TE Vfgh Erkenntnis 1983/9/23 B335/79

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Veröffentlicht am 23.09.1983
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Index

32 Steuerrecht
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag

Norm

B-VG Art83 Abs2
StGG Art5
BAO §260 Abs2
EStG §68 Abs1
EStG §68 Abs3

Leitsatz

EStG 1972; keine Bedenken gegen §68 Abs1; keine denkunmögliche Anwendung; kein Entzug des gesetzlichen Richters

Spruch

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. Der Bf. - leitender Sekretär einer Kammer für Arbeiter und Angestellte - beantragte beim Finanzamt die Erstattung zu Unrecht einbehaltener Lohnsteuer für 1976. Von 252 Überstunden habe der Arbeitgeber nur 168,5 anerkannt und lohnsteuerfrei behandelt. Mehrarbeit im Zusammenhang mit Dienstreisen, Jubilarehrungen, Behördenvertretungen, Tätigkeiten bei Gewerkschaften, Referententätigkeit und der Vertretung der Arbeiterkammer bei Weihnachtsfeiern usw. seien unberücksichtigt geblieben, obwohl die ihm gewährte Verwendungszulage auch die allgemein üblichen Mehrdienstleistungen abgelte. Ferner sei die Entlohnung für einen Kurs in einer Volkswirtschaftsschule nicht begünstigt worden.

Das Finanzamt hat dem Antrag nur für die Vortragstätigkeit an der Volkswirtschaftsschule stattgegeben. Die übrigen Zeiten seien nicht gesondert entlohnt worden. Die Berufung des Bf. blieb erfolglos. Der angefochtene Bescheid der Finanzlandesdirektion für Stmk. vom 21. Juni 1979 gesteht dem Bf. zu, daß er außerhalb der Normalarbeitszeit Dienstreisen unternommen hat, verweist jedoch auf eine Mitteilung des Dienstgebers, daß für angeordnete Dienstreisen dem Dienstnehmer nach den Bestimmungen der Dienst- und Bezugsordnung Kilometergeldvergütungen und Diäten zustünden, eine gesonderte Vergütung von Reisezeit aber nicht erfolge, und schließt daraus, daß für Dienstreisen keine Überstundenentlohnung und auch daher keine steuerfreien Zuschläge für Mehrarbeit gezahlt worden seien.

In der dagegen erhobenen Beschwerde wird die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter und auf Unversehrtheit des Eigentums gerügt. Über die Berufung hätte anstelle der Finanzlandesdirektion als monokratischer Verwaltungsbehörde nach mündlicher Verhandlung der Berufungssenat zu entscheiden gehabt (§§260 Abs2, 284 BAO), weil der erstinstanzliche Bescheid die "Feststellung" enthalte, daß die Überstunden nicht als solche entlohnt worden seien. Dem Bf. würden außerdem Zahlungen abverlangt, die der gesetzlichen Grundlage entbehrten. Die Verwendungspauschale sei nichts anderes als eine pauschalierte Überstundenentlohnung, sie vergüte keine erhöhte Verantwortung, denn der Bf. habe keinerlei Einfluß auf die Führung der Kammer; die bel. Beh. habe selbst festgestellt, daß im Monatsgehalt des Bf. eine Überstundenentlohnung nicht enthalten sei.

II. Die Beschwerde ist nicht begründet.

1. Was die Behauptung der Verletzung des Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter betrifft, verkennt die Beschwerde den Inhalt des §260 Abs2 BAO. In dieser Bestimmung ist nur von Feststellungsbescheiden über Feststellungen gemäß §§186 bis 188 - also der Feststellung von Einheitswerten und von Einkünften - (lita) und von Bescheiden die Rede, mit denen ausgesprochen wird, daß solche Feststellungen zu unterbleiben haben (litb) oder daß eine Veranlagung unterbleibt (litd). Die in den Entscheidungsgründen enthaltenen Tatsachenfeststellungen machen den Bescheid des Finanzamtes nicht zu einem solchen Feststellungsbescheid. Es besteht also keine Vorschrift, welche die Entscheidung über die Berufung des Bf. einem Berufungssenat übertragen würde. Auch die vom Bf. vermißte mündliche Berufungsverhandlung ist weder im Gesetz vorgesehen noch von Verfassungs wegen geboten (vgl. VfSlg. 8112/1977 und 8305/1978). Die bel. Beh. hat also nicht etwa eine ihr gesetzlich nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch genommen, sondern zu Recht über die Berufung entschieden.

