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60 ArbeitsrechtNorm
B-VG Art144 Abs1 / LegitimationLeitsatz
Art144 Abs1 B-VG (iVm dem Arbeitsverfassungsgesetz); das Recht der auf einem Wahlvorschlag gewählten Zentralbetriebsratsmitglieder, durch Mehrheitsbeschluß Vertreter zu nominieren, steht nur dieser Gruppe von Organmitgliedern zu; Zurückweisung der Beschwerde einer Einzelperson mangels BeschwerSpruch
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung:
I. 1. Nach dem Bundesgesetz vom 15. Feber 1973 zur Zusammenfassung der Unternehmungen der verstaatlichten Eisen- und Stahlindustrie, BGBl. 109, setzt sich der Aufsichtsrat der Vereinigten Österreichischen Eisen- und Stahlwerke - Alpine Montan Aktiengesellschaft (hier kurz: VOEST-Alpine) aus zwanzig von der Hauptversammlung zu bestellenden Mitgliedern und zehn Dienstnehmervertretern zusammen (§4 Abs1). Über die Bestellung der Dienstnehmervertreter bestimmt §4 Abs2 erster Satz nur:
"(2) Die Dienstnehmervertreter werden vom Zentralbetriebsrat der Vereinigten Österreichischen Eisen- und Stahlwerke - Alpine Montan Aktiengesellschaft ... gemeinsam mit den Zentralbetriebsräten der Gebr. Böhler & Co. Aktiengesellschaft und Schoeller-Bleckmann Stahlwerke Aktiengesellschaft in den Aufsichtsrat der neuen Gesellschaft entsendet ...".
Das Bundesgesetz vom 11. Juni 1975 zur Zusammenfassung von Unternehmungen der verstaatlichten Edelstahlindustrie, BGBl. 359, änderte diese Bestimmung im Hinblick auf die Vereinigung der beiden darin genannten Tochterunternehmen in §4 betreffs der entsendenden Gremien materiell wie folgt ab:
"Der Zentralbetriebsrat der Vereinigten Edelstahlwerke Aktiengesellschaft (VEW) entsendet drei Arbeitnehmer(Dienstnehmer)vertreter in den Aufsichtsrat der Muttergesellschaft Vereinigte Österreichische Eisen- und Stahlwerke - Alpine Montan Aktiengesellschaft. Diese sind auf die Zahl der zehn Dienstnehmervertreter im Aufsichtsrat der Vereinigten Österreichischen Eisen- und Stahlwerke - Alpine Montan Aktiengesellschaft anzurechnen".
Das Arbeitsverfassungsgesetz enthält im §110 Vorschriften über die Mitwirkung von Arbeitnehmervertretern im Aufsichtsrat, die auch die Entsendung der Arbeitnehmervertreter näher regeln, aber unter anderem auf die VOEST-Alpine nicht anzuwenden sind (§110 Abs8 ArbVG).
2. Bei der Wahl des Zentralbetriebsrates der VOEST-Alpine im Jahre 1979 waren auf die Liste sozialistischer Gewerkschafter 38 Mandate, auf die Liste Österreichischer Arbeiter- und Angestelltenbund 6 Mandate und auf die Listen Gewerkschaftlicher Linksblock und Freiheitliche Gewerkschafter je 3 Mandate entfallen. In seiner konstituierenden Sitzung am 1. März 1979 nahm der Zentralbetriebsrat die Entsendung der Aufsichtsratsmitglieder vor. Für die Liste sozialistischer Gewerkschafter wurde ein Vorschlag mit sieben Namen unterbreitet. Für den österreichischen Arbeiter- und Angestelltenbund schlug der Beschwerdeführer einen Vertreter vor. In der Abstimmung wurde der Vorschlag der sozialistischen Fraktion bei 6 Gegenstimmen angenommen.
Am 11. April 1980 begehrte der Beschwerdeführer in einer als Wahlanfechtung bezeichneten Eingabe unter Berufung auf §60 ArbVG (betreffend die Nichtigkeit einer Betriebsratswahl) beim Einigungsamt Linz die Feststellung der Nichtigkeit dieses Beschlusses. Das Begehren war im wesentlichen wie folgt begründet:
"Gemäß §81 ArbVG werden die Mitglieder des Zentralbetriebsrates von der Gesamtheit der Mitglieder aus ihrer Mitte nach den Grundsätzen des Verhältniswahlrechtes (§51 Abs2) gewählt.
Gemäß §51 Abs2 ArbVG sind diese Wahlen - also die Berufung der Mitglieder des Zentralbetriebsrates - nach den Grundsätzen des Verhältniswahlrechtes durchzuführen.
