TE Vfgh Erkenntnis 1983/9/23 B363/79

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 23.09.1983
beobachten
merken

Index

L8 Boden- und Verkehrsrecht
L8200 Bauordnung

Norm

B-VG Art18 Abs1
MRK Art6
StGG Art5
Sbg BebauungsgrundlagenG §15 Abs3
Sbg BebauungsgrundlagenG §16 Abs2
Sbg BebauungsgrundlagenG §17

Leitsatz

Sbg. Bebauungsgrundlagengesetz; keine Bedenken gegen §§15 Abs3 Satz 2 und 3 und 16 Abs2 Satz 2 (kein zivilrechtlicher Anspruch iS des Art6 MRK); keine gleichheitswidrige Anwendung

Spruch

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. Mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadt Sbg. vom 7. Oktober 1970 wurden antragsgemäß Teilflächen der Parzelle 9/1 KG Leopoldskron zu Bauplätzen erklärt und der bf. Gesellschaft vorgeschrieben, näher bezeichnete Flächen (später Parzelle 9/18) für die Aufschließungsstraßen "an die Stadtgemeinde zu dem Zeitpunkt, in dem sie es verlangt, unentgeltlich und kostenfrei abzutreten" und die Kosten der Herstellung des Unterbaues (soweit er nicht selbst hergestellt wird) sowie die halben Kosten der Herstellung der Straßendecke und der Entwässerungsanlagen zu ersetzen, sobald die Stadtgemeinde die Straßenherstellung bewirkt hat.

Sodann bestimmt der Bescheid:

"c) Bis zum Ausbau der Straßen, welcher erst zu einem vom Gemeinderat zu bestimmenden Zeitpunkt erfolgt, muß sich die Konsenswerberin und allfällige Rechtsnachfolger mit den derzeit bestehenden Straßenverhältnissen abfinden.

d) Die Konsenswerberin und allfällige Rechtsnachfolger sind verpflichtet, ab Rechtskraft des Bescheides, also schon vor der grundbücherlichen Durchführung der Eigentumsübertragung, in den künftigen Straßenflächen die Verlegung von Versorgungsleitungen und sonstigen unterirdischen Einbauten nach Weisungen der Koordinierungsstelle des Magistrates Sbg. zu dulden ...

e) ...

f) Eine Verbauung der abgeteilten Bauplätze kann erst nach gehöriger Aufschließung derselben zugelassen werden. Dazu gehört der zumindest provisorische Ausbau der neu anzulegenden Aufschließungsstraßen und des Anschlusses an das öffentliche Verkehrsnetz. Im Falle, daß die Konsenswerberin den provisorischen Straßenausbau selbst bewirken will, ist dafür vor Inangriffnahme der Arbeiten die schriftliche Genehmigung ... einzuholen ... Die endgültige Abnahme erfolgt zum Zeitpunkt des definitiven Straßenausbaus ...

g) Die Konsenswerberin hat bis zum Zeitpunkt des definitiven Straßenausbaues die provisorisch hergestellten Straßen auf eigene Kosten instandzuhalten."

Die abzutretenden Flächen umfaßten die Gesamtfläche der Aufschließungsstraße, da die andere Seite der Verkehrsfläche zu diesem Zeitpunkt als Grünland gewidmet war. Ein Teil der angrenzenden Grünlandflächen wurde jedoch mit Bescheid vom 30. April 1976 auf Grund einer Ausnahmebewilligung gleichfalls zum Bauplatz erklärt; dabei wurde dem neuen Konsenswerber im Hinblick auf die bestehende Aufschließungsstraße der Rückersatz von Straßenbau- und Grunderwerbskosten an die Stadtgemeinde vorgeschrieben. Die bf. Gesellschaft begehrte hierauf ihrerseits von der Stadtgemeinde angemessene Entschädigung und Kostenersatz für die halbe Verkehrsfläche im Sinne des §15 Abs3 Sbg. BebauungsgrundlagenG, LGBl. Nr. 69/1968 (SbgBGG).

