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44 ZivildienstNorm
ZivildienstG §2 Abs1Beachte
ähnliche Erwägungen Erk. vom 24. November 1983, B300/83Leitsatz
Zivildienstgesetz; keine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Befreiung von der Wehrpflicht zwecks Zivildienstleistung; kein Verstoß auf verfahrensrechtlicher Ebene, insbesondere im Bereich der freien BeweiswürdigungSpruch
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
1.1.1. Mit Bescheid der Zivildienstkommission beim Bundesministerium für Inneres (ZDK), Senat 1, vom 27. Mai 1982, Z 125179/1-ZDK/1/82, wurde der von W G - unter Bezugnahme auf §2 Abs1 Zivildienstgesetz, BGBl. Nr. 187/1974 (ZDG) - gestellte Antrag auf Befreiung von der Wehrpflicht - nach durchgeführter mündlicher Verhandlung - gemäß §2 Abs1 iVm. §6 Abs1 ZDG abgewiesen.
1.1.2. Begründend legte die ZDK ua. wörtlich dar:
"... Aufgrund Ihres Vorbringens und Ihres persönlichen Eindruckes konnte die Kommission nicht als bescheinigt ansehen, daß Sie aus Gewissensgründen iS des §2 Abs1 ZDG die Anwendung von Waffengewalt ablehnen, das heißt, Ihnen ist es nicht gelungen, als wahrscheinlich darzulegen, daß Sie, müßten Sie - von den Fällen der Notwehr oder Nothilfe abgesehen - Waffengewalt anwenden, in schwere Gewissensnot gerieten.
Ein Großteil Ihrer schriftlichen Begründung Ihres Antrages stützt sich auf Ihren Großvater und dessen Kriegserlebnisse. Als Sie jedoch von der Kommission näher nach den Erlebnissen und dem Einsatzort Ihres Großvaters befragt wurden, konnten Sie keine näheren Angaben machen. Dies zeigt, wie wenig ernst Sie in Wahrheit das Schicksal Ihres Großvaters bewegt hat und wie wenig ernsthaft Sie Ihre Argumentation aufgebaut haben. Weiters haben Sie sich ersichtlich keine ernsten Gedanken über echte Alternativen zur militärischen Landesverteidigung gemacht. Insbesondere muß die 'soziale Verteidigung' für Sie ein leerer Begriff sein, wenn Sie angesichts der historischen Ereignisse die Auffassung vertreten, daß mit den von Ihnen genannten Maßnahmen bei dem deutschen Angriff auf die Sowjetunion im Jahre 1941 oder dem ägyptisch-syrischen Angriff auf Israel im Jahre 1967 der Untergang dieser Nationen hätte abgewendet werden können.
Mangels ausreichender Glaubhaftmachung der vom Zivildienstgesetz geforderten Gewissensgründe war demnach spruchgemäß zu entscheiden."
1.2.1. Der dagegen von W G erhobenen Berufung wurde mit Bescheid der Zivildienstoberkommission beim Bundesministerium für Inneres (ZDOK), Senat 1, vom 3. November 1982, Z 125179/3-ZDOK/1/82/H, gleichfalls nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, gemäß §66 Abs4 AVG 1950 nicht Folge gegeben.
1.2.2. Dieser Berufungsbescheid wurde ua. wie folgt begründet:
"... Der Begründung der erstinstanzlichen Entscheidung kann zwar darin nicht gefolgt werden, der Antragsteller habe angesichts der historischen Ereignisse die Auffassung vertreten, daß mit den von ihm genannten Maßnahmen bei dem ägyptisch-syrischen Angriff auf Israel im Jahre 1967 der Untergang dieser Nation hätte abgewendet werden können. Denn nach dem Inhalt der Verhandlungsschrift vom 27. Mai 1982 erklärte erlediglich, er könne zum Fall Israel 1967 nichts sagen, weil er darüber nichts wisse. Auch bei der Erörterung der Wirksamkeit der sozialen Verteidigung im Zusammenhang mit dem Angriff auf die Sowjetunion schwächte der Antragsteller seine vorher positiv geäußerte Meinung mit den Worten ab 'er wisse das aber nicht'. Der oben aufgezeigte Begründungsmangel erweist sich jedoch im Endergebnis als nicht entscheidend.
Die ZDK ging in ihren Erwägungen zurecht davon aus, dem Antragsteller sei die gemäß §6 Abs2 ZDG geforderte Glaubhaftmachung der von ihm behaupteten schwerwiegenden Gewissensgründe nicht gelungen. Abgesehen von den Ausführungen seiner Vertrauensperson bei der mündlichen Verhandlung erster Instanz, aus deren Aussage in bezug auf eine allfällige Gewissensnot des Antragstellers bei Leistung des Wehrdienstes allerdings nichts zu gewinnen war, vermochte er keinerlei Tatsachen anzuführen, die geeignet gewesen wären, die behauptete innere Einstellung als wahrscheinlich annehmen zu lassen.
