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80 Land-und ForstwirtschaftNorm
B-VG Art12 Abs2Leitsatz
Kein Entzug des gesetzlichen Richters durch die Zurückweisung einer Berufung gegen einen Bescheid des Landesagrarsenates mangels Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates; keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die ausschließliche Zuständigkeit der Agrarbehörden; keine Kontrolle der Entscheidungen der Agrarbehörden durch eine andere Verwaltungsbehörde vorgesehenSpruch
Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. Mit dem angefochtenen Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Vorarlberg wird eine Berufung des Beschwerdeführers gegen einen Berufungsbescheid des Landesagrarsenates als unzulässig zurückgewiesen, mit welchem der Berufung gegen ein Straferkenntnis der Agrarbezirksbehörde Bregenz keine Folge gegeben wurde. (Zugleich mit der zurückgewiesenen Berufung hat der Beschwerdeführer gegen den abweisenden Berufungsbescheid auch Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhoben, die zu B1176/05 anhängig ist).
Die Beschwerde rügt unter anderem die Verfassungswidrigkeit des §1 Abs3 AgrbehG 1950, wonach der Landesagrarsenat endgültig entscheidet, wegen Verstoßes gegen Art129a Abs1 Z1 B-VG und sieht das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter durch Verweigerung der Sachentscheidung verletzt; zumindest sei die Zuständigkeit für diese Verwaltungsstrafsache in verfassungswidriger Weise unklar geblieben.
Der Unabhängige Verwaltungssenat hat die Akten vorgelegt, von einer Gegenschrift aber abgesehen.
II. Die Beschwerde ist nicht begründet.
1. Gemäß Art12 Abs2 B-VG steht in den Angelegenheiten der Bodenreform die Entscheidung in letzter Instanz und in der Landesinstanz Senaten zu, die aus dem Vorsitzenden und aus Richtern, Verwaltungsbeamten und Sachverständigen als Mitgliedern bestehen; in den die Einrichtung, die Aufgaben und das Verfahren der Senate regelnden Gesetzen ist zu bestimmen, dass die Bescheide der Senate nicht der Aufhebung und Abänderung im Verwaltungsweg unterliegen, der Ausschluss eines ordentlichen Rechtsmittels von der Behörde erster Instanz an die Landesinstanz ist unzulässig.
Nach §1 Abs3 AgrbehG 1950 entscheidet der Landesagrarsenat über Berufungen in Verwaltungsstrafsachen endgültig. Diese Beschränkung des Instanzenzuges steht mit Art12 Abs2 B-VG im Einklang (e contrario letzter Satz). Wäre ein weiterer Instanzenzug eröffnet, hätte er kraft Art12 Abs2 B-VG an den Obersten Agrarsenat zu gehen. Der Verfassungsgerichtshof geht davon aus, dass Art12 Abs2 B-VG dahin zu verstehen ist, dass in schlechthin allen Angelegenheiten der Bodenreform ausschließlich die - in den Instanzen eine besondere fachliche Ausrichtung garantierenden - Agrarbehörden zu entscheiden haben.
2. Gemäß Art129a Abs1 B-VG erkennen die mit der BVG-Novelle 1988 eingeführten unabhängigen Verwaltungssenate in den Ländern nach Erschöpfung des administrativen Instanzenzuges unter anderem im Verfahren wegen Verwaltungsübertretungen, ausgenommen Finanzstrafsachen des Bundes (Z1).
Das rechtspolitische Anliegen der Einführung der Unabhängigen Verwaltungssenate war es, sowohl für das Verwaltungsstrafverfahren als auch für Angelegenheiten, die civil rights berühren, "eine der EMRK entsprechende Behördenorganisation bzw die Voraussetzungen für eine Rücknahme des österreichischen Vorbehalts zu Art5 EMRK zu schaffen" (Köhler, Art129a B-VG, in:
Korinek/Holoubek, Bundesverfassungsrecht [1999], RZ 2 mit weiteren Nachweisen). Nichts spricht für die Annahme, dass in Angelegenheiten, in denen bereits die Bundesverfassung eine Be-hördenorganisation vorsah (und vorsieht), die in Verbindung mit der bestehenden einfachgesetzlichen Rechtslage den Anforderungen der EMRK in Verwaltungsstraf- wie in Zivilsachen genügt und die schon auf Verfassungsstufe zugleich der Notwendigkeit besonderen Sachverstandes der Organwalter Rechnung trägt, eine außerhalb dieser Behördenorganisation stehende Verwaltungsbehörde zur Kontrolle ihrer Entscheidungen (unter Ausschaltung der verfassungsgesetzlich vorgesehenen Obersten Behörde) eingeschaltet werden sollte (vgl. insoweit auch das von den Verfahrensparteien diskutierte Erkenntnis des VwGH vom 25. Juli 2002, Z2002/07/0050).
Diesem Verständnis entsprechend sieht auch §1 Abs2 AgrVG 1950 idF der Novelle BGBl. I Nr. 158/1998 in unbedenklicher Weise vor, dass im Berufungsverfahren in Verwaltungsstrafsachen vor den Agrarbehörden der 5. Abschnitt des II. Teils des Verwaltungsstrafgesetzes 1991, BGBl. Nr. 52, nur mit Ausnahme der §§51 Abs1 und 51c gilt, womit das Recht der Berufung an den Unabhängigen Verwaltungssenat ausdrücklich verneint wird und die Verfahrensbestimmungen im Berufungsverfahren an die Agrarsenate anzuwenden sind. Angesichts dieser besonderen verfassungsrechtlichen Lage in Bezug auf die Angelegenheiten der Bodenreform erübrigt sich eine Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Lehrmeinungen zur allgemeinen Reichweite und Bedeutung des Art129a B-VG.
Durch die Zurückweisung seiner Berufung an den Unabhängigen Verwaltungssenat wurde der Beschwerdeführer daher nicht im verfassungsgesetzlichen Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt. Damit scheidet die Verletzung in anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten von vornherein aus. Die Beschwerde übersieht mit ihrem übrigen Vorbringen, dass der angefochtene Bescheid eben keine Sachentscheidung getroffen hat.
Die Beschwerde ist daher abzuweisen.
Eine mündliche Verhandlung war entbehrlich (§19 Abs4 erster Satz VfGG).
Schlagworte
Agrarbehörden, Agrarverfahren, Unabhängiger Verwaltungssenat, Instanzenzug, Behördenzuständigkeit, Rechtspolitik, Berufung, Verwaltungsstrafrecht, RechtsschutzEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2006:B3697.2005Dokumentnummer
JFT_09939381_05B03697_00