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66 SozialversicherungBeachte
s. Anlaßfälle VfGH v. 22. 9. 1983, B254/81; v. 11. 10. 1983, B222/78; v. 25. 11. 1983, B501/79Leitsatz
ASVG; der Wortteil "Kranken-," im §4 Abs1 nicht gleichheitswidrigSpruch
Den Anträgen wird nicht Folge gegeben; der Wortteil "Kranken-," im §4 Abs1 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes - ASVG BGBl. 189/1955, wird nicht als verfassungwidrig aufgehoben
Begründung
Entscheidungsgründe:
1.1. Mit Bescheid des Bundesministers für soziale Verwaltung vom 8. Mai 1981 Z 126.236/3-6/1980, wurde ua. dem vom Landeshauptmann von Wien unerledigt glassenen) Einspuch des Dr. F. M. gegen den - seine Voll- Kranken-, Unfall-, Pensions-) und Arbeitslosenversicherungspflicht nach §4 Abs1 Z1 ASVG und §1 Abs1 lita AlVG 1977 feststellenden - Bescheid der Wr. Gebietskrankenkasse für Arbeiter und Angestellte vom 12. Feber 1980, Z VA-VR 9008462/80 - WeiG/Kai, gemäß den §§66 Abs4, 73 Abs2 AVG 1950 nicht Folge gegeben und festgestellt, daß der Einspruchswerber auf Grund seiner Tätigkeit als Lehrbeauftragter beim Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung (ab 1. Oktober 1979) der Voll- und Arbeitslosenversicherungspflicht nach §4 Abs1 Z1 ASVG und §1 Abs1 lita AlVG 1977 unterliege.
1.1.1. Gegen diesen Bescheid richtete sich die auf Art144 (Abs1) B-VG gestützte Beschwerde des Dr. F. M. an den VfGH (protokolliert unter B254/81), in der die Verletzung von Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm, und zwar des §4 Abs1 ASVG, ferner die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art7 Abs1 B-VG, Art2 StGG) behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wurde.
1.1.2. Zur Begründung dieser Beschwerde wurde - sinngemäß zusammengefaßt - ausgeführt, der Beschwerdeführer, der gleichzeitig Universitätsassistent in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund und Lehrbeauftragter zufolge eines ihm vom Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung erteilten remunerierten Lehrauftrages gemäß §43 UOG sei, werde kraft der - dem angefochtenen Bescheid rechtsrichtig zugrunde gelegten - Bestimmung des §4 Abs1 Z1 ASVG einer zweifachen Krankenversicherungspflicht, nämlich als Assistent nach dem B-KUVG und als Lehrbeauftragter nach dem ASVG, unterworfen: Obwohl gewerblich Selbständige nach §4 Abs2 Z4 GSVG, Angehörige freier Berufe nach §3 Abs1 FSVG und Bauern nach §5 Abs2 Z3 BSVG von der Krankenversicherung ausgenommen seien, wenn bereits eine Krankenversicherungspflicht nach dem B-KUVG bestehe, fehle - ohne jede sachliche Rechtfertigung - im Bereich des ASVG, und zwar insbesondere auch in den mit "Ausnahmen von der Vollversicherung" überschriebenen Bestimmungen der §§5 und 6 ASVG oder im §7 ASVG, betreffend "Teilversicherung von im §4 genannten Personen", eine analoge Ausnahmebestimmung für unselbständig Erwerbstätige, die sowohl in einem Beschäftigungsverhältnis nach dem ASVG als auch in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis stünden, welches bereits eine Krankenversicherungspflicht nach dem B-KUVG begründe. §4 Abs1 Z1 ASVG als diese doppelte Pflichtkrankenversicherung festlegender Grundtatbestand verstoße daher gegen das Gleichheitsgebot des Art7 Abs1 B-VG.
1.2.1. Im Zuge der verfassungsgerichtlichen Beratung über diese Beschwerde entstanden Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit des Wortteils "Kranken-," im §4 Abs1 ASVG, BGBl. 189/1955, der folgendermaßen lautet:
"In der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung sind auf Grund dieses Bundesgesetzes versichert (vollversichert), wenn die betreffende Beschäftigung weder gemäß den §§5 und 6 von der Vollversicherung ausgenommen ist, noch nach §7 nur eine Teilversicherung begründet:
1. die bei einem oder mehreren Dienstgebern beschäftigten Dienstnehmer; ..."
1.2.2.1. Der VfGH faßte daraufhin am 24. Juni 1982 den Beschluß, dieses im §4 Abs1 ASVG enthaltene Wort auf seine Verfassungsmäßigkeit zu prüfen.
1.2.2.2. In der Begründung des Prüfungsbeschlusses heißt es ua. wörtlich:
"Es scheint, daß die §§4 Abs2 Z4 GSVG, 3 Abs1 FSVG (in Verbindung mit dem GSVG) und 5 Abs2 Z3 BSVG die Subsidiarität der Krankenversicherungspflicht für die Berufsgruppen der gewerblich, freiberuflich und in der Land- und Forstwirtschaft selbständig Erwerbstätigen zum Ausdruck bringen: Wer schon - wie hier der Beschwerdeführer nach dem B-KUVG - pflichtkrankenversichert sei, solle nicht auch der Krankenversicherungspflicht nach dem GSVG, FSVG und BSVG unterliegen. Hingegen ist für den Bereich der unselbständig Erwerbstätigen nach dem ASVG keine entsprechende (Ausnahms-)Regelung zu ersehen. Vielmehr unterfällt ein nach dem B-KUVG Pflichtkrankenversicherter, der überdies eine Beschäftigung nach dem ASVG ausübt, grundsätzlich auch der Krankenversicherungspflicht nach diesem Versicherungsgesetz. Der VfGH kann vorläufig nicht finden, daß eine derart doppelte Pflichtkrankenversicherung (nach dem B-KUVG und nach dem ASVG) - die im Krankheitsfall der Natur der Sache nach jedenfalls für Heilbehandlung keinen Anspruch auf doppelte Leistung entstehen lassen kann - anders einzuschätzen sei als die vom Gesetzgeber anscheinend nach Subsidiaritätsgrundsätzen geordneten adäquaten Versicherungsfälle nach dem GSVG, FSVG und BSVG. Insoweit bestehen daher aus den dargelegten Gründen Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit dieser - ein und dasselbe Rechtsinstitut betreffenden - gesetzlichen Regelung unter dem Blickwinkel des Art7 Abs1 B-VG (s. VfSlg. 7331/1974; VfGH 5. 3. 1981 B539/79 ua.)."
