TE Vfgh Erkenntnis 1983/6/18 B113/80

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Veröffentlicht am 18.06.1983
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Index

L5 Kulturrecht
L5500 Baumschutz, Landschaftsschutz, Naturschutz

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
B-VG Art18 Abs2
Stmk NaturschutzG 1976 §1 Abs2 lita
Stmk NaturschutzG 1976 §5
Stmk NaturschutzG 1976 §13
Stmk JagdG 1954 §51ff

Leitsatz

Stmk. Naturschutzgesetz 1976; keine Bedenken gegen die Verordnung der BH Leibnitz vom 26. Mai 1978 betreffend die Erklärung eines Gebietes zum Naturschutzgebiet; keine gleichheitswidrige Anwendung

Spruch

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. §5 des Stmk. Naturschutzgesetzes 1976, LGBl. 65 (hier künftig: NSchG) sieht als besondere Schutzmaßnahme vor, daß

"Gebiete, die wegen ihrer weitgehenden Ursprünglichkeit, der besonderen Vielfalt ihrer Tier- und Pflanzenwelt, wegen seltener oder gefährdeter Tier- und Pflanzenarten einschließlich ihrer Lebensgrundlagen, insbesondere aus naturwissenschaftlichen Gründen erhaltungswürdig sind,"

durch Verordnung zu Naturschutzgebieten erklärt werden (Abs1).

Gestützt auf diese Gesetzesstelle hat der Bezirkshauptmann von Leibnitz mit Verordnung vom 26. Mai 1978, 6 V 2-1977, Grazer Zeitung - Amtsblatt vom 22. Dezember 1978, Seite 547,

"das Gebiet zwischen der Murbrücke in Bachsdorf und dem Murkraftwerk in Gralla ... zwecks Sicherung dieses Bereiches als Überwinterungs-, Brut- und Rastplatz für Zug- und Wasservögel in dem in der Anlage festgelegten Ausmaß zum Naturschutzgebiet (Vogelschutzgebiet) erklärt".

Zur Vermeidung einer Beunruhigung oder Gefährdung der Zug- und Wasservögel verbietet die Verordnung unter anderem die Ausübung der Jagd (§2 lita), das Betreten der Uferböschungen (litc), das Befahren der Mur mit Wasserfahrzeugen aller Art (lite) und das Befahren des Fahrweges am östlichen Ufer der Mur mit Motorfahrzeugen aller Art (litf). Ausnahmen von einzelnen Verboten sind insbesondere für Zwecke des Kraftwerks, der Landesfeuerwehrschule, des Bundesheeres und der Fischerei sowie der Land- und Forstwirtschaft ausgesprochen. Die Bewilligung weiterer Ausnahmen ist unter der Voraussetzung zugelassen, daß der Eingriff dem Zweck des Schutzes nicht widerspricht (§3).

In der Anlage umschreibt die Verordnung das Naturschutzgebiet wie folgt näher:

"Das Naturschutzgebiet liegt in den Gemeinden Lebring-St. Margarethen und Gralla und umfaßt die Wasserfläche des Murstausees zwischen der Bachsdorfer Brücke und dem Kraftwerk Gralla einschließlich der beiderseitigen Uferbereiche innerhalb nachstehender Begrenzung; ausgehend vom östlichen Ende der Bachsdorfer Brücke verläuft die Grenze senkrecht zum Ufer bis zu dem entlang des östlichen Ufers des Stausees in Richtung Südosten führenden Fahrweg, überquert diesen, zieht an dessen Ostrand bis zum Beginn des Dammes und verläuft von dort entlang des der Mur abgekehrten Dammfußes bis auf die Höhe der Staumauer des Kraftwerkes Gralla; nach deren Überquerung verläuft die Grenze entlang des der Mur abgekehrten Fußes des westlichen Dammes in allgemein nordwestlicher Richtung bis zu dessen Ende, von dort in gleichbleibendem Abstand zur Mur bis zur Auffahrt der Bachsdorfer Brücke und diese überquerend zum Ausgangspunkt zurück."

