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L1 GemeinderechtNorm
B-VG Art119a Abs5Leitsatz
Art144 Abs1 B-VG; keine Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch bloße Erteilung einer Empfehlung; Nichterschöpfung des Instanzenzuges mangels Erhebung einer Vorstellung gemäß §95 iVm. §70 Allgemeine Gemeindeordnung (Ktn.) 1982Spruch
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung:
1.1.1. Im Protokoll über die Sitzung des Gemeinderates der Gemeinde Sittersdorf, Bezirk Völkermarkt, Bundesland Ktn., vom 18. Dezember 1981 heißt es ua. wörtlich:
"Punkt 15 der Tagesordnung:
'Volksschulneubau Sittersdorf; zweisprachige Beschriftung innerhalb des Gebäudes' ... Mit sechzehn gegen drei Stimmen beschließt der Gemeinderat der Gemeinde Sittersdorf, daß dem Schulleiter Dir. Franz K nahegelegt wird, die zweisprachige Innenbeschriftung der neuen Volksschule in Sittersdorf innerhalb eines Monates zu entfernen, ansonsten eine Aufsichtsbeschwerde eingereicht wird."
1.1.2. Am 11. Jänner 1982 richtete der Bürgermeister der Gemeinde Sittersdorf an F K - unter Bezugnahme auf den zu Punkt 1.1.1. wiedergegebenen Gemeinderatsbeschluß - ein Schreiben folgenden Inhalts:
"Zufolge des Gemeinderatsbeschlusses vom 18. Dezember 1981 werden Sie hiemit aufgefordert, die zweisprachige Innenbeschriftung der neuen Volksschule in Sittersdorf, innerhalb eines Monates ab Sitzungsbeschluß, zu entfernen.
Sollte dieser Termin von Ihnen nicht eingehalten werden, so wird gemäß Beschluß die Aufsichtsbeschwerde eingereicht."
1.2. F K wendet sich mit der vorliegenden, auf Art144 Abs1 B-VG gestützten Beschwerde an den VfGH gegen die einleitend zu 1.1.1. und 1.1.2. bezeichneten Vorgänge, die er als - ihn in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten sowie in anderen Rechten iS des Art144 B-VG verletzende - Akte unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt versteht.
1.3. Parallel zur Beschwerde nach Art144 Abs1 B-VG brachte Franz K gegen die beiden in Rede stehenden Akte eine Beschwerde nach Art130 Abs1 B-VG beim VwGH ein.
Diese Beschwerde wurde bereits mit Beschluß des VwGH vom 15. Feber 1982, Z 82/10/0020, 0022, als unzulässig zurückgewiesen.
Begründend führte der VwGH ua. aus:
"Dem von der Beschwerde bekämpften Organverhalten fehlt die für einen behördlichen Befehlsakt wesentliche Ausübung hoheitlicher Gewalt. Der Beschluß des Gemeinderates legt dem Bf. die Entfernung der zweisprachigen Innenbeschriftung unter Fristsetzung bei sonstiger Einreichung einer Aufsichtsbeschwerde nahe. Durch die Ankündigung dieser Reaktion des Gemeinderates für den Fall, daß der Bf. der an ihn gerichteten Empfehlung nicht nachkommt, ist deutlich gemacht, daß der Gemeinderat dem Bf. gegenüber nicht imperium in Anspruch nimmt, sondern sich bewußt ist, daß sein an den Bf. gerichtetes Ansinnen nicht kraft eines vom Gemeinderat dem Bf. erteilbaren Auftrages Geltung erlangen kann. Nicht aus einem Verhältnis der Über- und Unterordnung tritt der Gemeinderat in diesem Beschluß dem Bf. gegenüber auf, sondern gleich einem Rechtsgenossen, der zur Durchsetzung von Forderungen an den anderen Rechtsgenossen die Hilfe einer Behörde (hier einer dem Bf. gegenüber zur Aufsicht berechtigten Behörde) in Anspruch nehmen muß. Die Inanspruchnahme von Rechtsbehelfen, mag auf deren Erledigung ein Rechtsanspruch bestehen oder nicht, zur Durchsetzung tatsächlicher oder vermeintlicher Ansprüche einer Gemeinde läßt sich nicht als Hoheitsakt verstehen."
2. Über die Beschwerde gemäß Art144 Abs1 B-VG wurde erwogen:
2.1. Zum Gemeinderatsbeschluß vom 18. Dezember 1981
2.1.1. Nach Art144 Abs1 Satz 2 B-VG idF BGBl. Nr. 302/1975 erkennt der VfGH über Beschwerden gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gegen eine bestimmte Person.
