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L8 Boden- und VerkehrsrechtNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Stmk. Bauordnung 1968; keine Bedenken gegen §6a Abs2 idF der Bauordnungs-Nov. 1974, LGBl. Nr. 130; Vorschreibung eines Aufschließungsbeitrages; keine gleichheitswidrige und keine denkunmögliche Anwendung des §6aSpruch
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. a) Der nach dem Vereinsgesetz 1951 gebildete Verein "A W" hat in seiner Generalversammlung vom 26. Juni 1974 seine (freiwillige) Auflösung beschlossen. Die Liquidation ist noch nicht beendet.
Mit Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt Graz vom 8. August 1978 wurde der "A W in Liquidation" (im folgenden: Bf.) die baubehördliche Bewilligung zur Errichtung eines Gebäudes "auf den von der Widmungsbewilligung vom 25. Feber 1977, GZ: A 17-K-11508/9-1977, erfaßten Grundstücken Nr. 434, 435/4, 435/1 und 436, EZ 1206, KG VI Jakomini", mit bestimmten Auflagen erteilt.
Der Stadtsenat schrieb aufgrund dieser Baubewilligung mit Bescheid vom 24. August 1978 gemäß §6a der Steiermärkischen Bauordnung 1968, LGBl. Nr. 149 idF der Bauordnungsnovelle 1974, LGBl. Nr. 130, (im folgenden kurz: Stmk. BO) der Bf. einen Aufschließungsbeitrag von 488815 S vor.
Mit dem weiteren Bescheid des Stadtsenates vom 10. November 1978 wurde diese Abgabe mit 4. September 1978 fällig gestellt.
b) Mit Bescheid des Gemeinderates der Landeshauptstadt Graz vom 4. Oktober 1979 wurde den von der Bf. gegen diese beiden Bescheide erhobenen Berufungen teilweise stattgegeben; die erstinstanzlichen Bescheide wurden dahin abgeändert, daß ein Aufschließungsbeitrag von 337978 S zu entrichten ist.
Dieser Berufungsbescheid wird im wesentlichen wie folgt begründet:
"§6a der Steiermärkischen Bauordnung 1968 bestimmt in seinem Absatz 1, daß die Gemeinde aus Anlaß der erstmaligen Widmungsbewilligung einen Aufschließungsbeitrag für Fahrbahnherstellung, Oberflächenentwässerung und Straßenbeleuchtung zu erheben hat. Für die im Bauland gelegenen Grundstücke, für die eine Widmungsbewilligung, jedoch keine Baubewilligung vorliegt, ist der Aufschließungsbeitrag gemäß Abs2 der zitierten Gesetzesstelle aus Anlaß der Erteilung der Baubewilligung vorzuschreiben.
Für die Grundstücke Nr. 434, 435/4, 435/1 und 436, EZ 1206, KG VI Jakomini lagen vor dem Inkrafttreten des §6a der Steiermärkischen Bauordnung bereits Widmungsbewilligungen aus den Jahren 1906 und 1956 vor. Mit Bescheid vom 25. Feber 1977, A 17-K-11508/9-1977, wurde neuerlich eine Widmungsbewilligung erteilt. Die Vorschreibung eines Aufschließungsbeitrages hatte aus Anlaß der Erteilung der angeführten Widmungsbewilligung nicht zu erfolgen, da es sich nicht um die im Gesetz geforderte erstmalige Widmungsbewilligung der Grundstücke handelt.
Mit Bescheid vom 8. August 1978, A 17-K-19549/1-1978, wurde für die von der Widmungsbewilligung vom 25. Feber 1977 erfaßten Grundstücke eine Baubewilligung erteilt.
