TE Vfgh Erkenntnis 1983/7/2 V17/82

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Veröffentlicht am 02.07.1983
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Index

L1 Gemeinderecht
L1000 Gemeindeordnung

Norm

B-VG Art15 Abs2
B-VG Art118 Abs3 Z3
B-VG Art118 Abs6
B-VG Art139 Abs1 / Individualantrag
LuftFG §129
Verordnung der Gemeindevertretung Wolfurt vom 25.06.81 betreffend ein Verbot des Betriebes von mit Verbrennungsmotoren ausgestatteten Modellflugzeugen
Vlbg GdG 1965 §17

Leitsatz

Ortspolizeiliche "Verordnung zur Abwehr und zur Beseitigung unzumutbarer Lärmbelästigung, die das örtliche Gemeinschaftsleben stören" der Gemeindevertretung der Gemeinde Wolfurt vom 25. Juni 1982; Individualantrag mehrerer Antragsteller gemäß Art139 Abs1 B-VG teilweise zulässig; keine Gesetzwidrigkeit der Verordnung

Spruch

1. Der vom Verein "Österreichischer Aero-Club, Landesverband Vorarlberg" gestellte Antrag wird zurückgewiesen.

2. Der vom Verein "Modellbauclub Brigantium" und von H. Sp. gestellte Antrag wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. a) Der Erstantragsteller, der "Österreichische Aero-Club, Landesverband Vorarlberg" (im folgenden: "Aero-Club") ist ein Verein iS des Vereinsgesetzes 1951. Er verfolgt seinen Statuten zufolge "bei voller Wahrung des Eigenlebens der einzelnen Vereine" unter anderem die "Schaffung und Erhaltung eines fachlichen, sportlichen und wissenschaftlichen Sammelpunktes zur Förderung des Flugwesens im Bundesland Vorarlberg", die Vertretung der Interessen der angeschlossenen Vereine und Mitglieder gegenüber den zuständigen Behörden und Organisationen, die Organisation von flugsportlichen Veranstaltungen und die Teilnahme an solchen sowie die technische und fliegerische Schulung der Mitglieder.

Den Antragsausführungen zufolge gehört zu den vom Aero-Club organisierten und betreuten Sportarten auch der Modellflug.

b) Der Zweitantragsteller, der "Modellbauclub Brigantium" (gleichfalls ein Verein iS des Vereinsgesetzes 1951) ist nach seiner Darstellung Mitglied (Zweigverein) des Aero-Clubs. Nach den Statuten ist der Zweck des Modellbauclubs unter anderem die Schaffung, der Betrieb und die Erhaltung eines Modellflugplatzes, die modelltechnische Schulung seiner Mitglieder, die Abhaltung von Lehrgängen und Vorträgen sowie die Schaffung und Erhaltung von Freizeit- und Naherholungseinrichtungen beim Modellflugplatz.

Wie der Zweitantragsteller angibt, hat er im Gebiet der Gemeinde Wolfurt ein Grundstück gepachtet, auf dem er einen Modellflugplatz betreibt.

c) Der Drittantragsteller H. Sp. ist den Antragsausführungen zufolge Mitglied des Aero-Clubs und aktiver Modellflugsportler im Modellbauclub Brigantium.

2. Die Gemeindevertretung der Gemeinde Wolfurt hat am 25. Juni 1981 - gestützt auf §17 des Vbg. Gemeindegesetzes, LGBl. 45/1965 (GemG) - eine "Verordnung zur Abwehr und zur Beseitigung unzumutbarer Lärmbelästigungen, die das örtliche Gemeinschaftsleben stören" beschlossen. Nach §1 dieser Verordnung wurde die Ausübung (jeglicher) "Modellfliegerei" im Gemeindegebiet Wolfurt verboten. Die Verordnung sollte am 1. November 1981 in Kraft treten.