Vor Erlassung der Verordnung war 1968 ein Ermittlungsverfahren eingeleitet worden, das bereits 1974 zu einem Verordnungsentwurf geführt hatte, dessen Verbote zur einstweiligen Sicherstellung des geplanten Naturschutzgebietes iS des §17 Abs3 des ReichsnaturschutzG (RGBl. 1935 I 821, GBlÖ 245/1939) bescheidmäßig angeordnet worden waren.

Zu dem im Entwurf der Verordnung von 1978 vorgesehenen generellen Jagdverbot hatte die für Jagdangelegenheiten zuständige Abteilung der Landesregierung folgende Bedenken geäußert:

"Dieses Vorhaben erscheint ha. unverständlich, da die Ausübung der Jagd ohnedies nur innerhalb der alljährlich von der Landesregierung festgesetzten, auf die biologischen Notwendigkeiten Bedacht nehmenden Schußzeiten möglich ist. Abgesehen davon, wird ha. die Auffassung vertreten, daß zumindest für Schalenwild ein öffentliches Interesse an einer dem Pflichtabschußplan entsprechenden Jagdausübung besteht, da der Abschußplan nicht nur der Erhaltung eines artenreichen Wildstandes dient, sondern auch das wirksamste Instrument zur Hintanhaltung von Wildschäden darstellt. Würde daher die zitierte Verordnung in ihrer Entwurfsfassung kundgemacht, so könnte keinesfalls die örtliche Jägerschaft für allfällige durch jagdbare Tiere verursachte Wildschäden haftbar gemacht werden. Die Verordnung würde darüber hinaus aber auch in den angrenzenden Jagdgebieten schwerwiegende Beeinträchtigungen des Jagdbetriebes mit sich bringen, da z.B. auch die Nachsuche nach angeschweißtem in das betreffende Gebiet flüchtendem Wild sowie das Anbringen eines Fangschusses verboten wäre. Das angeschweißte Stück Wild wäre daher einem qualvollen Verenden ausgesetzt, was gerade durch die Naturschutzbehörde nicht toleriert geschweige denn verursacht werden dürfte.

Ein weiteres Problem wird sich ergeben, wenn das Auftreten von Wildkrankheiten, wie z.B. der Tollwut, eine Reduktion der Füchse, Dachse u.dgl. unerläßlich macht.

Abgesehen von den bereits im Anhörungsverfahren geäußerten ha. Bedenken muß nochmals mit Nachdruck die Auffassung vertreten werden, daß eine weidmännische Jagdausübung (die auch die Hege zu umfassen hat) sicherlich nicht so störende Einflüsse haben kann, wie Übungen des Bundesheeres, Fahrten der Feuerwehrschule und die vom Verbot ausgenommenen Verwendungen von Motorfahrzeugen, da sich all diese Aktivitäten zum Unterschied zur Jagd unregelmäßig und nicht unter Bedachtnahme auf biologische Notwendigkeiten abwickeln."

Demgegenüber war die verordnungsgebende Behörde der Ansicht, die Erhebungen rechtfertigten ihren Standpunkt hinsichtlich des Jagdverbotes.