Es ist daher zu prüfen, ob für die Grundstücke Nr. 434, 435/1, 435/4 und 436, EZ 1206, KG VI Jakomini bereits zuvor eine Baubewilligung vorlag. Die diesbezüglichen Nachforschungen haben folgendes Ergebnis gebracht:
Für die an der Grazbachgasse gelegenen Parzellen 435/1/4, 434 und 436 und einen Teil von 433/15, EZ 1206 und 1326, KG Jakomini, wurde mit Bescheid vom 30. März 1956, A 17-2048/1-1955, eine Widmungsbewilligung sowie die Bewilligung zur plan- und befundgemäßen Ausführung des Bauvorhabens erteilt. Die Baubewilligung wurde gemäß §7 der Grazer Bauordnung unwirksam. Eine Baubewilligung, die nicht ausgenützt wird, muß jedoch erlöschen, um nicht ein Hindernis gegen die Verwirklichung anderer, allenfalls geänderter Bauabsichten zu sein. Dem, den Anlaß zur Vorschreibung des Aufschließungsbeitrages bildenden Baubewilligungsbescheid vom 8. August 1978, A 17-K19549/1-1978, stand somit eine andere Baubewilligung nicht entgegen. Die Abgabenbehörde konnte daher aus Anlaß der Erteilung der Baubewilligung vom 8. August 1978 nur mehr den sich aus dem Gesetz ergebenden Abgabenanspruch feststellen, zumal eine andere als diese Baubewilligung nicht aufgefunden werden konnte und die behauptete Parallelität zum Geschäftsstück A 8-93/3-1978 somit fehlt.
Wohl aber war festzustellen, daß zwei der zum Bauplatz gehörigen Grundstücke im Grundbuchsauszug und vor allem in der Abschrift des Grundbesitzbogens als Bauflächen ausgewiesen sind. Es handelt sich hiebei um die Grundstücke Nr. 435/4 im Ausmaß von 222 Quadratmeter und Nr. 435/1, Hofraum mit Hintergebäude, in einer Größe von 134 Quadratmeter. Obwohl seitens der Baubehörde anläßlich der über das Ansuchen der Berufungswerberin um Baubewilligung durchgeführten örtlichen Erhebung und mündlichen Verhandlung vom 27. Juli 1978, auf deren Ergebnis sich die Baubewilligung vom 8. August 1978, A 17-K-19549/1-1978, gründet, die wiederum Anlaß zur Vorschreibung des Aufschließungsbeitrages war, eine Bebauung der Liegenschaft Graz VI Grazbachgasse Nr. 53, Conrad-von-Hötzendorf-Straße 2, nicht festgestellt werden konnte, neigt die Abgabenbehörde II. Instanz der Auffassung zu, daß die seinerzeitige Bebauung der Grundstücke Nr. 435/1 und 435/4 im Einklang mit den damals bestehenden baurechtlichen Vorschriften erfolgte. Aus diesem Grund waren die erstinstanzlichen Abgabenbescheide dahingehend abzuändern, daß die Berechnung der Abgabe nur für die Grundstücke Nr. 434, Garten, im Ausmaß von 162 Quadratmeter und Nr. 436, Garten, in einer Größe von 164 Quadratmeter, zusammen 326 Quadratmeter zu erfolgen hat. Somit errechnet sich der Aufschließungsbeitrag unter Zugrundelegung der geänderten Berechnungslänge von 18,06, eines Anrechnungsfaktors von 13,66 (höchstzulässige Bebauungsdichte 6,83 x 2) und des Einheitssatzes von 1370 S mit 337978 S.
Der Auffassung der Berufungswerberin, die Stadt Graz habe keine wie immer mit der beabsichtigten Bauführung im Zusammenhang stehende Leistung erbracht und könne daher einen Aufschließungsbeitrag nicht einheben, darf die Auffassung des VwGH zu §6a der Steiermärkischen Bauordnung 1968 entgegengehalten werden: '... Der Aufschließungsbeitrag ist gemäß dem §6a Abs9 der Steiermärkischen Bauordnung 1968 in der Fassung der Bauordnungsnovelle 1974 eine ausschließliche Gemeindeabgabe im Sinne des §6 Z5 des Finanz-Verfassungsgesetzes 1948 und einer der 'Interessentenbeiträge von Grundstückseigentümern und Anrainern' im Sinne der Finanzausgleichsgesetze, die nicht schon durch den Bundesgesetzgeber zu ausschließlichen Gemeindeabgaben erklärt worden sind. Unter dem Begriff 'öffentliche Abgaben' im Sinne der Finanzverfassung sind alle einmaligen oder laufenden Geldleistungen zu verstehen, die kraft öffentlichen Rechtes aufgrund einer generellen Norm zwecks Erzielung von Einnahmen der Gebietskörperschaften zur Bestreitung des Aufwandes im öffentlichen Interesse allen auferlegt werden.