1.3.1. Der VwGH stellte am 24. September 1982 in einem bei ihm anhängigen Verfahren über eine Beschwerde gegen einen Bescheid des Bundesministers für soziale Verwaltung unter AZ A 14 und 15/82 gemäß Art140 B-VG den Antrag, der VfGH möge den Wortteil "Kranken-," im §4 Abs1 ASVG als verfassungswidrig aufheben (beim VfGH protokolliert zu G63/82). Gleichlautende Anträge an den VfGH ergingen in weiteren beim VwGH geführten Beschwerde- bzw. Säumnisverfahren, und zwar:
Zu A18/82 am 8. 10. 1982 (G69/82), zu A19/82 am 8. 10. 1982 (G70/82), zu A17/82 am 8. 10. 1982 (G71/82), zu A20/82 am 8. 10. 1982 (G72/82), zu A21/82 am 15. 10. 1982 (G73/82), zu A22/82 am 15. 10. 1982 (G74/82), zu A24/82 am 15. 10. 1982 (G75/82), zu A27/82 am 15. 10. 1982 (G76/82), zu A23/82 am 15. 10. 1982 (G77/82), zu A29/82 am 29. 10. 1982 (G80/82), zu A30/82 am 29. 10. 1982 (G81/82), zu A34/82 am 5. 11. 1982 (G82/82), zu A31/82 am 29. 10. 1982 (G83/82), zu A28/82 am 29. 10. 1982 (G84/82), zu A32/82 am 5. 11. 1982 (G86/82), zu A35/82 am 5. 11. 1982 (G88/82), zu A36/82 am 5. 11. 1982 (G92/82), zu A4/83 am 20. 1. 1983 (G5/83), zu A5/83 am 20. 1. 1983 (G6/83), zu A7/83 am 27. 1. 1983 (G9/83), zu A40/82 am 10. 12. 1982 (G11/83), zu A8/83 am 3. 2. 1983 (G12/83), zu A9/83 am 3. 2. 1983 (G13/83), zu A10/83 am 24. 2. 1983 (G14/83), zu A11/83 am 24. 2. 1983 (G15/83), zu A12/83 am 24. 2. 1983 (G16/83) und zu A13/83 am 24. 2. 1983 (G17/83).
1.3.2. In allen diesen Anträgen legte der VwGH dar, daß er den besagten Wortteil des §4 Abs1 ASVG in den bei ihm anhängigen Rechtssachen anzuwenden habe. Im übrigen machte der VwGH jeweils jene verfassungsrechtlichen Bedenken geltend, die der VfGH in seinem bereits erwähnten Prüfungsbeschluß ausgedrückt hatte (s. 1.2.2.2.).
1.4.1. Die Wr. Gebietskrankenkasse für Arbeiter und Angestellte stellte mit Bescheid vom 19. April 1973, Konto Nr. 8736561, fest, daß H. P. auf Grund ihrer Beschäftigung bei ihrem Ehegatten J. P. ab 1. Juni 1969 gemäß §4 Abs1 Z1 ASVG und §1 Abs1 lita AlVG 1958 der Voll- (Kranken-, Unfall-, Pensions-) und Arbeitslosenversicherungspflicht unterliege. Ferner wurde festgestellt, daß J. P. als Dienstgeber iS des §35 Abs1 ASVG gemäß §58 Abs2 und 3 l. c in Verbindung mit §§44, 49 und 54 ASVG sowie §62 Abs2 AlVG 1958 verpflichtet sei, für die Zeit vom 1. Juni 1969 bis 28. Feber 1973 Beiträge und Sonderbeiträge bzw. gemäß §19 Abs4 des Arbeiterkammergesetzes, §12 Abs2 des Bundesgesetzes über Wohnungsbeihilfen und §5 Abs3 des Bundesgesetzes über die Einhebung eines Wohnbauförderungsbeitrages Umlagen in Gesamthöhe von S 34.431,27 an die Wr. Gebietskrankenkasse für Arbeiter und Angestellte zu entrichten.
Der gegen diesen Bescheid von J. und H. P. erhobene Einspruch wurde vom Landeshauptmann von Wien mit Bescheid vom 8. November 1974, Z MA 14-P 28/73, als unbegründet abgewiesen.
Der dagegen ergriffenen Berufung wurde mit Bescheid des Bundesministers für soziale Verwaltung vom 10. Feber 1978, Z 120.002/5-6/77, keine Folge gegeben und der angefochtene Bescheid bestätigt.
Dieser Bescheid bildete den Gegenstand einer (zu B222/78 protokollierten) Verfassungsgerichtshofbeschwerde des J. und der H.
P.
1.4.2. Die "F" Werbung A. F. und H. B. OHG befaßte sich mit der Verteilung von Zeitschriften und Werbematerial an Haushalte. Nach einer Beitragsprüfung gelangte die Wr. Gebietskrankenkasse für Arbeiter und Angestellte zur Ansicht, daß der vom 21. Feber 1973 bis 31. März 1973 als Werbemittelverteiler beschäftigte K. K. als Dienstnehmer damals nach dem ASVG und dem AlVG pflichtversichert war und stellte mit Bescheid vom 24. Jänner 1974, Z BALST-VR 8022402/74-Hau/Bt, für den genannten Zeitraum die Versicherungspflicht nach §4 Abs1 Z1 ASVG und §1 Abs1 lita AlVG fest.
Der Einspruch der Gesellschaft wurde mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 1. Dezember 1977, Z MA 14-F 20/74, als unbegründet abgewiesen.
Der Bundesminister für soziale Verwaltung gab mit Bescheid vom 14. September 1979, Z 121.698/1-6/1978, der Berufung gegen den Bescheid des Landeshauptmannes keine Folge.
Gegen den Berufungsbescheid wendete sich eine auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde an den VfGH (protokolliert unter B501/79), in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Unversehrtheit des Eigentums und auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz gerügt wurde.