Da die Berechnung der auf die zugelassenen Wahlvorschläge entfallenden Mitglieder des Betriebsrates nach dem d'Hondtschen System zu erfolgen hat, wäre unsere Fraktion auf Grund des Verhältnisses 38 SPÖ: 6 ÖAAB zur Entsendung eines Mitgliedes zuzulassen gewesen.
Entgegen den anläßlich der Betriebsratswahl 1973 und 1976 angewandten
Grundsätzen des d'Hondtschen Systems hat jedoch diesmal der
Zentralbetriebsrat ... meine Vorschläge nicht zur Kenntnis genommen
und der Entsendung eines Betriebsrates meiner Fraktion in den
Aufsichtsrat ... nicht zugestimmt.
Da §81 des ArbVG ausdrücklich bestimmt, daß auf die Berufung des Zentralbetriebsrates die Vorschriften des §51, aber auch des §60 ArbVG anzuwenden sind, mache ich gemäß §60 ArbVG die Nichtigkeit dieser Entscheidung wegen Verletzung leitender Grundsätze des Verhältniswahlrechtes dahingehend geltend, daß hiedurch in krassester Weise demokratische Spielregeln dadurch verletzt wurden, daß einfach mit Mehrheitsbeschluß die Mitwirkung meiner Fraktion im Aufsichtsrat ... verhindert wurde."
In der Verhandlung vor dem Einigungsamt brachte der Beschwerdeführer ergänzend vor, §110 Abs8 ArbVG verletze den Gleichheitsgrundsatz.
Mit Bescheid vom 12. Mai 1980 wies das Einigungsamt Linz den Antrag unter Hinweis auf die Bestimmungen der eingangs zitierten Gesetze ab. Die Dienstnehmervertreter würden von den Zentralbetriebsräten der VOEST-Alpine (7) und der Vereinigten Edelstahlwerke (3) in den Aufsichtsrat entsendet. Wie diese Entsendung vor sich zu gehen habe, sei nicht näher geregelt. Eine analoge Anwendung der Abs1 bis 5 des §110 ArbVG sei im Hinblick auf Abs8 dieser Gesetzesstelle ausgeschlossen. Es sei daher davon auszugehen, daß für die Entsendung die allgemeinen Bestimmungen über die Beschlußfassung im Zentralbetriebsrat gelten. Ein Beschluß erfordere nach den §§83 und 68 ArbVG die Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Diese Voraussetzungen seien erfüllt.
3. Gegen den Bescheid des Einigungsamtes richtet sich die vorliegende Beschwerde an den VfGH. Der Beschwerdeführer sieht sich dadurch, daß seiner Entsendung in den Aufsichtsrat nicht zugestimmt worden sei, im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz verletzt. Nach §110 Abs1 bis 5 ArbVG habe die Entsendung von Vertretern in den Aufsichtsrat nach den Grundsätzen des Verhältniswahlrechtes zu erfolgen. Die maßgeblichen Bestimmungen der Sondergesetze regelten diese Frage hingegen nicht. Der Ausschluß der analogen Anwendung des §110 ArbVG stelle den Beschwerdeführer schlechter als Arbeitnehmer im Geltungsbereich des ArbVG; §110 Abs8 ArbVG sei daher verfassungswidrig.
Über Aufforderung des VfGH berichtigte und ergänzte der Beschwerdeführer sein Vorbringen dahin, daß er zwar nicht selbst von der ÖVP-Fraktion vorgeschlagen worden, daß er aber als Fraktionsführer vorschlagsberechtigt gewesen sei; Zweck der Beschwerde sei die Prüfung, ob ein Mehrheitsbeschluß zulässig oder die Anwendung des d'Hondtschen Systems erforderlich sei.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, von der Erstattung einer Gegenschrift aber abgesehen.
II. Die Beschwerde ist nicht zulässig.
Der angefochtene Bescheid läßt nicht erkennen, auf welche Bestimmung das Einigungsamt seine Zuständigkeit zur Entscheidung über den Antrag des Beschwerdeführers gestützt hat. Da es nicht um die Wahl eines Betriebsrates oder Zentralbetriebsrates geht, scheiden die §§59 und 60 ArbVG (§157 Abs2 Z3 und 4 ArbVG) von vornherein aus. Die Arbeitnehmer(Dienstnehmer)vertreter im Aufsichtsrat sind ferner kein Organ der Arbeitnehmerschaft (weder §40 ArbVG noch eine sonstige Bestimmung des Arbeitsverfassungsrechts läßt eine solche Qualifikation zu), sodaß kein Streit über die Bestellung eines solchen Organes vorliegt (§157 Abs1 Z2 erster Fall ArbVG). Auch Befugnisse der Arbeitnehmerschaft und deren Ausübung durch ihre Organe (§157 Abs1 Z5 ArbVG) stehen nicht in Frage, wenn es - wie hier - um die Frage der Innenverhältnisse zwischen dem Zentralbetriebsrat und einem seiner Mitglieder geht. In Betracht kommt nur der Tatbestand einer Streitigkeit über die Geschäftsführung eines Organs der Arbeitnehmerschaft, nämlich des Zentralbetriebsrates (§157 Abs1 Z2 zweiter Fall ArbVG).