Auf Grund von Bedenken, die von der Bezirkshauptmannschaft Bregenz geäußert worden waren, beschloß der Gemeindevorstand der Gemeinde Wolfurt - "wegen Dringlichkeit (Inkrafttreten der Verordnung: 1. 11. 1981) unter Berufung auf §54 Abs3" GemG - in seiner Sitzung vom 29. Oktober 1981 eine Änderung der Verordnung. Dieser Gemeindevorstandsbeschluß wurde gemäß §54 Abs3 GemG "namens der Gemeindevertretung" gefaßt. Er wurde von der Gemeindevertretung in der Sitzung vom 26. November 1981 zur Kenntnis genommen (§54 Abs4 GemG).

Die Gemeindevertretungsbeschlüsse wurden in der Zeit vom 30. Juni bis 14. Juli 1981 bzw. vom 1. bis. 15. Dezember 1981 an der Amtstafel der Gemeinde Wolfurt angeschlagen und im "Gemeindeblatt für die Landeshauptstadt Bregenz sowie die Marktgemeinden und Gemeinden des Bezirkes Bregenz", 28. Woche vom 10. Juli 1981 bzw. 50. Woche vom 11. Dezember 1981 publiziert.

Die Verordnung lautet in der novellierten Fassung wie folgt:

"§1

Der Betrieb von Modellflugzeugen, welche keiner Bewilligungspflicht nach dem Luftfahrtgesetz unterliegen und mit Verbrennungsmotoren ausgestattet sind, wird für das Gemeindegebiet Wolfurt verboten.

§2

Für in Wolfurt Wohnhafte kann über Ansuchen der Gemeindevorstand Ausnahmen, allenfalls unter Auflagen, bewilligen.

§3

Diese Verordnung tritt am 1. November 1981 in Kraft.

§4

Übertretungen dieser Verordnung werden von der Bezirkshauptmannschaft mit Geld- und Arreststrafen geahndet."

3. Die Antragsteller bringen vor, ihre Legitimation iS des Art139 Abs1 letzter Satz B-VG sei gegeben, "da der Erstantragsteller und der Zweitantragsteller durch die Gesetzwidrigkeit der Verordnung unmittelbar in der Ausübung ihrer satzungsgemäßen und genehmigten Tätigkeit, der Zweitantragsteller überdies in der widmungsgemäßen Nutzung seines Pachtgrundstückes, der Drittantragsteller in seinem Recht auf freie Entfaltung und auf Sportausübung unmittelbar verletzt" seien.

4. Mit dem auf Art139 Abs1 letzter Satz B-VG gestützten Antrag begehren die Antragsteller, die Verordnung als gesetzwidrig aufzuheben.

5. Auf Grund einer an die Gemeindevertretung der Gemeinde Wolfurt ergangenen Aufforderung gab am 14. Juli 1982 "für die Marktgemeinde Wolfurt" der Bürgermeister eine Stellungnahme ab, in der begehrt wird, dem Antrag nicht stattzugeben. Der Gemeindevorstand hat in seiner Sitzung vom 13. Juli 1982 diese Äußerung "gutgeheißen" und ist ihr "vollinhaltlich beigetreten".

Auch die Vbg. Landesregierung hat eine Stellungnahme abgegeben, in der sie die Meinung vertritt, daß die Erlassung einer ortspolizeilichen Verordnung, wie der angefochtenen, grundsätzlich zulässig sei.

II. Der VfGH hat zur Frage der Zulässigkeit des Antrages erwogen:

1. Gemäß Art139 B-VG erkennt der VfGH über die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen auch auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Gesetzwidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern die Verordnung ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist. Anfechtungsberechtigt ist also nur der Adressat der Verordnung, in dessen Rechtssphäre in einer nach Art und Ausmaßin der Norm eindeutig bestimmten Weise nicht bloß potentiell, sondern aktuell eingegriffen wird und dem ein anderer zumutbarer Weg zur Geltendmachung der Rechtswidrigkeit nicht zur Verfügung steht (vgl. zB VfSlg. 8156/1977 und 8009/1977). Dabei ist von jener Wirkung der Norm auszugehen, durch die sich der Antragsteller beschwert erachtet (vgl. zB VfSlg. 8060/1977 und 8553/1979).