2. Der Beschwerdeführer ist Pächter des Gemeindejagdgebietes Gralla und beantragte - nachdem er schon im Verfahren zur Erlassung der Verordnung vergeblich interveniert hatte - am 5. Feber 1979 eine Reihe von Ausnahmen von den in der Verordnung verfügten Verboten: für Pirschgänge, auch in Begleitung eines Jagdhundes, für die Nachsuche nach erlegtem Wild auch mit Hund sowohl am Lande wie auch im Wasser, die Aufnahme (Aneignung) getöteten Wildes sowie (bei Hochwasser) des Geleges von jagdbaren Zug- und Wasservögeln, die Vornahme der Wildstandszählung und der Wildbeobachtung und den Unterhalt und die Verwendung der bestehenden Wildbeobachtungsstände sowie die Beschickung und den Unterhalt der bestehenden Fasanerie und der Fütterungsstellen; er begehrte ferner die Erlaubnis zur Anbringung eines Fangschusses für angeschweißtes bzw. angebleites, aber noch nicht verendetes jagdbares Wild, zur Raubwild- und Raubzeugbekämpfung und zu jeder Verfolgungshandlung gegen Wilderer im Rahmen der gesetzlichen Berechtigung (Verpflichtung), und die Bewilligung zur Benützung des östlichen Dammgebietes zwecks Bejagung der an den Damm östlich anschließenden Voliere an vier Jagdtagen und zur Jagd von Stockenten und Bläßhühnern am Stausee an insgesamt zwei Tagen im November/Dezember und zwei im Jänner.

Der Bezirkshauptmann ersuchte das Amt der Landesregierung um Abgabe eines Fachgutachtens. Dieses veranlaßte eine Stellungnahme des im Rahmen der Arbeitsgemeinschaft für Vogelkunde und Biotopschutz am Landesmuseum Joanneum an der Forschungsstätte am Furtner Teich tätigen Sachverständigen Erich Hable. Diese Stellungnahme sprach sich gegen die meisten Anträge des Beschwerdeführers aus. Sie geht von folgender Feststellung aus:

"Bedingt durch die starke Eutrophierung der Mur in diesem Abschnitt und durch die Aufwärmung des Wassers oberhalb des Staus bildeten sich Schlammbänke und Seichtwasserflächen, die im Winter größtenteils eisfrei bleiben und die mit ihren Zuckmückenlarven und anderen Kleinlebewesen eine fast unerschöpfliche Nahrungsgrundlage für die hier überwinternden Vogelarten bilden. Im Durchschnitt überwintern hier 900 - 1000 Bläßhühner, 800 - 1000 Stockenten, 300 Krickenten, 40 - 50 Tafelenten, 50 - 60 Reiherenten, 10 - 20 Schellenten, etliche Eiderenten, 50 - 60 Zwergtaucher und etliche Zwergsäger. Da die meisten Gewässer während des Winters zufrieren, sammeln sich hier diese Arten aus der gesamten Steiermark, dem westlichen Burgenland, Nordjugoslawien und dem skandinavischen Raum. Nur hier am Stausee Gralla haben sie eine Überlebens-Chance."

Zum Begehren auf Gestattung der Jagd während einzelner Tage sagt diese Stellungnahme:

"Der Jagdpächter behauptet, daß im Schutzgebiet des Stausees nur in den Monaten September und Oktober sich Zugvögel aufhalten, während im November und Dezember dort 'lediglich' Stockenten und Bläßhühner liegen. Diese Behauptung wurde vom Jagdpächter entweder wider besseren Wissens gemacht oder beweist seine mangelnde Artenkenntnis. Tatsache ist hingegen, daß im September und Oktober neben Stock-, Krick- und Knäckenten, sowie Bläßhühnern vor allem Schnepfenvögel (Limikolen) in großer Artenanzahl hier Rast machen und daß im November und Dezember hiezu die nochnordischen Schell-, Pfeif-, Schnatter-, Eider-, Tafel-, Reiher-, Spieß-, Löffel- und Moorenten, sowie die Gänsesäger, Zwergsäger und Mittelsäger hier einfallen, um am Gralla Stausee ihr Winterquatier zu finden. Es handelt sich dabei überwiegend um Arten, die wegen ihrer weltweiten Gefährdung bereits auf den 'ROTEN LISTEN' fast aller europäischen Kulturstaaten stehen.

Da Enten und Bläßhühner nur im Fluge geschossen werden dürfen, würden neben Stockenten und Bläßhühnern vor allem die vertrauteren, nochnordischen Enten erlegt werden. Aus langjähriger Erfahrung bei praktischen Jägerschulungen weiß ich, daß kaum ein Jäger die Arten im Fluge richtig ansprechen kann. Der Antrag ist daher unvereinbar mit den Bestimmungen und dem Zweck der Schutzverordnung und würde diese unwirksam machen."