1.4.3. Auch aus Anlaß dieser beiden Beschwerden beschloß der VfGH, gemäß Art140 Abs1 B-VG von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des Wortteils "Kranken-," im §4 Abs1 ASVG einzuleiten. Die hiefür maßgebenden Erwägungen ergaben sich sinngemäß aus seinem Beschluß vom 24. Juni 1982, B254/81, auf den verwiesen wurde.
1.5.1. Die Bundesregierung erstattete im wesentlichen übereinstimmende Äußerungen, in denen sie die Verfassungsmäßigkeit der in Prüfung gezogenen Norm verteidigte und den Antrag stellte, diesen Wortteil des §4 Abs1 ASVG nicht als verfassungswidrig aufzuheben.
1.5.2. In diesen Äußerungen brachte die Bundesregierung ua. vor:
"Das österreichische Sozialversicherungsrecht ist durch mehrere Prinzipien gekennzeichnet, zu denen ua. jenes des Pflichtversicherungsverhältnisses sowie jenes der Mehrfachversicherung gehört. Die Pflichtversicherungstatbestände sind vom Gesetzgeber nicht so konstruiert, daß sie einander von vornherein in jedem Fall ausschließen. Der Gesetzgeber hat also an die Möglichkeit gedacht, daß jemand mehrere Pflichtversicherungstatbestände zugleich erfüllt und somit einer Mehrfachversicherung unterliegt.
Der VfGH hat in mehreren Erk. (so insbesondere VfSlg. 4801/1964, 6181/1970) die Mehrfachversicherung als für verfassungsrechtlich zulässig erklärt.
Zwar handelte es sich diesfalls um Mehrfachversicherungen innerhalb ein- und desselben Versichertenkreises, nämlich ASVG bzw. B-KUVG, während es sich im vorliegenden Anlaßfall um zwei verschiedene Beschäftigungsverhältnisse handelt, nämlich eine die Versicherungspflicht nach dem B-KUVG begründende Assistententätigkeit einerseits, sowie eine die Versicherungspflicht nach dem ASVG begründende Tätigkeit als Lehrbeauftragter andererseits. Doch kann dies nach Auffassung der Bundesregierung bei dieser Betrachtungsweise keinen Unterschied ausmachen, handelt es sich doch in beiden Fällen um ein unselbständiges Beschäftigungsverhältnis.
Es kann gesagt werden, daß der Gesetzgeber bei Vorliegen der entsprechenden Sachverhalte eine Mehrfachversicherung im Verhältnis ASVG - B-KUVG als Regel annimmt. Von dieser Regel wird lediglich im B-KUVG im §2 Abs1 Z5 eine Ausnahme statuiert. In diesen Fällen hält der Gesetzgeber offenbar eine Doppelversicherung, die auf Grund der ausgeübten Funktion eintreten würde, im Hinblick auf den besonderen Charakter dieser Funktion für nicht sinnvoll.
Anders verhält sich die Rechtslage im Bereich der Krankenversicherung der selbständig Erwerbstätigen. Hier hat der Gesetzgeber das Prinzip der Subsidiarität der Krankenversicherung nach dem BSVG, GSVG und FSVG gegenüber den Krankenversicherungen nach ASVG und B-KUVG als Regelfall normiert.
Die Bundesregierung vermag in dieser unterschiedlichen Behandlung, nämlich Pflichtversicherung sowohl nach dem B-KUVG und nach dem ASVG einerseits, Ausnahmeregelung bei Beschäftigung bzw. Erwerbstätigkeit nach dem ASVG, B-KUVG und dem GSVG, BSVG bzw. FSVG andererseits keine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung zu erblicken, und zwar aus folgenden Gründen:
a) Entwicklung des Sozialversicherungsrechts: Das Prinzip der Subsidiarität der Krankenversicherungen der in der gewerblichen Wirtschaft bzw. in der Land- und Forstwirtschaft selbständig Erwerbstätigen gegenüber der Krankenversicherung der Unselbständigen ist ua. historisch erklärbar. Die Schaffung der Bauern-Krankenversicherung bzw. der Krankenversicherung der Gewerbetreibenden verfolgte das Ziel, für bisher nicht versicherte Personengruppen einen Versicherungsschutz neu zu schaffen. Eine andere Lösung - als die der Subsidiarität - wäre somit sozialpolitisch nicht schlüssig gewesen.
b) Unterschiedlichkeit des Versichertenkreises der Selbständigen und der Unselbständigen: Es darf nicht außer acht gelassen werden, daß gerade im Sozialversicherungsrecht die Festlegung von Doppelversicherungen bzw. deren gesetzlicher Ausschluß nicht auf einer sachlich ungerechtfertigten Ungleichbehandlung von Personen durch den Gesetzgeber beruht, sondern lediglich sachlichen Unterschieden bei den einzelnen Berufsgruppen entspricht. Ausgehend von der Lebenssituation der jeweils betroffenen Berufe kommt es berufsspezifisch zu ganz unterschiedlichen Auffassungen, ob eine Einbeziehung (bzw. eine zusätzliche Einbeziehung) in eine Pflichtversicherung notwendig ist oder nicht. Daß derartige Überlegungen sich schließlich in verschiedenartigen gesetzlichen Regelungen niederschlagen, ist keine Gleichheitswidrigkeit, sondern eine sachlich gerechtfertigte und gewünschte Ungleichbehandlung von Berufen mit gänzlich unterschiedlichen Lebenssituationen. Gewerbetreibende und Bauern haben für den Fall einer Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit oder Mutterschaft weniger Interesse an einer Barleistung, sondern sind vielmehr an Maßnahmen interessiert, die eine ungestörte Fortführung ihres Betriebes gewährleisten. Ganz iS dieses Gedankenganges ist zB das jüngst beschlossene Gesetz über die Betriebshilfe an Mütter, die in der gewerblichen Wirtschaft oder in der Landwirtschaft tätig sind (BGBl. 359/1982). §3 dieses Gesetzes stellt nämlich an die erste Stelle der bei einer Mutterschaft zu treffenden Hilfsmaßnahmen die tätige Betriebshilfe durch Beistellung von geschulten Arbeitskräften zur Fortführung des Betriebes. Die Gewährung einer Barleistung (Wochengeld) ist nur subsidiär vorgesehen.
