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27 RechtspflegeNorm
B-VG Art83 Abs2Beachte
einer der Anlaßfälle zu VfSlg. 9746/1983Leitsatz
Geschäftsordnung für den Disziplinarrat der Rechtsanwaltskammer für Sbg.; Entzug des gesetzlichen Richters im Anlaßfall nach Aufhebung des §6 Abs2 erster und zweiter Satz als gesetzwidrigSpruch
Der Bescheid wird aufgehoben.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. Der Disziplinarrat der Rechtsanwaltskammer für Sbg. befand den Beschwerdeführer nach durchgeführter mündlicher Verhandlung mit Erk. vom 7. April 1976 wegen des Abschlusses einer näher beschriebenen Honorarvereinbarung des Disziplinarvergehens der Verletzung des Standesansehens schuldig und verhängte über ihn eine Geldbuße von 1.000 S. Dieses Erk. wurde vom Präsidenten und sechs weiteren (von ihm zur Disziplinarverhandlung eingeladenen) Mitgliedern des (insgesamt aus neun Mitgliedern bestehenden) Disziplinarrates gefällt. Der Beschwerdeführer sowie der Kammeranwalt - dieser wegen des Strafausspruches - erhoben dagegen Berufungen. Mit Erk. vom 30. Oktober 1978 gab die Oberste Berufungs- und Disziplinarkommission für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter (OBDK) der Berufung des Beschwerdeführers nicht Folge, der des Kammeranwaltes jedoch dahin, daß über den Beschwerdeführer unter Bedachtnahme auf ein anderes Erk. des Disziplinarrates in analoger Anwendung der §§31 und 40 StGB eine Geldbuße von 2.000 S verhängt wurde.
Gegen diesen Bescheid der OBDK richtet sich die vorliegende Verfassungsgerichtshofbeschwerde.
II. Aus Anlaß (auch) dieser Beschwerde leitete der VfGH gemäß Art139 Abs1 B-VG von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit des ersten und zweiten Satzes im §6 Abs2 der Geschäftsordnung für den Disziplinarrat der Rechtsanwaltskammer für Sbg. (genehmigt mit Erlaß des Bundesministers für Justiz vom 7. November 1975, Z 16.313/2-I 6/75, kundgemacht im Nachrichtenblatt der Österreichischen Rechtsanwaltschaft, Heft 1, 1976, S 18 ff.) ein und hob diese Verordnungsbestimmungen mit dem Erk. V27/83 ua. vom 29. Juni 1983 als gesetzwidrig auf.
III. Die Beschwerde ist im Ergebnis begründet.
1. Im Hinblick auf Art139 Abs6 B-VG hat der VfGH bei seiner Entscheidung so vorzugehen, als ob die im Anlaßbeschwerdefall eingeschrittenen Behörden die als gesetzwidrig aufgehobenen Verordnungsbestimmungen nicht anzuwenden gehabt hätten. Dies führt zu dem vom VfGH in seiner bisherigen Rechtsprechung schon eingenommenen Standpunkt, daß der Disziplinarrat als das aus der Gesamtzahl seiner Mitglieder bestehende Kollegium zur erstinstanzlichen Disziplinarentscheidung berufen und dementsprechend die OBDK verpflichtet gewesen wäre, einen in Ansehung dieser gebotenen Zusammensetzung unterlaufenen Fehler in der Besetzung der Disziplinarbehörde erster Instanz wahrzunehmen (s. dazu VfSlg. 8711/1979 und 8716/1979). Es steht nun fest, daß nicht sämtliche Mitglieder des Disziplinarrates zur Verhandlung in der Disziplinarsache des Beschwerdeführers eingeladen worden waren, insbesondere nicht ein Ersatzmitglied für das als Untersuchungskommissär bestellte und daher von der Teilnahme an der mündlichen Verhandlung und Entscheidung ausgeschlossene (§28 Abs1 des Disziplinarstatuts) Mitglied des Disziplinarrates. Wie der VfGH ebenfalls schon ausgesprochen hat, müssen zur Sitzung einer Kollegialbehörde jedoch alle Mitglieder ordnungsgemäß eingeladen werden und es verletzt in Ansehung einer dennoch getroffenen Entscheidung der von der Rechtsmittelbehörde nicht aufgegriffene Mangel in der Besetzung der Vorinstanz das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter (VfSlg. 8845/1980).
Der angefochtene Bescheid war sohin aufzuheben.
Schlagworte
VfGH / AnlaßfallEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1983:B13.1979Dokumentnummer
JFT_10169298_79B00013_00