Unter Anschluß dieser Stellungnahme holte der Bezirkshauptmann sodann eine Äußerung des Bezirksjägermeisters ein und gab dem Beschwerdeführer mit Schreiben vom 17. August 1979 Gelegenheit, zu den Ermittlungsergebnissen Stellung zu nehmen. Tags zuvor hatte der Beschwerdeführer jedoch bereits den Antrag auf Übergang der Zuständigkeit an die Stmk. Landesregierung gestellt (§73 Abs2 AVG).

In den Akten der Landesregierung findet sich folgender Vermerk vom 8. Oktober 1979:

"Der Antrag an den Naturschutzbeirat, dieser möge empfehlen, ein objektives Gutachten eines außerhalb der Steiermark wirkenden Gutachters einzuholen wurde in der Sitzung am 3. 10. 1979 abgelehnt. Es wurde empfohlen, ein Gespräch mit dem Konsenswerber ..., dem Gutachter (Prof. Hable), einem Vertreter der Steierm. Jägerschaft (Landesjägermeister) und Herrn Dr. ... (Institut Wolkinger) zu arrangieren und eine einvernehmliche Lösung zu finden."

Am 7. Feber 1980 erließ die Landesregierung einen Bescheid, womit die vom Beschwerdeführer beantragten Ausnahmen für (a) die Nachsuche nach erlegtem Wild, auch mit Hund sowohl am Lande wie auch im Wasser (b) die Anbringung eines Fangschusses für aufgefundenes, angeschweißtes bzw. angebleites, noch nicht verendetes jagdbares Wild und (c) die Aufnahme (Aneignung) getöteten Wildes bewilligt, die übrigen Anträge jedoch abgewiesen werden. Die Begründung übernimmt im wesentlichen die Stellungnahme des Sachverständigen Erich Hable. Die Verwaltungsabgabe wurde mit S 3.000,- festgesetzt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den VfGH in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Unversehrtheit des Eigentums und Gleichheit vor dem Gesetz gerügt und die Gesetzwidrigkeit der Verordnung über die Erklärung zum Naturschutzgebiet behauptet wird.

II. Die Beschwerde ist nicht begründet.

1. Gegen die Gesetzmäßigkeit der angewendeten Verordnungsbestimmungen bestehen keine Bedenken.

Zur Erlassung einer Verordnung über die Erklärung von Pflanzen- oder Tierschutzgebieten (§5 Abs2 litc NSchG) ist die Bezirksverwaltungsbehörde zuständig (Abs3 litb). In der Verordnung über die Errichtung eines Naturschutzgebietes sind Gegenstand und Zweck des Schutzes, die Abgrenzung des Gebietes und die Handlungen festzulegen, die nach den örtlichen Gegebenheiten als schädigende Eingriffe verboten sind; ferner ist festzulegen, ob und in welchen Gebietsteilen Ausnahmen iS des Abs6 zulässig sind (Abs4). Allgemein verboten sind schädigende Eingriffe in die Natur, ausgenommen solche, die für den Schutzzweck erforderlich sind oder die ohne Verzug zur Beseitigung von das Leben und die Gesundheit von Menschen gefährdenden Mißständen oder zur Abwehr schwerer volkswirtschaftlicher Schäden notwendig sind; solche Eingriffe sind der Bezirksverwaltungsbehörde binnen drei Tagen anzuzeigen (Abs5). Ausnahmen vom Verbot (des Abs5) hat die Behörde zu bewilligen, wenn der Eingriff dem Zweck des Schutzes nicht widerspricht (Abs6); dabei sind zur weitestgehenden Vermeidung nachteiliger Folgen Auflagen vorzuschreiben (Abs7); die land-, forst-, jagd- und fischereiwirtschaftliche Nutzung wird in Art und Umfang ihrer bisherigen Ausübung nur berührt, sofern Verbote nach Abs4 erlassen werden (Abs8).

