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50 GewerberechtNorm
B-VG Art18 Abs2Leitsatz
Art18 B-VG; GewO 1973; keine Bedenken gegen §69 Abs2; Vermittlertätigkeit des Immobilienmaklers, Kundenschutz; keine Gesetzwidrigkeit einiger Worte in §4 Abs3 der Ausübungsregeln für Immobilienmakler, BGBl. Nr. 323/1978Spruch
Den Anträgen wird keine Folge gegeben.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Das Handelsgericht Wien stellt gemäß Art89 Abs2 B-VG in zwölf bei ihm anhängigen Rechtssachen den Antrag auf Aufhebung der Worte "solche Inserate müssen jedoch erkennen lassen, daß sie von Immobilienmaklern stammen" in §4 Abs3 der V des Bundesministers für Handel, Gewerbe und Industrie vom 16. Juni 1978 über Ausübungsregeln für Immobilienmakler, BGBl. Nr. 323/1978.
Den zwölf Rechtssachen beim Handelsgericht Wien liegen Klagen derselben klagenden Partei, einer das Immobiliengewerbe ausübenden Gesellschaft, gegen verschiedene andere Immobilienmakler zugrunde. In den Klagen wird vorgebracht, die Klägerin stünde mit den jeweiligen beklagten Parteien auf dem Gebiet der Realitätenvermittlung in einem Wettbewerbsverhältnis. Die beklagten Parteien inserierten in Ausübung ihres Gewerbes in Tageszeitungen, ohne daß aus den Inseraten ersichtlich sei, daß die Inserate von einem gewerblichen Vermittler stammten. Dieses Verhalten verstoße gegen die §§1 und 2 UWG und gegen §4 Abs1 Z2 in Zusammenhalt mit Abs3 der V des Bundesministers für Handel, Gewerbe und Industrie, BGBl. Nr. 323/1978. Die Klagebegehren lauten auf Unterlassung der Werbung für die Vermittlung von Wohnungen, wenn dabei nicht auf die Eigenschaft als gewerbsmäßiger Vermittler hingewiesen werde.
2. Der Bundesminister für Handel, Gewerbe und Industrie hat im Verfahren V55/79 in einer Äußerung die Gesetzmäßigkeit der angefochtenen Verordnungsstelle verteidigt und in den übrigen Verfahren auf diese Äußerung verwiesen.
II. Der VfGH hat über die Anträge erwogen:
1. Das antragstellende Gericht führt in den zwölf Anträgen gleichlautend aus, die Frage, ob die beklagten Parteien gegen die Vorschriften der V BGBl. Nr. 323/1978 verstoßen hätten, sei für die Beurteilung der Rechtssache nach §1 UWG relevant. Sie sei aber auch für die Beurteilung der Rechtssache nach §2 UWG relevant. Schreibe nämlich eine Norm den Normadressaten ein bestimmtes Verhalten vor und beachte ein Normadressat dieses Verhalten nicht, so erwecke er den Eindruck, nicht zum Kreis der Normadressaten zu gehören. Dies könne aber eine zur Irreführung geeignete Angabe über geschäftliche Verhältnisse im Sinne des §2 UWG sein. In den Klagen werde geltend gemacht, daß die beklagten Parteien in Zeitungen inserieren, ohne auf ihre Eigenschaft als Realitätenvermittler hinzuweisen. Die behauptete Vorgangsweise der beklagten Parteien bei der Aufgabe von Inseraten sei vom Gericht anhand der bekämpften Verordnungsstelle zu beurteilen.
Da nichts hervorgekommen ist, was gegen diese Annahme des antragstellenden Gerichtes spräche und auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, sind die Anträge zulässig.
2. a) §4 Abs1 Z2 und §4 Abs3 der V des Bundesministers für Handel, Gewerbe und Industrie vom 16. Juni 1978 über Ausübungsregeln für Immobilienmakler, BGBl. Nr. 323/1978, haben folgenden Wortlaut:
"§4. (1) Die Immobilienmaklerverhalten sich im Geschäftsverkehr mit den Auftraggebern insbesondere dann standeswidrig, wenn sie ...
2. Vermittlungen anbieten oder durchführen, ohne - unbeschadet der weitergehenden Bestimmung des Abs2 - auf ihre Eigenschaft als Immobilienmakler, auf die Provisionspflicht des Auftraggebers bei erfolgreicher Vermittlung und auf die Höhe der Provision ausdrücklich hinzuweisen;
(3) Abs1 Z2 und Abs2 sind nicht anzuwenden, wenn es sich um eine Berufstätigkeit in den für den Verkehr mit den Kunden der Immobilienmakler bestimmten Geschäftsräumen oder um Vermittlungen betreffende Inserate in periodischen Druckschriften handelt; solche Inserate müssen jedoch erkennen lassen, daß sie von Immobilienmaklern stammen."
b) Die V BGBl. Nr. 323/1978 stützt sich nach ihrer Präambel auf die §§69 Abs2 und 261 der GewO 1973.