Nach dem Einleitungssatz des §157 Abs1 ArbVG haben die Einigungsämter über Antrag eines hiezu Berechtigten einen Ausgleich anzubahnen und, wenn erforderlich, eine Entscheidung zu fällen. Antragsberechtigt ist daher stets nur der nach der materiell-rechtlichen Situation - wenigstens potentiell - Berechtigte (vgl. Strasser im ArbVG-Handkommentar 1002 f.).
Als Mitglied des Zentralbetriebsrates kommt dem Beschwerdeführer das Recht zu, an der Geschäftsführung des Zentralbetriebsrates in der vorgesehenen Form mitzuwirken. Daß er in einem solchen Mitwirkungsrecht beeinträchtigt worden wäre, behauptet er nicht; er hat an der Abstimmung über die Entsendung der Dienstnehmervertreter ja auch unbehindert teilgenommen. Er macht vielmehr geltend, daß dabei die Anwendung des §110 ArbVG gesetz- oder verfassungswidriger Weise unterblieben sei.
Als Grundlage einer zur Antragstellung legitimierenden materiellrechtlichen Position käme also nur §110 Abs2 ArbVG in Betracht. Diese Bestimmung lautet in den hier wesentlichen Teilen:
"(2) Die Mitglieder des Zentralbetriebsrates (Betriebsrates), die auf dem Vorschlag einer wahlwerbenden Gruppe gewählt wurden, haben das Recht, durch Mehrheitsbeschluß Arbeitnehmervertreter für die Entsendung in den Aufsichtsrat zu nominieren, sowie ihre Abberufung zu verlangen. Dieses Recht steht für so viele Arbeitnehmervertreter zu, wie es dem Verhältnis der Zahl der vorschlagsberechtigten Personen zur Gesamtzahl der Mitglieder des Zentralbetriebsrates (Betriebsrates) entspricht. ... Der Zentralbetriebsrat (Betriebsrat) ist bei Entsendung und Abberufung der Arbeitnehmervertreter an die Vorschläge der zur Nominierung berechtigten Mitglieder gebunden. Soweit vom Vorschlagsrecht nicht innerhalb von drei Monaten Gebrauch gemacht wird, entsendet der Zentralbetriebsrat (Betriebsrat) die restlichen Arbeitnehmervertreter durch Mehrheitsbeschluß in den Aufsichtsrat."
Das Recht, dessen Verletzung der Beschwerdeführer mit seinem Antrag an das Einigungsamt geltend gemacht und unter Berufung auf den Gleichheitssatz für sich in Anspruch genommen hat, ist mithin das Recht der auf einem Wahlvorschlag gewählten Zentralbetriebsratsmitglieder, durch Mehrheitsbeschluß Vertreter zu nominieren, ein Recht, das - wenn überhaupt - nur dieser Gruppe von Organmitgliedern, nicht dem Einzelnen zustünde. Auch bei Zutreffen der verfassungsrechtlichen These des Beschwerdeführers wäre es daher Sache der betreffenden Gruppe, ihr Recht auszuüben und zu verfolgen (oder auch darauf zu verzichten). Nur diese Gruppe wäre daher auch legitimiert, es beim Einigungsamt geltend zu machen. Für sich selbst könnte der Beschwerdeführer daraus nichts gewinnen.
Rechte des Beschwerdeführers hat der angefochtene Bescheid folglich nicht verletzen können. Der Beschwerdeführer ist durch die Abweisung seines Begehrens nicht beschwert. Es fehlt ihm die Legitimation, den Bescheid beim VfGH anzufechten (vgl. VfGH 26. 6. 1982 B414, 415/79 und 2. 7. 1982 B89/77).
Die Beschwerde ist daher zurückzuweisen.
Schlagworte
Arbeitsverfassung, Betriebsrat, VfGH / LegitimationEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1983:B313.1980Dokumentnummer
JFT_10169375_80B00313_00