Der in Streit stehende Aufschließungsbeitrag stellt eine einmalige Abgabe zur - zweckgebundenen - Deckung der Kosten für die Herstellung von Fahrbahn, Oberflächenentwässerung und Straßenbeleuchtung im Bauland dar. Der klare Wortlaut des §6a Abs1 und Abs2 der Steiermärkischen Bauordnung 1968 in der Fassung der Bauordnungsnovelle 1974 läßt keinen Zweifel darüber offen, daß die Abgabepflicht nicht notwendigerweise von der Erbringung der genannten Aufschließungsarbeiten durch die Gemeinde in Hinsicht auf das jeweilige Grundstück abhängig ist ...'
Letztlich bleibt auf die Einwendung einzugehen, daß der Berufungswerberin aufgrund des Bescheides vom 30. März 1956 Kosten für die Herstellung der Fahrbahn erwachsen sind und eine relativ große Grundfläche kostenlos ins öffentliche Gut abgetreten werden mußte.
§6a (7) lautet: 'Mit Zustimmung der Gemeinde erbrachte Eigenleistungen sind auf den Beitrag anzurechnen.'
Die der A W aufgrund des Bescheides vom 30. März 1956, A 17-2048/1-1955, bzw. beigelegten Verhandlungsschrift erwachsenen Kosten der Grundabtretung und Straßenherstellung können deshalb nicht als in den Aufschließungsbeitrag anrechenbare Eigenleistungen angesehen werden, weil diese Widmungsbedingungen zeitlich in keinem Zusammenhang mit der Vorschreibung des Aufschließungsbeitrages stehen und stehen können, da die diesbezügliche landesgesetzliche Abgabenvorschrift erst im Jahre 1974 in Kraft getreten ist. Das bedeutet aber, daß es an der erforderlichen Zustimmung der Gemeinde zur Anrechnung dieser Kosten mangelt.
Darüber hinaus darf insbesondere bezüglich der Grundabtretung auf die Lehre verwiesen werden, derzufolge mit Abtretung des zu den öffentlichen Verkehrsflächen entfallenden Grundes und mit der Herstellung der Höhenlage und des Gehsteiges vom Anlieger noch nicht alle Leistungen erbracht sind, die ihm mit Rücksicht auf die Aufschließungsvorteile billigerweise zugemutet werden können. Vielmehr können auch Aufschließungsbeiträge zur Herstellung der Fahrbahn, der Straßendecke und der Straßenbeleuchtung erhoben werden. (Krzizek, System des Österreichischen Baurechts I (1972) 401).
Zur Untermauerung des Ausgeführten wird noch bemerkt, daß die Erhebung des Aufschließungsbeitrages in der Steiermärkischen Bauordnung 1968 neben den Bestimmungen über die Grundabtretung für Verkehrsflächen oder Gehsteigherstellung ihre eigenständige Regelung gefunden hat.
Abschließend wird darauf hingewiesen, daß die Berufungswerberin, anläßlich der am 27. Juli 1978 stattgefundenen örtlichen Erhebung und mündlichen Verhandlung laut der, im übrigen der Alpenländischen Wohnbaugemeinschaft abschriftlich übermittelten Verhandlungsschrift vom 27. Juli 1978, über die Vorschreibung und Berechnung der Abgabe informiert wurde und das Verhandlungsergebnis zustimmend zur Kenntnis genommen hat.
Den Berufungen war daher angesichts der dargestellten Sach- und Rechtslage in dem im Spruch ersichtlichen Ausmaß stattzugeben und steht im übrigen die Vorschreibung der Gemeindeabgabe, da eine solche für die Grundstücke Nr. 434 und 436 EZ 1206 KG VI Jakomini noch nicht erfolgte, im Einklang mit den landesgesetzlichen Bestimmungen."
