TE Vfgh Erkenntnis 1983/6/29 V27/83, V31/83, V32/83

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Veröffentlicht am 29.06.1983
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Index

27 Rechtspflege
27/01 Rechtsanwälte

Norm

B-VG Art18 Abs2
B-VG Art83 Abs2
DSt 1872 §5 Abs2
GO für den Disziplinarrat der Rechtsanwaltskammer für Sbg §6 Abs2

Beachte

vgl. Kundmachung BGBl. 442/1983 am 6. Sept. 1983; s. Anlaßfälle VfSlg. 9757/1983

Leitsatz

Geschäftsordnung für den Disziplinarrat der Rechtsawaltskammer für Sbg; §6 Abs2 erster und zweiter Satz wegen Verstoßes gegen §5 Abs2 Disziplinarstatut gesetzwidrig

Spruch

Der erste und zweite Satz im §6 Abs2 der Geschäftsordnung für den Disziplnarrat der Rechtsanwaltskammer für Sbg. (genehmigt mit Erlaß des Bundesministers für Justiz vom 7. 11. 1975, Z 16.313/2-I 6/75, kundgemacht im Nachrichtenblatt der österreichischen Rechtsanwaltschaft, Heft 1, 1976, S 18 ff.) werden als gesetzwidrig aufgehoben.

Der Bundesminister für Justiz ist zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung im Bundesgesetzblatt verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Der Disziplinarrat der Rechtsanwaltskammer für Sbg. erkannte die beim VfGH zu B13/79, B471/82 bzw. B112/83 beschwerdeführenden Rechtsanwälte mit je einem nach mündlicher Verhandlung gefällten Erk. eines Disziplinarvergehens schuldig und verhängte jeweils eine Geldbuße. Die Berufungen der Beschwerdeführer an die Oberste Berufungs- und Disziplinarkommission für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter (OBDK) blieben erfolglos und es wurde im ersten Fall (B13/79) in Stattgebung der Berufung des Kammeranwaltes eine höhere Geldbuße verhängt.

Aus Anlaß dieser Beschwerdeverfahren beschloß der VfGH, gemäß Art139 Abs1 B-VG von Amts wegen Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit des folgendermaßen lautenden ersten und zweiten Satzes im §6 Abs2 der von der Vollversammlung der Rechtsanwaltskammer für Sbg. beschlossenen Geschäftsordnung für den Disziplinarrat der Rechtsanwaltskammer für Sbg. (genehmigt mit Erlaß des Bundesministers für Justiz vom 7. 11. 1975, Z 16.313/2-I 6/75, kundgemacht im Nachrichtenblatt der Österreichischen Rechtsanwaltschaft, Heft 1, 1976, S 18 ff.) einzuleiten:

"Bei mündlichen Verhandlungen hat der erkennende Senat aus dem Vorsitzenden (Präsident oder Präsidenten-Stellvertreter §4) und vier Mitgliedern (Ersatzmännern) - unter denen auch der Präsidenten-Stellvertreter sein kann, wenn er nicht selbst den Vorsitz führt - des Disziplinarrates zu bestehen. Die Zusammensetzung des jeweils erkennenden Senates erfolgt durch den Präsidenten oder dessen Stellvertreter."

2. Der Bundesminister für Justiz und die Vollversammlung der Rechtsanwaltskammer für Sbg. erstatteten keine Äußerungen in der Sache.

II. Der VfGH hat die Verordnungsprüfungsverfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden und hat erwogen:

1. Die vorläufige Annahme des VfGH, er hätte den ersten und zweiten Satz im §6 Abs2 der Geschäftsordnung bei seinen Entscheidungen in den Beschwerdefällen anzuwenden, trifft zu. Der Gerichtshof wird nämlich zu beurteilen haben, ob der in erster Instanz eingeschrittene Disziplinarrat seine Entscheidungen in der vorgeschriebenen personellen Zusammensetzung fällte; für diese Beurteilung lieferte die in Prüfung gezogene Verordnungsstelle den Maßstab.

Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen gegeben sind, sind die Prüfungsverfahren zulässig.

2. a) Bei der Darlegung seiner Bedenken ging der VfGH von folgenden Ausführungen in seinem Erk. VfSlg. 8711/1979 aus:

"Wie bereits im Einleitungsbeschluß ausgeführt wurde, ist der aus dem Präsidenten und acht bzw. nach §5 Abs2 DSt. 14 Mitgliedern bestehende Disziplinarrat die zur Behandlung der Disziplinarangelegenheiten zuständige Behörde. Diese Zusammensetzung ist vom Gesetzgeber als Regel für die Fällung der dieser Kollegialbehörde obliegenden Entscheidungen vorgesehen. Dies wird durch die Bestimmungen des §25 Abs1 und 2 über das Zustandekommen eines gültigen Beschlusses nicht berührt.

Eine Regelung, nach der an der Beschlußfassung des DiszR nur die für das Zustandekommen eines gültigen Beschlusses erforderliche Mindestzahl von stimmberechtigten Personen teilnehmen darf und sohin eine Beschlußfassung durch das aus der Gesamtzahl der Mitglieder bestehende Kollegium ausgeschlossen wird, steht mit dem Gesetz in Widerspruch."

Im Hinblick auf den Wortlaut der zitierten Sätze im §6 Abs2 der Geschäftsordnung nahm der VfGH vorläufig weiters an, daß an der Beschlußfassung des Disziplinarrates nur die dort angeführte Zahl von stimmberechtigten Personen teilnehmen dürfe und daß sohin eine Beschlußfassung durch das aus der Gesamtzahl der Mitglieder bestehende Kollegium ausgeschlossen sei. Die wiedergegebenen Verordnungsbestimmungen stünden daher anscheinend aus den im Erk. VfSlg. 8711/1979 angeführten Gründen mit dem Gesetz in Widerspruch.

b) Im Prüfungsverfahren sind keine Umstände hervorgekommen, die geeignet wären, die dargelegten Bedenken des VfGH zu entkräften. Der Gerichtshof bleibt auf seinem im zitierten Erk. VfSlg. 8711/1979 eingenommenen Standpunkt, woraus entsprechend folgt, daß die in Prüfung gezogene Verordnungsstelle mit Gesetzwidrigkeit belastet und daher aufzuheben ist.

3. Die Entscheidung über die Kundmachungsverpflichtung stützt sich auf Art139 Abs5 B-VG.

Schlagworte

Rechtsanwälte, Disziplinarrecht (Rechtsanwälte)

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1983:V27.1983

Dokumentnummer

JFT_10169371_83V00027_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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