis zwischen der Zahl der zu begünstigenden Invaliden zu der Zahl der Pflichtarbeitsplätze noch nicht als völlig außerhalb der Grundtendenz der Invalideneinstellung liegend beurteilt werden. Es kann damit keinesfalls als so exzessiv angesehen werden, daß dadurch bewirkt würde, daß der Ausgleichstaxe nicht mehr die Funktion eines Ausgleiches für die mit der Beschäftigung von Invaliden verbundenen wirtschaftlichen Belastungen zukäme. Dies insbesondere deshalb, weil für die Beurteilung der Zahlenwerte eine Durchschnittsbetrachtung im ganzen Bundesgebiet maßgeblich ist und regionale Unterschiedlichkeiten nicht zu berücksichtigen sind.

Daraus ergibt sich, daß der Vorwurf einer Unsachlichkeit der in §9 Abs1 InvEinstG getroffenen Regelung über die Verpflichtung zur Entrichtung der Ausgleichstaxe selbst dann, wenn die von den Beschwerdeführern gegen die von ihnen angenommenen Zahlenwerte vorgebrachten Bedenken in Rechnung gestellt werden, nicht begründet ist.

Da nach den vorherigen Ausführungen eine Änderung in der Funktion der Ausgleichstaxe nicht eingetreten ist, braucht zur Widerlegung des Vorbringens der Beschwerdeführer, daß der einfache Bundesgesetzgeber bei der Regelung des §9 Abs1 InvEinstG die ihm durch die Verfassungsbestimmung des ArtI des genannten Gesetzes eingeräumte Zuständigkeit überschritten habe, nur auf die Ausführungen im Erk. VfSlg. 8337/1978 verwiesen werden, nach denen eine Verfassungswidrigkeit des §9 Abs1 InvEinstG wegen einer Überschreitung der dem Bundesgesetzgeber zukommenden Zuständigkeit nicht gegeben ist.

Sonstige Gründe, die den VfGH veranlassen könnten, von dieser Auffassung abzugehen, sind weder in der Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem VfGH hervorgekommen.

Unter dem Gesichtspunkt der vorliegenden Beschwerdefälle bestehen gegen die Verfassungsmäßigkeit weder des §9 Abs1 InvEinstG noch der sonstigen bei der Erlassung der angefochtenen Bescheide angewendeten Rechtsvorschriften Bedenken.

6. a) In der zu B515/82 protokollierten Beschwerde wird überdies vorgebracht, daß "bei der gegenwärtigen Gesetzeslage ... der mit einer Ausgleichstaxe belastete Dienstnehmer" (richtig: Dienstgeber) "keinerlei Möglichkeit" habe, "bei willkürlicher Anwendung des Gesetzes, etwa in der Richtung, daß, obgleich das Arbeitsamt ausreichend Möglichkeiten hätte einer Anforderung von Invaliden zu entsprechen," einer solchen nicht entsprochen wird, "die Vorschreibung der Ausgleichstaxe erfolgreich zu bekämpfen". Das Gesetz müsse so weitgehend determiniert sein, daß der betroffene Dienstgeber auch in der Lage sei zu überprüfen, ob nicht durch eine willkürliche Anwendung desselben von einer Vorschreibung einer Ausgleichstaxe iS des Gesetzes nicht mehr gesprochen werden könne und es sich im Einzelfall um eine Einhebung einer Steuer handle, die eben mit dem Sinn des Gesetzes nicht in Einklang zu bringen sei.

b) Zu diesem Vorbringen ist zu bemerken, daß nach dem Gesetz - wie in Z5 ausgeführt - die Ausgleichstaxe an die Stelle der mit der Erfüllung der Beschäftigungspflicht verbundenen wirtschaftlichen Belastung tritt. Der Dienstgeber hat die mit der Einstellung eines Invaliden typischerweise verbundenen Belastungen auch dann zu tragen, wenn ihn an der Nichterfüllung der Beschäftigungspflicht kein Verschulden trifft. Im übrigen obliegt die Erfüllung der Beschäftigungspflicht dem Dienstgeber, sodaß die Frage, ob ihm vom Arbeitsamt Invalide zur Einstellung zugewiesen werden oder nicht, irrelevant ist.

Die Behauptung der Beschwerdeführer, daß die Ausgleichstaxe im Einzelfall zur Abgabe werden könnte, beruht allein schon deshalb auf einer unrichtigen Annahme, weil der Ausgleichstaxe die Qualifikation einer Abgabe nicht zukommt.

7. Daß bei der Erlassung der angefochtenen Bescheide durch ein Verhalten der belangten Behörde eine Verletzung des Gleichheitsrechtes oder eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums durch eine denkunmögliche Gesetzesanwendung bewirkt worden wäre, ist von den Beschwerdeführern nicht behauptet worden.

Im Verfahren vor dem VfGH haben sich Anhaltspunkte dafür, daß die Beschwerdeführer in den angeführten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt worden wären, nicht ergeben. Auch ist nicht hervorgekommen, daß die Beschwerdeführer durch die angefochtenen Bescheide in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten, deren Verletzung von ihnen nicht geltend gemacht wurde, verletzt worden wären. Bei der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der Rechtsgrundlagen der angefochtenen Bescheide sind die Beschwerdeführer auch nicht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.

Die Beschwerden waren daher abzuweisen.

Schlagworte

Abgabenbegriff, Invalideneinstellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1983:B549.1979

Dokumentnummer

JFT_10169387_79B00549_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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