Daß diese gesetzlichen Vorschriften, gegen deren Verfassungsmäßigkeit Bedenken weder in der Beschwerde vorgebracht wurden noch im Verfahren entstanden sind, die vom Beschwerdeführer bekämpften Maßnahmen an sich erlauben, ist offenkundig. Der VfGH kann auch nicht finden, daß die von anderen Gesetzen gezogenen Grenzen überschritten oder die tatsächlichen Voraussetzungen für solche Maßnahmen nicht gegeben wären. Insbesondere teilt er die in der Beschwerde erhobenen Bedenken nicht:

a) Der Beschwerdeführer hält die Verordnung insgesamt schon deshalb für gesetzwidrig, weil der Murstausee erst im Zuge der Errichtung des Flußkraftwerkes Gralla künstlich angelegt worden sei und daher keine Ursprünglichkeit besitze und auch von einer Gefährdung der Vogelarten, die sich dort immer schon aufgehalten haben oder seit der Errichtung des Stausees zugezogen sind, keine Rede sein könne; sie hätten sich vielmehr trotz Jagdausübung stark vermehrt.

Damit verkennt der Beschwerdeführer jedoch, daß die besondere Vielfalt der Tierwelt eines Gebietes sowie die Seltenheit und Gefährdung der Tierart auch dann Schutz und Pflege iS des §1 Abs2 lita NschG rechtfertigen, wenn dieses Gebiet der weitgehenden Ursprünglichkeit entbehrt. Das NSchG vermeidet zwar das Bindewort "oder" in den einschlägigen Formulierungen (§5 Abs1 und §1 Abs2 lita) in einer vom üblichen Sprachgebrauch abweichenden Weise auch beim letzten Glied der mehrteiligen Aufzählung, doch rechtfertigt dieser Umstand nicht, das Fehlende durch ein "und" zu ersetzen. Es reicht vielmehr das Vorliegen einer der mehreren Voraussetzungen aus. Seltenheit (Schutzwürdigkeit) oder Gefährdung einer Tierart sind ferner offenkundig nicht in bezug auf das Naturschutzgebiet selbst gefordert, sondern Eigenschaft und Schicksal der Tierart überhaupt oder doch innerhalb eines größeren Gebietes. Die Vielfalt der Vogelwelt am Grallastausee, ihre teilweise Seltenheit und Gefährdung und das Interesse an ihrer Erhaltung stehen aber nach dem Inhalt der Verwaltungsakten außer Zweifel.

b) Die Erklärung zum ganzjährigen Vogelschutzgebiet und das ausnahmslose Verbot der Jagdausübung hält der Beschwerdeführer für gesetzwidrig, weil der Zweck - "Sicherung dieses Bereiches als Überwinterungs-, Brut- und Rastplatz für Zug- und Wandervögel" - diese Beschränkungen nicht rechtfertige. Nach dem JagdG und auch nach §13 NSchG sei es nämlich Sache der Landesregierung (und nicht der Bezirksverwaltungsbehörde), die Schonung und den Schutz jagdbarer und anderer Tiere anzuordnen. Die Brutzeit aller in Österreich in Erscheinung tretenden Zug- und Wasservögel beginne im Frühling und dauere bis längstens Anfang Juni. Nach den jagdrechtlichen Schutzbestimmungen seien alle Schwimmvögel, also selbst die jagdbaren, ohnehin weit über diese Brutzeit hinaus geschützt. Ein ganzjähriger Schutz aller jagdbaren Tiere sei überflüssig. Selbst wenn der Verordnungsgeber eine Störung der Zug- und Wasservögel durch Büchsen- oder Flintenknall vermeiden wollte, übersähe er, daß sich die Vögel durch die Jagd in ihrer Niederlassung und Vermehrung schon bisher nicht abhalten ließen und daß die Schießübungen der in Leibnitz stationierten Pionierkompanie, die jederzeit unbeschränkt stattfinden könnten, Brutgeschäft und Rast der Vögel noch viel eher zu stören geeignet seien als der einzelne Schuß des Jägers auf anderes jagdbares Wild außerhalb der Brut- und Rastzeit.