2. Gegen diesen Berufungsbescheid vom 4. Oktober 1979 wendet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und auf Unversehrtheit des Eigentums sowie "die Verletzung des im Art18 B-VG festgelegten Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung" behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides, hilfsweise die Abtretung der Beschwerde an den VwGH beantragt wird.
3. Der Gemeinderat der Landeshauptstadt Graz hat eine Gegenschrift erstattet, in der er begehrt, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
II. Der VfGH hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1. a) Die Bf. begründet ihre Behauptung, im Gleichheitsrecht und im Eigentumsrecht verletzt worden zu sein, damit, daß es unsachlich sei, zweckgebundene Aufschließungsbeiträge vorzuschreiben, wenn - wie in diesem Fall - die Aufschließung des Grundstückes bereits vor Jahrzehnten erfolgt sei. Dazu komme, daß auch für die Grundstücke 434 und 436 mit Bescheid vom 30. März 1956 nicht bloß eine Widmungs-, sondern auch eine Baubewilligung erteilt worden sei und daß auch diese Grundstücke bereits vor Erlassung dieses Bescheides verbaut gewesen seien, also nicht einmal die Baubewilligung vom 30. März 1956 die erste Baugenehmigung gewesen sei; es sei im Jahre 1956 der Bau eines Gebäudes bewilligt worden, das an die Stelle eines durch Kriegseinwirkung total zerstörten Wohnhauses treten sollte.
b) Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH (zB VfSlg. 8823/1980, 9186/1981) nur vorliegen, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat.
Ein willkürliches Verhalten kann der Behörde unter anderem dann vorgeworfen werden, wenn sie den Bf. aus unsachlichen Gründen benachteiligt hat oder aber wenn der angefochtene Bescheid wegen gehäuften Verkennens der Rechtslage in einem besonderen Maße mit den Rechtsvorschriften in Widerspruch steht (vgl. zB VfSlg. 8783/1980, 9024/1981).
Mit dem angefochtenen Bescheid wird eine Abgabe vorgeschrieben; er greift somit in das Eigentumsrecht ein. Dieser Eingriff wäre nach der ständigen Judikatur des VfGH (zB VfSlg. 8776/1980, 9014/1981) dann verfassungswidrig, wenn der ihn verfügende Bescheid ohne jede Rechtsgrundlage ergangen wäre oder auf einer verfassungswidrigen Rechtsgrundlage beruhte, oder wenn die Behörde bei Erlassung des Bescheides eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Rechtsgrundlage in denkunmöglicher Weise angewendet hätte, ein Fall, der nur dann vorläge, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte, daß dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre.
c) aa) Der angefochtene Bescheid wird auf §6a Abs2 der Stmk. BO gestützt.
Diese Bestimmung und der darin bezogene vorangehende Abs1 lauten:
"§6a Aufschließungsbeitrag
(1) Für die im Bauland (§23 des Steiermärkischen Raumordnungsgesetzes 1974, LGBl. Nr. 127) gelegenen Grundstücke hat die Gemeinde aus Anlaß der erstmaligen Widmungsbewilligung, soweit nicht eine Verpflichtung nach anderen gesetzlichen Bestimmungen besteht, einen Aufschließungsbeitrag für Fahrbahnherstellung, Oberflächenentwässerung und Straßenbeleuchtung zu erheben. Der Aufschließungsbeitrag ist gleichzeitig mit der Erstellung der Widmungsbewilligung vorzuschreiben. Der Aufschließungsbeitrag wird zu einem Drittel mit Rechtskraft des Widmungsbescheides, zu einem Drittel zu Beginn der Aufschließungsarbeiten und zu einem Drittel einen Monat nach Fertigstellung der Aufschließung fällig. Ist die Aufschließung zum Zeitpunkt der Erteilung der Widmungsbewilligung fertiggestellt, wird der Aufschließungsbeitrag zur Gänze mit Rechtskraft des Widmungsbescheides fällig.