Dieses Begehren erledigte der Bürgermeister der Stadt Sbg., indem er den Antrag auf Erlassung eines Bescheides abwies, weil der Anspruch auf Entschädigung erst entstehe, wenn das Straßengrundstück in das öffentliche Gut übertragen worden sei.

Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung blieb erfolglos, die Vorstellung gegen den Berufungsbescheid wurde mit Bescheid der Sbg. Landesregierung vom 12. Juli 1979 abgewiesen. Ein Entschädigungsanspruch bestehe nur für abgetretene Grundflächenteile, die Abtretung sei aber noch nicht erfolgt und ihr Zeitpunkt könne nach dem Inhalt der Bauplatzerklärung von der Stadtgemeinde frei gewählt werden; daran ändere die Einhebung von Rückersatz nichts.

Gegen den Vorstellungsbescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Unversehrtheit des Eigentums und ein ordnungsgemäßes Verfahren über zivilrechtliche Ansprüche (Art6 MRK) gerügt werden. Die Abtretungsverpflichtung sei eine Enteigung, bei der die Entschädigungsleistung im Ergebnis der Willkür der Gemeinde überlassen bleibe, obwohl das Verfahren bestimmt sein und die Sache innerhalb einer angemessenen Frist gehört werden müsse.

II. Die Beschwerde ist nicht begründet.

1. Nach §15 SbgBGG hat der Grundeigentümer im Falle einer Bauplatzerklärung die Grundflächen, die zum Zwecke der Aufschließung von Bauplätzen für die Anlage neuer oder zur Verbreiterung bestehender öffentlicher Verkehrsflächen benötigt werden, in der erforderlichen Breite der Verkehrsfläche (bis zu einer näher bestimmten Grenze) unentgeltlich und kostenfrei an die Gemeinde abzutreten (Abs1). Begrenzt eine neu anzulegende oder zu verbreiternde Verkehrsfläche die Grundfläche, auf die sich die Bauplatzerklärung bezieht, und sind auch die an der anderen Seite der Verkehrsfläche liegenden Grundflächen für eine Bebauung vorgesehen, so obliegt dem Eigentümer der Grundfläche die Grundabtretung bis zur Achse der Verkehrsfläche (Abs2); sind aber die an der anderen Seite der Verkehrsfläche liegenden Grundflächen für eine Bebauung nicht vorgesehen, so obliegt sie ihm bis zur ganzen Breite der Verkehrsfläche (Abs3 Satz 1). Werden die an der anderen Seite der Verkehrsfläche liegenden Grundflächen zu einem späteren Zeitpunkt rechtmäßig für eine Bebauung vorgesehen, so gebührt dem Grundeigentümger für die von ihm jenseits der Achse der Verkehrsfläche abgetretenen Grundflächenteile eine angemessene Entschädigung und Kostenersatz; die Entschädigung und der Kostenersatz sind von der Gemeinde zu leisten (Abs3 Satz 2 und 3).

Die Anlage und Verbreiterung der öffentlichen Verkehrsflächen hat nach §16 SbgBGG die Gemeinde zu bewirken (Abs1). Der Eigentümer hat innerhalb der Grenzen, in denen die Verpflichtung zu unentgeltlichen Grundabtretungen vorgesehen ist, die ganzen Kosten der Herstellung des Unterbaus der Verkehrsfläche und die halben Kosten der Herstellung der Straßendecke sowie der erforderlichen Entwässerungsanlagen zu ersetzen (Abs2 Satz 1). Werden diese Kosten bei Anwendung der Bestimmungen des §15 Abs3 erster Satz innerhalb der ganzen Breite der Verkehrsflächen getragen und treten später die in §15 Abs3 zweiter Satz genannten Änderungen ein, so gebührt dem Grundeigentümer für die jenseits der Achse der Verkehrsfläche getragenen Kosten Entschädigung und Kostenersatz nach den Bestimmungen des §15 Abs3 zweiter und dritter Satz (Abs2 Satz 2). Die Gemeinde hat dem zur Leistung des Kostenbeitrages für die Herstellung des Unterbaus Verpflichteten über sein Ansuchen zu bewilligen, daß er anstelle dieses Kostenersatzes unter Aufsicht der Gemeinde den Unterbau der Verkehrsfläche selbst bewerkstelligt, wenn sichergestellt erscheint, daß diese Herstellung den Bedingungen des Abs1 erster Satz entspricht (Abs4).