Diese Ausführungen verkennen, daß Gegenstand der vom Beschwerdeführer angezogenen jagdrechtlichen Maßnahmen und des in §13 NSchG vorgesehenen Schutzes der Tierwelt bestimmte Tierarten als solche, Gegenstand einer Schutzmaßnahme nach §5 NSchG jedoch Standorte und abgegrenzte Lebensräume von Tierarten darstellen. Die Verfügung von Verboten, die über allgemein gültige jagd- und tierschutzrechtliche Maßnahmen hinausgehen, widerspricht den einschlägigen Normen daher im Hinblick auf ihre räumliche Beschränkung nicht. Außerhalb des Naturschutzgebietes können die Tiere gemäß den Vorschriften des Jagd- und Naturschutzrechts - auch vom Beschwerdeführer in seinem Jagdgebiet - nach Belieben gejagt werden. Deshalb ist auch das vom Beschwerdeführer an anderer Stelle gebrauchte Argument verfehlt, die Bezirksverwaltungsbehörden könnten ganz Stmk. zu einer "Jagdverbotszone" erklären.

Der Verordnungsgeber hat durch das unbeschränkte Jagdverbot im Hinblick auf die geringe Größe des Vogelschutzgebietes (den aufgestauten Fluß und die unmittelbare Uferzone des Stausees) und die Mannigfaltigkeit der an ihrem Nist- und Rastplatz zu schützenden Vogelarten auch seinen Beurteilungsspielraum nicht überschritten. Die im Verfahren zur Verordnungserlassung unter anderem von der zuständigen Abteilung des Amtes der Landesregierung aufgezeigten jagdwirtschaftlichen Interessen müssen in besonderen Fällen eben hinter denen des Naturschutzes zurückstehen. Der Beschwerdeführer übersieht bei der Kritik dieses Ergebnisses seinerseits, daß die durch die Ausübung jeder Jagd unmittelbar an Ort und Stelle verursachte Beunruhigung sich von der mittelbaren Störung durch Explosionslärm aus einiger Entfernung doch wesentlich unterscheidet und daß eine Bedachtnahme auf die Auswirkungen einer der Kompetenz des Landes nicht unterliegenden Liegenschaftsnutzung, wie sie der Beschwerdeführer zu seinen Gunsten anstrebt, der konkurrierenden Autorität umso weniger Anlaß geben würde, ihrerseits auf die Belange des Naturschutzes Rücksicht zu nehmen, wodurch die Verwirklichung der Ziele des Gesetzes schlechthin überall vereitelt werden könnte.

Soweit der Beschwerdeführer behauptet, die Verordnung hindere ihn an der Erfüllung seiner gesetzlichen Verpflichtungen als Jagdausübungsberechtigter, tut er nicht dar, inwiefern die Erfüllung solcher Vorschriften durch das Verbot der Jagd und des Betretens des Naturschutzgebietes (nur) im Bereich der Uferböschungen, also einem ganz schmalen Streifen, tatsächlich unmöglich gemacht wird. Soweit dies der Fall sein sollte und die Maßnahme nicht ohnedies zulässig, weil ohne Verzug zur Beseitigung von das Leben und die Gesundheit von Menschen gefährdenden Mißständen oder zur Abwehr schwerer volkswirtschaftlicher Schäden notwendig oder für den Schutzzweck erforderlich ist (§5 Abs5 NSchG), wird der Beschwerdeführer eben von seinen jagdrechtlichen Pflichten durch das Verbot der Jagdausübung befreit - eine Folge, die der Gesetzgeber im Interesse des Naturschutzes offenbar ohne weiteres in Kauf nimmt.