(2) Für die im Bauland gelegenen Grundstücke, für die eine Widmungsbewilligung, jedoch keine Baubewilligung vorliegt, ist der Aufschließungsbeitrag gleichzeitig mit der Baubewilligung vorzuschreiben. Hinsichtlich der Fälligkeit gilt Abs1 sinngemäß. Der Aufschließungsbeitrag darf für dasselbe Grundstück nur einmal vorgeschrieben werden."
Die folgenden Abs3 bis 7 regeln die Berechnung der Höhe des Aufschließungsbeitrages.
Abs8 sieht vor, daß abgabepflichtig der Eigentümer des Grundstückes ist.
Abs9 bestimmt folgendes:
"(9) Diese Aufschließungsbeiträge dürfen als Interessentenbeiträge nur für Herstellung von Fahrbahn, Oberflächenentwässerung und Straßenbeleuchtung im Bauland verwendet werden. Sie sind ausschließliche Gemeindeabgaben iS des §6 Z5 des Finanz-Verfassungsgesetzes 1948 und des §13 Abs1 Z15 sowie Abs2 des Finanzausgleichsgesetzes 1973."
bb) Unstrittig ist, daß die Grundstücke 434 und 436 im Flächenwidmungsplan als Bauland ausgewiesen sind, daß für sie eine Widmungsbewilligung vorlag und daß für sie noch kein Aufschließungsbeitrag vorgeschrieben wurde.
Strittig ist lediglich, ob der Baubewilligungsbescheid vom 8. August 1978 geeignet war, die Abgabepflicht gemäß §6a Abs2 der Stmk. BO auszulösen. Die Bf. hält die Bejahung dieser Frage für denkunmöglich und willkürlich, weil auch für die Grundstücke Nr. 434 und 436 bereits früher Baubewilligungen erteilt worden waren.
Wie sich aus den vorgelegten Verwaltungsakten ergibt, hat die Bf. von der mit Bescheid vom 30. März 1956 erteilten Baubewilligung nicht Gebrauch gemacht. Diese wurde nach der damals noch geltenden Grazer Bauordnung, LGBl. Nr. 20/1881, (§7) unwirksam. Die Bf. ersuchte daher im Jahre 1977 neuerlich um die baubehördliche Bewilligung zur Errichtung eines Hauses auf den Grundstücken Nr. 434, 435/4, 435/1 und 436, die (nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 27. Juli 1978) - wie schon erwähnt - mit Bescheid vom 8. August 1978 rechtskräftig erteilt wurde.
Die bel. Beh. ging davon aus, daß zwar die Grundstücke 435/1 und 435/4 schon vor dem Zweiten Weltkrieg (im Einklang mit den damals bestehenden baurechtlichen Vorschriften) verbaut gewesen seien, nicht aber die beiden anderen Grundstücke Nr. 434 und 436; diese seien im Grundbuch und im Grundbesitzbogen als "Garten" ausgewiesen. Diese Sachverhaltsannahmen bestreitet die Bf. zwar in diesem verfassungsgerichtlichen Verfahren. Im Administrativverfahren hat sie derartige Einwände nicht erhoben. Unter diesen Umständen kann der bel. Beh. nicht der Vorwurf gemacht werden, sie habe den Sachverhalt leichtfertig festgestellt. Ob ihr Verfahrensfehler, die nicht die Verfassungssphäre berühren, unterlaufen sind, ist vom VfGH nicht zu beurteilen.
Die Annahme der bel. Beh., die Verpflichtung zur Entrichtung eines Aufschließungsbeitrages sei ungeachtet der im Jahre 1956 erteilten Baubewilligung entstanden, ist weder denkunmöglich noch willkürlich:
Eine am Zweck des Gesetzes (s. die folgende sublitcc) orientierte Auslegung erlaubt es zumindest in vertretbarer Weise, §6a Abs2 der Stmk. BO den Inhalt beizulegen, daß für das betreffende Grundstück auch dann "keine Baubewilligung vorliegt", wenn eine Baubewilligung zwar erteilt, aber in der Folge dadurch unwirksam wurde, daß sie nicht ausgenützt, sondern durch eine spätere Baubewilligung ersetzt wurde. Für die Interpretation der Behörde spricht auch, daß §6a im Abs1 das Wort "erstmalig" vor "Widmungsbewilligung" verwendet, nicht aber im Abs2 im Zusammenhang mit der "Baubewilligung". Dies läßt den Schluß zu, daß die die Abgabepflicht auslösende Baubewilligung nicht unbedingt die erstmalige sein muß.