Der Abs2 des unter der Rubrik "Schutzbestimmungen" stehenden §69 hat nachstehenden Wortlaut:
"Der Bundesminister für Handel, Gewerbe und Industrie kann zum Schutz der Kunden vor Vermögensschäden für folgende Gewerbe durch V festlegen, welche Maßnahmen die Gewerbetreibenden bei der Gewerbeausübung hinsichtlich der Einrichtung der Betriebsstätten, hinsichtlich der Waren, die sie erzeugen oderverkaufen oder deren Verkauf sie vermitteln, hinsichtlich der Einrichtungen oder sonstigen Gegenstände, die sie zur Benützung bereithalten, oder hinsichtlich der Dienstleistungen, die sie erbringen, zu treffen haben:
...
Immobilienmakler (§259)
..."
§261 hat die Rubrik "Ausübungsregeln" und lautet wie folgt:
"(1) Der Bundesminister für Handel, Gewerbe und Industrie kann nach Anhörung der zuständigen Gliederung der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft durch V Regeln über die bei der Gewerbeausübung zu beobachtenden Verhaltensweisen (Standesregeln) festlegen; hiebei ist auf die Gewohnheiten und Gebräuche, die in diesem Gewerbe von Personen, die die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes anwenden, eingehalten werden und auf die Anforderungen, die von den die Leistungen dieses Gewerbes in Anspruch nehmenden Personen üblicherweise gestellt werden, Bedacht zu nehmen.
(2) Die V gemäß Abs1 kann zum Gegenstand haben Bestimmungen über
1. die Höchstbeträge der den Immobilienmaklern gebührenden Provisionssätze oder sonstigen Vergütungen,
2. das standesgemäße Verhalten im Geschäftsverkehr mit den Auftraggebern,
3. das standesgemäße Verhalten anderen Berufsangehörigen gegenüber."
3. Das antragstellende Gericht vertritt die Auffassung, daß die bekämpfte V nicht auf §69 Abs2 GewO 1973 gestützt werden kann. Die V enthalte keine Vorschriften über die Einrichtung der Betriebsstätten, keine hinsichtlich der erzeugten, verkauften oder vermittelten Waren, da der Immobilienmakler bei der Wohnungsvermittlung das Zustandekommen eines Mietvertrages und somit nicht den Verkauf einer Ware vermittle, und die V enthalte auch keine Vorschriften über zur Benützung bereitgehaltene Einrichtungen und Gegenstände. Schließlich enthalte auch der letzte Satz des §4 Abs3 der V keine Vorschrift über die von Immobilienmaklern zu erbringenden Dienstleistungen, da die vom Immobilienmakler zu erbringende Leistung in der Vermittlungstätigkeit bestehe, die er zwischen seinem ursprünglichen Auftraggeber und einem Interessenten entfalte. Das Suchen dieses Interessenten sei eine Tätigkeit, die der Makler im eigenen Interesse ausübe; erst dann, wenn er einen Interessenten an der Hand habe, beginne die Vermittlungstätigkeit, die man allenfalls als Dienstleistung bezeichnen könnte. So bleibe als Rechtsgrundlage für die bekämpfte V §261 GewO 1973, welcher mit "Ausübungsregeln" überschrieben sei. Diese Gesetzesstelle determiniere aber den Inhalt der zu erlassenden V nicht. Eine Determination liege weder in dem Hinweis auf die Gewohnheiten und Gebräuche, die in diesem Gewerbe von Personen eingehalten werden, die die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes anwenden, noch in dem Hinweis auf die Anforderungen, die von den die Leistungen dieses Gewerbes in Anspruch nehmenden Personen üblicherweise gestellt werden; in beiden Fällen werde der Inhalt der zu erlassenden V entgegen der Vorschrift des Art18 B-VG nicht durch das Gesetz determiniert. Da die Mehrzahl der Immobilienmakler nicht Kaufleute seien, erscheine der Hinweis auf die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes nicht geeignet, den Inhalt der zu erlassenden
V näher zu determinieren.
Die §§69 Abs2 und 261 GewO 1973 sagten nur darüber etwas aus, welche Zwecke durch die zu erlassenden V verfolgt werden dürfen. Da aber bestimmte Zwecke durch die inhaltlich verschiedensten Maßnahmen erreicht werden könnten, sei die Angabe des Zweckes einer Regelung keine inhaltliche Determinierung dieser Regelung.
4. a) Nach §69 Abs2 GewO 1973 kann der Bundesminister für Handel, Gewerbe und Industrie zum Schutz der Kunden vor Vermögensschäden durch V unter anderem festlegen, welche Maßnahmen die Immobilienmakler hinsichtlich der Dienstleistungen, die sie erbringen, zu treffen haben. Nach den Erläuternden Bemerkungen zu §69 Abs2 (395 Blg NR XIII. GP, S 157) dient diese Bestimmung insbesondere dem Kundenschutz.
