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43 WehrrechtNorm
B-VG Art7 Abs1 / VerwaltungsaktBeachte
Anlaßfall zu VfSlg. 9728/1983Leitsatz
Heeresdisziplinargesetz 1956; Verletzung des Gleichheitsrechtes nach Aufhebung des §72 Abs1 Z2 litd idF BGBl. Nr. 369/1975; Art144 Abs1 B-VG; keine Zuständigkeit des VfGH, Haftentschädigung zuzuerkennenSpruch
Die Bf. sind durch die angefochtenen Bescheide im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.
Die Bescheide werden aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Landesverteidigung) ist schuldig, den Bf. zuhanden des Beschwerdevertreters die mit 35640 S bestimmten Verfahrenskosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Der Antrag auf Haftentschädigung wird zurückgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
1.1.1. Mit den im Instanzenzug - unter Beziehung auf §23 Abs3 HDG, BGBl. Nr. 151/1956 - ergangenen Bescheiden des Militärkommandanten von Wien vom 30. März 1982, Z 8783-3170/77/82 und Z 8784-3170/77/82, wurden die Grundwehrdiener und Gefreiten Ch. T und Mag. J B wegen eines Dienstvergehens nach §2 Abs1 HDG gemäß §77 Abs1 iVm. §72 Abs1 Z2 litd HDG zur Strafe des Disziplinararrestes in der Dauer von zwei bzw. drei Tagen verurteilt.
1.2.1. Gegen diese zu 1.1.1. bezeichneten Berufungsbescheide richten sich die vorliegenden - auf Art144 Abs1 B-VG gestützten - gemeinsam ausgeführten Beschwerden der jeweiligen Bescheidadressaten (Christian T und Mag. Josef B) an den VfGH, in denen die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art7 Abs1 B-VG, Art2 StGG), auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter (Art83 Abs2 B-VG), auf Versammlungsfreiheit (Art12 StGG) und auf Pressefreiheit (Art13 StGG) sowie die Verletzung der Art5 und 6 MRK behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung der angefochtenen Bescheide, ferner hilfsweise gemäß Art144 Abs2 (gemeint: Abs3) B-VG die Abtretung der Beschwerden an den VwGH beantragt wird.
1.2.2. Der Militärkommandant von Wien als bel. Beh. erstattete - unter Vorlage der Verwaltungsakten - eine Gegenschrift und begehrte darin die Abweisung der Beschwerden.
2. Aus Anlaß dieser Beschwerden leitete der VfGH gemäß Art140 Abs1 B-VG von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des §72 Abs1 Z2 litd Heeresdisziplinargesetz, BGBl. Nr. 151/1956 idF der Novelle BGBl. Nr. 369/1975, - lautend: "d) der Disziplinararrest bis zu 14 Tagen" - unter dem Aspekt des Art7 Abs1 B-VG ein.
Mit dem Erk. vom 21. Juni 1983, G1/83, wurde diese Norm als verfassungswidrig aufgehoben und bestimmt, daß die Aufhebung mit Ablauf des 31. Mai 1984 in Kraft tritt.
3. Über die Beschwerde wurde erwogen:
3.1. Die Beschwerden sind zulässig.
Es genügt, hiezu auf die im zu Punkt 2. zitierten hg. Erk. vom 21. Juni 1983 zu den Prozeßvoraussetzungen angestellten Überlegungen zu verweisen.
3.2. Gemäß Art140 Abs7 B-VG ist ein vom VfGH aufgehobenes Gesetz im Anlaßfall nicht mehr anzuwenden. Da die hier angefochtenen Bescheide in Anwendung einer als gleichheitswidrig aufgehobenen Gesetzesbestimmung ergingen - und in einer anderen Norm keine Deckung finden -, verletzen sie die beiden Bf. im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (VfSlg. 9148/1981 ua.).
Die Bescheide waren daher aufzuheben.
4. Der Antrag der Bf., ihnen im vorliegenden Beschwerdeverfahren nach Art144 Abs1 B-VG eine Haftentschädigung zuzuerkennen, mußte mangels einer entsprechenden Kompetenz des VfGH als unzulässig zurückgewiesen werden.
5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §88 VerfGG 1953. Im zugesprochenen Kostenbetrag ist Umsatzsteuer in der Höhe von 2640 S enthalten.
Schlagworte
VfGH / Zuständigkeit, VfGH / AnlaßfallEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1983:B270.1982Dokumentnummer
JFT_10168996_82B00270_00