2. Die Antragslegitimation des Zweitantragstellers (des Modellbauclubs Brigantium) und des Drittantragstellers (H. Sp.) ist hier gegeben:

Der Modellbauclub ist Pächter des Grundstückes, auf dem er einen Modellflugplatz errichtet hat und betreibt. Durch die bekämpfte Verordnung wird ihm eine bestimmte - bis zur Verordnungserlassung tatsächlich ausgeübte - Art der Nutzung dieses Grundstückes, nämlich der Betrieb von in §1 der Verordnung näher umschriebenen Modellflugzeugen verboten. Dieser vom Zweitantragsteller behauptete Eingriff in seine Rechtssphäre bedarf zu seiner Wirksamkeit keines weiteren rechtskonkretisierenden Aktes; er ist, ohne daß es eines weiteren Rechtsaktes bedürfte, klar zu erkennen und beeinträchtigt die Rechtsposition des Zweitantragstellers aktuell (vgl. zB VfSlg. 9253/1981).

Gleiches gilt für den Drittantragsteller, der als Mitglied des Modellbauclubs berechtigt ist, den von diesem Verein gepachteten Modellflugplatz auch mit den im §1 der angefochtenen Verordnung umschriebenen Modellflugzeugen zu benützen.

Unter den Umständen des vorliegenden Falles kann der VfGH nicht finden, daß diesen beiden Antragstellern ein anderer zumutbarer Weg zur Verfügung stünde, um die durch die behauptete Rechtswidrigkeit der Verordnung bewirkte Rechtsverletzung abzuwehren. Es wäre den Antragstellern nicht zumutbar, durch Verstoß gegen §1 der bekämpften Verordnung ein Verwaltungsstrafverfahren nach §4 der Verordnung iVm §17 Abs1 und §90 Abs3 GemG zu provozieren, um auf diese Art einen der Anfechtung zugänglichen Bescheid zu erwirken (vgl. auch hiezu zB VfSlg. 9253/1981).

Ebensowenig ist diesen beiden Antragstellern zumutbar, eine Ausnahmebewilligung nach §2 der bekämpften Verordnung zu beantragen:

Sofern für den Modellbauclub diese Verordnungsbestimmung überhaupt in Betracht kommen sollte, würde eine solche Ausnahmebewilligung direkt dem von der Verordnung verfolgten Zweck widersprechen (vgl. zB VfGH 17. 6. 1983 V32/80 und die dort zitierte Vorjudikatur).

Der Drittantragsteller Sp. ist nicht in Wolfurt wohnhaft. Es liegt daher nahe, daß die Behörde seinem Antrag auf Erteilung einer Ausnahmebewilligung allein unter Hinweis auf diesen Umstand keine Folge geben würde. Er könnte dann zwar in der Folge nach Erschöpfung des administrativen Instanzenzuges den VfGH anrufen, der sich aber - je nach der von der Behörde gewählten prozessualen Form ihrer negativen Entscheidung und der gegebenen Begründung - allenfalls nur mit der Gesetzmäßigkeit des §2 der Verordnung auseinanderzusetzen und eine Erörterung des §1 - durch den sich der Drittantragsteller (vornehmlich) beschwert erachtet - mangels Präjudizialität abzulehnen hätte. Ein Antrag auf Erteilung einer Ausnahmebewilligung würde also für diesen Antragsteller keineswegs mit Sicherheit dazu führen, daß er die von ihm behauptete Rechtswidrigkeit der Verordnung vor dem VfGH geltend machen könnte.

Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, ist der vom Modellbauclub Brigantium und von H. Sp. gestellte Individualantrag zulässig.