Was die Ausnahmen vom Verbot des Befahrens der Mur mit Wasserfahrzeugen aller Art betrifft - die der Beschwerdeführer anscheinend als unsachlich ansieht, obwohl er betont, vom Boot aus nie gejagt zu haben oder jagen zu wollen -, ist darauf hinzuweisen, daß sich das Befahren in Ausübung der Jagd, also mit dem Zweck der Verfolgung von jagdbaren Vögeln, von den im öffentlichen Interesse ausgenommenen Fahrten der Landesfeuerwehrschule, des Bundesheeres und der Kraftwerksgesellschaft in seiner Zielsetzung und von der ganz anders gearteten Tätigkeit der Fischer in seiner Wirkung gerade im Hinblick auf den konkreten Schutzzweck derart unterscheidet, daß die Ausnahmen die Regel nicht gesetzwidrig machen. Warum schließlich der Verordnungsgeber das Befahren des östlichen Fahrweges mit Motorfahrzeugen durch das Bundesheer oder zu Zwecken der land- und forstwirtschaftlichen Nutzung nicht hätte erlauben dürfen, ist überhaupt unerfindlich.

2. Bei dieser Sachlage könnten die geltend gemachten Grundrechte nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH nur verletzt sein, wenn die Behörde willkürlich gehandelt oder einen Fehler begangen hätte, der einer Gesetzlosigkeit gleichkommt.

Einen Willkürakt der belangten Behörde sieht der Beschwerdeführer darin, daß sie ihrer Entscheidung die Stellungnahme des "fanatisierten Vereinsfunktionärs" Ernst Hable zugrundegelegt habe. In dieser Stellungnahme werde behauptet, daß sich auf den restlichen Wasserflächen des Jagdgebietes noch immer Strecken bis zu 1.200 Exemplaren ergäben, was nur aus dem Artikel einer Tageszeitung entnommen sein könne, der seinem Autor - dem Obmann der Landesstelle Stmk. der Österreichischen Gesellschaft für Vogelkunde - über Privatanklage des Beschwerdeführers bereits eine strafgerichtliche Verurteilung wegen übler Nachrede eingebracht habe, wobei das Gericht davon ausgegangen sei, der Beschuldigte habe sich gegen die Ausnahmegenehmigung für den Beschwerdeführer am Stausee Gralla gestellt. In Wahrheit seien 1978/79 nur 391 Enten erlegt worden, davon 45 im Bereich des jetzigen Vogelschutzgebietes.

Abgesehen davon, daß die Behörde diesen Teil der Stellungnahme, gegen die der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren insgesamt nichts vorgebracht hat, zur Begründung ihres Bescheides gerade nicht herangezogen hat, käme aber einem allfälligen Verfahrensmangel in diesem Punkt unter den gegebenen Verhältnissen bei der verfassungsrechtlichen Beurteilung des angefochtenen Bescheides keine entscheidende Bedeutung zu. Ist nämlich davon auszugehen, daß der Verordnungsgeber die Ausübung der Jagd im Bereich des kleinen Schutzgebietes schlechthin untersagen durfte, weil der Zweck der Schutzmaßnahme Störungen durch die Ausübung der Jagd nicht duldet, dann begegnen Ausnahmebewilligungen für Verhaltensweisen, die ohnehin nur der Jagdausübungsberechtigte - also der Pächter der betreffenden Gemeindejagd - in Anspruch nehmen könnte, im angestrebten Umfang von vornherein größten Bedenken. Da das Vogelschutzgebiet der Überwinterung, Brut und Rast einer artenreichen Vogelwelt dient, kann die Versagung der Bewilligung zur Ausübung der Jagd auch für einige Tage des Winters mit den anzuwendenden Vorschriften zumindest nicht schlechterdings unvereinbar sein. Es ist auch nicht ausgeschlossen, das durch keine konkreten Vorkommnisse belegte Bedürfnis nach Pirschgängen, nach Raubwild- und Raubzeugbekämpfung im Schutzgebiet oder nach der Verfolgung von Wilderern auf dem (schmalen) murseitigen Böschungsabschnitt geringer einzuschätzen, als das Bedürfnis nach absoluter jagdlicher Befriedung der Uferzone. Und wenn die Behörde schließlich das schon nach Jagdschutzvorschriften (§53 Stmk. JagdG) nur ganz ausnahmsweise zulässige Ausnehmen von Gelegen auch jagdbarer Wasservögel im Naturschutzgebiet nicht bewilligt hat und auch die jagdmäßige Hege vom engeren Bereich des Vogelschutzgebietes fernhält, dann kann der VfGH dem im Hinblick auf den Zweck des Naturschutzes unter dem Gesichtspunkt der von ihm wahrzunehmenden Rechtsverletzungen nicht entgegentreten.