Wie der VfGH in seinem Erk. VfSlg. 3897/1961 ausgesprochen hat, erfordert der Gleichheitssatz keineswegs eine bundeseinheitliche Regelung des Krankenkassenwesens. Dies gilt nicht nur in territorialer Hinsicht, sondern auch hinsichtlich des Kreises der Versicherten. Hier sind die sachlichen Voraussetzungen (Selbständige oder Unselbständige, aber auch wegen der Vielfalt der Berufszweige) so verschieden, daß eine differenzierende Regelung nicht nur zulässig, sondern unter Umständen sogar geboten erscheint (VfSlg. 6004/1969). Wenn eine solche differenzierende Regelung aber geboten erscheint, so ist es eine logische Konsequenz, daß der Gesetzgeber entsprechend der Berufsgruppe (selbständig oder unselbständig) bzw. entsprechend dem Leistungssystem ein System der Mehrfachversicherung oder ein System der Subsidiarität statuiert hat.
c) Unterschiedlichkeit des Leistungssystems in der Krankenversicherung der Selbständigen (GSVG, BSVG, FSVG) und in der Krankenversicherung der Unselbständigen (ASVG, B-KUVG): Der Grundsatz der Subsidiarität der Krankenversicherung nach dem GSVG bzw. BSVG gegenüber ASVG und B-KUVG ist nicht nur historisch, sondern auch im Hinblick auf die unterschiedliche Gestaltung des Leistungsrechtes ... erklärbar.
Diese Unterschiede reichen von der divergierenden Anzahl der Versicherungsfälle (Versicherungsfall der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit nur im ASVG, im GSVG kommt dieser Versicherungsfall nur bei Abschluß einer besonderen Zusatzversicherung in Betracht, B-KVG und B-KUVG kennen diesen Versicherungsfall nicht), über die Art der Leistungserbringung (Sachleistungssystem oder Kostenerstattungssystem) bis zu den unterschiedlichen Geldleistungen.
Während das ASVG und das B-KUVG im Bereich der Krankenversicherung grundsätzlich auf dem Sachleistungssystem aufbauen, steht im GSVG und BSVG die Erbringung der Leistungen der Krankenversicherung als Sachleistungen nicht im Vordergrund. In allen Sondersystemen (B-KUVG, BSVG, GSVG) ist überdies eine Kostenbeteiligung von 20 v. H. der dem Versicherungsträger erwachsenden Kosten vorgesehen und ist auch im Fall der Kostenerstattung zur Anwendung zu bringen.
Kranken-, Tag-, Wochengeld gebühren nach dem GSVG nur bei Abschluß einer Zusatzversicherung. Überdies sind der Ehegatte bzw. sonstige Angehörige eines Gewerbetreibenden nicht wie nach dem ASVG bzw. B-KUVG mitversichert, sondern es muß eine eigene Versicherung für die Angehörigen abgeschlossen werden (§10 GSVG). Ins Gewicht fallend sind weiters folgende Unterschiede im Leistungsrecht der Krankenversicherung zwischen BSVG, GSVG und ASVG bzw. B-KUVG: nach dem BSVG ist generell eine Kostenbeteiligung von 20 v. H. für die ersten vier Wochen der Anstaltspflege vorgesehen. Demgegenüber sieht das GSVG bei Anstaltspflege keine Kostenbeteiligung vor. Nach dem ASVG trägt bei Anstaltspflege des Versicherten der Versicherungsträger die den öffentlichen Krankenanstalten gebührenden Pflegegebührenersätze zur Gänze; wird die Anstaltspflege einem Angehörigen gewährt, trifft den Versicherten in den ersten 28 Tagen die Pflicht zu einer 10%-igen Kostenbeteiligung. Nach dem B-KUVG sind auch bei Angehörigen die Pflegegebühren von Beginn des Anstaltsaufenthaltes zur Gänze vom Krankenversicherungsträger zu tragen.
Das BSVG kennt weiters im Gegensatz zum ASVG und B-KUVG (GSVG nur bei Abschluß einer Zusatzversicherung) nicht die Barleistung des Wochengeldes aus dem Versicherungsfall der Mutterschaft ...
In einem seiner jüngsten Erk. (vom 12. März 1982, G25/81-30, G75/81-8) hat der VfGH ausgeführt, daß auch die unterschiedliche Gestaltung des Leistungsrechtes in verschiedenen Zweigen der Sozialversicherung geeignet ist, eine Differenzierung des Beitragsrechtes in diesen Versicherungszweigen sachlich zu rechtfertigen.
In gleicher Weise muß es dem Gesetzgeber offenbar gestattet sein, im Hinblick auf die Unterschiede im Leistungsrecht der Krankenversicherung der Selbständigen und Unselbständigen die Krankenversicherungspflicht der Selbständigen bei mehrfacher Erwerbstätigkeit nur subsidiär, die leistungsmäßig höher einzustufende Krankenversicherung der Unselbständigen jedoch jedenfalls, also bei jedem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis, eintreten zu lassen. Diese Entscheidung des Gesetzgebers ist durch sozialpolitische Überlegungen durchaus sachlicher Art zu rechtfertigen.
d) Unterschiedlichkeit des Leistungssystems in der Krankenversicherung nach dem ASVG und dem B-KUVG: Der VfGH geht in der Begründung seines Beschlusses auf amtswegige Prüfung des §4 Abs1 ASVG ausdrücklich davon aus, daß eine 'doppelte Pflichtkrankenversicherung (nach dem B-KUVG und nach dem ASVG) im Krankheitsfall der Natur der Sache nach jedenfalls für Heilbehandlung
keinen Anspruch auf doppelte Leistung entstehen lassen kann ... '
Diese Annahme trifft ... nicht zu. Der Umfang der Leistungen aus
einer Versicherung nach dem B-KUVG entspricht keinesfalls dem Leistungsumfang nach dem ASVG. Bezogen auf den Beschwerdefall, der die zusätzliche Krankenversicherung nach dem ASVG zur bereits bestehenden Versicherung nach dem B-KUVG rügt, bedeutet dies, daß die zusätzliche Krankenversicherung nach dem ASVG gegenüber der Versicherung nach dem B-KUVG eine erhebliche Erhöhung des Leistungsumfanges zur Folge hat.
e) Rechtsstellung der Sozialversicherung nach ASVG gegenüber der Sozialversicherung nach anderer bundesgesetzlicher Regelung: Das ASVG bezeichnet in seinem §2 Abs2 die Sozialversicherung nach anderen bundesgesetzlichen Regelungen (Z1: Kranken- und Unfallversicherung öffentlich Bediensteter, Z2: Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung der Bauern, Z3: gewerbliche Selbständigen-Kranken- und Pensionsversicherung) als Sonderversicherungen.
