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27 RechtspflegeNorm
B-VG Art144 Abs1 / AnlaßfallBeachte
einer der Anlaßfälle zu VfSlg. 9756/1983Leitsatz
Geschäftsordnung des Disziplinarrates der Rechtsanwaltskammer für Wien, NÖ und Bgld.; Entzug des gesetzlichen Richters durch nicht dem Gesetz entsprechende Zusammensetzung einer Kollegialbehörde nach Feststellung der Gesetzwidrigkeit des §6 Abs2Spruch
Der Bescheid wird aufgehoben.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Mit dem Erk. vom 25. Jänner 1980, GZ D 119/78, hat der Disziplinarrat der Rechtsanwaltskammer für Wien, NÖ und Bgld. (im folgenden Disziplinarrat) über den Bf. die Disziplinarstrafe des schriftlichen Verweises wegen Berufspflichtenverletzung und der Verletzung von Ehre und Ansehen des Standes verhängt und ihn zur Tragung der anteilsmäßigen Kosten des Verfahrens verurteilt.
Der gegen die Verhängung der Disziplinarstrafe im erstinstanzlichen Erk. vom Bf. erhobenen Berufung hat die Oberste Berufungs- und Disziplinarkommission für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter (OBDK) mit dem Erk. vom 16. Juni 1980, Z Bkd 22/80-12, keine Folge gegeben.
2. Gegen dieses Erk. der OBDK richtet sich die unter Berufung auf Art144 B-VG erhobene Beschwerde. Der Bf. behauptet, durch das angefochtene Erk. im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden zu sein.
Er beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides.
II. Der VfGH hat aus Anlaß dieser Beschwerde von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit des §6 Abs2 der Geschäftsordnung des Disziplinarrates der Rechtsanwaltskammer für Wien, NÖ und Bgld., beschlossen am 21. Mai 1957 von der Vollversammlung der genannten Rechtsanwaltskammer, genehmigt mit Erlaß vom 2. Oktober 1957, Z 12665-2/57, vom Bundesminister für Justiz, kundgemacht im Nachrichtenblatt der Österreichischen Rechtsanwaltschaft, 19. Jahrgang, Heft 5, 1957, S 55 ff., eingeleitet.
Mit dem Erk. vom 1. Juli 1983, V96/82 ua., hat der VfGH festgestellt, daß die in Prüfung gezogene Bestimmung gesetzwidrig war.
III. Der VfGH hat erwogen:
1. Das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH ua. dann verletzt, wenn eine Kollegialbehörde bei der Erlassung eines Bescheides nicht dem Gesetz entsprechend zusammengesetzt ist und der Mangel der unrichtigen Zusammensetzung, falls er bei einer Kollegialbehörde unterer Instanz vorliegt, von der in letzter Instanz zur Entscheidung berufenen Behörde nicht wahrgenommen wird (vgl. VfSlg. 8309/1978).
2. Der Disziplinarrat der Rechtsanwaltskammer für Wien, NÖ und Bgld. war bei der dem erstinstanzlichen Bescheid zugrundeliegenden Beschlußfassung der als gesetzwidrig erkannten Bestimmung der Geschäftsordnung (Punkt II) entsprechend zusammengesetzt. Infolge Bestätigung dieses Bescheides durch die bel. Beh. ist dieser Mangel weiterhin aufrechterhalten und der Bf. hiedurch im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden.
Der angefochtene Bescheid war daher, ohne daß auf das Beschwerdevorbringen eingegangen werden mußte, aufzuheben.
Schlagworte
VfGH / AnlaßfallEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1983:B398.1980Dokumentnummer
JFT_10169070_80B00398_00