Die Aufgabe von Inseraten betreffend Wohnungen, zu denen ein Immobilienmakler einen Vermittlungsauftrag erhalten hat, stellt nach Auffassung des VfGH einen (allenfalls den ersten) Schritt im Rahmen der Vermittlungstätigkeit des Immobilienmaklers dar, welcher iS seines Auftrages der Eruierung allfälliger Interessenten dient. Der Argumentation des Handelsgerichtes Wien, das Suchen von Interessenten sei eine Tätigkeit, die der Makler im eigenen Interesse ausübe, die Vermittlungstätigkeit beginne erst später, kann der VfGH nicht folgen. Denn die Setzung geeigneter Schritte, um Interessenten am Abschluß einer vertraglichen Vereinbarung herauszufinden und mit dem Auftraggeber zusammenzubringen, gehört zum Wesen der Tätigkeit eines Vermittlers. Dies liegt selbstverständlich im Interesse des Auftraggebers, welcher den Vermittlungsauftrag gerade deshalb erteilt hat, um das Suchen und die Kontaktaufnahme mit potentiellen Vertragspartnern nicht selbst durchführen zu müssen. Die Argumentation des Handelsgerichtes Wien geht auch deshalb von einem falschen Ansatzpunkt aus, weil der Zeitpunkt, zu welchem der Vermittler "einen Interessenten an der Hand hat", für den Aspekt des Vorliegens eines eigenen Interesses des Vermittlers ohne Belang ist; schließlich übt der Vermittler seine gesamte Tätigkeit auch im eigenen Interesse zwecks Erlangung einer Provision aus.
Daß die angefochtene Verordnungsstelle dem im §69 Abs2 GewO 1973 statuierten Zweck des Schutzes der Kunden dient (die nicht irregeführt, sondern informiert sein sollen, daß bei bestimmten Anboten auch eine Vermittlungsprovision anfallen würde), wird auch vom antragstellenden Gericht nicht in Zweifel gezogen.
Die angefochtene Verordnungsbestimmung ist somit, weil sie zum Schutz der Kunden vor Vermögensschäden eine Maßnahme hinsichtlich der zu erbringenden Dienstleistungen beinhaltet, nach Ansicht des VfGH schon durch §69 Abs2 GewO 1973 gedeckt.
b) §69 Abs2 GewO 1973 bildet durchaus den von Art18 Abs2 B-VG geforderten materiell-rechtlichen Rahmen für die Erlassung von V und stellt keineswegs eine formalgesetzliche Delegation dar; auch ein Hinweis auf den Zweck, der mit einer Norm verbunden ist, kann ein Element der Determinierung sein.
Zu den vom Handelsgericht Wien aufgezeigten Bedenken; wonach §69 Abs2 GewO 1973 nur eine formalgesetzliche Delegation beinhalte, ist auch auf die ständige Rechtsprechung des VfGH zu verweisen, daß unbestimmte Gesetzesbegriffe iS des Art18 B-VG unbedenklich sind, soweit sie die Prüfung der darauf gegründeten V am Gesetzesinhalt ermöglichen (vgl. VfSlg. 7907/1976, S 253, und die dort angeführte Vorjudikatur). Daß die im §69 Abs2 GewO 1973 für den Verordnungsgeber aufgestellten Kriterien eine derartige Prüfung ermöglichen, zeigen schon die oben unter Punkt a) enthaltenen Erwägungen des VfGH über die Vereinbarkeit der hier bekämpften Verordnungsbestimmungen mit §69 Abs2 GewO 1973. Im übrigen hat der VfGH im Erk. VfSlg. 8646/1979 den §3 der V des Bundesministers für Handel, Gewerbe und Industrie vom 3. Dezember 1976 über Ausübungsvorschriften für das konzessionierte Gewerbe der Kontaktlinsenoptiker, BGBl. Nr. 698/1976, an dem hier durchaus vergleichbaren Begriff "zur Vermeidung einer Gefährdung von Leben oder Gesundheit von Menschen" in §69 Abs1 GewO 1973 gemessen und gegen diese Art der Ermächtigung dabei keine verfassungsrechtlichen Bedenken geäußert.
5. Bei diesem Ergebnis braucht auf die §261 GewO 1973 betreffenden Argumente des antragstellenden Gerichtes nicht mehr eingegangen zu werden.
6. Den Anträgen des Handelsgerichtes Wien ist daher keine Folge zu geben.
Schlagworte
Gewerberecht, Immobilienmakler, Schutzbestimmungen (Gewerberecht)European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1983:V55.1979Dokumentnummer
JFT_10168994_79V00055_00