Auch die Ergebnisse des Berufungsverfahrens führten keine entscheidende Wendung herbei. Obwohl sich der Berufungswerber in seinem ursprünglichen Antrag zu einem wesentlichen Teil auch auf religiöse Gründe berief, mußte er einräumen, daß er sich nicht am kirchlichen Leben beteiligt. Die Mitwirkung an der Pflege seiner Großmutter erscheint mehr in einer an sich selbstverständlichen familiären Verpflichtung begründet zu sein und nicht als Ausdruck einer gegen Waffengewalt gerichteten Gesinnung. Die Aussage seiner Mutter als Vertrauensperson konnte nicht vorbehaltlos und als unbedenklich verwertet werden, weil sie nicht objektiv wirkte. Aus diesen Erwägungen und auf Grund des durch Unsicherheit gekennzeichneten persönlichen Eindruckes, den der Berufungswerber in der mündlichen Verhandlung bot, sah sich auch die ZDOK außerstande, die Glaubhaftmachung von schwerwiegenden Gewissensgründen anzunehmen. Es mußte daher der Berufung der angestrebte Erfolg versagt bleiben."
1.3.1. Gegen diesen Bescheid der ZDOK richtet sich die vorliegende, auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde des W G an den VfGH; der Bf. beruft sich darin auf die Verfassungsbestimmung des §2 Abs1 ZDG und begehrt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides.
1.3.2. Die bel. Beh. legte die Verwaltungsakten vor und verzichtete auf die Erstattung einer Gegenschrift.
2. Über die - zulässige - Beschwerde wurde erwogen:
2.1.1. Die Verfassungsbestimmung des §2 Abs1 ZDG besagt, daß Wehrpflichtige im Sinn des Wehrgesetzes 1978, BGBl. Nr. 150, auf ihren Antrag von der Wehrpflicht zu befreien sind, wenn sie es - von den Fällen der persönlichen Notwehr oder Nothilfe abgesehen - aus schwerwiegenden, glaubhaften Gewissensgründen ablehnen, Waffengewalt gegen andere Menschen anzuwenden und daher bei Leistung des Wehrdienstes in schwere Gewissensnot geraten würde; sie sind zivildienstpflichtig. Der VfGH vertritt in seiner mit VfSlg. 8033/1977 eingeleiteten ständigen Rechtsprechung die Auffassung, daß diese Vorschrift das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Befreiung von der Wehrpflicht zwecks Zivildienstleistung beinhaltet (s. auch VfGH 12. März 1982 B561/81 und 11. Juni 1982 B441/81).
2.1.2. Eine Verletzung dieses Grundrechtes liegt nach der ständigen Judikatur des VfGH nicht bloß dann vor, wenn die Behörde die im §2 Abs1 ZDG umschriebenen materiell-rechtlichen Voraussetzungen der Wehrpflichtbefreiung unrichtig beurteilt; sie ist - da sich der Schutzumfang des Grundrechtes auf die für den Nachweis der Voraussetzungen maßgebende Vorgangsweise der Glaubhaftmachung (Bescheinigung) miterstreckt - auch dann gegeben, wenn der Behörde wesentliche Verstöße in diesem verfahrensrechtlichen Bereich unterlaufen oder wenn sie dem Antragsteller überhaupt die Möglichkeit nimmt, das Vorliegen der materiellen Voraussetzungen glaubhaft zu machen (vgl. zB VfSlg. 8787/1980), woran sich auch durch die ZDG-Nov. BGBl. Nr. 496/1980 nichts änderte (vgl. zB VfGH 16. Oktober 1982 B501/81, 26. November 1982 B667/81, 1. Dezember 1982 B376/82).
Wie der VfGH in diesem Zusammenhang schon wiederholt aussprach (VfSlg. 8268/1978 sowie VfGH 29. September 1978 B435/75), zählen zu den hier wahrzunehmenden Verstößen auf verfahrensrechtlichem Gebiet auch wesentliche Fehler bei der Beweiswürdigung einschließlich der Würdigung der Parteiaussage als Bescheinigungsmittel.
2.2.1. Die ZDOK gelangte - nach dem offenkundigen Sinn- und Aussagegehalt der Begründung des angefochtenen Bescheides insgesamt - zum Ergebnis, dem Bf. sei die im §2 Abs1 ZDG vorausgesetzte Glaubhaftmachung, daß er die Anwendung von Waffengewalt gegen andere Menschen aus Gewissensgründen ablehne, nicht gelungen.
