TE Vfgh Erkenntnis 1983/9/22 B173/80

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Veröffentlicht am 22.09.1983
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Index

40 Verwaltungsverfahren
40/01 Verwaltungsverfahren außer Finanz- und Dienstrechtsverfahren

Norm

B-VG Art83 Abs2
AVG §68 Abs1

Leitsatz

AVG 1950; §68 Abs1; Zurückweisung eines Antrages wegen entschiedener Sache; keine Sachverhaltsänderung; kein Entzug des gesetzlichen Richters

Spruch

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Mit dem Bescheid des Landeshauptmannes von OÖ vom 6. Juni 1977 wurde dem Reinhaltungsverband Trattnachtal "auf Grund der Bestimmungen der §§12, 14, 15, 38, 39, 41, 42, 50, 99, 105, 111 und 112 des Wasserrechtsgesetzes 1959, BGBl. Nr. 215, in der Fassung der Wasserrechtsgesetznovelle 1969, BGBl. Nr. 207, (im folgenden: WRG) nach Maßgabe der bei der wasserrechtlichen Verhandlung vorgelegenen und als solche gekennzeichneten Projektsunterlagen bzw. der in der mitfolgenden Verhandlungsschrift festgelegten Beschreibung die nachgesuchte wasserrechtliche Bewilligung zur Errichtung einer Kanalrohrbrücke über den Altarm der Trattnach beim sog. Neumüllerwehr, Grundstück 586/1, KG Schlüßlberg, zwischen den Schächten 68 und 69 der mit dem ha. Bescheid vom 31. Oktober 1974 ... generell bewilligten überregionalen Abwasserbeseitigungsanlage im Trattnachtal" unter näher angeführten Befristungen, Bedingungen und Auflagen erteilt.

Die Bf. war bei der mündlichen Verhandlung anwesend. Einwendungen gegen das Projekt wurden von ihr nicht erhoben.

Der Bescheid des Landeshauptmannes vom 6. Juni 1977 ist der Bf. zugestellt worden. Sie hat gegen diesen Bescheid kein Rechtsmittel erhoben.

Einer von einer anderen Partei gegen den angeführten Bescheid erhobenen Berufung, in der eine Verschlechterung der Abflußverhältnisse behauptet worden war, hat der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft mit dem Bescheid vom 7. Dezember 1977 keine Folge gegeben. In der Begründung dieses Bescheides wurde, wie bereits in der Begründung des erstinstanzlichen Bescheides, ausgeführt, daß "eine Verschlechterung der derzeitigen Abflußverhältnisse ... durch die projektierten Baumaßnahmen nicht eintritt und daß die diesbezüglich vorgebrachten Befürchtungen von dem dem Verfahren beigezogenen Amtssachverständigen zerstreut werden konnten".

2. Mit einer Eingabe vom 30. November 1979 stellte die Bf. beim Landeshauptmann von OÖ den Antrag auf Überprüfung, ob durch die vorgenommene Errichtung einer Kanalrohrbrücke über den Altarm der Trattnach beim sog. Neumüllerwehr die Abfuhr der Hochwässer behindert werde. Ferner heißt es in der Eingabe, daß die Bf., sollte eine solche Überprüfung eine Behinderung der Hochwasserabfuhr unter Beweis stellen, "auch dort die Wiederherstellung des früheren Zustandes" beantrage.

3. Mit dem Bescheid des Landeshauptmannes von OÖ vom 15. Jänner 1980 wurde der Antrag der Bf. gemäß §68 Abs1 AVG 1950 zurückgewiesen. In der Begründung des Bescheides wird ausgeführt, daß das Begehren der Antragstellerin inhaltlich auf eine Abänderung des rechtskräftigen Bewilligungsbescheides vom 6. Juni 1977 abziele.

4. Der gegen den Bescheid des Landeshauptmannes vom 15. Jänner 1980 erhobenen Berufung hat der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft mit dem Bescheid vom 29. Feber 1980 gemäß §66 AVG 1950 keine Folge gegeben.

Der Bescheid ist wie folgt begründet:

"Gemäß §68 Abs1 AVG 1950 sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§69 und 71 die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wenn die Behörde nicht den Anlaß zu einer Verfügung gemäß den Abs2 bis 4 findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.

Im vorliegenden Fall richtet sich das Anbringen der nunmehrigen Berufungswerberin gegen die mit dem rechtskräftigen Bescheid des Landeshauptmannes von OÖ vom 6. Juni 1977 wasserrechtlich bewilligte Querung eines Trattnachaltarmes durch eine Kanalrohrbrücke des Reinhaltungsverbandes Trattnachtal. In dem diesem Bewilligungsbescheid zugrundeliegenden Verwaltungsverfahren wurde, wie der am 2. Juni 1977 aufgenommenen Verhandlungsschrift entnommen werden kann, die Frage der Aufrechterhaltung des ungestörten Hochwasserabflusses behandelt, wobei der wasserbautechnische Amtssachverständige diesbezüglich Bedenken von beigezogenen Parteien entkräften konnte. Die nunmehrige Berufungswerberin war in der Verhandlung anwesend und hat unter Abschnitt B, Post 4, gegen das Vorhaben keine Einwendungen erhoben, da eine Beeinträchtigung ihres Grundeigentums durch Behinderung des Wasserabflusses nicht zu erwarten sei. Auch das ho. Bundesministerium hat sich auf Grund der Berufung von Josefa Kerschberger gegen diesen Bewilligungsbescheid mit der Frage des Wasserabflusses befaßt und ist auf Grund eines Sachverständigengutachtens zur Überzeugung gelangt, daß eine Änderung der Abflußverhältnisse durch das gegenständliche Projekt nicht eintreten werde. Die nun nach Rechtskraft des wasserrechtlichen Bewilligungsbescheides beantragte abermalige Überprüfung der Frage einer Beeinträchtigung der Hochwasserabfuhrverhältnisse durch dieses Projekt hat der Landeshauptmann von OÖ sohin zu Recht als Antrag auf Abänderung eines der Berufung nicht mehr unterliegenden Bescheides qualifiziert. Da von der Berufungswerberin auch keine Änderung des maßgeblichen zugrundeliegenden Sachverhaltes geltend gemacht wurde, entspricht die mit dem angefochtenen Bescheid erfolgte Zurückweisung des Antrages der nunmehrigen Berufungswerberin der zitierten Gesetzesstelle.

Soweit in der Berufung aufvorgängige Berufungs- und Beschwerdeverfahren hingewiesen wird, ist festzuhalten, daß diese in keinem Zusammenhang mit dem gegenständlichen Vorhaben des Reinhaltungsverbandes Trattnachtal stehen, sondern die teilweise Zuschüttung und Verrohrung einer Abflußmulde in Schlüßlberg zum Gegenstand hatten. Ebenso kann auch ein Zusammenhang zwischen dem von der Berufungswerberin angestrengten Berufungsverfahren betreffend die Abweisung ihres Antrages auf Wiederherstellung des Zustandes vor Zuschüttung und Verrohrung der Abflußmulde und dem hier zugrundeliegenden Vorhaben nicht ersehen werden. Die von der Berufungswerberin angeregte Verbindung der beiden Berufungsverfahren mußte daher unterbleiben."

5. Gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 29. Feber 1980 richtet sich die unter Berufung auf Art144 B-VG erhobene Beschwerde.

Die Bf. behauptet, durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden zu sein.

Sie stellt den Antrag, den angefochtenen Bescheid kostenpflichtig aufzuheben, für den Fall der Abweisung die Beschwerde dem VwGH abzutreten.

II. Der VfGH hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft wurde ein Bescheid des Landeshauptmannes von OÖ bestätigt, mit dem der Antrag der Bf. vom 30. November 1979 (I/2) wegen rechtskräftig entschiedener Sache gemäß §68 Abs1 AVG 1950 zurückgewiesen worden war. Die Zurückweisung des Antrages wurde damit begründet, daß über das darin enthaltene Begehren der Landeshauptmann von OÖ mit dem Bescheid vom 6. Juni 1977, der nach der mit dem Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 7. Dezember 1977 erfolgten Abweisung einer dagegen erhobenen Berufung in Rechtskraft erwachsen sei, rechtskräftig entschieden habe.

