TE Vfgh Beschluss 1983/6/27 V23/81

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Veröffentlicht am 27.06.1983
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Index

90 Straßenverkehrsrecht, Kraftfahrrecht
90/01 Straßenverkehrsordnung 1960

Norm

B-VG Art139 Abs1 / Individualantrag
StVO 1960 §45

Leitsatz

Art139 Abs1 B-VG; Individualantrag auf Aufhebung der Verordnung der BH Vöcklabruck vom 1. Juli 1981 betreffend ein Fahrverbot in Oberndorf bei Schwanenstadt; keine Legitimation; Zumutbarkeit der Erwirkung einer Ausnahmebewilligung nach §45 StVO 1960

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. 1. Die Antragsteller sind nach ihrer Darstellung Eigentümer des "St.-Hofes" in Oberndorf bei Schwanenstadt/Bezirk Vöcklabruck/OÖ. Um von ihrem Bauernhaus zu den entfernter gelegenen Grundstücken Nr. 590, 591, 599, 613 KG Oberndorf und Nr. 2865 KG Redlham zu gelangen, seien sie und die früheren Eigentümer des "St.-Hofes" seit jeher über den öffentlichen Weg Gst. Nr. 1859 und in Fortsetzung über den öffentlichen Weg Gst. Nr. 1851 gefahren. Diese Wegstrecke stelle die kürzeste Verbindung zwischen ihrem Bauernhof und diesen landwirtschaftlichen Grundstücken dar und habe überdies den Vorteil, daß die durch den öffentlichen Verkehr stark frequentierte "Atzbacher Bezirksstraße" von ihnen nur übersetzt, nicht aber weiter benützt werden müsse.

2. Die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck hat am 1. Juli 1981 unter

Z VerkR-696-1981 folgende Verordnung betreffend Verkehrsbeschränkungen im Gemeindegebiet Oberndorf bei Schwanenstadt erlassen:

"Gemäß §43 Abs1 StVO 1960, BGBl. Nr. 159, in der derzeit geltenden Fassung hat auf dem Weggrundstück Nr. 1851, KG Oberndorf, zwischen der Atzbacher Bezirksstraße und der Abzweigung des Weggrundstückes Nr. 1850, KG Oberndorf, ein Fahrverbot nach §52a Z1 StVO 1960 ausgenommen Zufahrt zum Haus Oberndorf Nr. 48 und zur Bewirtschaftung der Grundstücke bis zur nächsten Kreuzung zu gelten.

Für die Aufstellung der Verbotszeichen samt der entsprechenden Zusatztafel hat die Gemeinde Oberndorf bei Schwanenstadt zu sorgen.

Der Zeitpunkt der Aufstellung ist anher bekanntzugeben.

Gemäß §44 Abs1 StVO 1960 tritt die Verordnung mit der Aufstellung der Straßenverkehrszeichen in Kraft."

Diese Verordnung wurde gemäß §44 Abs1 StVO 1960 dadurch kundgemacht, daß am 30. September 1981 die entsprechenden Verkehrszeichen mit Zusatztafeln aufgestellt wurden.

3. Die Antragsteller bringen vor, daß ihnen durch die Verordnung das Recht genommen werde, auf dem kürzesten Weg zu ihren oben näher bezeichneten landwirtschaftlichen Grundstücken zuzufahren.

Aus den vorgelegten Planunterlagen ergibt sich, daß dieses Vorbringen zutrifft, sodaß sie, wenn sie das Fahrverbot befolgen, einen Umweg über die Atzbacher Bezirksstraße und den öffentlichen Weg Gst. Nr. 1850 machen müssen, um zu ihren landwirtschaftlichen Grundstücken zu gelangen.

4. Mit dem auf Art139 Abs1 letzter Satz B-VG gestützten Antrag (fälschlich "Beschwerde") begehren die Antragsteller, die Verordnung als gesetzwidrig aufzuheben.

5. Die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck und die Oö. Landesregierung haben Äußerungen erstattet, in denen sie begehren, den Antrag abzuweisen.

II. Der VfGH hat zur Frage der Zulässigkeit des Antrages erwogen:

1. Gemäß Art139 B-VG erkennt der VfGH über die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen auch auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Gesetzwidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern die Verordnung ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung und ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist. Anfechtungsberechtigt ist also nur der Normadressat, in dessen Rechtssphäre in einer nach Art und Ausmaß in der Verordnung eindeutig bestimmten Weise nicht bloß potentiell, sondern aktuell eingegriffen wird und dem ein anderer zumutbarer Weg zur Geltendmachung der Rechtswidrigkeit nicht zur Verfügung steht (vgl. zB VfSlg. 8009/1977 und 8156/1977). Dabei ist von jener Wirkung der Norm auszugehen, durch die sich der Antragsteller beschwert erachtet (vgl. zB VfSlg. 8553/1979).

2. Die bekämpfte Verordnung verbietet - mit einer für die Antragsteller nicht maßgebenden Ausnahme - absolut das Befahren eines Teiles der öffentlichen Straße Gst. Nr. 1851.

Die Antragsteller bringen vor, daß sie von ihrem Bauernhof ihre landwirtschaftlichen Grundstücke bei Benützung dieses Straßenstückes wesentlich rascher erreichen könnten als bei Benützung einer anderen Fahrtstrecke.

3. Es kann unerörtert bleiben, ob das verfügte Fahrverbot die Antragsteller derart intensiv betrifft, daß es ihre rechtlich geschützten Interessen aktuell beeinträchtigt (wie etwa in den Fällen VfSlg. 8984/1980 und 9089/1981) oder nicht (wie etwa im Fall VfSlg. 9309/1981).

Denn auch wenn eine solche aktuelle Beeinträchtigung anzunehmen sein sollte, bestünde für die Antragsteller ein zumutbarer Weg zur Geltendmachung der behaupteten Rechtswidrigkeit; es wäre ihnen nämlich möglich, eine Ausnahmebewilligung iS des §45 StVO 1960 zu beantragen.

Ob die Voraussetzungen für die Erteilung einer solchen Ausnahmebewilligung vom allgemeinen Fahrverbot gegeben sind, muß in einem (auf Antrag des Betroffenen eingeleiteten) Verwaltungsverfahren geklärt werden. Sind die Voraussetzungen gegeben, so hat die Behörde durch Erteilung der beantragten Bewilligung die sonst für jedermann eintretende Verkehrsbeschränkung für den Antragsteller aufzuheben. Damit steht diesem ein Mittel zur Verfügung, die Wirkungen der Verordnung von sich abzuwenden oder aber - wenn dieser Weg aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen erfolglos bleiben sollte - in einer Beschwerde gegen den die Ausnahme versagenden (letztinstanzlichen) Bescheid die Frage der Gesetzmäßigkeit des Verbotes an den VfGH heranzutragen. Diesen Weg hält der Gerichtshof für zumutbar (s. VfSlg. 8553/1979, 9277/1981).

4. Der Antrag war daher mangels Legitimation der Antragsteller zurückzuweisen.

Schlagworte

VfGH / Individualantrag, Straßenpolizei, Fahrverbot

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1983:V23.1981

Dokumentnummer

JFT_10169373_81V00023_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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