3. Anders verhält es sich beim Erstantragsteller. Der Aero-Club behauptet lediglich, daß seine Rechtssphäre deshalb berührt werde, weil er durch die bekämpfte Verordnung in der Ausübung seiner "satzungsgemäßen und genehmigten Tätigkeit" gehindert würde.

Dies trifft nicht zu. Die Verordnung verbietet nämlich nicht, die in den Vereinsstatuten umschriebene Tätigkeit auszuüben. Die geltend gemachte Beeinträchtigung rechtlich geschützter Interessen des Erstantragstellers liegt also nicht vor.

Der vom Aero-Club eingebrachte Antrag war daher mangels Legitimation zurückzuweisen.

III. In der Sache hat der VfGH erwogen:

1. Die Antragsteller begründen ihre Behauptung, daß die bekämpfte

Verordnung gesetzwidrig sei, zusammengefaßt wie folgt:

Die Gemeinde sei zu einer generellen Beschränkung des Luftraumes nicht zuständig. Diese wäre nur nach dem Luftfahrtgesetz zulässig.

Aber auch wenn die Gemeinde nach §17 GemG an sich zur Erlassung einer ortspolizeilichen Verordnung, mit der das Verwenden von Modellflugzeugen eingeschränkt wird, kompetent sein sollte, so sei die angefochtene Verordnung dennoch gesetzwidrig. Zumindest nicht alle Modellflugzeuge mit Verbrennungsmotoren erzeugten besonderen Lärm. Es werde durch den Betrieb von Modellflugzeugen, wenn diese Lärm verursachen, das Wild nicht gefährdet. Keinesfalls aber sei ein generelles Verbot von Modellflugzeugen, die mit Verbrennungsmotoren ausgestattet sind, für das gesamte Gemeindegebiet von Wolfurt gerechtfertigt.

2. a) Aus der Bestimmung des Art118 Abs6 B-VG und der gleichlautenden Vorschrift des §17 GemG ergibt sich, daß die Gemeinde das Recht

hat, ortspolizeiliche Verordnungen nach freier Selbstbestimmung unter den folgenden drei Voraussetzungen zu erlassen:

Zum ersten muß eine ortspolizeiliche Verordnung in einer Angelegenheit erlassen werden, deren Besorgung der Gemeinde nach Art118 Abs2 und 3 B-VG im eigenen Wirkungsbereich gewährleistet ist,

zum zweiten darf die Verordnung nicht gegen bestehende Gesetze oder Verordnungen des Bundes und des Landes verstoßen und

zum dritten muß die Verordnung den Zweck verfolgen, die das örtliche Gemeinschaftsleben störenden Mißstände abzuwehren oder zu beseitigen (s. zB VfSlg. 7960/1976).

b) aa) Die Verordnung zielt - zumindest vornehmlich - auf die Lärmbekämpfung ab. Diese zählt als Teil der örtlichen Sicherheitspolizei (Art15 Abs2 B-VG) zum eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde (Art118 Abs3 Z3 B-VG).

bb) §1 der angefochtenen Verordnung verbietet ausschließlich den Betrieb solcher mit Verbrennungsmotoren ausgestatteter Modellflugzeuge, "welche keiner Bewilligungspflicht nach dem Luftfahrtgesetz unterliegen". Damit ist es ausgeschlossen, daß die Verordnung - was die Antragsteller offenbar dem Inhalt nach behaupten - gegen das Luftfahrtgesetz, BGBl. 253/1957, verstößt. Im übrigen ist darauf hinzuweisen, daß der VfGH im Beschluß zur amtswegigen Prüfung der Gesetzmäßigkeit einer ähnlichen ortspolizeilichen Verordnung ("Die Inbetriebnahme von mit Verbrennungsmotoren ausgestatteten Modellflugzeugen, soweit diese nicht gemäß §129 des Luftfahrtgesetzes, BGBl. Nr. 253/1957 in der geltenden Fassung bewilligungspflichtig sind, ist ... untersagt") - VfSlg. 8283/1978 - keine Bedenken in der Richtung geäußert hat, daß diese damals geprüfte Verordnung gegen das LuftfahrtG verstößt.