2. Das Recht auf Unversehrtheit des Eigentums wäre nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH nur verletzt, wenn ein ins Eigentum eingreifender Bescheid ohne jede Rechtsgrundlage ergangen wäre oder auf einer verfassungswidrigen Grundlage beruhte, oder wenn die Behörde bei Erlassung des Bescheides eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Rechtsgrundlage in denkunmöglicher Weise angewendet hätte, ein Fall, der nur dann vorläge, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte, daß dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre.

Das ist aber nicht der Fall:

Lohnsteuerbegünstigt sind unter anderem "in Überstundenentlohnungen enthaltene Zuschläge für Mehrarbeit" (§68 Abs1 EStG 1972). Überstunden sind die über die Normalarbeitszeit hinaus geleisteten Arbeitsstunden; als Zuschläge für Mehrarbeit gelten die hiefür durch bestimmte (im Gesetz genannte) Vorschriften festgelegten oder innerbetrieblich für alle Arbeitnehmer oder bestimmte Gruppen von Arbeitnehmern allgemein gewährten Zuschläge (§68 Abs3 EStG).

Bedenken gegen diese Vorschriften hat die Beschwerde nicht vorgebracht und sind auch im Verfahren nicht entstanden. Soweit davon die Rede ist, daß sich der Bf. durch die dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegende Norm im Eigentumsrecht verletzt erachte, weil die abgeforderte Zahlung der gesetzlichen Grundlage entbehre, sind die Beschwerdeausführungen unverständlich.

Das Vorliegen eines steuerbegünstigten Zuschlages hat die bel. Beh. unter Bezugnahme auf eine Äußerung der Kammer für Arbeiter und Angestellte verneint, in der folgendes ausgeführt ist:

"Für das Jahr 1976 ist eine Durchrechnung der laut Präsenzliste des Kammeramtes geleisteten Überstunden für den oben angeführten Dienstnehmer erfolgt. Die Gesamtzahl dieser Überstunden betrug 168,50 Stunden. Das Grundgehalt wurde durch den Überstundendivisor von 1/162 geteilt; für diesen Überstundengrundlohn wurde ein 50%iger Überstundenzuschlag ermittelt und dieser mit der Anzahl der durchschnittlich pro Monat geleisteten Überstunden multipliziert. Daraus ergab sich der pro Monat aus der bisher als voll steuerpflichtig behandelten Verwendungszulage auszuscheidende steuerfreie Mehrarbeitszuschlag. Die Rückverrechnung der zuviel bezahlten Lohnsteuer erfolgte im Jahresausgleichswege.

...

Für angeordnete Dienstreisen stehen dem Dienstnehmer nach den Bestimmungen der Dienst- und Bezugsordnung Diäten- und Kilometergeldvergütungen zu. Eine gesonderte Vergütung von Reisezeiten, welche über die Normalarbeitszeiten hinausgehen, erfolgt nicht."

Auf diese im Verfahren erster Instanz abgegebene Äußerung hat die Kammer auch über eine Anfrage im Berufungsverfahren verwiesen. Unter diesen Umständen kommt es keineswegs einer Gesetzlosigkeit gleich, wenn die Behörde annimmt, das Verwendungspauschale habe nicht mehr an Überstundenzuschlägen enthalten, als der Dienstgeber selbst bereits im Abzugswege anerkannt hat. Denn es ist denkmöglich, in §68 Abs1 EStG nur eine Begünstigung jener Zahlungen zu sehen, die tatsächlich als Überstundenzuschläge geleistet wurden, nicht aber auch jener Leistungen, die als solche bloß gebührt hätten.

Es kann folglich dahingestellt bleiben, ob die Verweigerung der Rückzahlung von Lohnsteuer überhaupt einen Eingriff in das Eigentumsrecht - worunter nach der Rechtsprechung des VfGH nur Privatrechte zu verstehen sind - bedeutet (vgl. VfSlg. 4731/1964, 5263/1966, 5333/1966, 5937/1969, 6481/1971, 6974/1973, 7299/1974, 7806/1976). Ob die Auslegung der Behörde richtig und das Verfahren mangelfrei geblieben ist, hat nicht der VfGH zu prüfen.

Da die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte offenkundig nicht vorliegt, rechtswidrige generelle Normen nicht angewendet wurden und auch die Verletzung anderer verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte nicht hervorgekommen ist, kann die Beschwerde ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung abgewiesen werden (§19 Abs4 Z1 VerfGG).

Schlagworte

Finanzverfahren, Zuständigkeit (Finanzverfahren), Feststellungsbescheid, Einkommensteuer, Lohnsteuer

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1983:B335.1979

Dokumentnummer

JFT_10169077_79B00335_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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