Index
10 VerfassungsrechtNorm
B-VG Art140 Abs1 / IndividualantragLeitsatz
Art140 Abs1 B-VG; Individualantrag auf Aufhebung des §4 Abs7 bis 10 des Parteiengesetzes 1975 idF BGBl. 643/1982; keine Legitimation - Antragsteller kein Adressat der angefochtenen Vorschriften, kein Eingriff in seine VertragsfreiheitSpruch
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung:
I. 1. In dem auf Art140 Abs1 letzter Satz B-VG gestützten Antrag begehrt der Einschreiter, §4 Abs7 bis 10 des Parteiengesetzes, BGBl. 404/1975 idF der Nov. BGBl. 643/1982, (im folgenden kurz: ParteienG) als verfassungswidrig aufzuheben.
2. §4 ParteienG regelt die Führung von Aufzeichnungen über die vom Bund gemäß §2 erhaltenen Zuwendungen und (sonstige) Spenden sowie über die Ausgaben und enthält bestimmte, die politischen Parteien treffende Veröffentlichungspflichten.
Die angefochtenen Bestimmungen (die Abs7 bis 10 des §4 ParteienG) lauten:
"(7) In einer Anlage zum Rechenschaftsbericht (Spendenliste) sind jene Spenden unter Angabe des Betrages sowie des Namens und der Anschrift des Spenders auszuweisen, die im Berichtsjahr entweder an die betreffende politische Partei oder an eine ihrer Gliederungen (Landes-, Bezirks-, Lokal- oder Teilorganisationen) geleistet werden, sofern sie den Betrag von 30000 S übersteigen.
(8) Politische Parteien, die Zuwendungen gemäß §2 erhalten, haben Spenden von mehr als 30000 S (Abs7) zurückzuweisen, wenn der Spender eine Zustimmung zur Veröffentlichung gemäß Abs9 verweigert; desgleichen sind anonyme Spenden als solche in der Spendenliste auszuweisen. Die Summe dieser anonymen Spenden ist der betreffenden Partei von den ihr nach Veröffentlichung des Rechenschaftsberichtes gemäß §3 Abs2 zustehenden Zuwendungen abzuziehen.
(9) Jede politische Partei hat bis zum 30. September des folgenden Jahres den Rechenschaftsbericht samt Spendenliste im 'Amtsblatt zur Wiener Zeitung' zu veröffentlichen.
(10) Veröffentlicht eine politische Partei nicht fristgerecht gemäß Abs9 den Rechenschaftsbericht oder die Spendenliste, so hat der Bundeskanzler fällige Zuwendungen (§3 Abs2) bis zur ordnungsgemäßen Veröffentlichung einzubehalten."
3. Der Antragsteller behauptet, durch die Verfassungswidrigkeit (der angefochtenen Bestimmungen) des ParteienG unmittelbar in seinen Rechten verletzt zu werden; diese Gesetzesbestimmungen seien ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung und ohne Erlassung eines Bescheides für ihn wirksam geworden.
Zur Konkretisierung dieser Behauptungen bringt er im Antrag folgendes vor:
Er habe der Österreichischen Volkspartei am 25. Jänner 1983 eine Spende von S 35.000,- angeboten, jedoch ausdrücklich die Veröffentlichung seiner Person als Spender im "Amtsblatt zur Wiener Zeitung" verweigert. Die ÖVP habe mit Schreiben vom 27. Jänner 1983 die angebotene Zuwendung gemäß §4 Abs8 ParteienG zurückgewiesen, da der Antragsteller die hier vorgeschriebene Veröffentlichung seiner Spende abgelehnt habe. Demnach werde ihm (dem Antragsteller) durch das ParteienG (gemeint sind offenbar die angefochtenen Bestimmungen dieses Gesetzes) "verweigert, einen Beitrag zu einem Wahlerfolg jener Partei zu leisten, von welcher" er sich "eine Wiederherstellung der desolaten österreichischen Wirtschaft unter Hochhaltung des Leistungsprinzips erwarte".
Gemäß §45 der Richtlinien für die Ausübung des Rechtsanwaltsberufes dürfe der Rechtsanwalt seine Person nicht reklamehaft herausstellen; er habe dafür zu sorgen, daß auch Dritte eine solche Hervorhebung unterlassen. Demnach sei er zur Vermeidung der Gefahr eines Disziplinarverfahrens auf Grund seiner Berufspflichten gezwungen, seine Zustimmung zu einer Veröffentlichung gemäß §4 Abs7 ParteienG zu verweigern. Es könnte der Vorwurf erhoben werden, seine Spende sei nur aus Gründen der unzulässigen Werbung erfolgt, um Leser der Spendenliste durch öffentliches Aufzeigen eines Naheverhältnisses zur ÖVP zur Mandatserteilung zu bewegen. Durch die Bestimmungen des ParteienG entstehe daher eine Diskriminierung seiner Person bzw. komme es zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Differenzierung gegenüber anderen Staatsbürgern.
In einem ergänzenden Schriftsatz begründet der Antragsteller seine Legitimation weiters wie folgt:
"Die angefochtenen Bestimmungen des Parteiengesetzes sind für den Antragsteller ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung und ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden, und zwar aktuell und nicht bloß potentiell.
Der Antragsteller hat der Österreichischen Volkspartei dadurch, daß er ihr eine freiwillige Spende angeboten hat, ein Vertragsoffert gemacht, nämlich das Anbot zum Abschluß eines zivilrechtlichen Vertrages, der auf die unentgeltliche Übereignung eines Geldbetrages abzielt, also eines Schenkungsvertrages, wobei er die Zustimmung zur Veröffentlichung seines Namens und seiner Anschrift verweigerte.
Der Abschluß des Schenkungsvertrages wurde durch die angefochtenen Gesetzesbestimmungen unmittelbar vereitelt, da die Österreichische Volkspartei durch §4 Abs8 Parteiengesetz gezwungen war, die Spende zurückzuweisen.
Dadurch, daß dem Antragsteller der Abschluß eines zivilrechtlichen Vertrages unter der von ihm gewollten Voraussetzung (Verweigerung der Zustimmung zur Veröffentlichung) durch das Gesetz ohne Dazwischenkunft einer gerichtlichen oder verwaltungsbehördlichen Entscheidung unmöglich gemacht wurde, ist der Antragsteller in seiner Rechtssphäre aktuell verletzt worden.
Der Antragsteller ist aber auch in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht nach §1 Abs1 Datenschutzgesetz verletzt worden, weil ihm durch die angefochtenen Gesetzesbestimmungen der Abschluß eines zivilrechtlichen Vertrages nur unter Verletzung seines Anspruches auf Geheimhaltung der ihn betreffenden personenbezogenen Daten eingeräumt wird, an denen er ein schutzwürdiges Interesse, insbesondere im Hinblick auf die Achtung seines Privatlebens, hat, zumal die angefochtenen Gesetzesbestimmungen nicht aus den in Art8 Abs2 der Europäischen Menschenrechtskonvention genannten Gründen notwendig sind (§1 Abs1 und 2 Datenschutzgesetz).
..."
4. Der Antragsteller legt seine Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des §4 Abs7 bis 10 ParteienG im einzelnen dar.
II. Der VfGH hat erwogen:
1. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation nach Art140 Abs1 letzter Satz B-VG ist (wie der VfGH zuerst in seinem Beschluß VfSlg. 8009/1977 und seither wiederholt - zB VfGH 27. November 1981, G94/80 ausgeführt hat), daß das Gesetz in die Rechtssphäre der betreffenden Person eingreift und diese - im Falle seiner Verfassungswidrigkeit - verletzt; dabei ist von jener Wirkung der Norm auszugehen, durch die sich der Antragsteller beschwert erachtet (s. zB VfSlg. 8553/1979).
2. An dieser Voraussetzung mangelt es im vorliegenden Fall:
Das ParteienG "verweigert" (verbietet) dem Antragsteller nicht (wie er meint), einer politischen Partei ein Geschenk - unter einer bestimmten Voraussetzung (daß nämlich sein Name nicht veröffentlicht wird) - zu machen. Die bekämpften Vorschriften haben den Antragsteller gar nicht zum Adressaten. Sie greifen nicht in seine Vertragsfreiheit ein:
Die zivilrechtliche Situation des Antragstellers als Geschenkgeber, dh. wenn er einer politischen Partei eine Spende gewährt, wird durch die angefochtenen Bestimmungen des ParteienG nicht verändert. Gleich wie in Fällen, in denen er jemand anderem als einer politischen Partei ein Geschenk macht, hat er es auch hier in der Hand, mit dem Geschenknehmer zu vereinbaren, daß dieser die erfolgte Schenkung der Öffentlichkeit bekanntgeben darf oder aber, daß er dies zu unterlassen hat.
Zwar ordnet §4 Abs8 erster Halbsatz an, daß politische Parteien, die (vom Bund) Zuwendungen gemäß §2 erhalten, Spenden von mehr als 30.000 S "zurückzuweisen haben", wenn der Spender seine Zustimmung zur Veröffentlichung seines Namens iS des Abs9 verweigert. Wie sich aber aus dem Zusammenhang, in dem diese Bestimmung steht, und dem Sinn des ParteienG ergibt, verbietet aber der erste Halbsatz des §4 Abs8 den politischen Parteien nicht, größere Spenden anzunehmen, wenn der Spender die Zustimmung zur Veröffentlichung seines Namens ablehnt. Es steht den politischen Parteien frei, derartige Spenden "zurückzuweisen" oder als "anonyme Spenden" zu betrachten und anzunehmen. Der normative Inhalt der zitierten Vorschrift besteht lediglich darin, daß dann, wenn die politische Partei die Spende trotz der Weigerung des Spenders, seinen Namen veröffentlichen zu lassen, annehmen will, dieselbe Rechtsfolge wie für jene Schenkungen eintritt, die von vornherein als "anonyme Spenden" deklariert werden. Derartige Spenden sind dem letzten Satz des §4 Abs8 zufolge von den Zuwendungen abzuziehen, die der Bund der politischen Partei gewährt.
All dies berührt aber nicht die Rechtssphäre des Geschenkgebers, und zwar auch dann nicht, wenn er die Zustimmung zur Publizierung seines Namens versagt.
Da es sohin in der freien Disposition des Antragstellers steht, ob er einer politischen Partei eine Spende gewährt, wohl wissend, daß sein Name veröffentlicht werden wird, oder ob er sich (im Wege der Verweigerung der Zustimmung) ausbedingt, daß die Publikation unterbleibt, er also die Veröffentlichung seines Namens verhindern kann, erübrigt es sich zu untersuchen, ob - wie er meint - die Aufnahme seines Namens in die Spendenliste iS des §4 Abs9 ParteienG jemals nach den für Rechtsanwälte geltenden Disziplinarvorschriften geahndet werden könnte.
Im Hinblick darauf, daß der Antragsteller auch dann, wenn er einer politischen Partei eine Spende zuwendet, die Veröffentlichung seines Namens verweigern kann, schmälert das ParteienG nicht das durch §1 Abs1 des Datenschutzgesetzes, BGBl. 565/1978, gewährte Recht auf Geheimhaltung der auf ihn bezogenen Daten.
Damit fehlt dem Einschreiter die Legitimation zur Antragstellung nach Art140 Abs1 letzter Satz B-VG; sein Antrag war daher zurückzuweisen (vgl. zB VfSlg. 9469/1982).
Schlagworte
Partei politische, Datenschutz, VfGH / IndividualantragEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1983:G21.1983Dokumentnummer
JFT_10169298_83G00021_00