cc) Der VfGH teilt auch die weiteren von den Antragstellern gegen die Gesetzmäßigkeit der bekämpften Verordnung geäußerten Bedenken nicht. Diese laufen auf die Behauptung hinaus, daß das Betreiben der im §1 der Verordnung erwähnten Modellflugzeuge keinen Mißstand darstelle und daß die Verordnung, die das ganze Gemeindegebiet erfasse, nicht angemessen auf das Betreiben von Modellflugzeugen reagiere.

Aus der im Akt der Bezirkshauptmannschaft Bregenz Zahl I-201-40 erliegenden Verhandlungsniederschrift vom 20. November 1981 geht hervor, daß die in db(A) meßbare Intensität des Grundgeräusches mit 40 db(A) zwar geringer war als beim Vorbeifahren von vier schweren LKW auf der nahe gelegenen Autobahn, daß aber die Qualität des Fluglärmes von der Bevölkerung als "nerventötend" empfunden wird.

Im amtsärztlichen Gutachten vom 7. April 1982 lautet es unter anderem: "... Aus ärztlicher Sicht muß angenommen werden, daß im Bereiche des Modellflugplatzes und in seiner engeren Umgebung das Ruhe- und Erholungsbedürfnis für zahlreiche Besucher dieser Region durch den Betrieb des Modellflugplatzes gestört werden kann ...".

In der Stellungnahme vom 14. Juli 1982 führt der Bürgermeister der Gemeinde Wolfurt aus:

"Vornehmlich aus dem Kreis der Wolfurter Bevölkerung, wenn auch nicht ausschließlich, sondern auch von anderen Ruhe- und Erholungssuchenden, die sich in Wolfurt aufhalten, wurden immer wieder Klagen laut über Umweltverschmutzung durch Erzeugung gewaltig störenden Lärms, der von Modellflugzeugen, die mit Verbrennungsmotoren angetrieben werden, ausgeht.

Die Marktgemeinde Wolfurt mit ihren 6.600 Ew. nimmt in punkto Bevölkerungszahl den 10. Platz innerhalb der 96 Vbg. Gemeinden ein, mit 10,01 Quadratkilometer rangiert Wolfurt flächenmäßig jedoch nur an 62. Stelle. Im einzigen nennenswerten Erholungsgebiet außerhalb des Waldgebietes, dem sogen. Ried, befindet sich der Modellflugplatz des 'Modellbauclubs Brigantium', der von Jahr zu Jahr steigende Frequenz aufweist. Ursprünglich wurde angeblich dieser Modellflugplatz nur von sehr wenigen Modellfliegern benutzt, die zudem Modelle mit wesentlich leistungsschwächeren Motoren, weniger lärmverursachend, und mit geringerer Reichweite verwendeten. Nun frequentieren, etwa an witterungsmäßig schönen Sonntagen, 50 und mehr Modellflieger aus dem In- und Ausland den Modellflugplatz in Wolfurt mit stärkeren und weiter fliegenderen Modellen und entwerten damit das Wolfurter (aber auch Teile des angrenzenden Lauteracher) Riedes, als Ruhe- und Erholungszone in einem Maße, daß sich die Gemeindevertretung von Wolfurt vor die Notwendigkeit gestellt sah, zur Abwehr das Gemeinschaftsleben störender Mißstände, die bezughabende Verordnung zu erlassen."

Die Antragsteller bestreiten diesen Sachverhalt nur insoweit, als sie vorbringen, das Siedlungsgebiet sei vom Modellflugplatz mehr als 2 km entfernt. Der Modellflugplatz liege in einem Gebiet, das kaum von Ruhesuchenden betreten werde. Im übrigen sei die Gegend nicht ruhig, da auch von der nahegelegenen Autobahn und einem Moto-Cross-Gelände Lärm ausgehe.

