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L3 FinanzrechtNorm
B-VG Art144 Abs1 / AnlaßfallBeachte
Anlaßfall zu VfSlg. 9676/1983Leitsatz
Grazer Kanalabgabenordnung 1971; Verletzung des Eigentumsrechtes im Anlaßfall nach Aufhebung des §3 Abs3 als gesetzwidrigSpruch
Die Bescheide werden aufgehoben.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Der Beschwerdeführerin wurden gemäß §§2 und 4 des Kanalabgabengesetzes 1955, LGBl. 71/1955 idF LGBl. 40/1971 iVm §§2 und 3 der Verordnung des Gemeinderates der Landeshauptstadt Graz vom 13. Mai 1971, mit der die Kanalabgabenordnung der Landeshauptstadt Graz erlassen wird (im folgenden: Kanalabgabenordnung), mit Bescheiden des Magistrates der Landeshauptstadt Graz folgende Kanalgebühren vorgeschrieben:
a) mit dem Bescheid vom 14. November 1980, GZ A 8-887/16-1980, in der Höhe von S 486.956,- (unter Anwendung des mit Aktenvermerk des Magistrates Graz, Finanzabteilung, vom 24. Jänner 1974, GZ A 8-34/34-1974, festgesetzten Einheitssatzes von S 71,90);
b) mit dem Bescheid vom 14. November 1980, GZ A 8-887/17-1980, in der Höhe von S 516.991,- (unter Anwendung des mit Aktenvermerk des Magistrates Graz, Finanzabteilung vom 18. Juli 1972, GZ A 8-366/32-1972, festgesetzten Einheitssatzes von S 59,60);
c) mit dem Bescheid vom 25. Feber 1981, GZ A 8-70/1-1981, in der Höhe von S 896.232,- (unter Anwendung des mit Kundmachung des Stadtrates für Finanzen der Landeshauptstadt Graz vom 12. Juli 1977, GZ A 8-324/55-1977, festgesetzten Einheitssatzes von S 126,07).
2. Die von der Beschwerdeführerin gegen die Bescheide nach lita und b erhobenen Berufungen hat der Gemeinderat der Landeshauptstadt Graz mit dem Bescheid vom 2. Juli 1981, GZ A 8-33/20-1981, und die gegen den Bescheid nach Pkt. 1 litc erhobene Berufung mit dem Bescheid vom 2. Juli 1981, GZ A 8-70/2-1981, als unbegründet abgewiesen.
3. Gegen diese Bescheide des Gemeinderates der Stadtgemeinde Graz richtet sich die vorliegende - auf Art144 B-VG gestützte - Beschwerde, in der die Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung sowie die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und auf Unverletzlichkeit des Eigentums geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung der angefochtenen Bescheide, in eventu die Abtretung der Beschwerde an den VwGH beantragt wird.
Die Beschwerde ist, soweit sie sich gegen den Bescheid des Gemeinderates vom 2. Juli 1981, GZ A 8-33/20-1981, unter B385a/81 und, soweit sie sich gegen den Bescheid vom 2. Juli 1981, GZ A 8-70/2-1981, richtet, unter B385b/81 protokolliert.
II. Aus Anlaß der Beschwerden zu B385a, b/81 hat der VfGH von Amts wegen gemäß Art139 Abs1 B-VG ein Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit des §3 Abs3 der Verordnung des Gemeinderates der Landeshauptstadt Graz vom 13. Mai 1971, mit der die Kanalabgabenordnung der Landeshauptstadt Graz erlassen wird, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel im Rathaus am 25. Mai 1971 und durch Verlautbarung im Amtsblatt der Landeshauptstadt Graz 1971, Nr. 11, S 137 f., eingeleitet. Aus Anlaß der Beschwerde zu B385b/81 hat er überdies von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit der Kundmachung des Stadtrates für Finanzen der Landeshauptstadt Graz vom 12. Juli 1977, GZ A 8-324/55-1977, über Kanalisationsbeiträge, verlautbart im Amtsblatt der Landeshauptstadt Graz 1977, Nr. 12, S 217, eingeleitet.
Mit dem Erk. vom 16. März 1983, V12, 13/82, V44, 45/82, hat der VfGH die angeführten Verordnungsbestimmungen als gesetzwidrig aufgehoben.
III. Der VfGH hat erwogen:
1. Mit den angefochtenen Bescheiden ist der Beschwerdeführerin die Entrichtung von Kanalgebühren vorgeschrieben worden. Die Bescheide greifen somit in ihr Eigentumsrecht ein. Dieser Eingriff wäre nach der ständigen Judikatur des VfGH (zB VfSlg. 8776/1980, 9014/1981) insbesondere dann verfassungswidrig, wenn der ihn verfügende Bescheid ohne jede Rechtsgrundlage erlassen worden wäre oder auf einer verfassungswidrigen Rechtsgrundlage beruhte.
Der mit der Beschwerde zu B385b/81 bekämpfte Bescheid beruht auf denjenigen Verordnungsbestimmungen, die mit dem in II. angeführten Erk. des VfGH als gesetzwidrig aufgehoben wurden.
Der mit der Beschwerde zu B385a/81 bekämpfte Bescheid ist einerseits auf der Grundlage der als gesetzwidrig aufgehobenen Verordnungsbestimmung des §3 Abs3 der Kanalabgabenordnung erlassen worden. Andererseits ist ein Einheitssatz nicht festgesetzt worden, wie das für die Berechnung der Kanalgebühren nach §4 Abs2 des Kanalabgabengesetzes 1955, LGBl. 71/1955 idF der Gesetze LGBl. 158/1963, 63/1965 und 40/1971 vorgeschrieben ist. Die - nach außen nicht in Erscheinung getretene - Festsetzung eines Einheitssatzes durch einen "Aktenvermerk der Finanzabteilung" ist keinesfalls eine den gesetzlichen Bestimmungen entsprechende Festsetzung des Einheitssatzes iS des §4 Abs2 Kanalabgabengesetz. Insoweit entbehrt die Vorschreibung der Kanalabgaben einer rechtlichen Grundlage.
Die Beschwerdeführerin ist im Eigentumsrecht verletzt worden.
Die Bescheide waren daher aufzuheben.
Schlagworte
VfGH / AnlaßfallEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1983:B385a.1981Dokumentnummer
JFT_10169371_81B00385_00