Aus diesen - verfassungsrechtlich unbedenklich gewonnenen - Sachverhaltsfeststellungen und rechtlichen Überlegungen resultiert, daß die Grundstücke Nr. 434 und 436 Gartengrundstücke waren und auch vor dem Zweiten Weltkrieg für sie keine Baubewilligung vorlag; ferner daß die im Jahre 1956 erteilte Baubewilligung unwirksam wurde und daher nicht als eine die Abgabepflicht auslösende "Baubewilligung" iS des §6a Abs2 der Stmk. BO anzusehen ist.
Der Einwand der Bf., der Aufschließungsbeitrag hätte auch deshalb nicht vorgeschrieben werden dürfen, weil die Grundstücke bereits vor Erteilung der Baubewilligung aufgeschlossen gewesen seien, weist weder auf eine denkunmögliche noch willkürliche Gesetzeshandhabung hin. Vielmehr spricht schon der Wortlaut des §6a Abs2 der Stmk. BO gegen eine Berücksichtigung dieses Umstandes (vgl. VwGH 27. November 1978 Z 1006/78).
Ob die Behörde das Gesetz richtig angewendet hat, ist nicht vom VfGH, sondern vom VwGH zu beurteilen.
cc) Auch wenn dem §6a Abs2 der Stmk. BO der von der Behörde angenommene Inhalt zukommt, hat der VfGH unter dem Gesichtspunkt des vorliegenden Beschwerdefalles gegen diese Gesetzesbestimmung keine verfassungsrechtlichen Bedenken:
Zunächst ist es nicht unsachlich, die Eigentümer von Baugrundstücken zur Leistung von Aufschließungsbeiträgen zu verpflichten, zumal, wenn diese zweckgebunden sind (§6a Abs9 der Stmk. BO): Zum einen liegt der Wert eines Baugrundstückes in aller Regel wesentlich über jenem anderer Liegenschaften; zum anderen ist die Gemeinde genötigt, für das als Bauplatz gewidmete Grundstück spätestens dann, wenn darauf tatsächlich gebaut wird, erhebliche Aufschließungskosten aufzuwenden. Daran ändert nichts, wenn der jeweilige, konkrete Beitrag nicht für die Aufschließung des jeweiligen, konkreten Grundstückes verwendet wird.
Wenn der Gesetzgeber darauf abzielt, Aufschließungsbeiträge in gleicher Weise für alle Baugrundstücke spätestens anläßlich der erstmaligen Bauführung vorzuschreiben, ist auch dies durchaus sachlich. §6a Abs2 der Stmk. BO ist eine adäquate Teilregelung zur Erreichung dieses Zieles (vgl. auch hiezu VwGH vom 27. November 1978 Z 1006/78).
dd) Die Bf. ist sohin weder im Gleichheitsrecht noch im Eigentumsrecht verletzt worden.
2. Die Bf. macht weiters geltend, daß der angefochtene Bescheid gegen das Rechtsstaatprinzip nach Art18 B-VG verstoße. Nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH gewährleistet Art18 B-VG aber kein subjektives Recht auf eine gesetzmäßige Führung der Verwaltung (vgl. VfSlg. 1324/1930, 5800/1968 uva.). Es erübrigt sich daher, auf dieses Vorbringen der Bf. einzugehen.
3. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß die Bf. in sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde. Angesichts der Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsgrundlagen ist es auch ausgeschlossen, daß sie in ihren Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt wurde.
Die Beschwerde war daher abzuweisen.
Schlagworte
Baurecht, AufschließungsbeitragEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1983:B476.1979Dokumentnummer
JFT_10169074_79B00476_00