Der VfGH kann dem Verordnungsgeber nicht entgegentreten, wenn er bei der gegebenen Sachlage zur Überzeugung gelangt ist, der durch Modellflugzeuge, die mit Verbrennungsmotoren ausgestattet sind, erzeugte Lärm stelle einen das örtliche Gemeinschaftsleben störenden Mißstand dar.

Derartige Modellflugzeuge erzeugen nämlich in der Regel - trotz des technischen Fortschrittes (der eine Reduzierung der Motortourenzahl und eine Schalldämpfung ermöglicht) - einen für das menschliche Ohr besonders unangenehmen und belästigenden Lärm (vgl. VfSlg. 8283/1978).

Da vor allem dann, wenn das Flugzeug hoch fliegt, der Lärm auf weite Strecken hörbar ist und da weiters über Funk gesteuerte Modellflugzeuge (wenn nur die Funkverbindung gewährleistet ist) größere Strecken zurücklegen können, ist es möglich, daß sich der von Modellflugzeugen, die mit Verbrennungsmotoren ausgestattet sind, ausgehende Lärm nicht bloß in unmittelbarer Nähe des Flugplatzes, sondern auch im Siedlungsgebiet der Gemeinde Wolfurt und in den - der Erholung dienenden (vgl. hiezu den vom Amt der Vbg. Landesregierung - Raumplanungsstelle erstatteten "Zwischenbericht - Februar 1981", betreffend "Freiraumplanung Lauteracher Ried") - Riedgebieten quälend bemerkbar macht. Daraus ergibt sich, daß zum Zeitpunkt der Verordnungserlassung für das gesamte Gemeindegebiet ein das örtliche Gemeinschaftsleben störender Mißstand bereits eingetreten oder der Eintritt eines solchen Mißstandes mit Grund zu befürchten war.

Der Umstand, daß in Wolfurt auch andere Lärmerreger (insbesondere in der Nähe des Modellflugplatzes) bestehen, schließt nicht aus, den von Modellflugzeugen, die mit Verbrennungsmotoren ausgestattet sind, ausgehenden, von der Mehrzahl der Bevölkerung als besonders quälend empfundenen Lärm als Mißstand iS des Art118 Abs6 B-VG zu werten.

Unter den geschilderten Voraussetzungen war es im Hinblick auf die hohe Bevölkerungsdichte von Wolfurt sowie darauf, daß das Gemeindegebiet relativ klein ist und das Erholungsgebiet unmittelbar an das Siedlungsgebiet angrenzt, ein zur Abwehr von befürchteten und zur Beseitigung von bereits bestehenden, das örtliche Gemeinschaftsleben störenden Mißstände adäquates Mittel, den Betrieb von Modellflugzeugen, die mit Verbrennungsmotoren ausgestattet sind, nicht bloß für einen bestimmten Teil des Gemeindegebietes, sondern für ganz Wolfurt unter Strafsanktion zu verbieten.

c) Unerheblich für die Prüfung der Gesetzmäßigkeit der Verordnung ist es, ob die Gemeinde Wolfurt früher den Betrieb des Modellflugplatzes geduldet oder gar gefördert hat. Unerheblich ist weiters, ob in anderen (etwa auch in angrenzenden) Gemeinden ähnliche Mißstände vorliegen, aber dennoch bisher nicht ähnliche ortspolizeiliche Verordnungen erlassen wurden.

d) Zusammenfassend ist festzuhalten, daß die von den Antragstellern gegen die Gesetzmäßigkeit der Verordnung vorgebrachten Gründe nicht zutreffen. Die Anträge des Zweit- und Drittantragstellers waren sohin abzuweisen.

Schlagworte

Luftfahrt, Gemeinderecht, Verordnung ortspolizeiliche, Sicherheitspolizei örtliche, VfGH / Individualantrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1983:V17.1982

Dokumentnummer

JFT_10169298_82V00017_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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