Soweit die sachverständige Stellungnahme, deren einschlägige tatsächliche Feststellungen der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren gleichfalls nicht bestritten hat und auch im verfassungsgerichtlichen Verfahren insoweit nicht bekämpft, auf die von einem vogelkundigen Gremium erarbeitete sogenannte "Rote Liste" besonders gefährdeter oder erhaltungswürdiger Vogelarten hinweist, gehen die Einwände des Beschwerdeführers von der schon als unzutreffend gewürdigten Auffassung aus, die Bezeichnung schutzwürdiger Vogelarten sei einer Verordnung der Landesregierung vorbehalten. Daß diese Stellungnahme der Ankündigung des Beschwerdeführers, er werde die Aufhebung der Verordnung beim VfGH erwirken, wenn ihm nicht alle Ausnahmen bewilligt würden, mit dem Hinweis begegnet, daß sich der Internationale Rat für Vogelschutz und der World Wildlife Fund einschalten würden, wenn die Schutzverordnung durch ungerechtfertigte Ausnahmen unwirksam gemacht werde, belastet das Vorgehen der Behörde nicht mit Willkür oder einem anderen verfassungsrechtlichen Mangel (vgl. VfSlg. 8544/1979). Zu prüfen, ob die Behörde die Grundlagen für ihre Entscheidung gesetzmäßig ermittelt und über die Anträge des Beschwerdeführers richtig entschieden hat, ist ebensowenig Aufgabe des VfGH wie die Feststellung, welche Verhaltensweisen des Beschwerdeführers im einzelnen vom Verbot der Jagdausübung getroffen werden.

3. Eine Gleichheitsverletzung sieht der Beschwerdeführer schließlich darin, daß ihm der angefochtene Bescheid eine Gebühr von 3.000 S vorgeschrieben hat. Eine Ausnahmebewilligung für land- und forstwirtschaftliche Bewirtschaftungsmaßnahmen in einem Naturschutzgebiet sei nur zu 120 S gebührenpflichtig (TP67 litc der Landes-VerwaltungsabgabenVO 1977). Im Hinblick auf die Unterscheidung von land-, forst-, jagd- und fischereiwirtschaftlichen Nutzungen (§5 Abs8 NSchG) kann es aber nicht denkunmöglich oder willkürlich sein, wenn die Behörde das Begehren des Beschwerdeführers nicht als land- und forstwirtschaftlich iS des einschlägigen Verordnungsteiles eingestuft, sondern nach der - unter dem Gesichtspunkt des vorliegenden Beschwerdefalles verfassungsrechtlich unbedenklichen - Generalklausel (TP67 lite: "alle anderen Ausnahmebewilligungen") beurteilt hat.

4. Der Beschwerdeführer ist mithin weder durch Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten noch in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Unversehrtheit des Eigentums oder Gleichheit vor dem Gesetz verletzt worden. Auch die Verletzung eines anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes ist nicht hervorgekommen. Die Beschwerde ist daher abzuweisen.

Schlagworte

Naturschutz, Naturschutzgebiete, Pflanzen- und Tierartenschutz, Jagdrecht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1983:B113.1980

Dokumentnummer

JFT_10169382_80B00113_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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