Der Bf. behauptet zwar, daß der angefochtene Bescheid an materiellen Rechtsfehlern leide. Er hält jedoch den unmißverständlichen (Tatsachen-)Feststellungen der bel. Beh. zur (mißlungenen) Glaubhaftmachung von Gewissensgründen im Kern nur bestimmte Aspekte seiner von der ZDOK - in Wertung und Würdigung der in mündlicher Verhandlung vorgeführten Bescheinigungsmittel - nicht für hinreichend überzeugend und bescheinigungskräftig genug erachteten Einlassungen im Administrativverfahren entgegen, die er - dessenungeachtet und darum verfehltermaßen - der materiell-rechtlichen Beurteilung der Sache zugrunde gelegt wissen will: In Wahrheit sollen aber damit, ebenso wie mit den sonstigen, sich inhaltlich in einer subjektiven Kritik der behördlichen Beweiswürdigung erschöpfenden Beschwerdedarlegungen, bloß die Schlußfolgerungen der ZDOK in tatsächlicher Beziehung als unrichtig und verfehlt hingestellt werden: Abgesehen davon, daß ein verfassungsgesetzlich relevanter Verstoß verfahrensrechtlicher Art im gegebenen Zusammenhang nur in einer der Lebenserfahrung oder den logischen Denkgesetzen widersprechenden Beweiswürdigung der ZDOK liegen könnte (s. VfGH 23. Juni 1983 B501/78), was hier keinesfalls zutrifft, ist dieses Bestreben des Bf. jedoch schon deshalb zum Scheitern verurteilt, weil es angesichts des das Kommissionsverfahren beherrschenden Prinzips der freien Beweiswürdigung (hier im Sinn freier Würdigung der Bescheinigungsmittel verstanden) - das allein Gewähr für die Berücksichtigung der Einmaligkeit der Umstände jedes einzelnen Falls bietet - der in der Beschwerdeschrift ersichtlich verfochtenen Auffassung zuwider keineswegs angeht, die für die Kommissionsentscheidung in der Glaubhaftmachungsfrage maßgebenden komplexen Überlegungen, soweit sie in die schriftlichen Entscheidungsgründe Eingang zu finden vermochten, ungeachtet all ihrer Verzahnungen und Verästelungen schrittweise in ihre Bestandteile zu zerlegen und diese - so aus dem Kontext der Kommissionsüberlegungen gelösten - Begründungsdetails in isolierter Wertung für nicht tragfähig zu erklären. Zudem kann die Gesamtheit aller Umstände, die dem zur Entscheidung berufenen Organ die Überzeugung vom Wert und von der Aussagekraft des Bescheinigungsmaterials vermitteln, überhaupt nicht restlos analysiert werden, zumal sich vor allem das Ergebnis des persönlichen Eindrucks, den Aussagende im Zuge ihrer Befragung hinterlassen, nicht immer in voller Breite in Worte kleiden läßt.
Zusammenfassend ist hier ein in die Verfassungssphäre reichender gravierender Verstoß auf verfahrensrechtlicher Ebene, insbesondere im Bereich der Beweiswürdigung, nicht zu ersehen.
2.2.2. Der VfGH kann der ZDOK nach Lagerung des Falles nicht entgegentreten, wenn sie in Prüfung und Würdigung der wesentlichen Verfahrensergebnisse, und zwar unter Bedachtnahme auf das bisherige Verhalten des Antragstellers (§6 Abs2 ZDG) sowie auf Grund seiner Argumentation im Administrativerfahren und des von ihm gewonnenen Eindrucks, in freier Beweiswürdigung zur Ansicht gelangte, daß Gewissensgründe nicht (iS des §6 Abs2 ZDG) glaubhaft gemacht wurden (vgl. hiezu die Judikatur des OGH wonach (grundsätzlich) keine Verpflichtung besteht, die aufgrund unmittelbaren persönlichen Eindruckes gebildete Überzeugung vom Beweiswert der Angaben einer Person (näher) zu begründen; zB aus jüngster Zeit: OGH 23. März 1982, 9 Os 38/82; 27. Juli 1982, 10 Os 86/82; s. dazu VfGH 1. Dezember 1982 B376/82).
2.2.3. Abschließend folgt daraus, daß keine Verletzung des im §2 Abs1 ZDG verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Befreiung von der Wehrpflicht zwecks Zivildienstleistung vorliegt.
2.3. Angesichts des Umstandes, daß schließlich auch keine Verletzung eines anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes oder eine Rechtsverletzung infolge Anwendung einer rechtswidrigen generellen Rechtsnorm hervorkam, mußte die Beschwerde als unbegründet abgewiesen werden.
Schlagworte
ZivildienstEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1983:B128.1983Dokumentnummer
JFT_10169076_83B00128_00