2.1.2. Ein diese Voraussetzungen erfüllender Verwaltungsakt liegt hier nicht vor.
Angesichts des klaren, unmißverständlichen Wortlautes des protokollierten Beschlusses vom 18. Dezember 1981 (s. Punkt 1.1.1.) kann es - nach Lagerung dieses Falles - keinem Zweifel unterliegen, daß der Gemeinderat dem Bf. nur eine bloße Empfehlung gab (arg. "... dem Schulleiter ... wird nahegelegt ..."), ihm aber keineswegs einen mit sofortigem physischen Zwang durchzusetzenden hoheitlichen Befehl, anders ausgedrückt: einen hoheitlichen Auftrag mit unverzüglichem Befolgungsanspruch, erteilte. Eine derartige, den Charakter eines schlichten Wunsches (Ansinnens) tragende Enunziation entbehrt aber des individuell-normativen Inhalts, wie ihn die Bestimmung des Art144 Abs1 Satz 2 B-VG idF der Nov. BGBl. Nr. 302/1975 zwingend verlangt (s. zB VfGH 21. Juni 1982 B291, 292/79 ua.).
Daran ändert auch nichts, daß dem Bf. die Einbringung einer Aufsichtsbeschwerde angekündigt wurde. Denn die Inanspruchnahme eines Rechtsbehelfes zur Durchsetzung des eigenen Rechtsstandpunktes läßt sich - wie schon der VwGH in seinem zu Punkt 1.3. zitierten Beschluß der Sache nach zum Ausdruck brachte - keinesfalls als (behördlicher) Zwangsakt - zur sofortigen Herstellung des erwünschten Zustandes - in der Bedeutung des Art144 Abs1 Satz 2 B-VG idF BGBl. Nr. 302/1975 begreifen.
2.2. Zum Schreiben des Bürgermeisters vom 11. Jänner 1982
2.2.1. Mit Bescheid der Ktn. Landesregierung vom 25. März 1982, Z 3-Gem-144/2/82, wurde der unter Punkt 1.1.2. genannte Vorgang - in Stattgebung einer dagegen von Franz K ergriffenen Vorstellung - gemäß §95 iVm. §70 (Ktn.) Allgemeine Gemeindeordnung 1982 (AGO 1982) aufgehoben.
2.2.2. Eine Beschwerde an den VfGH darf nach dem letzten Satz des Art144 Abs1 B-VG iVm. §82 Abs1 VerfGG 1953 nur nach Erschöpfung des administrativen Instanzenzuges ergriffen werden. Andere als letztinstanzliche Bescheide können daher nicht Gegenstand einer Beschwerde nach Art144 B-VG sein (vgl. zB VfSlg. 6513/1971, 9232/1981 und VfGH 28. Juni 1982 B489/79).
Räumt das Gesetz gegen einen im eigenen Wirkungsbereich eines Selbstverwaltungskörpers erlassenen Bescheid das Rechtsmittel der Vorstellung ein, so ist der administrative Instanzenzug iS des Art144 Abs1 B-VG iVm. §82 Abs1 VerfGG 1953 erst durchschritten, wenn von dieser (Vorstellungs-)Möglichkeit Gebrauch gemacht wurde (vgl. VfSlg. 6513/1971 und VfGH 9. Juni 1978 B456/77).
2.2.3. Wollte man also die hier angefochtene Enunziation des Bürgermeisters - wie die Ktn. Landesregierung - als (Intimierungs-)Bescheid zur Durchführung eines Gemeinderatsbeschlusses werten, stand hier gemäß §95 iVm. §70 AGO 1982 die - vom Bf. im übrigen ja tatsächlich ergriffene - Vorstellung an die Ktn. Landesregierung offen; der bekämpfte Vorgang wurde - selbst bei solcher Einstufung - durch den in der Folge ergangenen Vorstellungsbescheid zur Gänze aufgehoben, mithin aus dem Rechtsbestand ausgeschieden.
So gesehen, ist aber der VfGH zur Erledigung der Beschwerde offenbar unzuständig.
2.3.1. Die Beschwerde war darum - zusammenfassend - als jedenfalls unzulässig zurückzuweisen, ohne daß es eines näheren Eingehens auf das Beschwerdevorbringen bedurfte. Insbesondere war bei diesem Ergebnis auch nicht die Frage zu prüfen, ob etwa sonstige Prozeßhindernisse vorliegen.
Schlagworte
VfGH /Instanzenzugserschöpfung, Gemeinderecht, Vorstellung, Ausübung unmittelbarer Befehls- und ZwangsgewaltEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1983:B82.1982Dokumentnummer
JFT_10169078_82B00082_00