In der Zurückweisung des Antrages der Bf. liegt die Verweigerung einer Sachentscheidung, durch die, wenn sie zu Unrecht erfolgt, eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter bewirkt wird (vgl. VfSlg. 8899/1980).

2. a) Die Rechtskraft eines Bescheides kann nur bei unverändertem Sachverhalt das Prozeßhindernis der entschiedenen Sache bewirken (vgl. neben dem bereits erwähnten Erk. 8899/1980 VfSlg. 8098/1977, 8495/1979, 8739/1980, VfGH 21. Juni 1982 B51/80). Demnach bildet die Rechtskraft des Bescheides des Landeshauptmannes von OÖ vom 6. Juni 1977 dann ein Prozeßhindernis zur Entscheidung über den Antrag der Bf. vom 30. November 1979, wenn eine Änderung des dem angeführten Bescheid zugrundeliegenden Sachverhaltes nicht eingetreten ist.

b) Eine solche, die Rechtskraft des Bescheides durchbrechende Sachverhaltsänderung könnte nur dann vorliegen, wenn sich die der Erlassung des Bescheides des Landeshauptmannes von OÖ vom 6. Juni 1977 zugrunde gelegene Sachlage um die Abflußverhältnisse in einem Ausmaß geändert hätte, das zu einer neuerlichen Entscheidung über diese Verhältnisse führen müßte. Im Beschwerdevorbringen wird dargelegt, daß die Bf. weder gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von OÖ vom 6. Juni 1977 noch gegen den Berufungsbescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 7. Dezember 1977 betreffend die darin erteilte wasserrechtliche Bewilligung "der Querung eines Trattnachaltarmes durch eine Kanalrohrbrücke des Reinhaltungsverbandes Trattnachtal ein Rechtsmittel erhoben" habe, da sie eine Beeinträchtigung ihrer Wasserrechte nicht befürchtet habe.

Ihre diesbezügliche Erwartung sei aber irrig gewesen. Aus gegebenem Anlaß, nämlich aufgrund der letzten Hochwässer, habe sie daher den dem gegenständlichen Verfahren zugrundeliegenden Antrag auf Überprüfung (eventuell Wiederherstellung des früheren Zustandes) erhoben. Dieser Antrag könne durch die vorangegangenen, zitierten Bescheide nicht sachlich erledigt worden sein, auch wenn sich diese aufgrund des Rechtsmittels einer anderen Partei mit ähnlichen Fragen beschäftigt hätten. Der Antrag der Bf. gehe daher primär keineswegs in Richtung der "Behebung eines formell wie materiell rechtskräftigen Bescheides". Es stehe ihr vielmehr als Partei im Verfahren um Gewährung der wasserrechtlichen Bewilligung das Recht auf Vornahme der Überprüfung zu. Demgemäß hätte ihr "Ansuchen nicht wegen entschiedener Rechtssache gemäß §68 AVG zurückgewiesen werden dürfen".

c) Wie sich aus diesem Vorbringen ergibt, begehrt die Bf. die Abänderung des Bescheides des Landeshauptmannes vom 6. Juni 1977. Sie legt dar, daß sie sich über die diesem Bescheid zugrundeliegende Sachlage geirrt habe, macht aber in keiner Weise geltend, daß sich der diesem Bescheid zugrundeliegende Sachverhalt geändert hätte. Auch werden Gründe für ein Begehren auf Wiederaufnahme des Verfahrens nicht vorgebracht.

Der Antrag der Bf. vom 30. November 1979 ist daher von der erstinstanzlichen Behörde zu Recht mit dem Hinweis auf die Rechtskraft des Bescheides des Landeshauptmannes vom 6. Juni 1977 zurückgewiesen worden. Die bel. Beh. hat daher die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung der Bf. dem Gesetz entsprechend als unbegründet abgewiesen.

Die Bf. ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsrechtlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter nicht verletzt worden.

Angesichts der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der die Zurückweisung tragenden Rechtsvorschriften ist es damit auch ausgeschlossen, daß die Bf. in anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt worden wäre (vgl. zB VfSlg. 8741/1980).

Schlagworte

Bescheid Rechtskraft

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1983:B173.1980

Dokumentnummer

JFT_10169078_80B00173_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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