Entschädigungen und Kostenersätze, die die Gemeinde vorher geleistet hat, sind anläßlich einer Bauplatzerklärung in dem Ausmaß zu ersetzen, das sich hiefür in diesem Zeitpunkt ergeben würde (§17 Satz 2). Alle den Grundeigentümer gemäß diesen Bestimmungen treffenden öffentlichrechtlichen Verpflichtungen sind, soweit nicht im Bescheid über die Bauplatzerklärung oder in einem besonderen Bescheid eine bestimmte Frist festgesetzt ist, unverzüglich nach Rechtskraft des Bescheides zu erfüllen; ist für die Aufschließung vorläufig nicht der Ausbau der ganzen Breite der Verkehrsfläche erforderlich, kann die Vorschreibung dieser Verpflichtungen zunächst auf den bis zur Achse reichenden Teil beschränkt werden (§20 Abs1). Die Festsetzung der Entschädigungen erfolgt unter sinngemäßer Anwendung der für die Entschädigung im Enteignungsverfahren nach dem Sbg. Landesstraßengesetz 1972 geltenden Bestimmungen im Bescheid über die Bauplatzerklärung; die Entschädigung wird mit der Rechtskraft ihrer Festsetzung fällig (§20 Abs2).

2. Im vorliegenden Verfahren ist es allein um die Frage gegangen, ob die spätere Bauplatzerklärung für ein Grundstück an der anderen Seite der Verkehrsfläche (§15 Abs3 SbgBGG) oder die Vorschreibung eines Ersatzes an den neuen Konsenswerber (§17 Satz 2 SbgBGG) eine Entschädigungs- und Kostenersatzpflicht der Gemeinde ausgelöst haben. Über eine Enteigung der bf. Gesellschaft - um die es sich bei einer Grundabtretungspflicht aus Anlaß eines Bebauungsvorhabens der Sache nach handelt (vgl. VfSlg. 3475/1958) - war nicht mehr zu entscheiden, weil darüber bereits in der Bauplatzerklärung entschieden worden ist. Die Beschwerde hält aber offenbar die §§15 Abs3 Satz 2 und 3 und 16 Abs2 Satz 2 SbgBGG, die sich mit der Entschädigungs- und Kostenersatzpflicht der Gemeinde befassen, für verfassungsrechtlich bedenklich, weil sie - nach ihrer Auffassung - das Verfahren über solche Ansprüche nicht in der erforderlichen Bestimmtheit regeln und daher dem Gebot des Art5 StGG ("... nur in der Art ... welche das Gesetz bestimmt") nicht entsprechen.

Der VfGH teilt diese Auffassung nicht. Art5 StGG läßt eine Enteignung zwar nur in den Fällen und in der Art zu, welche das Gesetz bestimmt, doch ergeben sich daraus keine besonderen Anforderungen an die Bestimmtheit des Gesetzes, die über jene hinausgingen, die aus Art18 B-VG abzuleiten sind. Daß das Gesetz aber diesen Anforderungen auch in den Vorschriften über die Entschädigung und den Kostenersatz wegen späterer Verbaubarkeit gegenüberliegender Grundflächen genügt, ist aus dem Blickwinkel des vorliegenden Beschwerdefalles nicht zweifelhaft. Es erübrigt sich folglich zu prüfen, ob für solche Vorschriften Art5 StGG überhaupt maßgeblich wäre.

Auch sonst haben sich keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen diese Vorschriften ergeben. Soweit davon die Rede ist, daß sich die bf. Gesellschaft durch die dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegende Norm im Eigentumsrecht verletzt erachte, weil die abgeforderte Zahlung der gesetzlichen Grundlage entbehre, sind die Beschwerdeausführungen unverständlich. Die bf. Gesellschaft ist daher nicht wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt worden.