Die gesetzlichen Sonderkrankenversicherungen sind - wie bereits erwähnt worden ist - auf die besonderen Bedürfnisse der in Betracht kommenden Berufsgruppen abgestellt. Schon aus diesem Grund können die in Sonderversicherungen enthaltenen Subsidiaritätsregelungen im Hinblick auf Art7 B-VG kein Maßstab für die umfassende Regelung des §4 Abs1 ASVG sein."
1.6. Der Beschwerdeführer im verfassungsgerichtlichen Verfahren B254/81 replizierte auf die Äußerung der Bundesregierung als Beteiligter im Gesetzesprüfungsverfahren ua. wie folgt:
"Die Bundesregierung betont zutreffend, daß im österreichischen Sozialversicherungsrecht sowohl Mehrfachversicherungen als auch Subsidiaritätsverhältnisse angeordnet werden. Sie verwendet den Ausdruck 'Mehrfachversicherung' allerdings in einer dem üblichen Sinnverständnis dieses Ausdrucks nicht entsprechenden Weise. Unter Mehrfachversicherung wird die Zugehörigkeit zu mehreren Riskengemeinschaften verstanden, die sich aus der Erfüllung verschiedenartiger Pflichtversicherungstatbestände ergibt. Bei den Auswirkungen mehrerer Arbeitsverhältnisse auf die Pflichtversicherung nach ASVG handelt es sich vielmehr um das Prinzip der isolierten Betrachtungsweise der Beschäftigungsverhältnisse. Das mag nur eine begriffliche Frage sein; aus ihr folgt aber, daß der VfGH nicht - wie die Bundesregierung meint - nach den Erk. VfSlg. 4801/1964 und 6181/1970 das System der Mehrfachversicherung zu prüfen hat.
Wie die Bundesregierung zutreffend erkennt, handelt es sich bei dem vorliegenden Problem um ein qualitativ anderes, nämlich um die doppelte Pflichtversicherung in zwei verschiedenen Krankenversicherungssystemen. Dies kann aber nicht dadurch verwischt werden, daß die Krankenversicherung der Beamten einer weiteren Pflichtversicherung nach ASVG gleichgehalten wird, weil die Beamtentätigkeit auch eine 'unselbständige' wäre. Der VfGH hat vielmehr in einer Reihe von Erk. auf die Eigenständigkeit des öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses hingewiesen und die Unterschiede zwischen öffentlich- und privatrechtlichen Dienstverhältnissen betont, die die unterschiedliche Behandlung rechtfertige (vgl. VfSlg. 7791/1976). Aus der andersartigen Ausgestaltung des öffentlichrechtlichen Dienstverhältnisses ergibt sich ein von den Schutzmechanismen der Sozialversicherung nach ASVG abweichendes Sicherungsbedürfnis, das die zusätzliche Pflichtversicherung nach B-KUVG einer mehrfachen Beschäftigung nach ASVG nicht vergleichbar macht.
Die Bundesregierung weist - wie es auch der Ansicht des Beschwerdeführers entspricht - auf die Anordnung der Subsidiarität zwischen den Krankenversicherungen nach (jeweils) BSVG, GSVG, FSVG einerseits und ASVG andererseits hin. Zu ergänzen ist, daß die Erläuternden Bemerkungen zur 3. GSVG-Nov., mit der die dispositive Subsidiarität zwischen GSVG und ASVG zur zwingenden umgestaltet wurde (vgl. Krejci, Das Sozialversicherungsverhältnis 18), den Grundsatz der Subsidiarität in der Krankenversicherung als leitenden Grundsatz des Sozialversicherungsrechtes hervorheben (536 BlgNR XV. GP 8 f).
Nach den Vorstellungen des Gesetzgebers entspricht dies 'auch dem System der übrigen gesetzlichen Krankenversicherungen'. Der Gesetzgeber sieht es daher als Grundsatz des Systems der übrigen gesetzlichen Krankenversicherungen an, daß dort, wo bereits ein ausreichender Schutz der Krankenversicherung gegeben ist, eine gesetzliche Ausnahme von der Krankenversicherung nach einem anderen (subsidiären) Versicherungssystem angeordnet wird.
Die Bundesregierung ist bestrebt, die Ungleichbehandlung der nach B-KUVG in der Krankenversicherung Versicherten im Verhältnis zu BSVG, GSVG und FSVG auf der einen und ASVG auf der anderen Seite durch die tatsächliche Lebenssituation der Selbständigen zu rechtfertigen. Sie kommt in ihrer Äußerung zum Ergebnis, daß 'der Gewerbetreibende oder Bauer, dem es gelingt, trotz Krankheit oder Mutterschaft den Betrieb voll aufrecht zu erhalten, keinerlei finanzielle Einbuße erleidet'. Daher sei eine zusätzliche Versorgung mit hohen Barleistungen unnötig. Diese Aussage kann mit der Wirklichkeit und den Vorstellungen des Gesetzgebers von der Sozialversicherung der Selbständigen nicht in Einklang gebracht werden.
Ist der selbständig Erwerbstätige durch Krankheit oder Mutterschaft an der Aufrechterhaltung der Erwerbstätigkeit gehindert, entsteht ihm jedenfalls ein Vermögensnachteil, auch dann, wenn er die Betriebsführung fortsetzen kann. Dann entstehen Kosten für den Ausfall der eigenen Arbeitsleistung, die sich in Überstunden der Angestellten oder in der Bezahlung einer Ersatzarbeitskraft niederschlagen. Gelingt die Fortführung des Betriebes nicht, tritt durch Umsatz- und Gewinnminderung ein Einkommensverlust ein.
Diesem Umstand trägt gerade das von der Bundesregierung apostrophierte Bundesgesetz über die Betriebshilfe an Mütter Rechnung (BGBl. 1982/359).
Trifft es also nicht zu, daß eine Versorgung der Selbständigen mit Barleistungen unnotwendig ist, kann auch nicht der Behauptung zugestimmt werden, daß ein Beamter, der gleichzeitig unselbständig beschäftigt ist, auf die Geldleistungen der ASVG-Versicherung zur Sicherung seiner Lebenssituation angewiesen wäre. Von quantitativ zu vernachlässigenden Ausnahmen abgesehen, ist für die Versicherungspflicht nach B-KUVG Vollbeschäftigung Voraussetzung, da im öffentlichen Dienst Teilzeitbeschäftigung nicht zugelassen ist. Nach ASVG versicherungspflichtige Beschäftigungen werden daher im typischen Fall nur Nebenbeschäftigungen von Beamten darstellen, wie dies auch im Anlaßfall gegeben ist. Dieleistungsrechtlichen Beispiele der Bundesregierung gehen daher von betragsmäßig unrealistischen untypischen Voraussetzungen aus.
Der Bundesregierung ist darin zuzustimmen, daß die unterschiedliche Gestaltung des Leistungsrechtes Differenzierungen im Beitragsrecht zuläßt (VfGH G25/81 und G75/81) und daß der Gesetzgeber nicht gebunden ist, eine bundeseinheitliche Regelung des Krankenkassenwesens zu errichten (VfSlg. 3897/1961). Was für die inhaltliche Ausgestaltung der verschiedenen Versicherungszweige zutrifft, kann jedoch keineswegs für die Abgrenzung der Versicherungszweige untereinander und die Trennung der Riskengemeinschaften gelten. Gerade deswegen, weil der Gesetzgeber zwischen Riskengemeinschaften unterschiedlicher Berufsgruppen differenzieren kann, ist es ihm untersagt, die Abgrenzung dieser Riskengemeinschaften nach uneinheitlichen Gesichtspunkten vorzunehmen. Denn jene Riskengemeinschaft, bei deren Angehörigen das System der Subsidiarität verwirklicht wird, ist durch die Entlastung von der Verpflichtung, Sachleistungen zu erbringen, gegenüber anderen Riskengemeinschaften bevorzugt, deren Angehörige auf andere Versicherungssysteme nicht 'ausweichen' können. Die Riskengemeinschaften der Selbständigen in der Landwirtschaft oder im Gewerbe oder in den freien Berufen (Sozialversicherungsanstalt der Bauern, Sozialversicherungsanstalt der Gewerblichen Wirtschaft) werden dadurch gegenüber der Riskengemeinschaft der Dienstnehmer nach ASVG (Gebietskrankenkassen) bessergestellt, da sie wegen der Subsidiarität für Beamte diesen keinerlei Leistungen erbringen müssen. Die Riskengemeinschaften der Dienstnehmer nach dem ASVG (Gebietskrankenkassen) sind hingegen wegen der Mehrfachversicherung den Ansprüchen der Beamten in gleichheitswidriger Weise ausgesetzt. Diese Bevorzugung wird besonders in einer Situation deutlich, in der die Beiträge zur Finanzierung der Aufwendungen nicht mehr ausreichen. Der Unterschied im Leistungsrecht ist zudem gering, abgesehen davon, daß er für die ungleiche Abgrenzung der Versicherungssysteme keine taugliche Rechtfertigung abgeben kann, weil tatsächlich sich ergebende Vergünstigungen für einzelne Versicherte nicht die unterschiedliche Belastung der Riskengemeinschaften rechtfertigen."
2. Der VfGH hat erwogen:
2.1. Die Gesetzesprüfungsverfahren sind zulässig.
2.1.1. Der Instanzenzug in den Anlaßbeschwerdefällen (B254/81, B222/78 und B501/79) ist erschöpft.
Die angeführte Gesetzesbestimmung bildet eine der Rechtsgrundlagen der vor dem VfGH angefochtenen Ministerialbescheide; sie ist (vom VfGH) bei Fällung der Erk. über die von den Beschwerdeführern ergriffenen Beschwerden gemäß Art144 Abs1 B-VG anzuwenden und somit in diesen Beschwerdesachen präjudiziell iS des Art140 Abs1 Satz 1
B-VG.
2.1.2. Desgleichen kann der Sachlage nach denkmöglicherweise nicht ausgeschlossen werden, daß der antragstellende VwGH das angefochtene Gesetz in den bei ihm anhängigen Rechtssachen anzuwenden habe (vgl. zB VfSlg. 8917/1980, 9284/1981).
2.2. Die Bedenken des VfGH und die Anträge des VwGH erwiesen sich jedoch als unbegründet.
2.2.1. Wie die Bundesregierung zutreffend ausführt, nahm der VfGH zur Erscheinung der Mehrfachversicherung bereits in zwei Erk. Stellung.
VfSlg. 4801/1964 befaßte sich mit der Mehrfachversicherung auf Grund des ASVG, VfSlg. 6181/1970 mit jener auf Grund des B-KUVG.
Der Beschwerdeführer des (ersten) Anlaßverfahrens meint zwar, daß die Auswirkungen mehrerer Arbeitsverhältnisse innerhalb derselben Riskengemeinschaft nicht der üblichen Bedeutung des Ausdrucks Mehrfachversicherungen entsprächen, doch ist dieser Ausdruck nicht nur im Erk. VfSlg. 6181/1970 verwendet, sondern auch sonst allgemein üblich; selbst der von Krejci und dem Beschwerdeführer verfaßte Beitrag in Tomandl (Hg), System des österreichischen Sozialversicherungsrechts (1.2.4.1.2.C., S 66) bezeichnet die Regelung, daß "jedes Arbeitseinkommen pro Beschäftigungsverhältnis ... getrennt bis zur Höchstbeitragsgrundlage der Beitragsberechnung zugrundegelegt" wird, als den "Grundsatz der Mehrfachversicherung". Von "mehrfacher" Versicherung spricht schließlich auch der Gesetzgeber. Es besteht daher kein Anlaß, von diesem Sprachgebrauch abzugehen und die einschlägigen Fallgruppen außer Betracht zu lassen.
Im Bereich des ASVG kommt es zur Mehrfachversicherung auf Grund der Vorschrift des §45 Abs2. Dieser lautet idF der 20. Nov., BGBl. 201/1967 (die den früheren Ausdruck "Krankenversicherung der Bundesangestellten" durch "Krankenversicherung öffentlich Bediensteter" ersetzte):
"Übt der Pflichtversicherte gleichzeitig mehrere die Versicherungspflicht begründende Beschäftigungen aus, so sind bei der Bemessung der Beiträge in jedem einzelnen Beschäftigungsverhältnis die Höchstbeitragsgrundlagen zu berücksichtigen. Dies gilt entsprechend auch, wenn der Pflichtversicherte außer der die Versicherungspflicht nach diesem Bundesgesetz begründenden Beschäftigung eine die Versicherungspflicht nach den Bestimmungen über die Krankenversicherung öffentlich Bediensteter begründende Beschäftigung ausübt, und zwar mit der Maßgabe, daß in dieser Krankenversicherung die Höchstbeitragsgrundlage nach deren Bestimmungen anzuwenden ist."
Ein ähnlicher Effekt ergibt sich innerhalb der Krankenversicherung öffentlich Bediensteter, wie nunmehr §19 Abs6 B-KUVG (eingefügt durch die 4. Nov., BGBl. 35/1973) bestätigt:
"Ist ein Versicherter in der Krankenversicherung nach diesem Bundesgesetz mehrfach versichert, so ist für die Bemessung der allgemeinen Beiträge jede der jeweils ... in Frage kommenden Beitragsgrundlagen gesondert und bis zur Höchstbeitragsgrundlage zu berücksichtigen."
Das System der Mehrfachversicherung kann für einen in mehreren Beschäftigungsverhältnissen stehenden Versicherten im Vergleich zu einem gleich viel verdienenden Versicherten in einem einzigen Beschäftigungsverhältnis zu erheblichen Mehrbelastungen führen (vgl. Krejci, Das Sozialversicherungsverhältnis, 136). Dem Vorwurf der Gleichheitsverletzung hielt der VfGH im Erk. VfSlg. 4801/1964 unter anderem jedoch folgendes entgegen:
"Übt der Pflichtversicherte gleichzeitig mehrere die Versicherungspflicht begründende Beschäftigungen aus, so sind gemäß §45 Abs2 ASVG bei der Bemessung der Beiträge in jedem einzelnen Beschäftigungsverhältnis die Höchstbeitragsgrundlagen zu berücksichtigen. Wie der VfGH mit dem Erk. vom 26. März 1960, Slg. 3721, ausgesprochen hat, bilden alle Pflichtversicherten eine Riskengemeinschaft. Es ist daher dem Gesetzgeber grundsätzlich nicht verwehrt, die Höhe der Beiträge auch ohne direkte Relation zu den Versicherungsleistungen unter Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit der Pflichtversicherten verschieden hoch festzusetzen. Die erhöhte Leistungsfähigkeit aber ergibt sich auch aus einem mehrfachen versicherungspflichtigen Einkommen.
Darüber hinaus ist die Beschwerdebehauptung, daß der vermehrten Beitragspflicht keine erhöhten Leistungen gegenüberstünden, nicht einmal richtig. So bestimmt §128 Abs1 ASVG, daß bei mehrfacher Krankenversicherung zwar die Sachleistungen für den gleichen Versicherungsfall nur einmal zu gewähren sind. Die Barleistungen gebühren jedoch aus jeder der in Betracht kommenden Versicherungen."
Und im Erk. VfSlg. 6181/1970 führte er aus:
"Der VfGH hat aber auch nicht finden können, daß eine Regelung des Gesetzes mit dem Inhalt einer Mehrfachversicherung in der Krankenversicherung nach dem B-KUVG sachlich unbegründet wäre und solcherart den Gleichheitsgrundsatz verletzen würde.
... Die Regelung des B-KUVG ist jener des §45 Abs2 ASVG rechtsähnlich. Dort wird bestimmt, daß, wenn der Pflichtversicherte gleichzeitig mehrere die Versicherungspflicht begründende Beschäftigungen ausübt, bei der Bemessung der Beiträge in jedem einzelnen Beschäftigungsverhältnis die Höchstbeitragsgrundlagen zu berücksichtigen sind. Diese Regelung hat der VfGH in seinem Erk. vom 6. Oktober 1964, Slg. 4801, als verfassungsrechtlich unbedenklich beurteilt. Was die Ansprüche bei mehrfacher Krankenversicherung anlangt, so sind zwar nach §57 B-KUVG die Sachleistungen für ein und denselben Versicherungsfall nur einmal zu gewähren, doch gebühren die Barleistungen aus jeder der in Betracht kommenden Versicherungen. Diese Regelung stimmt mit §128 Abs1 ASVG überein. Es ist daher festzustellen, daß der vermehrten Beitragspflicht auch eine erhöhte Leistung gegenübersteht (so auch VfSlg. 4801/1964)."
Ausgehend von der Grundthese des Erk. VfSlg. 3721/1960 (zum GSPVG) nehmen diese Entscheidungen also die Mehrbelastung deshalb hin, weil die mehrfachen Einkommen die Leistungsfähigkeit erhöhen und die Mehrfachversicherung doch gewisse Mehrleistungen zur Folge hat. Diese Umstände treffen auch auf die in Prüfung stehende Regelung zu. Insbesondere kommt es auch hier zu höheren Barleistungen.
2.2.2. Der Beschwerdeführer des (ersten) Anlaßverfahrens wendet gegen den Hinweis auf die Vorerkenntnisse allerdings ein, deren Überlegungen seien auf die mehrfache Versicherung in verschiedenen Versicherungssystemen nicht übertragbar, denn im Verhältnis verschiedener Systeme gelte der Grundsatz der Subsidiarität der Krankenversicherung; zumindest gehe der Gesetzgeber von diesem Grundsatz aus. Damit greift der Beschwerdeführer offenbar den Hinweis auf die Risikogemeinschaft auf, mit dem VfSlg. 4801/1964 die Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit bei der Beitragsfestsetzung rechtfertigt, und zieht daraus den Schluß, die verfassungsrechtliche Unbedenklichkeit der Mehrfachversicherung werde aus dem Umstand abgeleitet, daß sie sich innerhalb der selben Risikogemeinschaft auswirke.
Diesen Inhalt hat aber das Vorerkenntnis nicht. Es spricht von der Risikogemeinschaft schlechthin, weil es keinen Anlaß hatte, auf die Möglichkeit der Zugehörigkeit zu mehreren Risikogemeinschaften einzugehen. Wesentlich ist indessen, daß der Gedanke der Risikogemeinschaft, wie er in den Einrichtungen der Sozialversicherung verwirklicht ist, die Anpassung der Beitragshöhe an die Leistungsfähigkeit ermöglicht. Rechtfertigt die erhöhte Leistungsfähigkeit zufolge mehrerer Beschäftigungsverhältnisse eine Mehrbelastung dann, wenn diese Beschäftigungsverhältnisse dem selben Sozialversicherungsträger zuzuordnen sind (und selbst das ist nach dem ASVG angesichts der Mehrzahl von Gebietskrankenkassen nicht der Fall), so muß eine Mehrbelastung umso mehr gerechtfertigt sein, wenn diese Beschäftigungsverhältnisse die Pflichtversicherung bei verschiedenen Sozialversicherungsträgern begründen und damit die Zugehörigkeit zu mehreren Risikogemeinschaften bewirken. Ob eine Risikogemeinschaft aus den höheren Beiträgen Vorteile zieht, die nicht "in einer direkten Relation zu den Versicherungsleistungen" stehen, oder ob solche Vorteile - je nachdem, wen der Versicherte in Anspruch nimmt - der einen oder der andern Risikogemeinschaft zukommen, kann für die verfassungsrechtliche Würdigung keinen Unterschied machen.
In dieser Richtung äußerte der VfGH in seinem Prüfungsbeschluß auch keine Bedenken. Er konnte nur vorläufig nicht finden, daß die doppelte Versicherung nach dem B-KUVG und nach dem ASVG anders einzuschätzen sei als die gleichgelagerten Fälle nach dem GSVG, FSVG und BSVG, die der Gesetzgeber nach dem System der Subsidiarität geordnet hat. Im Ergebnis läuft das Gesetzesprüfungsverfahren daher allein auf die Frage hinaus, ob an der in VfSlg. 4801/1964 und 6181/1970 zum Ausdruck gebrachten Rechtsansicht im Hinblick auf die Subsidiarität der Krankenversicherung nach dem GSVG, dem FSVG und dem BSVG noch festgehalten werden kann.
2.2.3. Zu dieser Frage stellt die Bundesregierung darauf ab, daß es sich bei den nach den ASVG und B-KUVG krankenversicherten Personen um unselbständig Erwerbstätige handelt, während die Subsidiarität der Krankenversicherung bei den selbständig Erwerbstätigen verwirklicht ist. Sie sucht die unterschiedliche Regelung unter anderem aus der historischen Entwicklung des Sozialversicherungsrechts, den aus unterschiedlichen Lebenssituationen entspringenden unterschiedlichen Auffassungen der beteiligten Berufsgruppen über die Notwendigkeit einer Pflichtversicherung und aus Unterschieden in den Leistungssystemen zu rechtfertigen. Damit zieht sie jene - innerlich zusammenhängenden - Gesichtspunkte heran, die den VfGH schon in seinem Erk. VfSlg. 6004/1969 im Hinblick auf das Gewerbliche Selbständigen-KrankenversicherungsG 1966 zur Feststellung veranlaßt haben, daß der Gleichheitsgrundsatz keineswegs eine einheitliche Regelung für alle Versicherten verlange, denn hier seien
"... die sachlichen Voraussetzungen (selbständig oder unselbständig, aber auch wegen der Vielzahl der Berufszweige) so verschieden, daß eine differenzierende Regelung nicht nur zulässig, sondern unter Umständen sogar geboten erscheint".
In der Tat muß diese Überlegung auch in der vorliegenden Frage den Ausschlag geben. Die soziale Krankenversicherung wurde zunächst nur für die wirtschaftlich schwächeren unselbständig Erwerbstätigen eingerichtet. Im Bereich der Selbständigen kam es in der Folge und für lange Zeit nur zum System der sogenannten Meisterkrankenkassen, das die Versicherungspflicht von der Entschließung der einschlägigen Unternehmergruppe abhängig machte. Erst spät wurden die Selbständigen der Krankenversicherung voll integriert (1965 die Bauern, 1966 die gewerbliche Wirtschaft und 1978 die freiberuflich Erwerbstätigen). Ihr Sozialprestige verlangte grundsätzlich sozialen Risken durch private Vorsorge (Sparen, Versicherung) zu begegnen. Bis heute ist bei Selbständigen ein Widerstand gegen die Einbeziehung in das System sozialer Sicherung, vor allem gegen eine Ausgestaltung ihrer Sozialversicherungseinrichtungen nach dem Muster der Arbeiterversicherung zu erkennen; sie treten eher für eine Beschränkung auf Grundsicherung ein (Tomandl, Grundriß des österreichischen Sozialrechts, 2. Auflage, 23, 27). Wenn der Gesetzgeber dieser Personengruppe mit ihren andersartigen wirtschaftlichen Risken und Chancen daher die Krankenversicherung nur dann vorschreibt, wenn es an einer Sicherung überhaupt fehlt, so zwingt ihn das nicht, das für unselbständig Erwerbstätige bestehende Prinzip der Mehrfachversicherung aufzugeben. Mag die Mehrbelastung auch hier und dort gleich sein und in den Regelfällen der Mehrfachversicherung kein wesentlicher Unterschied bestehen, so ist es doch für die allgemeine wirtschaftliche Lage des Betroffenen typischerweise nicht gleichgültig, ob zu einer (krankenversicherungspflichtigen) unselbständigen Beschäftigung eine weitere unselbständige Beschäftigung oder aber eine selbständige Tätigkeit hinzutritt.
Knüpft der Gesetzgeber an diese Unterscheidung an, so hält er sich damit gerade an jene Kriterien, welche die grundlegende Differenzierung innerhalb der Sozialversicherung überhaupt zu tragen vermögen. Er bewegt sich damit im Rahmen des ihm offenstehenden sozialpolitischen Spielraumes.
Eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes liegt somit nicht vor; es mußte darum spruchgemäß entschieden werden.
Schlagworte
Auslegung, Sozialversicherung, Beitragspflicht (Sozialversicherung), Mehrfachversicherung, KrankenversicherungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1983:G49.1982Dokumentnummer
JFT_10169299_82G00049_00