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10/07 VerwaltungsgerichtshofNorm
ABGB §1332;Rechtssatz
Eine "analoge" Anwendung der Anforderungen an die Kanzleiorganisation eines Rechtsanwaltes auf die Deserteurs- und Flüchtlingsberatung kann nicht zur Gänze erfolgen. Zwar trifft es zu, dass jemand, der - wenngleich ehrenamtlich - professionelle Vertretungshandlungen vornimmt, die erforderlichen organisatorischen Vorkehrungen zu treffen hat (Hinweis E 12. September 1996, 95/20/0126; E 10. Oktober 1996, 95/20/0659). An das Ausmaß der Professionalität können bei Einrichtungen wie der hier betroffenen aber nicht die gleichen Anforderungen gestellt werden wie bei einem Rechtsanwalt. Würde man die ehrenamtlichen Mitarbeiter einer solchen Einrichtung an einem Maßstab messen, dem sie - ungeachtet eines allenfalls abgeschlossenen Jusstudiums - mangels Berufsausbildung zum Rechtsanwalt und ohne die damit verbundenen Kenntnisse und Erfahrungen nicht gerecht werden können, so würde ihre Tätigkeit von vornherein als sorgfaltswidrig eingestuft. Für den vorliegenden Fall folgt daraus nicht, dass der vom Asylwerber bevollmächtigten Mitarbeiterin der Deserteurs- und Flüchtlingsberatung - um deren persönliches, dem Asylwerber zurechenbares Verschulden es nur gehen kann - kein Sorgfaltsverstoß zur Last liegen würde. In der Gewichtung des Umstandes, dass sie die Gefährlichkeit der in der Beratungseinrichtung bis dahin eingehaltenen Vorgangsweise bis zu dem Vorfall mit dem Akt des Asylwerbers nicht erkannt hatte, ergibt sich aus der Abstandnahme von einer vollständigen Übertragung der Anforderungen an die Organisation des Kanzleibetriebes durch einen Rechtsanwalt aber ein das Ausmaß der Abweichung von der geschuldeten Sorgfalt betreffender Unterschied, der die Annahme eines minderen Grades des Versehens zulässt.
Schlagworte
Besondere RechtsgebieteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2006:2005200646.X03Im RIS seit
05.04.2006Zuletzt aktualisiert am
07.10.2008