3. Eine Verletzung des Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums könnte der angefochtene Bescheid nur bewirkt haben, wenn er in das Eigentum der bf. Gesellschaft eingegriffen hätte. Er hat aber einen Anspruch abgewiesen, der seine Grundlage im öffentlichen Bebauungsrecht hat und dessen Abweisung auch in weiterer Folge keinen Eigentumseingriff bewirkt. Es ist daher ausgeschlossen, daß die bf. Gesellschaft durch ihn im Eigentumsrecht verletzt wurde. Der behauptete öffentlich-rechtliche Entschädigungs- und Kostenersatzanspruch ist auch kein zivilrechtlicher Anspruch im Sinne des Art6 MRK, sodaß dahingestellt bleiben kann, wie die Behauptung, die bf. Gesellschaft sei nicht innerhalb einer angemessenen Frist gehört worden, angesichts des abgeführten Verwaltungsverfahrens zu verstehen ist.

Schließlich kann der VfGH aber auch nicht finden, daß die bel. Beh. etwa dem Gesetz fälschlich einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder willkürlich gehandelt und die bf. Gesellschaft dadurch im Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz verletzt hätte. Es ist naheliegend, in der Entschädigung und dem Kostenersatz nach den §§15 Abs3 Satz 2 und 16 Abs2 Satz 2 SbgBGG einen Ausgleich für die Abtretung einer Grundfläche und eine Rückzahlung geleisteter Kostenbeiträge zu sehen, deren Fälligkeit die Abtretung und die Beitragsleistung zur Straßenherstellung voraussetzt. In Wahrheit wendet sich die Beschwerde auch gar nicht gegen diese Voraussetzung. Sie meint nur, daß die Gemeinde die Übernahme der Grundflächen und die Herstellung der Straße nicht weiter hinausziehen und auf diese Weise die gebührenden Zahlungen zurückhalten dürfe. Wenn die Behörden aber - wie schon in der Bauplatzerklärung - einen Anspruch auf Abnahme der abzutretenden Grundflächen und Herstellung einer öffentlichen Verkehrsfläche verneinen, sodaß ein abtretungspflichtiger Eigentümer vorläufig für die (provisorische) Aufschließung seines Bauplatzes selbst sorgen muß und bis zur Übernahme in das öffentliche Gut Eigentümer der Fläche und folglich ohne (teilweise) Entschädigung bleibt, so kann der VfGH dem aufgrund der dargestellten Gesetzeslage nicht entgegentreten. Denn man kann das Gesetz so verstehen, daß es die Übernahme von Verkehrsflächen ins öffentliche Gut nur sicherstellt, aber nicht garantiert. Es wäre mit diesem Inhalt verfassungsrechtlich unbedenklich. Ob die der bf. Gesellschaft in der Bauplatzerklärung auferlegten Duldungspflichten dann mit dem Gesetz vereinbar sind, ist hier nicht zu prüfen, weil die Bauplatzerklärung nicht Gegenstand des Verfahrens ist.

Es ist aber auch nicht Willkür, wenn bei Entscheidung über die Fälligkeit des Entschädigungs- und Kostenersatzanspruches nicht auf den Umstand Bedacht genommen wurde, daß die Gemeinde ihrerseits den Gegenwert einem Dritten vorgeschrieben oder von diesem schon erhalten hat. Denn die Entschädigungspflicht der Gemeinde ist von der Erfüllung der Ersatzpflicht nach §17 SbgBGG durch den Eigentümer des gegenüberliegenden Bauplatzes anscheinend ganz unabhängig, so zwar, daß die Erfüllung der Ersatzpflicht die Entschädigungspflicht ebensowenig auslöst wie die Nichterfüllung der Ersatzpflicht die Entschädigungspflicht verhindert. Ob dem Gesetz dieser Inhalt auch tatsächlich zukommt, hat nicht der VfGH zu prüfen.

Da die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte offenkundig nicht vorliegt, rechtswidrige generelle Normen nicht angewendet wurden und auch die Verletzung anderer verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte nicht hervorgekommen ist, kann die Beschwerde ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung abgewiesen werden (§19 Abs4 Z1 VerfGG).

Schlagworte

Baurecht, Grundabtretung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1983:B363.1979

Dokumentnummer

JFT_10169077_79B00363_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten