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10 VerfassungsrechtNorm
B-VG Art144 Abs1 / Befehls- und Zwangsausübung unmittelbLeitsatz
Art144 Abs1 B-VG; das Unterbleiben einer Amtshandlung, nämlich der Entsiegelung und Öffnung von behördlich versperrten Räumlichkeiten, ist kein Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt; die ständige Rechtsprechung zu der einer behördlichen Festnahme nachfolgenden Haftanhaltung ist nicht übertragbar Art144 Abs3 B-VG; Abtretung an den VwGH nur bei ablehnender SachentscheidungSpruch
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Antrag auf Abtretung der Beschwerde an den VwGH wird abgewiesen.
Begründung
Begründung:
1. Andreas St. führt in der vorliegenden, gemäß Art144 Abs1 B-VG beim VfGH erhobenen Beschwerde - sinngemäß zusammengefaßt - aus, die Bundespolizeidirektion Graz habe am 16. Juli 1982 seine Mieträume in Graz, K-Gasse Nr. 16 bzw. D-Gasse Nr. 9 versiegeln und versperren lassen: Nur die Fortdauer dieser (nach §336 Abs1 Z1 GewO 1973 idF BGBl. Nr. 619/1981 verfügten) Sperre über den 16. Juli 1982 hinaus - nicht der in der Versiegelung und Versperrung selbstliegende, in der Beschwerdeschrift (S 3) ausdrücklich als unangefochten bezeichnete Verwaltungsakt - wird mit der eingangs zitierten Beschwerde gemäß Art144 Abs1 B-VG bekämpft, worin der Bf. die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Unversehrtheit des Eigentums (Art5 StGG), auf Gleichheit vor dem Gesetz (Art7 Abs1 B-VG) und auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter (Art83 Abs2 B-VG) behauptet.
2. Damit richtet sich die Beschwerde nach Inhalt und Zielsetzung aber lediglich gegen das Unterbleiben einer Amtshandlung, nämlich der Entsiegelung und Öffnung der in Rede stehenden Räumlichkeiten, das der Rechtsmeinung des Bf. zuwider für sich allein keinesfalls als Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt iS des Art144 Abs1 Satz 2 B-VG idF der Nov. BGBl. Nr. 302/1975 zu qualifizieren ist, der vor dem VfGH anfechtbar wäre. Denn ein solcher Verwaltungsakt ist nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH dann nicht gegeben, wenn die Behörde - wie hier - bloß untätig blieb, weil sie in dieser Beziehung von ihrer Befehls- und Zwangsgewalt gar nicht Gebrauch macht (zB VfSlg. 6470/1971, 9025/1981; VfGH 29. September 1976 B358/76, 3. März 1982 B407/81 und 27. September 1982 B234/82). Die solcherart behauptete rechtswidrige Säumnis der Bundespolizeibehörde kann demgemäß weder nach Art144 Abs1 B-VG noch - wie beizufügen ist - nach einer anderen Rechtsvorschrift beim VfGH bekämpft werden.
Anzumerken bleibt, daß sich die ständige Judikatur des VfGH über die - nach Art144 Abs1 B-VG gegebene - gesonderte Anfechtbarkeit einer behördlichen Festnahme und nachfolgenden Haftanhaltung (vgl. zB VfSlg. 7252/1974, 7829/1976, 8146/1977) auf die hier zu beurteilende Fallkonstellation nicht sinngemäß übertragen und anwenden läßt: Denn war im vorliegenden Fall der behördliche Zwangsakt mit der Versiegelung und Versperrung der Mieträume beendet - der Bf. wendet sich inhaltlich bloß gegen ein anschließendes Untätigbleiben der (die Sperre nicht beseitigenden) Behörde -, dauert der gegen eine Person durch Festnahme geübte Polizeizwang - in Form ununterbrochener, zwangsweiser Behinderung der Bewegungsfreiheit - für die gesamte Dauer der Haftanhaltung unverändert fort.
3. Aus diesen Gründen war die Beschwerde wegen Nichtzuständigkeit des VfGH als unzulässig zurückzuweisen.
Der auf Art144 Abs2 B-VG idF vor dem BVG BGBl. Nr. 350/1981 - gemeint Art144 Abs3 B-VG idF BGBl. Nr. 350/1981 - gestützte Eventualantrag des Bf. auf Beschwerdeabtretung an den VwGH war abzuweisen, weil eine solche Abtretung nur für den - vorliegend nicht zutreffenden - Fall einer ablehnenden Sachentscheidung des VfGH vorgesehen ist, nicht hingegen auch bei Zurückweisung einer unzulässigen Beschwerde (vgl. zB VfGH 30. November 1978 B530/78).
Schlagworte
Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt, VfGH / ZuständigkeitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1983:B441.1982Dokumentnummer
JFT_10168993_82B00441_00